Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen: Über die Machenschaften eines Geistlichen - Roman nach einer wahren Geschichte
Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen: Über die Machenschaften eines Geistlichen - Roman nach einer wahren Geschichte
Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen: Über die Machenschaften eines Geistlichen - Roman nach einer wahren Geschichte
eBook292 Seiten3 Stunden

Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen: Über die Machenschaften eines Geistlichen - Roman nach einer wahren Geschichte

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Nach dem Tod ihrer liebenswerten Tante Sophie ist es Julias Aufgabe als Testamentsvollstreckerin, deren Vermögen zu ermitteln und an die 10 Erben zu verteilen. Dabei entdeckt sie, dass im Laufe der Jahre ein Großteil des einstigen riesigen Vermögens verschwunden ist und begibt sich auf die Suche nach dem Verbleib. Welche Rolle spielt dabei der allseits bekannte und verehrte Pastor Stark? Aus den geheimnisvollen Tagebüchern ihrer Tante findet sie heraus, dass der vermeintlich ehrenwerte Pastor viel mehr in den Fall verstrickt ist als er behauptet. Wird es ihr gelingen, das Netz aus Lügen, Kumpanei und persönlicher Bereicherung zu durchdringen und den Schuldigen einer gerechten Strafe zuzuführen?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Dez. 2017
ISBN9783742761408
Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen: Über die Machenschaften eines Geistlichen - Roman nach einer wahren Geschichte
Autor

Ina Mönch

Ich habe an der TU Braunschweig Bauingenieurwesen studiert und später jahrelang als Statikerin gearbeitet. Ich bin begeisterte Hobbyfotografin, zeichne gerne, pflege meinen mediterranen Garten und genieße Opernmusik. Ich entdeckte meine Freude am Schreiben wahrer Geschichten, da diese – meiner Meinung nach – häufig die wildesten Fantasien übertreffen. Weitere Informationen und Hintergründe unter: www.inamoench.com https://www.facebook.com/InaMoench/ inamoench@https://www.instagram.com

Ähnlich wie Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen

Ähnliche E-Books

Polizeiverfahren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Hütet euch vor dem kriminellen Pfaffen - Ina Mönch

    1.Ina Mönch

    Hütet Euch vor dem

    kriminellen Pfaffen

    Über die Machenschaften eines Geistlichen

    Jesus warnt in der Bergpredigt:

    „Hütet euch vor den falschen Propheten,

    die in Schafskleidern zu euch kommen!

    Inwendig sind sie aber reißende Wölfe."

    (Matthäus 7.15f)

    nach einer wahren Geschichte

    2. überarbeitete Auflage 2023

    Copyright © 2017

    Ina Mönch

    ina-moench@gmx.de

    Am Weinberg 16

    38162 Cremlingen

    Alle Rechte vorbehalten.

    In liebevoller Erinnerung

    an meine herzensgute Tante.

    2.Danke! Danke! Danke!

    Die lieben Menschen, die mir während des Schreibens eine Hilfe gewesen sind, sollen hier nun besondere Erwähnung finden. Ich hoffe, an alle gedacht zu haben.

    Selbstverständlich geht der Dank in erster Linie an meine Liebsten zuhause – an meinen Mann und meinen Sohn, die mir immer die Kraft und die Zuversicht gegeben haben, mich weiterhin meinem Buchprojekt zu widmen. Immer, wenn ich davor war, alles hinzuwerfen, habt ihr mich wieder aufgebaut und zum Weitermachen ermutigt. Vielen Dank auch für euer wiederholtes Korrekturlesen und den lobenden Worten danach. Ohne euch hätte ich das niemals geschafft.

    Keinen geringen Anteil an der Fertigstellung hat auch Kathrin, die Korrektur gelesen hat, und mir wertvolle Hinweise und Tipps gegeben hat. Ihr kann ich ebenfalls nicht genug danken.

    Auch meinen Verwandten und Freunden möchte ich für die stets aufmunternden Worte in den letzten drei Jahren einen herzlichen Dank sagen.

    Vielen Dank an alle – ich weiß das sehr zu schätzen.

