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Nachgeschmack
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eBook233 Seiten3 Stunden

Nachgeschmack

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Über dieses E-Book

Esmé sucht, wie wir alle, ihr Glück. Das sich ziemlich zurück hält in ihrer jetzigen Situation mit zwei Elternteilen, die an Alzheimer erkrankt sind und einem verheirateten Liebhaber, der nichts mehr von ihr wissen will. Nachdem Jan, ihre große Jugendliebe, der sie über facebook wieder gefunden hatte, das von seiner Seite aus eher sexuell geprägte Verhältnis beendet hat, kämpft sie mit ihren Gefühlen. Und muss immer wieder feststellen, dass - egal wie analytisch der Verstand einer vernünftigen Person arbeitet - die Emotionen letztendlich siegen.
Was wäre, wenn...?
Wenn ein gütiger, allwissender Buddha uns alle lenken würde?
Wenn ihre beste Freundin endlich ihren untreuen Ehemann verlassen würde?
Wenn die Welt nun doch am 21.12.2012 unterginge?
Wenn sie zur Mörderin würde?
Ist es wirklich so schwierig, einen geeigneten Partner kennenzulernen?
Was hat der Maya-Kalender mit dem Weltuntergang zu tun?
Wie kann man Trauer bewältigen?
Kann es ein doppeltes Happy End geben?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum8. Feb. 2013
ISBN9783849125172
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    Buchvorschau

    Nachgeschmack - Katharina Mack

    Kapitel 01

    20:43 Uhr, Betreff: Aus und vorbei Ich denke immer noch genauso oft an dich, nur ohne Glücksgefühl. Das war auch schon mal anders.

    Und wieder schickt sie die Mail nicht ab. Wozu auch?

    In ihrem Kopf laufen in einer Endlosschleife die Sätze aus dem Radiohit von Juli: „Immer wenn es dunkel wird, wenn alles auseinander fällt, wird mir unaufhaltsam klar, dass das mit uns was Gutes war. Immer wenn es stiller wird, nichts mehr mich in Atem hält, dann tut es weh und mir wird klar, dass das mit uns was Gutes war...". Dunkel ist es gerade auch in ihr, dieses Vakuum wird spürbar, das sich langsam um den Schmerz legt, der zeitweise mal Glück war.

    Sie sieht aus dem Fenster. Dunkle, schwere Wolken ziehen langsam und tranig über den Himmel. Wieso passt auch noch das Wetter so gut? Ihre Stimmung schlägt um in Zorn, Zorn über sich selbst, dass sie so blöd war, ihren Illusionen so viel Raum zu geben, Zorn über das große Ganze, von wem es auch immer gelenkt werden mag, der oder das jetzt nicht mal ein paar lindernde Sonnenstrahlen schicken kann.

    Esmeralda steht auf, wischt ihre Tränen weg, schüttelt langsam den Kopf und tappt zur Kaffeemaschine, die mit aufgeschäumter Milch, Espresso und viel Zucker bessere Laune verspricht. Die glänzende, wuchtige Edelstahlmaschine ist das einzige Luxusteil, das in ihrer kleinen, leicht heruntergekommenen Wohnung, die aber dennoch gemütlich, sauber und aufgeräumt erscheint, zu finden ist. Sie will ihre negativen Gedanken aussperren, aber diese zerplatzen scheinheilig zu unzusammenhängenden Buchstaben und quetschen sich durch die Hirnspalten wieder hinein um dort die gleiche verteufelte Gedankenwelt aufzubauen. Wieso konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso hat er mich gesucht? Was hat er gesucht? Hat er überhaupt etwas gesucht?? Er, der glückliche Familienvater, der ihr zeitweise nach eigener Aussage verfallen war? Ihr, die ihn nur allzu gerne gereizt hat, nachdem er sie wieder gefunden hatte. Sie hatte sich ehrlich gefreut als er auf facebook ihr Freund sein wollte, nachdem das im wahren Leben damals nicht geklappt hatte, damals mit dreizehn, als die Welt noch schwarz und weiß war - oder meistens pink und aufregend und offen für alles, was noch so passieren könnte.

