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DIE HERZIGEN: Ein psychologischer Krimi
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eBook124 Seiten1 Stunde

DIE HERZIGEN: Ein psychologischer Krimi

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Über dieses E-Book

Es gibt sie immer und überall. Die, die schon als Kind gerne Geheimnisse gehabt haben. Die, denen man immer "Du bist ein Schatz" sagt. Die, die der Fels in der Brandung sind. Die, die so gut zuhören. Diese Herzigen. Wie passen dann eine tote Schwiegermutter, ein toter Bully und ein toter Lebensgefährte in das Bild? Die Antwort in einem Krimi aus ihrer Perspektive – die der Herzigen natürlich.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Jan. 2017
ISBN9783738098808
DIE HERZIGEN: Ein psychologischer Krimi

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    Buchvorschau

    DIE HERZIGEN - Tony Bard

    Elisabeth

    „Ich leide mit Euch," schloss die Stimme auf der Mailbox ihren Monolog ab.

    „Ich weiß, dachte sich Elisabeth beim Abhören der Nachricht ihrer Schwiegermutter. „Die Notfallsmutter, die dann aufblüht, wenn es ihren Kindern schlecht geht.

    Die mit der Sehnsucht nach Katastrophen. Immer auf der Suche nach etwas, worüber sie sich aufregen kann. Die, die sich wie eine Cousine der Hausstaubmilbe, nicht von Staub, sondern vom Unglück der anderen ernährt. Die, der man brav „Mißgeschickshäppchen" apportieren muss. Das brave Kind strebt danach, dass es ihm nie zu gut geht. Denn nur wenn es irgendwo ziept und knackt im Leben, kann es der Mutter liefern, was die sich wirklich wünscht: Dem/der geht es auch nicht besser als mir. Dem/der muss ich helfen.

    Überhaupt: diese dauernde Telefoniererei nervte Elisabeth. Vor einem Treffen wurde telefoniert. Nach dem Treffen wurde telefoniert, um das Treffen nach zu besprechen. Wer was gesagt hatte. Wer was nicht gesagt hatte. Wer wie geschaut hatte. Wie alles zu interpretieren war. Ein Telefonat war auch Elisabeths erster Eindruck ihrer zukünftigen Schwiegermutter gewesen. Damals hatte sie ihren Freund und jetzigen Mann zu einem Abendessen bei einem seiner Freunde begleitet. Als dieser für Elisabeth, ihren Freund und dessen Schwestern die Tür öffnete, begrüßte er die Geschwister mit den Worten „Eure Mutter hat gerade angerufen. Ihr habt den Geschirrspüler nicht ausgeräumt. Lustig, hatte sich Elisabeth damals gedacht und bemerkenswert, dass die Geschwister, die Mitte 20 waren, gar nicht peinlich berührt wirkten. So als wären sie an eine solche „Nachtelefoniererei ihrer Mutter, um sich zu beschweren („Ihr geht weg, um euch zu amüsieren und lässt mich mit dem vollen Geschirrspüler alleine zurück, ihr schlechten Kinder ihr…"), gewohnt.

    Im Grunde genommen war in diesem Anruf schon alles enthalten, wofür Elisabeth während der nächsten 30 Jahre immer weniger Nachsicht aufbringen würde: die Hysterie, die Ichbezogenheit, das Unvermögen, die Perspektive ihrer Kinder anzunehmen und vielleicht zu überlegen, ob sie diese nicht mit diesem Anruf vor ihrem Freund blamieren würde, die Vorwürfe, das Erzeugen von schlechtem Gewissen. Ich, ich, ich. Elisabeth hatte dafür ein Wort: Gejeiere. Es wurde ständig gejeiert. Und nun war noch dazu Gefahr im Verzug. Elisabeth war zu dem Schluss gekommen, dass sie handeln musste.

    Denn seit etwa zehn Jahren verpulverte die Schwiegermutter das Geld, das sie von ihren Eltern mit Ende fünfzig als Einzelkind geerbt hatte, auf unterschiedlichste Weise. Mal waren es Immobiliengeschäfte in Teneriffa, die schief gingen, mal waren es dubiose Sekten, die sich als non-profit Organisation tarnten. Elisabeth hatte den Eindruck, dass sich die Schwiegermutter auf diese windschiefen Konstruktionen nur einließ, um sich mit ihren Kindern monatelang vorab darüber beraten zu können und um nachher enttäuscht monatelang wieder darüber zu klagen, wie böse sie doch hintergangen worden war und dass man niemanden trauen konnte. Bis zum nächsten Mal.