    3.Prolog

    Lass dich nicht vom Bösen überwinden,

    sondern überwinde das Böse mit Gutem.

    (Römer 12,21)

    Ein wahrlich schöner Spruch, den Tante Sophie fein säuberlich als Lebensweisheit auf der ersten Seite ihres Kalender-Tagebuchs verewigt hat. Jedoch in dem Zusammenhang mit ihrer eigenen haarsträubenden Geschichte ist er eigentlich nicht anwendbar. Jeder andere hätte auf Rache gesonnen. Ich blättere weiter in ihren handschriftlichen Aufzeichnungen: Es ist wirklich empörend, was man ihr angetan hat.

    Dabei war sie nun wirklich eine liebenswerte alte Dame, kinderlieb, hilfsbereit und großzügig und stets darauf bedacht, nach den Geboten Gottes zu leben. Noch nie habe ich jemanden erlebt, der im Angesicht des Todes so fest und intensiv an das ewige Leben geglaubt und sich sogar darauf gefreut hat.

    Tante Sophies Kindheit war geprägt von der schweren Kriegszeit. Ihre Eltern besaßen damals ein kleines gutgehendes Lebensmittelgeschäft am Stadtrand. Von Hitlers Visionen und Lebensanschauungen nicht überzeugt, begannen ihre Eltern schon früh, Diskriminierte und Bedürftige heimlich zu unterstützen und ihnen unauffällig Lebensmittel zuzustecken. Damit handelten sie sich jedoch bald beträchtlichen Ärger ein. Über Jahre hinaus verfolgten Tante Sophie fürchterliche Erinnerungen an jene Zeit, die so grausam gewesen sein müssen, dass sie darüber lieber erst gar nicht reden wollte. Sie beschloss also einfach, sich daran nicht mehr zu erinnern.

    Um den Arbeitsdienst im Krieg zu umgehen, riet ihr Vater ihr nach dem Abitur eine einjährige Lehrerausbildung zu absolvieren. Obwohl sie diese Ausbildung ohne innere Überzeugung begonnen hatte, entwickelte sie eine ungemein große Freude an dem Beruf und den Kindern. Auch hier setzte sie sich ganz besonders für die schwachen Schüler ein. Aus tiefer Dankbarkeit schrieben und besuchten sie auch über sechzig Jahre später noch ehemals betroffene Kinder regelmäßig.

    Im Alter von dreißig Jahren lernte sie in den fünfziger Jahren ihren fünfzehn Jahre älteren, sehr wohlhabenden späteren Mann Konrad kennen. Obwohl sie eine glückliche Ehe führten und beide Kinder liebten, blieben sie kinderlos. Stattdessen reisten sie in für die damalige Zeit außergewöhnlich ferne Länder und lernten dort deren Kunst und Kultur kennen.

    Doch die Wende begann an jenem besonderen Morgen. Es war eigentlich ein sehr schöner Sommertag und obendrein noch Ferienanfang. Sie frühstückten gemeinsam auf der Terrasse und lasen Zeitung. Konrad wollte gerade einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse nehmen, als sie ihm plötzlich aus der Hand glitt und klirrend zu Boden fiel. Er wollte schimpfen, aber kein Wort kam ihm über die Lippen. Stattdessen begannen sein Mund und dann auch die Arme und Beine unkoordiniert zu zucken, bis er bewusstlos zu Boden glitt. Entsetzt sprang Sophie auf und wollte ihm zur Hilfe eilen, aber Konrad reagierte nicht mehr. Sie lief zum Telefon und verständigte den Notarzt, der Konrad ins Krankenhaus brachte. Dort untersuchten sie ihn ausgiebig und stellten anschließend die grausame Diagnose: Hirntumor.

    Danach begannen die schweren Jahre, in denen Sophie das Leiden, die Krämpfe, die anschließenden entsetzlichen Kopfschmerzen, den körperlichen Verfall und die darauffolgende Wesensveränderung miterleben musste, ohne wirklich helfen zu können. Keine Nacht konnte sie durchschlafen, aus Angst einen lebensbedrohlichen Anfall zu überhören. Der furchtbare Leidensweg dauerte fünf Jahre bis Konrad völlig abgemagert während eines Anfalls starb.