    Und es war auch vor fast zwei Jahren irgendwie aufregend. Sehr aufregend in der zu dieser Zeit doch eher grauen Welt. Esmé hatte sonst nicht viele Freunde, weder in sozialen digitalen noch in sozialen realen Netzwerken, was im echten Leben wohl daran lag, dass sie kaum Zeit fand für Freunde, weil sie sich fast rund um die Uhr um ihre Eltern kümmerte. Besser gesagt um die Hüllen ihrer Eltern, die im Moment beide in der Küche in ihren Rollstühlen vor sich hin dösten – und das war Bestzustand! Manchmal wusste sie selbst nicht, wo sie die Energie herholte, sich selbst und ihre kleine Familie zu versorgen und mit Artikeln als freie Journalistin über Wasser zu halten. Aber sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie ihre Eltern in irgendeinem Altenheim ungepflegt vor sich hin dämmerten. Den ganzen Tag vor sich hin starrend und gelangweilt in irgendeiner schmuddeligen Unterkunft, völlig unterversorgt, in vom pampigen Essen verschmierten Nachthemden herumsitzend. Dass niemand für sie da wäre, wenn sie Hilfe brauchen oder Schmerzen haben könnten. Nachdem sie ihre kleine Esmé aufopfernd und mit schönster Kindheit aufgezogen, sie immer in allem unterstützt hatten, ihre Mutter ihren geliebten Beruf für sie aufgegeben hatte, hatten sie es da nicht verdient, nun selbst umsorgt zu werden? Jetzt, da die Welt sich umgekehrt hatte, Esmeralda die starke Versorgerin war und ihre Eltern zeitweise so hilflos? Seit bei beiden fast zeitgleich die Alzheimer-Krankheit aufgetreten war, war Esmeralda ständig hin und hergerissen und grübelte darüber, wie die Zukunft der beiden aussehen sollte oder besser die der beiden und ihre. Ihre Eltern bezogen eine einigermaßen gute Rente und zusammen mit ihrer Tätigkeit als freie Journalistin kamen sie ganz gut über die Runden. Sie konnte sich sogar einen Sozialen Hilfsdienst leisten, der sie bei der Pflege unterstützte. Jeden Abend um 18 Uhr kam Cornelia, eine kräftige Polin, die eine warme Mahlzeit mitbrachte und beherzt an die Arbeit ging, die vorwiegend aus Waschen, Pflegen, Umziehen und zu Bett Bringen bestand. So brauchte Esmé nicht für ihre Eltern zu kochen und hatte jeden Abend drei geregelte Stunden Freizeit, in denen sie einkaufen, Sport machen oder sonstiges außer Haus erledigen konnte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, in einem kleinen Familienrestaurant um die Ecke zu Abend zu essen. Es war ein bisschen schäbig, aber die Küche war einfach, schnell, nicht schlecht und günstig. Dort konnte sie kurzzeitig abschalten und bekam eine warme Mahlzeit. Einmal pro Woche und in „Notsituationen konnte sie länger bleiben, weil ihre Nachbarin dann per Babyfon auf ihre Eltern „aufpasste. Aber das Leben, das sie sich mal erträumt hatte, war das nicht.

    Esmeralda setzt sich mit dem Kaffeeglas, auf dem sich eine schöne dicke Milchschaumkrone wölbt, wieder vor den Bildschirm und denkt darüber nach, was sie sich erträumt hatte. Sie wollte immer eine Familie haben, eine mit echten Kindern, einem Mann, der sie liebt und den sie liebte. Da war er wieder, in ihren Gedanken, der Mann, der sie nicht liebt.

