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Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt?: Liebesroman
Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt?: Liebesroman
Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt?: Liebesroman
eBook339 Seiten4 Stunden

Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt?: Liebesroman

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Über dieses E-Book

Lilis Plan vom Glück sieht eine gigantische Märchenhochzeit vor. Warum sie ausgerechnet ihre chaotische Mutter mit der Planung beauftragt, versteht sie hinterher selbst nicht mehr. Schnell reiht sich eine Katastrophe an die andere. Immer wieder raufen sich die unterschiedlichen Gemüter zusammen, um Lilis Traum zu verwirklichen. Dann eskaliert die Situation. Droht die Hochzeit zu platzen?

Mutter-Tochter-Geschichte als flotte Strandlektüre … Der Roman-Mutter Ada vergeht allerdings erstmal das Lachen, als sie merkt, wie wichtig ihrer Tochter Lili die perfekte Traumhochzeit ist. Beide lernen dann im Laufe der eingängig und unterhaltsam erzählten Geschichte dazu, die als leichte, schnelle Strandlektüre geeignet ist. (WAZ)

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum8. Juli 2019
ISBN9783736877672
Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt?: Liebesroman

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    Buchvorschau

    Lili heiratet oder Warum habe ich nicht NEIN gesagt? - Pia Baum

    Lili heiratet

    Inhaltsverzeichnis

    1 Traum

    2 Realität

    3 Wahnsinn

    4 Problemzonen

    5 Chaos

    6 Feiertag

    7 Fragen

    8 Antworten

    Lili heiratet

    oder

    Warum habe ich nicht NEIN gesagt?

    Ein Roman von Pia Baum

    Die Leute sind komplett verrückt!

    Das Leben ist doch dermaßen großartig!

    ZAZ alias Isabelle Geffroy

    Für ULK.

    Ohne euch hätte es diesen Roman nie gegeben.

    Danke!

    Februar 2015

    Personen und Handlung in diesem Buch sind frei erfunden; jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt. Das Ruhrgebiet dient als Kulisse, wobei ich mir die künstlerische Freiheit genommen habe, die örtlichen Gegebenheiten bisweilen anzupassen.

    1 Traum

    1 Traum

    Wo blieb die passende, dramatische Musik? Für einen Moment unachtsam, und schon versank ich im Schlamassel. Auf nichts war Verlass! Dabei verlangte ich doch wohl nicht zu viel, nur einen dezenten Hinweis. Es mussten ja nicht immer Pauken und Trompeten sein. Obwohl ich ein lautstarkes Gewitter begrüßt hätte, so mit Blitz und Donner. Oder zumindest ein Glöckchen, das in meinem Inneren nervös vor sich hinbimmelte und mich alarmierte: ‘Achtung, Ada! Jetzt! Pass auf! Sei wachsam! Obacht!‘ Sowas in der Art halt, das wäre doch okay.

    Aber nein, nichts tat sich, gar nichts, als Lili schniefend und betrübt in meiner Küche saß und mir wortreich ihr Leid klagte. Dass ihr Freund Tom das fünf-monatige Jubiläum so schmählich missachtet hatte, als er ihr nur fünf lächerliche langstielige Rosen zusammen mit dem Frühstück im Bett kredenzte. Auch noch weiße Rosen! Lili schluchzte, und ich kapierte gar nichts.

    Ich fragte mich nur: Wo war das Problem? Nicht dass ich mich traute, das laut auszusprechen! Bei Zwanzigjährigen lag eines der unzähligen Fettnäpfchen stets in unmittelbarer Nähe. Dann folgte immer und unweigerlich ein entrüstetes »Boah, Mama!«, und zwar im aggressivsten Tonfall. Also blieb ich still und dachte: ›Fünf Monate zusammen, das muss man feiern? Frühstück im Bett reicht nicht, fünf langstielige Rosen auch nicht, erst recht keine weißen? Interessant!‹

    Frühstück im Bett. Schon verlor ich mich in Gedanken, während Lili weiter jammerte und zunehmend wütender wurde. Sie lieferte den ganzen Sermon in schwindelerregender Geschwindigkeit ab. Seit Jahren schien es ihr egal, ob ich ihr folgen konnte. Nur wissen musste ich hinterher jedes einzelne Detail.