    Die Welt brach endgültig für meine Tante Sophie zusammen, als nur wenige Monate später ihr Vater bei einem Herzanfall verstarb, und auch ihre Mutter ihm nach einem weiteren Jahr nach einer schweren Lungenentzündung folgte. Sie fühlte nur noch eine innere Leere und begann nun plötzlich selbst unerklärliche plötzliche Ohnmachten zu entwickeln. Für eine Lehrerin und Aufsichtsperson war das nicht akzeptabel. Der Direktor der Schule legte ihr daher gegen ihren Willen eine vorzeitige Pensionierung mit nur sechsundfünfzig Jahren nahe. Sie tat sich zwar mit der Entscheidung sehr schwer, unterschrieb dann aber auf Drängen der Schule letztendlich doch.

    Daraufhin fiel sie endgültig in ein tiefes Loch, einsam und ihrer Aufgaben enthoben, suchte sie verzweifelt nach einem neuen Sinn des Lebens und in dieser fürchterlichen Situation traf sie ihn: Überwältigt von seinen mitreißenden, rhetorisch perfekt ausgefeilten Reden und seiner anpackenden Art, saß sie in der Kirche und himmelte ihren neuen Gemeindepastor Stark bedingungslos an. Die gesamte Kirchengemeinde hing ehrfürchtig an seinen Lippen, wenn der belesen wirkende Diener Gottes bei seinen Andachten zu ihr sprach. Dieser außergewöhnliche Mann schien ohne langes Überlegen Antworten auf komplizierte Fragen und passende Lösungen für Probleme jeglicher Art parat zu haben. In dieser Zeit beginnen die Kalender-Tagebücher meiner Tante und auch die eigentliche Geschichte.

    4.Tante Sophies unerwarteter Hilferuf

    Heute, an dem dritten Jahrestag ihres Todes stehe ich noch immer fassungslos vor Tante Sophies Grab, als mir der Ablauf ihrer ungeheuerlichen Geschichte wieder durch den Kopf geht. Scheibchenweise war es mir nach ihrem Tod trotz aller Widerstände gelungen, die traurige Wahrheit über die hinterlistigen Schandtaten ans Licht zu bringen.

    Für mich wird Tante Sophie immer als eine kleine, etwas mollige alte Dame mit schlohweißen Haaren und einem unverwechselbaren lauten herzlichen Lachen in Erinnerung bleiben, weltoffen und für Neuerungen noch bis ins hohe Alter begeisterungsfähig.

    „Ist ja toll!", rief sie daraufhin stets verzückt aus, und es war nicht schwierig, sie dann auch zu etwas tollkühnen Taten zu überreden.

    Selbst im fortgeschrittenen Alter von neunzig Jahren trug sie sich noch ernsthaft mit dem Gedanken, sich einen Laptop zuzulegen. Sie liebte es einfach, etwas Neues auszuprobieren, Abenteuer zu erleben und bei Reisen in die hintersten Ecken der Welt fremde Kulturen kennenzulernen. Als ihre körperlichen Kräfte später nachließen, litt die ehemalige Sportlerin sehr darunter und versuchte verzweifelt dagegen anzukämpfen. Inzwischen sogar mit zwei Gehstöcken ausgestattet, versuchte sie trotzdem immer noch das Unmögliche möglich zu machen.

    Oberflächlich kannte ich Tante Sophie schon seit meinen frühen Kindheitstagen. Jedes Jahr traf ich sie einmal bei der Geburtstagsfeier meiner Oma. Doch als diese verstarb, schlief der Kontakt ein.

    Jahre später begegnete ich ihr unvermutet in der Stadt, sprach sie an, und es entwickelte sich, obwohl wir uns wenig kannten, ein angenehmes, fast vertrautes Gespräch. Wir waren uns vom Wesen her sehr ähnlich, und es dauerte nicht lange, bis der Sympathiefunken übersprang.

    Das ist nun schon über zwanzig Jahre her, trotzdem kann ich mich heute noch an die lustige Verabschiedung erinnern, als sie mich vorsichtig fragte: „Wir haben uns jetzt so nett unterhalten, doch - wer bist du eigentlich?"