    Nun ist es also soweit, die Trennung ist da. Sie hatte es jetzt schriftlich. Nachdem sie ihm vorsichtig geschrieben hatte, dass sie glaube, sie erwarte zu viel von ihm. Nachdem sie sich immer wieder zurückgenommen hatte, ihn nie zu etwas drängen wollte, hatte sie sich gewagt, ihn nach seinen Gefühlen für sie zu fragen, nicht direkt, versteht sich, damit er nicht direkt mit Ablehnung reagieren konnte, um ihm nur ja nicht die Chance zu nehmen, wie immer irgendwie drum herum reden zu können. Damit sie selbst ihre Träume aufrecht erhalten konnte, trotz erschreckender Indizien. Dennoch musste sie nach über einem Jahr voller Leidenschaft und schmerzerfüllter Sehnsucht, voller Lust und Liebe und Eifersucht einfach mal ein bisschen tiefer bohren. Er hatte ihr nie etwas versprochen, das war ihr schmerzhaft klar. Sie hatte ihre wohl unerfüllbaren Erwartungen in eine Mail gepackt, denn immer, wenn sie sich getroffen hatten, waren sie fast wortlos übereinander hergefallen und hatten sich geliebt und immer wieder geliebt, sich gegenseitig heiß begehrt, sich geküsst und immer wieder geküsst als wäre es ihr erster und letzter Kuss. Aber war das wirklich Liebe? Meistens hatte Jan nicht viel Zeit und meistens gingen sie auseinander ohne viel geredet zu haben. Er zu seiner „normalen" Familie, von der sie so gut wie nichts wusste, eigentlich nur, dass sie aus seiner Frau und zwei Kindern bestand, sie zu ihrer. Er hatte von Anfang an darauf bestanden, dass seine Familie mit ihnen beiden nichts zu hatte, Fragen dazu nicht beantwortet und bei heiklen Themen gerne die Flucht ergriffen. Eigentlich kannten sie sich gar nicht wirklich, es hatte nur immer diese unglaubliche Anziehungskraft zwischen ihnen gegeben. Es war zu einer Art Spiel geworden, ein Spiel mit Suchtfaktor.

    Angefangen hatte es mit der Freundschaftsanfrage von Jan auf facebook. Esmé musste seinen Namen gleich mehrfach lesen: Jan Printz. JP. Diese Initialen waren wohl heute noch in all ihren Heften und Schulbüchern der siebten Klasse zu finden. Mit Herzchen versehen, versteht sich. Er war ihr erster großer Schwarm und ihre erste große Liebe. Sehr schüchtern war er damals, so wie sie selbst auch. Und sie war fasziniert von ihm, fühlte sich magisch von ihm angezogen. Jan war ein Jahr älter als sie – vierzehn – sehr groß, sehr schlank mit kurzem dunklem, verstrubbeltem Haar und den blausten Augen weit und breit. Augen in denen man sich verlieren konnte, die einen fesselten und nicht mehr losließen, vor allem, wenn man in den Besitzer verliebt war! Und wie gesagt, sehr schüchtern war er. Wochenlang hatten sie sich auf dem Schulhof kurze intensive Blicke zugeworfen um gleich darauf peinlich berührt wieder wegzuschauen. Teenager-Liebe halt eben, mit Scharen von Schmetterlingen im Bauch, mit rund um die Uhr Tag-und-Nacht-Träumen, mit Freundinnengetuschel und -gekicher, hin- und hergerissen zwischen Grübeln, wie oder was man mit ihm reden könnte und der Hoffnung, ihn überhaupt irgendwo zu sehen, um bei Erfüllung doch wieder schweigend aneinander vorbeizugehen. Irgendwann war es dann doch passiert, sie waren auf der gleichen Silvesterparty, die in jenem Alter noch um 19 Uhr anfing und um 00.30 Uhr mit dem Abholen der Teilnehmer durch ihre Eltern endete. Den ganzen Abend schlichen sie umeinander herum, jeder war sich immer bewusst, wo der andere sich gerade aufhielt und irgendwann standen sie nebeneinander, in einer schummrigen Ecke, sahen sich an, versuchten ein Gespräch, das nicht richtig in Gang kam, schwiegen verlegen, versuchten es wieder, resignierten schließlich kommunikationstechnisch und küssten sich einfach. Es war Esmés erster Kuss und er fühlte sich einfach großartig an, so großartig, dass sie gar nicht mehr aufhören konnte (und wollte). Und so küssten sie sich eine gute Stunde zart und wild und tastend und leidenschaftlich bis die Party zu Ende war, wobei sie den eigentlichen Jahreswechsel gerne verpassten.

    Und so schön dieser Anfang der ersten großen Liebe auch war, sie endete ebenso abrupt wie sie begonnen hatte. Denn wieder auf dem Schulhof angekommen, war die Schüchternheit erneut übermächtig, keiner traute sich, den anderen anzuschauen, geschweige denn, anzusprechen. Irgendwann war Jan einfach verschwunden und Esmé erfuhr von Freunden, dass er mit seinen Eltern weggezogen war. Sie wusste nicht mal wohin.