    Ich muss wohl gelächelt haben, als ich an den heutigen Guten-Morgen-Sex mit Willy dachte, jedenfalls klagte Lili sogleich. »Mama! Hörst du mir überhaupt zu? Jetzt sag doch mal was!« Ich entrüstete mich, wurde aber rot und schwieg. Lili zeigte sich stets peinlich berührt, wenn ich von Sex sprach, der im Alter ohnehin seltener vorkam. Vor allem der wundervolle Überraschungssex reduzierte sich ab fünfzig erschreckend deutlich. Dabei bemühten Willy und ich uns eifrig, die weltweite Rate hochzutreiben. Willy, mein derzeitiger Lebensgefährte, nicht Lilis Vater.

    Uli und ich, wir trennten uns nach zehn Jahren in beiderseitigem Einvernehmen, so lautete die Formulierung. Einträchtig akzeptierten wir, unser Seelenheil besser in voneinander abweichenden Wegen zu suchen. Das einzig verbindende Element bildete fortan Lili. Die verbrachte bis zum Abitur jeweils zwei Wochen wechselweise bei einem von uns, was wir mit nebeneinanderliegenden Wohnungen ohne Probleme bewerkstelligten. Voller Freude konnte ich verkünden: Unser Kind war trotzdem gut geraten. Ich war so stolz auf sie. Meistens.

    Ich richtete meine geballte Aufmerksamkeit auf die betrübte Lili. Sie zeterte gerade über Toms schrecklichen Nebenjob als Kurierdienstfahrer. Gestern war er erst nachts wieder heimgekommen nach drei Tagen Abwesenheit. Eine Schande sei es, völlig unzumutbar. Wo sie doch unter der Woche immer so viel arbeiten musste. Büro und Uni. Lilis ewige Litanei. Im Wohnzimmer erzählte Willy derweil seinen Lieblingswitz, den kürzesten aller Zeiten: »Gehen zwei Journalisten an der Kneipe vorbei! Ha, ha!«

    Ich musste unweigerlich grinsen. Da wir selbst dieser Berufsgruppe angehörten, war mir zwar klar, wie oft wir dieser böswilligen Unterstellung nicht entsprachen. Dennoch schmunzelte ich, denn vor meinem inneren Auge liefen automatisch zigtausend Szenen ab, in denen wir unermüdlich für den Wahrheitsgehalt der dreisten Behauptung agierten. Parallel zu diesen Erinnerungen an unsere tapferen Momente versuchte ich, die Schwarzwälderkirschtorte aus dem Kühlschrank zu heben und die Kaffeemühle mental zu beschwören, doch bitte, bitte, ihren Dienst wieder aufzunehmen. Was wundersamerweise funktionierte. Der überraschend einsetzende Lärm brachte mich allerdings dermaßen aus dem Konzept, dass ich viel zu hektisch den Kuchen absetzte. Die auf der Packung so liebreizend ausschauende Torte nahm auf dem Teller ein jämmerliches Aussehen an. Was Lili prompt mit einem tadelnden »Ach, Mama!« kommentierte, bei dem sich fatal Arroganz mit Mitleid paarte. Mir fiel kein anderer Ausweg aus dieser verfahrenen Situation ein, als zu lachen. Böser Fehler!

    Lili hasste es, wenn ich unverfroren meine Fehler akzeptierte. Aber wie sollte ich denn sonst reagieren? Mich einigeln, tunlichst nichts tun? Ich musste schließlich tagtäglich damit leben, dass nahezu alles, was ich anpackte, in einer kleinen oder eben auch größeren Katastrophe endete.

    »Schief ist modern!«, versuchte ich die linkslastige Sahnetorte verbal zu verschönern, während ich die herabgerutschten Kirschen mal in den Mund, mal wieder zurück auf den Kuchen schob. Aussehen war doch letztlich nicht alles, oder? Diese Torte schmeckte gut, das wusste ich hundertprozentig. Zig Mal schon hatten wir sie freudestrahlend aus der Tiefkühltruhe herausgehoben. Und Lili konnte mir gestohlen bleiben mit ihrem ewigen ‘Das Auge isst mit!‹!