    Ich wusste natürlich, dass sie aus ihrem kirchlichen Engagement einen riesigen Bekanntenkreis hatte, und es deshalb nicht immer einfach für sie war, alle Gesichter sofort richtig einzuordnen. Heute noch muss ich über die ehrliche und direkte Frage schmunzeln.

    Sie war aber wahrhaftig daran interessiert zu erfahren, mit wem sie sich nun eigentlich überhaupt unterhalten hatte, merkte sich fortan meine Adresse, um sich telefonisch einige Zeit später noch einmal mit mir zum Kaffeetrinken zu verabreden. Von diesem Tag an entwickelte sich eine lockere Beziehung. Wir verabredeten und trafen uns in unregelmäßigen Abständen zu einem netten, kleinen Plauderstündchen.

    Die weiteren Jahre nach meinem Treffen mit Tante Sophie in der Stadt sollten die schwersten meines Lebens werden. Nur wenige Monate danach wurde mein Sohn Mario geboren, viel zu früh, gerade mal dreißig Zentimeter lang und neunhundert Gramm schwer. Monatelang kämpfte er im Krankenhaus um sein Leben und auch nach seiner Entlassung erforderte sein schlechter Gesundheitszustand, begleitet von Therapien, unzähligen Arzt- und Krankenhausbesuchen, meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit.

    Trotzdem schlief meine neugewonnene Beziehung zu Tante Sophie nicht wieder ein. Ganz im Gegenteil, kinderlieb wie sie war, fieberte sie bei jedem neuen Schicksalsschlag mit uns mit und gewann später mit ihrem freundlichen und fröhlichen Wesen im Handumdrehen Marios Herz.

    Als Mario ungefähr acht Jahre alt war, verstarb eine gemeinsame Verwandte von Tante Sophie und mir. Um der damals schon achtzigjährigen Tante Sophie das Tragen des schweren Trauergestecks zu ersparen, nahm ich ihr die Bestellung und Abholung ab und verabredete mich zur Übergabe des Blumengebindes eine halbe Stunde vor dem Trauergottesdienst vor der Kirche.

    Pünktlich war ich am vereinbarten Treffpunkt und wartete. In der Regel war sie auch immer zur rechten Zeit da, aber aus irgendeinem Grund verspätete sie sich an diesem Tag. Unruhig schaute ich auf meine Armbanduhr. Die Zeit verstrich und schon bald sollte der Trauergottesdienst beginnen. Als die Glocken zu läuten begannen, versuchte ich, Tante Sophie telefonisch zu erreichen. Erfolglos. Wieso kam sie nicht? Was war nur geschehen? Hin und her gerissen, entschied ich mich dazu, zunächst an der Beerdigung teilzunehmen und anschließend den Grund für Tante Sophies Fernbleiben ausfindig zu machen.

    Nachdem die Feierlichkeiten beendet waren, versuchte ich nochmals, Tante Sophie telefonisch zu erreichen. Diesmal meldete sie sich, aber ihre Stimme klang ungewöhnlich mitgenommen.

    „Tante Sophie, was ist denn passiert?, erkundigte ich mich voller Sorge. „Warum bist du denn nicht gekommen?

    „Liebe Julia, es tut mir so leid, dass du vergeblich auf mich gewartet hast", entschuldigte sie sich umgehend.

    Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein musste. Ihre sonstige Fröhlichkeit war wie weggeblasen, stattdessen klang sie traurig und besorgt.

    „Als ich heute Morgen zum Friedhof fahren wollte, habe ich beim Abbiegen direkt vor meiner Wohnung einen Fahrradfahrer angefahren. Ihm ist Gott sei Dank nicht viel passiert. Trotzdem ist er zur Überwachung zunächst ins Krankenhaus eingeliefert worden."

    Jetzt klang ihre Stimme nahezu verzweifelt. Sie, die seit Jahren unentwegt darum bemüht war, ihre Mitmenschen tatkräftig zu unterstützen und ihnen stets alle in ihrer Macht stehende Hilfe zur Verfügung stellte, hatte nun selbst einem Menschen körperlichen Schaden zugefügt. Für sie musste das sicherlich ein persönliches Desaster sein.