    Und da stand plötzlich sein Name auf facebook, 17 Jahre später, ohne Nachricht, nur mit einer Freundschaftsanfrage. Sie hatte ihn längst vergessen in ihrem weiteren Leben, sie waren jetzt mehr als doppelt so alt. Sie bestätigte ihn als Freund und wartete gespannt, ob er ihr etwas schreiben würde, was er nicht tat. Nach einer Woche Nicht-Kommunikation schickte sie ihm schließlich eine Nachricht:

    Wie? Einfach nur eine Freundschaftsanfrage und das war’s jetzt? Du hättest wenigstens mal ein gescheites Bild von dir laden können, ich war echt gespannt, ob ich dich wiedererkannt hätte!

    Grüße

    Esmé.

    Zwei Tage später kam die Antwort:

    Hallo Esmé.

    Wie geht es dir? Wenn du mir deine E-Mail-Adresse gibst, schicke ich dir ein aktuelles Foto zwecks Vorher-Nachher-Abgleich, aber ich warne dich, ich bin mindestens fünfzehn Jahre älter geworden!

    LG

    Jan.

    Nachdem die aktuellen Grundlebensumstände geklärt waren, schrieben sie sich in den nächsten Wochen ab und an kleine, eigentlich meist nichtssagende Botschaften, die aber durch einen unerklärlichen Reiz, der ihnen anhaftete, nicht enden wollten. Als Esmé die belanglosen Nichtigkeiten mal ausgingen, schrieb sie:

    Würdest du mich NOCH MAL küssen?

    LG

    Esmé

    Und als sie die Mail abgeschickt hatte, überfiel sie eine nervöse Unsicherheit, die durch die zwei Tage Wartezeit auf die Antwort nicht unbedingt gemindert wurde. Im Wechsel dachte sie: Mein Gott, mache ich da gerade tatsächlich einen verheirateten Mann an, den ich eigentlich gar nicht kenne? Und: Na und, er kann ja einfach NEIN sagen. Dann wieder: Oh je, und wenn er NEIN sagt?? Oder: Oh je, und wenn er JA sagt?? Aber diese Überlegungen ließen sie auch schmunzeln, sie hatten so etwas Leichtes, Unbekümmertes, das ihr ein Stückchen Lebensgefühl aus Teenietagen zurückbrachte. Und zwei, drei Schmetterlinge lebten erstaunlicherweise auch noch. Diese Leichtigkeit konnte sie in ihrer derzeit wenig fröhlichen Situation wirklich gut gebrauchen. Als er mit:

    Re:

    Ich kann es kaum erwarten! Wann?

    LG Jan antwortete, fühlte sie sich richtig gut, seit langem unbeschwert und abgelenkt von der Ernsthaftigkeit der Realität um sie herum. In ihrem Innern hatte sich ab sofort ein Lächeln manifestiert. Aber wollte sie das wirklich? Eine Affäre mit einem verheirateten Familienvater? Aber es musste ja keine werden, vielleicht wurde es einfach nur ein Kuss, an den sie sich dann immer gerne erinnern würde. Was hatte sie zu verlieren? O.K., vielleicht ihr Herz. Aber wie sollte sie das jetzt noch aufhalten? Indem sie zurück in den anstrengenden grauen Alltagstrott flüchtete? Nein, danke. Dann lieber Risiko. Das Leben war plötzlich so spannend!

    So ließ sie es also zu, sie ließ es unglaublich gerne zu. Der folgende elektronische Briefwechsel zog sich über mehrere Tage und Esmé schaute immer gespannter, entzückter und ungeduldiger in ihr Postfach.

    Du willst mich tatsächlich küssen? So richtig? Nicht in der Erinnerung, sondern in der nahen realen Zukunft? Wirklich?

    LG

    Esmé

    Und am liebsten hätte sie noch hinzugefügt: Und was sagt deine Frau dazu? Was sie sich aber verkniff, da sie fürchtete, damit die Atmosphäre zwischen ihnen zu zerstören, die eindeutig auf einer seicht dahin schwingenden, sehr ähnlichen Wellenlänge basierte.