    Lili schien sich inzwischen zum Glück beruhigt zu haben. Ihr Tonfall änderte sich, während ich das herrlich vor sich hinduftende Kaffeemehl in die Cafetiere zu löffeln begann. Das erforderte stets meine gesamte Konzentration, weshalb ich für das Folgende völlig entschuldigt war, ehrlich! Hände beschäftigt, Nase gefüllt mit verlockenden Dämpfen, da konnte ich ein aufmerksames Ohr einfach nicht mehr erübrigen. Nicht vollständig zumindest. Erst im Zeitlupen-Nachklapp tröpfelten die überraschenden Informationen in mein überfordertes Hirn: »In vier Jahren heiraten wir! Bevor ich fünfundzwanzig bin. Im Mai. Und du sollst mein Wedding Planner sein! Das machst du doch, oder Mama? Das wünsch ich mir schon immer!«

    Genau in diesem Moment fragte Willy, ob der Kaffee bald fertig war, denn Tom musste gleich weg zur Bandprobe. Ich konnte also wirklich nichts dafür, wenn ich Ja sagte und Lili das falsch verstand! Die aber sprang inzwischen auf das fatale Stichwort an: Band! Unverzüglich griff sie ihre unterbrochene Tirade wieder auf, wie selten Tom daheim war, ständig unterwegs, mal Uni, mal Kurierdienst, mal Band. »Ich komm immer zu kurz!«

    Das mochte ich so nicht auf Tom sitzen lassen, also spendete ich mütterlichen Trost, wohlweislich darauf achtend, nicht herablassend zu klingen. Ich erinnerte sie daran, dass einzig durch Toms Band TWISTER ihr jetziges Liebesglück zustande gekommen war. An meinem inzwischen legendären fünfzigsten Geburtstag, den Willy auf so unglaubliche Weise für mich auf die Beine stellte. Lili sollte somit dankbar sein, in Tom einen so lieben Freund und begnadeten Kontrabassisten zu haben. Gerechtigkeit musste sein, da konnte Lili noch so böse gucken!

    »Machst du mal bitte die Kerzen an?«, versuchte ich sie abzulenken und beobachtete mit Amüsement, wie Lili die blutroten Tafelkerzen auf dem fünfarmigen Leuchter entzündete. Anschließend hielt sie das Streichholz ehrfurchtsvoll in der Hand und betrachtete mit sorgenvoll gerunzelter Stirn den weiteren Verlauf seines Absterbens. Ihre Miene hellte sich schlagartig auf, als sich das Holz wie gewünscht nach unten verdrehte.

    »Er liebt mich!«, flüsterte sie vernehmlich. Kinderkram, den Lili schon vor zehn Jahren zelebrierte. Als stellte das verkohlte Holzstück wirklich ein solches Omen dar. Meine Gedanken verselbständigten sich hin zu dem Moment, als ich genau das Gleiche über Willy dachte. ‘Er liebt mich.‘ Die sensationelle Überraschungsparty letztes Jahr bewies das eindringlich. Auf der Stelle verlor die zuvor als so böse empfundene Fünfzig ihren Schrecken. Seitdem empfand ich dagegen Stolz, sobald mein Wiegenfest sich erneut jährte. Ein tolles Gefühl, in dem ich gerade gemeinsam mit Lili schwelgen wollte, doch das war mir heute offensichtlich nicht vergönnt. Stattdessen berief sich Lili überdeutlich auf das vermeintliche Recht der Jugend, ohne erkennbare Verknüpfung von einem Thema zum nächsten zu hüpfen. So brabbelte sie bereits ausführlich und mit erschreckenden Einzelheiten über ihr zukünftiges Leben.

    »Das erste Kind, das nennen wir Felix oder Feline, je nachdem. Schließlich ist doch jedes Kind glücklich zu nennen, das Tom und mich als Eltern hat. Und dann noch so junge Eltern. Spätestens mit dreißig. Das wird toll!«

    Mir rutschte prompt das scharfe Tortenmesser aus der Hand. Kein Blut, Glück gehabt. Der so unverhoffte Einblick in Lilis Lebensentwurf überforderte mich. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals einen dermaßen ausgefeilten Plan vom Glück besessen zu haben, weder mit zwanzig noch jemals danach!