    „Bist du verletzt?, erkundigte ich mich voller Mitgefühl. „Kann ich nicht irgendetwas für dich tun?

    „Nein, nein. Es ist alles in Ordnung, behauptete sie, aber der Klang ihrer Stimme vermittelte einen genau gegenteiligen Eindruck. „Mach dir keine Sorgen und fahr nur zu deinem Mario. Ich komme schon allein zurecht.

    Typisch Tante Sophie – wollte mal wieder keinem zur Last fallen. Wir verabschiedeten uns, aber als ich den Hörer aufgelegt hatte, war mir klar, dass ich Tante Sophie nicht einfach im Stich lassen konnte. Da konnte sie sagen, was sie wollte: Ich würde einfach zu ihrer Wohnung fahren und mir dort an Ort und Stelle ein Bild machen, ob und wie ich ihr helfen könnte.

    Auf mein Klingeln hin öffnete eine nervöse und aufgeregte Tante Sophie die Tür. Der Unfall war eindeutig nicht so spurlos an ihr vorbeigegangen, wie sie vorgegeben hatte. Aber sie freute sich riesig über mein Kommen und war den Tränen der Rührung und Freude nahe. Sogleich holte sie leckere Säfte, Kekse und andere Köstlichkeiten und erklärte mir ausführlich den Unfallhergang. Verletzt war sie nicht, aber ihr Auto hatte etwas abbekommen.

    „Soll ich dein Auto für dich in die Werkstatt fahren?", erkundigte ich mich in der Hoffnung wenigstens ein wenig behilflich sein zu können.

    „Das würdest du wirklich für mich tun? Das wäre wirklich lieb von dir", antwortete sie sofort begeistert.

    Gemeinsam verließen wir also ihre Wohnung und gingen zu ihrem Auto, das zwar einen deutlichen Unfallschaden aufwies, aber noch fahrbereit war. Ich setzte mich auf die Fahrerseite, um das kleine Auto zu starten, und Tante Sophie nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

    Als ich gerade den Zündschlüssel drehen wollte, fiel mein Blick auf das Schaltgetriebe: „Oh nein, entfuhr es mir, „Automatikschaltung!

    Noch nie im Leben war ich vorher ein derartiges Getriebe gefahren und hatte ein ganz ungutes Gefühl, das ausgerechnet bei einem fremden Unfallwagen auszuprobieren.

    Kein Problem, liebe Julia, meinte Tante Sophie sofort. Sie hatte wohl durch meine Anwesenheit wieder neue Zuversicht geschöpft: „Wenn ich mein Auto fahre, könntest du dann mit deinem hinterherfahren?"

    Ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen. Da war ich ja wirklich eine tolle Hilfe: Erst große Versprechungen und dann das! Tante Sophie fuhr aber ihr stählernes Sorgenkind ganz souverän in die Werkstatt, veranlasste dort das Notwendige und ließ sich anschließend von mir wieder nach Hause kutschieren.

    Trotz allem war Tante Sophie wahnsinnig dankbar – einfach, dass ich spontan gekommen war, ungefragt meine Hilfe angeboten hatte und für sie da war. Dieser Tag hatte unsere Beziehung zueinander endgültig verändert. Wir hatten erkannt, dass wir uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnelten und einander uneingeschränkt vertrauen konnten. Es war der Beginn einer wirklichen Freundschaft.

    In diesem Jahr gehörten mein Mann André, Mario und ich auch erstmals zu den Auserwählten, die zu Tante Sophies Geburtstagsfeier in ein vornehmes Restaurant eingeladen worden waren. Ich empfand das als große Ehre nunmehr offenbar auch zu Tante Sophies Vertrauten zu gehören. Neben einigen nahen Verwandten, die ich natürlich auch kannte und sehr mochte, hatte sie zusätzlich noch die gesamte Familie von Pastor Stark einschließlich Kindern und Enkelkindern eingeladen, mit der sie wohl durch ihr intensives Engagement in der Kirche im Laufe der Jahre eine engere Beziehung aufgebaut hatte.