    Diesem Unfug musste Einhalt geboten werden. Für Elisabeth war er nur das Tüpfelchen auf dem I. Die Blacklist der Schwiegermutter war lange genug. Ein Befreiungsschlag war nötig, um nicht nur die Angehörigen, sondern auch die Ressourcen für einen Neustart frei zu setzen.

    Elisabeth hatte sich jedenfalls angewöhnt nicht mehr abzuheben. Sie hatte ihrer Schwiegermutter einen Klingelton verpasst und war somit gewarnt, wen sie am anderen Ende war. Ruhe dank Technik. Das Abheben überließ sie ihrem Mann. Er war immer schon das Sorgenpüppchen der Familie gewesen. Der dem die Pleiten-, Pech- und Pannenmomente im Leben seiner Mutter und seiner zwei Schwestern umgehängt wurden. So war es immer schon gewesen und daran würde sich auch nichts ändern.

    Es wurde sogar schlimmer. Denn zu den Geschwistern und der Mutter waren über die Jahre auch eine Anzahl an Nichten und Neffen gekommen, die pflichtbewusst die Familientradition der Problemgenerierung fortsetzten. Alle waren sie kränklich oder schlecht in der Schule oder verhaltensauffällig oder alles zusammen. „Immer ist irgendwas!, sagte Elisabeths Schwiegermutter immer wieder. „Genauso wie du es dir wünscht, vervollständigte Elisabeth in ihrem Kopf diese Aussage.

    Was Elisabeth schon früher verwundert hatte, war die fehlende Nachsicht der Schwiegermutter gegenüber ihren eigenen Kindern. Sie beschwerte sich beim Sohn über die ungeschickten Töchter, bei den Töchtern über den naiven Sohn. Dieses schlecht-über-die-eigenen-Kinder-sprechen zählte für Elisabeth zu den schwersten Vergehen der Schwiegermutter. Dem/der einen erzählen wie dumm der/die andere ist. Elisabeth war selbst nicht gerade von Kindern begeistert - sie konnte mit ihnen nichts anfangen und sie und ihr Mann hatten immer schon gewusst, dass sie selbst keine wollten -, aber trotzdem empfand sie gerade diese Angewohnheit der Schwiegermutter als besonders verwerflich.

    Immerhin hatte Elisabeths Mann Martin dazu gelernt. Er hielt sich gegenüber seiner Mutter bedeckt, warf ihr ein paar Pseudoprobleme hin zum Anbeißen. Nichts Ernstes, gerade genug, um sie bei Laune zu halten. Elisabeth beobachtete das mit Genugtuung: Martin ließ sich nicht mehr als Gesprächsstoff instrumentalisieren. Natürlich erwähnte Elisabeth das nie explizit. Sie freute sich im Stillen.

    Den Schwägerinnen war es nicht so gut ergangen. Die Töchter waren diese Art von Töchtern, die sich verpflichtet fühlten, täglich mit ihren Müttern zu telefonieren - auch wenn es nicht das Geringste zu erzählen gab. Ein unausgesprochenes Gesetz, dessen Nichteinhaltung nie direkt sanktioniert wurde, aber in diffusem beleidigt-kurzangebunden-sein eben dieser Mütter resultierte. Außerdem war eigenes Gesprächsmaterial bei der Schwiegermutter nicht so wichtig. Sie konnte jeden noch so Schweigsamen mindestens zwanzig Minuten mit ihren eigenen Wehwehchen beschäftigen. Erst Recht die eigenen Kinder. Beide Schwägerinnen waren geschieden bzw. getrennt von den Vätern ihrer Kinder. Elisabeth hatte schon zum Zeitpunkt dieser Trennungen den Verdacht, dass es sich lohnte genauer hin zu sehen, wenn das Schlimmste, was den Töchtern passieren konnte, das Beste für deren Mutter war. Seit damals waren die Töchter wieder voll und ganz auf sie angewiesen. Der Ausflug in die selbständige Lebensführung mit eigener Familie samt eigenen Gesetzen und Spielregeln war beendet. Aufgrund der Prägung und mentalen Konstitution der Schwägerinnen hatte Elisabeths Schwiegermutter inmitten dieser Alleinerzieherinnen-konstellationen wieder die Würfel in der Hand. Sie wurde zum zentralen Element, das essentiell war, um eine halbwegs funktionierende Normalität herzustellen. Denn die Väter der Kinder und deren Familien waren an ihnen nicht besonders interessiert. Der Kontakt zu den Vätern war peu à peu abgebrochen oder so sporadisch, dass er kein Gegengewicht zu der Mutter/Großmutter Achse war. Unter diesen Voraussetzungen wuchs der Machtanspruch der Schwiegermutter. Alle wollten ihren Kindern und Kindeskindern Übel. Zwischen ihren Kindern, Enkelkindern und dem Abgrund stand nur sie.