    Während ich noch unter Schock stand, tippte Lili in atemberaubender Geschwindigkeit auf ihrem Handy herum und verkündete dann triumphierend: »Der Abend ist gerettet! Ich gehe gleich zu Katja, wir wollten schon ewig zusammen weg. Jetzt hab ich ja Zeit!«

    Als Mutter einer Zwanzigjährigen gehörte es zu den niedrigsten Anforderungen, ein immenses Maß an Flexibilität an den Tag zu legen. Lilis beleidigt vorgeschobene Unterlippe verlieh ihrem Gesicht einen unangenehmen Charakter. Doch wenn sie meinte, in Rachegelüsten schwelgen zu müssen, ließ ich sie gerne in ihrem Irrglauben.

    Das war gelogen, von gerne konnte gar keine Rede sein. Dennoch war ich erleichtert, dass Lili jetzt lieber feiern gehen wollte, statt sich von Toms Abwesenheit deprimieren zu lassen. Ehrlicherweise musste ich mir aber eingestehen, dass ich bei Lilis absurd hohem Tempo nicht mehr mitkam. Bei aller Liebe und Verständnis, mir fehlte eine Signalschaltung, die mir anzeigte: Das eine meinte sie ernst, das andere war romantisch-verklärter Wahn. Nach nur fünf Monaten Zusammensein bereits von Heiraten sprechen zu wollen, fiel eindeutig unter die Kategorie ›Das kannst du getrost vergessen, Ada!‹

    Genau deshalb verlor ich mich nicht in tiefsinnigen Gedanken, Ja gesagt zu haben zu Lilis ‘Herzenswunsch‘. Sie mochte mich vorhin im Brustton der Überzeugung gefragt haben, aber ob ich wirklich in vier Jahren ihre Hochzeit organisieren würde, das wagte ich zu bezweifeln. Schließlich war Lili noch ein Kind, und die unterlagen erfahrungsgemäß unzähligen Launen. In vier Jahren, da konnte noch viel geschehen. Vielleicht heiratete Lili tatsächlich vor ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, doch ob dann Tom an ihrer Seite stand, war mehr als ungewiss. Und das Schicksal gab auch keinen Mucks von sich, um mich zu warnen. Ehrlich!

    2 Realität

    2 Realität

    Obwohl ich als Journalistin ständig über die absurdesten Untersuchungen zu berichten hatte, war mir keine Einzige darüber bekannt, wie oft jeder Mensch sein Schicksal verfluchte. Schätzungsweise ein Mal im Jahr haderte doch wohl jeder mit gewissen Ungereimtheiten und diversen bösen Überraschungen im Leben. Da erfahrungsgemäß die einzelnen Tage von den jeweiligen Anforderungen geprägt werden, neigt unser menschliches Gedächtnis dazu, eine Unmenge an überflüssigen Informationen schlichtweg zu löschen. So zumindest erging es mir regelmäßig, allerdings verselbständigte sich dieser Löschvorgang dermaßen, dass auch Wichtiges schlicht und ergreifend nicht mehr abrufbar war. Deshalb kam Lilis Hellsichtigkeit knapp drei Jahre später für mich völlig überraschend.

    »Natürlich sagen wir noch tschüss, bevor wir fahren!« Vorwurf klang unüberhörbar in Lilis Stimme mit. Obwohl wir nicht per Facetime telefonierten, sah ich sie lächelnd, aber deutlich missbilligend den Kopf schütteln. »Mama! Ich verabschiede mich doch immer von dir, vor jedem Urlaub!«

    Beruhigt wandte ich mich wieder meiner Arbeit zu, vergaß bald den kurzen Anruf, der Schreibtisch forderte meine geballte Aufmerksamkeit. Die Tischplatte ächzte unter der Last der vielen Zettel und schrie nach einer ordnenden Hand, die ich aber zurzeit leider nicht erübrigen konnte. Anfang des Jahres musste ich das Konzept vorlegen, erst danach entschied sich, ob ich den begehrten Auftrag für das wegweisende Buch Kultur-Paradies Metropole Ruhr bekam.