    Pastor Stark war in jener Zeit in unserer Stadt eine äußerst prominente Persönlichkeit. Mit seinen mitreißenden Andachten in der Kirche scharte er die Gläubigen nur so um sich. André und ich hatten in jungen Ehejahren seinen Gottesdiensten selbst oftmals gelauscht, und die Termine häufig sogar extra so ausgewählt, dass wir seine Ansprachen hören konnten. Sie hatten in der Tat etwas Packendes und hoben sich durch Pastor Starks Wortgewalt von den gewöhnlichen Reden deutlich ab. Das war jetzt aber das erste Mal, dass ich Pastor Stark persönlich und privat kennenlernen sollte.

    Wir sahen ihn schon von weitem, als er mit seiner Familie aus seinem großen, dunklen Auto ausstieg, das er dreist direkt in der Halteverbotszone der Feuerwehrzufahrt vor dem Restaurant geparkt hatte.

    „Für eine so hochstehende Persönlichkeit scheinen Verkehrsregeln aber offenbar nicht zu gelten", meinte André wütend, der sowieso schon davon genervt war, dass wir stundenlang nach einem ordnungsgemäßen Parkplatz hatten suchen müssen.

    Dass sich ausgerechnet ein Mann der Kirche so gewissenlos und mutwillig über die geltenden Verkehrsregeln und Schutzvorschriften hinwegsetzte, fand ich schon etwas befremdlich. Dieser kleine Vorfall schwächte umgehend meine einstige Begeisterung über ihn erheblich ab.

    Als Pastor Stark gemeinsam mit uns das Restaurant betrat, richteten sich augenblicklich alle Blicke auf ihn. Mit selbstbewusster, lauter Stimme begrüßte er die neugierig und ehrfürchtig auf ihn starrenden, anwesenden Gäste und rauschte mit festem Schritt durch die Räumlichkeiten des Restaurants in den etwas separat liegenden Raum, der für die Geburtstagfeier vorbereitet war.

    Natürlich hatte Tante Sophie für ihn und seine Familie die Ehrenplätze an der Tafel vorgesehen. Schließlich war Pastor Stark ja auch eine Berühmtheit in unserer Stadt und Tante Sophie war sichtlich stolz darauf, dass diese Prominenz an ihrem Ehrentag erschienen war.

    Trotzdem tat Tante Sophie mir an jenem Geburtstag irgendwie leid. Sie saß zwar am anderen Ende der Tafel zwischen Eva und Frau Stark, aber keiner von beiden unterhielt sich angeregt mit ihr. Sie schienen sich offensichtlich nicht viel zu sagen zu haben. Tante Sophie versuchte durch ein Dauerlächeln vorzugeben, dass ihr die Feier gefiele, jedoch konnte ich mir das kaum vorstellen.

    War es Pastor Starks dominantes, überhebliches Verhalten, das plötzlich so eine Antipathie gegenüber seiner Person, die ich selbst noch vor kurzer Zeit bewundert hatte, bei mir auslöste? Oder war es dieses ungute Gefühl, dass er die Dinge, die er persönlich für richtig hielt, rücksichtslos über alle Köpfe hinweg durchzog?

    Dem vermeintlichen Höhepunkt des Abends, einer Rede des allerorts bewunderten Pastor Stark, folgte ich daher mit großer Skepsis und mangelnder Begeisterung. Immer wieder hob er die außerordentliche Freundschaft seiner Familie zu Tante Sophie derart hervor, dass es mir fast schon ein wenig übertrieben schien. Ich muss aber gestehen, dass ich etwas voreingenommen war.

    „Warum hat Tante Sophie denn ausgerechnet Familie Stark eingeladen?, wunderte sich André, als wir wieder zurück zum Auto gingen. „Woher kennt sie die denn überhaupt so gut? Pastor Stark ist doch ein gefragter Mann in der Stadt. Da bin ich doch überrascht, dass er für Geburtstagsbesuche Zeit findet.