    Also wurden die Enkelkinder zu hoffungslosen Hilfsbedürftigen stilisiert, denen das Leben schon früh auf übelste Art mitgespielt hatte. Sie wurden in Watte gepackt und hatten sich daran gewöhnt, dass man von ihnen nichts verlangen durfte. Elisabeth empfand es nur als logische Konsequenz, dass in dieser Familie sich erbrechen, Nervenzusammenbrüche, Magenbeschwerden, Ohnmachten, Herzrasen, Panikattacken, Migräneanfälle und sonstige diffuse Beschwerden an der Tagesordnung waren. Irgendwer hatte immer irgendwas.

    Elisabeth konnte mit ihren Nichten und Neffen wenig anfangen. Es war auch schwer, zu ihnen durchzudringen. Dazu hätte man zuerst die Vereinnahmung durch Mutter und Großmutter durchbrechen müssen und dieser Aufwand war Elisabeth zu mühsam. Außerdem war von Nichten und Neffen kein eigenes Denken zu erwarten. Die großmütterliche Gehirnwäsche funktionierte zu gut.

    Die Enkelkinder wurden nun auch mehr von ihr verhätschelt als die eigenen Kinder seinerzeit. Wenn dieses Ungleichgewicht von einem der erwachsenen Kinder auch nur angedeutet wurde, löste das bei Elisabeths Schwiegermutter großes Erstaunen aus. Aber Elisabeth erinnerte sich gut daran, wie geschockt sie gewesen war, als sie einmal mit Martin einige Kinderfotos durchgesehen hatte. Zwischen all den Motiven von Baby Martin verkleidet als Pascha, als Kapitän oder vor dem Weihnachtsmann verdutzt flüchtend, war auch eines, das sie nie vergessen würde. Es zeigte den etwa 10-Jährigen weinend am Esstisch umgeben von Großmutter, Mutter, Onkel und Verwandten. Offensichtlich hatte er nicht aufessen wollen, war gezwungen worden es doch zu tun und daraufhin in Tränen ausgebrochen. Elisabeth fand das ungeheuerlich. Nicht nur, dass das Kind zum Essen gezwungen worden war - eine Kindererziehungspraxis die in den 70er Jahren eigentlich schon in Verruf hätte sein sollen - sondern dass man dann seine Notlage auch noch vor versammelter Familie fotografisch festhielt. Add insult to injury, zur Verletzung auch noch eine Demütigung hinzufügen. Umso unverzeihlicher, dass Martins Mutter heute jeder Stimmung der Enkelkinder wie einem Gebot Gottes folgte. Ihre eigenen Kinder hatte sie hingegen den vorsintflutlichen Erziehungsmaßnahmen ihrer Mutter kampflos zum Fraß vorgeworfen.

    Über die Jahre hatte Elisabeth sich in dieses Gefüge eingereiht und es sich in einer völlig passiven Rolle bequem gemacht. Aber: Am Wochenende war der große Tag. Die Älteste Enkelin feierte ihren 17. Geburtstag. Das war der Tag an dem Elisabeth ihren Plan umsetzen würde. Der Befreiungsschlag für alle. Dramatisch aber unabdingbar. Die Schwiegermutter musste eliminiert werden.

    Das Familienmodell Katastrophenhilfe sollte zu einem Ende kommen. Nach einer Schockstarre wäre dies für alle Beteiligten das Beste, war Elisabeth überzeugt. Insbesondere, weil dann die Erbschaft anfallen würde. Denn es ging auch um ein beträchtliches Vermögen. Geld, auf das die Kinder bisher keinen Zugriff hatten, da die Schwiegermutter fest daran hielt und kaum darüber gesprochen werden durfte. Elisabeth hatte ihr Urteil schon vor einiger Zeit gefällt. Hatte lange genug gewartet und andere Möglichkeiten abgewogen. Doch sie kam

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