    Die Vorräte an buntfarbigen Post-its gingen zur Neige. Sie hingen verteilt auf unzähligen DIN-A4- und DIN-A5-Blättern. Wie sollte ich aus diesem Wust an Papier nur jemals so etwas wie eine Inhaltsübersicht herausarbeiten? Ich haderte mit mir, schimpfte mich aus. Was für eine absurde Vorstellung, statt für die maßgebliche Ruhrgebiets-Tageszeitung zu schreiben, nun unter die Schriftsteller gehen zu wollen. Journalismus beherrschte ich. Kleine, überschaubare Texte, damit kannte ich mich aus. Aber ein ganzes Buch? So schlecht ging es mir als Freie bei der Zeitung doch gar nicht. Vor die Entscheidung gestellt, Besonnenheit oder Spontaneität, wählte ich immer das gleiche Desaster.

    Willy! Willy war schuld! Er riet mir, die Herausforderung anzunehmen, die telefonische Anfrage als Kompliment zu werten, dabei war mein erster Impuls: ›Das schaff ich nie und nimmer! Nein, danke! Bloß nicht!‹ Nur weil er ein Aufsehen erregendes Buch nach dem anderen verfasste, wenn auch nur von Insidern hochgeschätzt, musste mir das doch nicht auch gelingen! Wie konnte er mich nur dazu überreden?

    Schlussendlich sicherte ich den Herren der Kulturstiftung mit klammem Herzen zu, ein Konzept zu erstellen, doch seitdem wusste ich nicht mehr ein noch aus. Seit Monaten befuhr ich das Ruhrgebiet, ging dort ins Theater, besuchte da ein Konzert, trieb mich auf Festivals herum, machte Notizen über Notizen. Und wozu das Ganze? Um jetzt am überfüllten Schreibtisch meiner unausweichlichen Niederlage ins Gesicht zu blicken. Ada Sandler, einst nahezu furchtlos ins Abenteuer eingestiegen, nunmehr bravourös gescheitert.

    Es klingelte, fast wäre ich freudig aufgesprungen, glücklich über die willkommene Unterbrechung. Dann fiel mir ein: Willys Job. Sein großherziger Akt zur Unterstützung meines Buch-Projekts: Er kümmerte sich um alles, auch um den Haushalt, nur damit ich arbeiten konnte. Wie blöd! Zu gerne hätte ich mich vom Schreibtisch entfernt. Ich seufzte und griff mäßig ambitioniert zum erstbesten Zettel: Was stand da? Intensiv grübelte ich, was ich auf dem alten Kassenbon wohl notiert haben könnte. Mutig näherte ich mich der vagen Vermutung, dass die wackelige Schrift eventuell »Ambiente« bedeutete. Aber wo? Mülheim? Duisburg? Bochum? Der winzige Wisch landete auf dem anwachsenden Haufen der unidentifizierbaren Notizen. Das gestaltete sich mittlerweile sehr frustrierend.

    »Mama, wir sind da!« Lili stürmte in mein Arbeitszimmer, im Hintergrund hörte ich Willy protestieren. »Nein, Lili, deine Mama arbeitet!« Natürlich vergebliche Liebesmüh. In den vergangenen dreiundzwanzig Jahren hatte noch niemand meine Lili aufhalten können.

    Schon halb im Aufstehen begriffen, fand ich mich in einer stürmischen Umarmung einer vor Aufregung fast platzenden Lili wieder. In wenigen Stunden schon schifften sie sich ein, und dann ging es ab für ganze acht Tage auf hoher See. Mittelmeer! Und das zu Silvester. Lilis Begeisterung riss auch mich mit. So strahlten wir uns beide um die Wette an. Ich fragte nach Koffern, sie zählte ihre beliebtesten Kleider auf, benötigte alle Finger beider Hände um die unbedingt mitzunehmenden Schuhe zusammenzubekommen. Dann forderte sie einen Hinweis zum Kapitäns-Dinner, was mich panisch werden ließ.

    »Abendgarderobe? Tom im Smoking?« Meine Stimme brach vor Entsetzen. Wie konnten sich die beiden so etwas Steifes nur freiwillig antun? Plötzlich stockte Lilis Redeflut. Ohne ersichtlichen Grund wurde sie ernst. Legte den blond beschopften Kopf schräg, klimperte verlegen mit den getuschten Wimpern.

    »Mama, ich glaub, jetzt ist es so weit!« Lili ließ eine bedeutungsschwere Pause folgen. Mein unwissender Blick nötigte ihr einen betrübten Seufzer ab.

    »Na, überleg doch mal! Kreuzfahrt. Romantik. Silvester …«, wieder fühlte ich mich von ihrem stieren Blick unter Druck gesetzt. ›Was denn?‹, wollte ich am liebsten rufen, aber Lilis Ungeduld brach sich schon Bahn.