    „Du weißt doch, dass Tante Sophie in der Schlosskirche sehr engagiert ist und für Pastor Stark dort eine große Unterstützung ist, versuchte ich trotz meiner eigenen Vorbehalte eine Erklärung zu finden. „Seit einigen Jahren ist sie wohl enger mit der Familie befreundet.

    „Das finde ich aber schon ein wenig eigenartig, entgegnete André. „Eins ist aber klar: Nach dem reichen Alkoholgenuss, den sich Herr Stark heute Abend genehmigt hat, würde ich auf jeden Fall mein Auto stehen lassen, ergänzte er und deutete in die Richtung von Herrn Stark, der gerade dabei war, sich hinter das Steuer zu setzen.

    In den folgenden Jahren unternahmen wir immer wieder gemeinsame Vergnügungsfahrten mit Tante Sophie in das Umland, an denen wir alle viel Freude hatten. Ob Fahrten mit dem Floß oder Tretboot, mit der alten, schwarzen Dampflok, Ausflüge in die Heide oder in die Berge – ständig überlegten wir uns neue Unternehmungen.

    So sehr Tante Sophie aber auch unser Beisammensein und unsere Ausflüge sicherlich genoss, ich hatte weiterhin den Eindruck, dass ihr eigentlicher Lebensmittelpunkt Familie Stark war.

    „Ich will, solange es geht, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen", betonte sie immer wieder, und, ganz Lehrerin, bestimmte immer sie, wann sie mal wieder Zeit für ein Treffen mit uns hatte.

    Es hatte daher nicht den Anschein, dass sie sich eine noch engere Beziehung zu meiner Familie gewünscht und ersehnt hätte. Immerhin hatte sie in dieser Hinsicht ja die Starks, so glaubte ich …

    Das erste Mal, als ich erkannte, dass Ihre Beziehung zur Familie Stark sich verändert hatte und doch nicht mehr so intensiv war, wie ich es gedacht hatte, war ein Anruf von Tante Sophie am 30. November 2011. Spät abends klingelte plötzlich das Telefon.

    Zu meiner Überraschung meldete sich eine aufgeregte Tante Sophie, die eine unerwartete Bitte an mich hatte. Es fiel ihr sehr schwer, sie überhaupt zu formulieren, und am liebsten hätte die sie auch sofort auch wieder zurückgenommen.

    Aber es war ihr eine Herzensangelegenheit, also brachte sie sie auch hervor: „Liebe Julia, du hast in deiner letzten Geburtstagskarte dich wieder einmal angeboten, mir zu helfen. Ich weiß, du hast mit deinem pflegebedürftigen Sohn Mario so viel zu tun, und ich traue mich es kaum auszusprechen, aber ich wollte dich fragen, ob du für mich die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht übernehmen würdest. Ich weiß einfach keinen anderen, dem ich so viel Vertrauen entgegenbringe, dass ich ihn fragen könnte."

    Ich war sehr überrascht. Wenn ich mit ihr durch die Stadt ging, wurde sie von unendlich vielen Leuten freundlich begrüßt, einen Termin mit ihr zu vereinbaren war stets schwierig, weil sie sich schon mit Freunden und Bekannten verabredet hatte – und unter all diesen Freunden insbesondere der Familie Stark war niemand, dem sie so sehr vertraute wie mir? Ich empfand es als Ehre, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen und sagte deshalb mit Freude zu. Sie war sehr erleichtert, und wir verabredeten einen Termin im Laufe der Woche, um die Details gemeinsam zu besprechen und das vorgefertigte Schriftstück zu unterschreiben.

    Wie besprochen klingelte ich am Donnerstag an ihrer Tür. Eine wie gewohnt fröhliche Tante Sophie öffnete sie und bat mich herein. Ich ging den langen Flur ihrer Wohnung entlang, wo sich ein Bild der Familie Stark an das andere reihte, hinein in ihr mit antiken Möbeln vornehm ausgestattetes Wohnzimmer. Auf ihrem alten Biedermeierschreibtisch stand aber auch ein nettes Foto von Mario, und ich freute mich, dass sie es aufgestellt hatte.

    Sie überhäufte mich mit Keksen vom Konditor, Pralinen, Kaffee und edlen Säften und

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1