    Re:

    Live und in Farbe. Ja, will ich! Und du?

    LG

    Jan

    Re:

    Weißt du, du warst meine erste große Liebe und du wirst für mich immer etwas Besonderes sein. Also, ja, ich denke, ich hätte gerne ein Update. Kannst du dich noch an unseren ersten Kuss (oder ich sollte wohl den Plural verwenden, denn die Gesamtzeit schätze ich auf etwa eine Stunde) erinnern?

    Re:

    Türlich. Und du? Und vielen Dank für deine offenen und schönen Worte. Ich fühle mich geehrt.

    Re:

    Na ja, es ist lange her und eigentlich weiß ich nur noch, dass du der erste warst, der mich geküsst hat und dass ich es schön fand. Nummer wie viel war ich?

    Re:

    Weiß ich nicht mehr.

    Re:

    Komm’ schon, du weißt doch wohl noch, wen du als erstes geküsst hast!

    Re:

    Also den ersten Kuss hatte ich beim Flaschendrehen und den zweiten auf einer Sommer-Grill-Party im Freien.

    Re:

    So, so, dann war ich also nur Nummer drei??

    Re:

    Ich musste doch üben für dich.

    Re:

    O.K. Das lass’ ich mal gelten. Weil du’s bist.

    Und wie stellst du dir unser Kuss-Update vor? Und stellst du es dir wirklich vor? Du weißt doch gar nicht, wie ich jetzt aussehe.

    Re:

    Keine Ahnung! Du warst damals bildhübsch und deinem Profilbild nach zu urteilen, hast du dich ganz gut gehalten.

    Re:

    Oh, herzlichen Dank, das ist wirklich großzügig von dir.

    Re:

    Gerne.

    Re:

    Und wo soll das Ereignis stattfinden, große, uralte Liebe?

    Re:

    Keine Ahnung, am besten irgendwo, wo uns keiner kennt.

    Re:

    Kannst du denn noch so gut küssen?

    Re:

    Keine Ahnung, aber das wirst du nur erfahren, wenn du es ausprobierst!

    So verabredeten sie sich also tatsächlich zum Küssen. Es war ein skurriles Treffen, schon im Vorfeld. Denn es musste per Mail der passende Ort gefunden werden und die passende Zeit (und für Jan die passende Ausrede, worüber er natürlich Stillschweigen bewahrte). Er arbeitete als „Software-Designer" für eine große Firma namens Esmax, die vorwiegend Drucker herstellt, was nichts anderes war als Programmierer mit wohl klingendem Namen. In dem riesigen Firmensitzgebäude in Trier hatte er ein kleines Büro, in dem er normalerweise an der Software bastelte, musste aber immer wieder vor Ort in den über ganz Deutschland verteilten Tochterfirmen Projekte leiten. Jeden Mittwoch hatte er Home-Office-Day, war also in der Stadt und praktischerweise war mittwochs Esmés Ausgehtag, an dem ihre Nachbarin Brigitte ihr einen freien Abend ermöglichte, ohne dass sie sich um ihre Eltern sorgen musste. Da Jan sich unter keinen Umständen so richtig öffentlich mit ihr treffen wollte, einigten sie sich auf einen der Friedhöfe. Er war nicht so ganz zentral gelegen und sie hatten Kerzenlicht – als romantische Grundlage sozusagen.

    Sie konnte den Friedhof in circa 20 Minuten zu Fuß erreichen. Die Bewegung tat ihr gut, denn ihre Nervosität stieg merklich und den ganzen Tag schon kontinuierlich. Aber sie genoss die Aufregung und sie spürte das intensive Leben in sich auf dem Weg zu den Toten. Es war ein kühler Tag und die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Würde sie ihn gleich erkennen? Na ja, so viele Männer im besten Alter würden wohl um diese Zeit nicht auf dem Friedhof rumlungern. Wie sollte sie ihn begrüßen? War das richtig, was sie da machte? Natürlich nicht! Das wurde ihr immer bewusster und es reizte sie umso mehr. Kneifen konnte sie jetzt nicht mehr, das wäre feige. Und wie gesagt, was hatte sie zu verlieren? An diesem Tag war ihr das Schreiben aus Nervositätsgründen nicht wirklich leicht von der Hand gegangen.

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