    »Ich glaube, an Silvester wird Tom mich fragen!«

    Lili errötete, ich schluckte.

    »Ehrlich?«, krächzte ich. Nein, ich wollte es nicht glauben. Rechnete Lili ernsthaft damit, dass Tom ihr einen Heiratsantrag machte?

    Stunden später, als die beiden nach unzähligen Ermahnungen, genügend Fotos zu machen, auf sich aufzupassen und was an elterlichen Ratschlägen sonst noch unerlässlich war, nach diversen Umarmungen, dem verschämt überreichten Urlaubstaschengeld, das wort- und gestenreich zunächst zurückgewiesen, im Endeffekt dann doch dankend angenommen wurde, hasteten die beiden aus der Tür heraus. Im Treppenhaus, bereits auf dem nächsten Absatz, drehte sich Lili dann unvermittelt um, ließ Tom alleine weiterziehen, hob bedeutsam ihre linke Hand und verwies auf ihren unberingten Ringfinger. Optimistisch und vehement nickend fixierte sie mich. Als ich skeptisch eine Augenbraue hob, streckte sie mir beide Hände mit nach oben gerichtetem Daumen entgegen. »Du wirst schon sehen!«, flüsterte sie nur für mich vernehmlich, dann entschwand sie meinen Blicken.

    Als ich Willy davon erzählte, lachte er nur. Lili und Tom heiraten? Undenkbar! Dafür stritten die beiden sich in den zurückliegenden drei Jahren zu oft. Lili stöhnte über Toms ständige Abwesenheiten, über seine Unfähigkeit, im gemeinsamen Haushalt mitzuwirken, seine Verschrobenheit, sobald er in seinen hoch intellektuellen Themen versank. Das tat sie gerne und regelmäßig, selbst wenn er neben ihr saß. Dagegen holte sich Tom häufig – auch hinter Lilis Rücken – bei uns Unterstützung, wenn Lili ihn mit ihren ewigen To-do-Listen die Luft abzudrehen versuchte.

    Lachend hielten Willy und ich uns aneinander fest. »Arme Lili!«, ich meinte es ehrlich, »das wird eine bittere Kreuzfahrt werden!« Sie besaß mein volles Mitgefühl.

    ***

    Fünf Tage später, die Silvesterkracher knallten noch überall, starrte ich ungläubig auf das Display meines Handys und schüttelte den Kopf. »Lili«, flüsterte ich, meine Stimme versagte, Willy stierte mich ängstlich an. »Ist was passiert?«

    »Verlobt!«, las ich ihm Lilis Silvester-Gruß vor. »Dazu noch der Smiley mit den Herzaugen!« Hilfesuchend blickte ich ihn an.

    »Verlobt!«, keuchte ich erneut, dann kippte ich den restlichen Champagner in meine trockene Kehle. Am liebsten würde ich Lili ja jetzt anrufen, doch sie hatte mir strengstens verboten, Kontakt zu ihr aufzunehmen, solange sie auf See war. Zu ungewiss waren ihr die Kosten, die ich ihr damit zumutete, und so blieb ich allein mit meinen wirren Gedanken.

    Was für ein verrückter Start ins Jahr zweitausendvierzehn. Lili verlobt! Erst mit deutlicher Verspätung registrierte ich überrascht, dass ich lachte, während mir die Tränen über das Gesicht liefen. Solche extremen emotionalen Verwirrungen kannte ich von mir nicht. Heulen ja, lachen auch, aber bitte doch nicht gleichzeitig! Bei dem Versuch, das leere Sektglas auf dem Tisch zu postieren, verfehlte ich prompt die sichere Platte, allerdings nur um Haaresbreite. Ich seufzte, während ich die glückbringenden Glasscherben zusammenkehrte. Alles blieb also beim Alten. Die Halbwertzeit eines teuren Glases erreichte bei mir selten die Monatszählung. Willys Weihnachtsgeschenk von letzter Woche bestand somit nur noch aus drei statt sechs Gläsern, und ich war und blieb ein Tölpel. Alles wie gehabt. Bis auf eines: Lili und Tom waren nun verlobt! Unfassbar!

    ***

    »Auf euch!« Feierlich, aber vorsichtig, stießen wir die Sektgläser aneinander. Ein schönes Bild. Jeder von uns hielt ein anderes, äußerst erlesenes Exemplar in der Hand. Fein geschliffen, mal ein Kelch, mal eine Flöte, aber leider immer nur eines von ehemals sechs. Erschütterndes Ergebnis diverser Anlässe, bei denen ich penetrant das gläserne Material überschätzte. Dies jedoch waren endgültig unsere letzten vier Sektgläser, ich tippte dementsprechend behutsam und nur ganz leicht gegen Lilis hauchdünne Schale. Augen weit aufgerissen. Jede von uns wusste: Wer sich beim Zuprosten nicht in die Augen blickte, wurde mit schlechtem Sex für die folgenden sieben Jahre bestraft. Das Risiko ging keine von uns ein. Aufatmend tranken wir nach erfolgreich beäugter Runde den edlen Champagner. Wir konnten den nächsten erquicklichen Jahren optimistisch entgegensehen.

    Feierlich überreichte uns Lili ein viereckiges Geschenk. Wie lieb von ihr. Ein Foto von den beiden auf dem Kreuzfahrtschiff. Sie lehnten an der weißen Reling im prallen Sonnenschein des Mittelmeers und präsentierten das glücklichste Lächeln, das ich jemals erblickte. Ein extrem breiter goldener Metallrahmen hielt diesen einzigartigen Moment für immer fest.

    »Extra vom Fotografen, kein blödes, billiges Selfie. Das ist gleich am nächsten Morgen aufgenommen worden.« Lili plapperte ganz aufgeregt und gestikulierte ungewohnt wild herum. »Ich dachte, ihr hängt es hier auf.« Zielsicher steuerte sie die letzte weiße Wand an, gleich gegenüber der Wohnungstür. »Dann könnt ihr es sofort sehen, wenn ihr reinkommt.«

    Eigentlich wollte ich da einen bodenlangen Spiegel installieren, doch Willy meuterte bislang erfolgreich. Argumentierte mit meiner Schusseligkeit und weigerte sich strikt, meinem Wunsch nachzukommen. Dabei bringen Scherben doch Glück, dachte ich. Zumindest sagte Willy das immer bei den zerbrochenen Gläsern. Ob ich allerdings jeden Tag beim Nachhausekommen Lili und Tom auf dem Schiff angucken wollte, bezweifelte ich. Zum Glück fand Willy just in dem Moment den passenden Song für den Abend. Zur Feier des Tages ließ er die Beatles erklingen: In Endlosschleife tönte es durch die ganze Wohnung: ‘Love, love, love!‘ Die Stimmung war glänzend. Apropos glänzend.

    »Zeig doch mal den Ring!«, forderte ich Lili auf.

    Das war’s! Als hätte ich mit einem Vorschlaghammer wild um mich gehauen, kehrte abrupt Ruhe ein in das zuvor so lustige Treiben. Selbst die Beatles ließen mich schmählich im Stich. Einen winzigen Moment herrschte beklemmende Stille, dann dröhnte die feierliche Bläserintroduktion wieder erfrischend durch das alte Gemäuer und Lili giftete los.

    »Siehst du? Ich hab dir doch gesagt, Ring ist Pflicht!«

    Mit hoch erhobenem Näschen reckte sich Lili zu ihrer vollen Größe, blickte triumphal und verächtlich auf ihren Verlobten und sendete mir ein dankbares Nicken. »Du kannst von Glück sagen, dass ich trotzdem Ja gesagt habe!« Bevor ich kapierte, was sie meinte, schob Lili versöhnlich hinterher: »Aber du kannst ihn nachreichen! Ich will mal nicht so sein.«

    Toms verzweifelte Miene ließ fast so etwas wie Mitleid in mir aufkommen, in der Sache aber gab ich Lili Recht: Ring musste sein. Überraschenderweise war es nun Willy, der sich dozierend zu Wort meldete. »Hollywood-Mist!«, lautete sein rigides Urteil, dann folgte eine langatmige Erklärung, in welchen Kulturen der Verlobungsring verankert war, wie formvollendet er überreicht werden sollte, wofür er stand. Zum Schluss schmollte Lili: »Wenn du so weitermachst, bist du nicht mehr mein liebster Ziehvater!«, sie sackte in sich zusammen. »Wann heiratet ihr denn jetzt endlich?«

    ›Geht das schon wieder los!‹, war mein erster Gedanke, da rettete mich Willy. Wie so oft.

    »Kein Geld für eine Scheidung!« Ich konnte ihn knutschen, meinen liebsten Willy, mich erneut unsterblich in ihn verlieben, allein für diesen Satz. Wir waren uns einig, und das schon immer: Geheiratet wird nicht. Auf dem Weg zur festlich geschmückten Verlobungsfeiertafel in der Küche raunte mir Willy zu: »Dass die beiden heiraten, das glaub ich erst, wenn der Standesbeamte das bestätigt!«

    Willys Zweifel wirkte auf mich seltsam befremdlich. Warum sollten Lili und Tom nicht heiraten? Mit welchem Überschwang die Frisch-Verlobten von Toms Antrag und Lilis tränenreichem Ja erzählten, ihre übermäßig zufriedenen Gesichter, die ständigen Liebkosungen. Das alles bewies: Lili war glücklich. Das war doch die Hauptsache. Vor der Verlobung, keine Frage, da schien auch mir eine Eheschließung reichlich suspekt, aber jetzt, nach dieser romantischen Kreuzfahrt-Verlobung? Jetzt standen doch alle Zeichen gut und verwiesen auf ein Happy End.

    »Willy, was gibt es denn heute Leckeres?«

    »Lass dich überraschen!«, tönte es im Singsang aus der Küche zurück. Lili schwenkte hastig zu mir.

    »Er macht doch hoffentlich meine Lieblingsvorspeise, oder? Es geht doch nichts über Willys gefüllte Datteln im Speckmantel! Ich hab extra seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Stell dir vor, auf der Kreuzfahrt gab es die nie! Dabei gehört das doch wohl zum Standard bei diesen internationalen Speisen. Aber da gab es sowieso nur jeden Tag das Gleiche!«

    Und schon driftete mein Töchterchen in die Sphären einer alles bemängelnden deutschen Touristin ab. »In Schichten mussten wir essen! Wie in einer Kaserne oder in einem Gefängnis! Und dann war alles total langweilig und lieblos angerichtet. Und gewürzt sowieso nicht! Und das mussten wir acht Tage lang ertragen, kannst du dir das vorstellen?«

    Die Frage erwischte mich völlig unvorbereitet. Beim besten Willen konnte ich keine Erinnerung heraufbeschwören, dass ich jemals das Verlangen an den Tag gelegt hatte, mich wohin auch immer einzuschiffen. Warum sollte ich auch? Ich hasste ja schon Hotelkomplexe der üblichen Touristenbranche. Warum sollte ich mir den Stress antun, mit mir völlig unbekannten Leuten mehrere Tage am Stück auf einem Schiff festzusitzen? Ohne Möglichkeit zur Flucht. Und kostete darüber hinaus eine ganze Stange Geld. Warum also?

    Doch Lili schien gar nicht mehr an einer Antwort interessiert. Sie ergriff überraschenderweise Toms linke Hand und drückte einen dicken Schmatzer auf seinen beringten Finger.

    »Seit wann trägst du denn einen Ring?«, fragte ich. Tom zierte sich und errötete.

    »Den habe ich ihm geschenkt!«, antwortete Lili. »Es gab ja zig Juweliere auf dem Schiff.« Sie legte eine bedeutsame Pause ein. »Aber gegeben habe ich ihm den Ring erst, als wir schon im Flieger zurück saßen.«

    Autsch! Der Hieb saß und tat selbst mir weh. Doch Lili schien das nicht weiter zu bekümmern.

    »Aber ich sag dir, Mama, es hat sich alles gelohnt! Toms Antrag war so schön, dafür würde ich noch länger mit diesen langweiligen und dummen Leuten zusammenhocken, noch viel länger als diese acht Tage.« Jetzt senkte sie verschämt den Kopf, errötete sogar. Wurde Lili krank?

    »Ich liebe dich Tom! Dein Antrag war wirklich perfekt! Schöner hätte ich mir das nicht ausmalen können!« Sie küsste ihn zärtlich. »Bis auf den Ring natürlich, den schuldest du mir noch.«

    Tom gab

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