Irrlicht 2 – Mystikroman: In diesem Schloß regiert der Haß
Von Chrissie Black
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Dir wird niemand mehr helfen, Meredith! Als Meredith die Treppe hinunterging, um in der Küche zu frühstücken, war der entscheidendste Tag ihres Lebens bereits zehn Stunden alt. Noch aber hatte die junge Dame nicht die geringste Ahnung von dem, was in nächster Zeit auf sie zukommen sollte. Es traf sie vielmehr wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Meredith trat ans Fenster und warf einen Blick vors Haus. Das kleine rote Auto war nicht da. Demzufolge war ihre Mutter beim Einkaufen. Meredith toastete zwei Scheiben Weißbrot und bestrich diese mit Butter und Orangenmarmelade. Dazu trank sie Milch und einen Mischsaft. Sie genoß es, wieder einmal in aller Ruhe frühstücken zu können. Die vergangenen Monate waren voller Arbeit und Streß gewesen, denn ihr Studium verlangte vollsten Einsatz. Meredith war bereit, diesen Einsatz zu bringen, weil sie über einen gesunden Ehrgeiz verfügte. Manchmal arbeitete sie sogar richtiggehend selbstaufopfernd. Dabei hatte sie aber bemerkt, daß allzuviel Belastung auf die Dauer nicht gut war und daß gelegentliche Ruhepausen unbedingt sein mußten. Darum wollte sie jetzt, zu Beginn der Semesterferiem zwei Wochen lang nicht das geringste tun, sich einfach entspannen. Meredith seufzte behaglich vor sich hin. Sie genoß es, wieder daheim in Lostwithiel zu sein, bei ihrer Mutter, mit der sie schon immer eine große Liebe verbunden hatte. Seit dem Tode ihres Vaters hatte sich diese Liebe sogar noch vertieft, denn Merediths Mutter hatte eine bewundernswerte Haltung gezeigt, trotz des großen Schmerzes und der Trauer um ihren Mann. Damals war Meredith klar geworden, daß in ihrer Mutter mehr Lebensenergie steckte, als sie vermutet hatte. Während Meredith frühstückte, blätterte sie die Zeitung durch.
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Irrlicht - Neue Edition
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Irrlicht 2 – Mystikroman - Chrissie Black
Irrlicht
– 2 –
In diesem Schloß regiert der Haß
Dir wird niemand mehr helfen, Meredith!
Chrissie Black
Als Meredith die Treppe hinunterging, um in der Küche zu frühstücken, war der entscheidendste Tag ihres Lebens bereits zehn Stunden alt. Noch aber hatte die junge Dame nicht die geringste Ahnung von dem, was in nächster Zeit auf sie zukommen sollte. Es traf sie vielmehr wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Meredith trat ans Fenster und warf einen Blick vors Haus. Das kleine rote Auto war nicht da. Demzufolge war ihre Mutter beim Einkaufen. Meredith toastete zwei Scheiben Weißbrot und bestrich diese mit Butter und Orangenmarmelade. Dazu trank sie Milch und einen Mischsaft.
Sie genoß es, wieder einmal in aller Ruhe frühstücken zu können. Die vergangenen Monate waren voller Arbeit und Streß gewesen, denn ihr Studium verlangte vollsten Einsatz. Meredith war bereit, diesen Einsatz zu bringen, weil sie über einen gesunden Ehrgeiz verfügte. Manchmal arbeitete sie sogar richtiggehend selbstaufopfernd. Dabei hatte sie aber bemerkt, daß allzuviel Belastung auf die Dauer nicht gut war und daß gelegentliche Ruhepausen unbedingt sein mußten. Darum wollte sie jetzt, zu Beginn der Semesterferiem zwei Wochen lang nicht das geringste tun, sich einfach entspannen.
Meredith seufzte behaglich vor sich hin. Sie genoß es, wieder daheim in Lostwithiel zu sein, bei ihrer Mutter, mit der sie schon immer eine große Liebe verbunden hatte. Seit dem Tode ihres Vaters hatte sich diese Liebe sogar noch vertieft, denn Merediths Mutter hatte eine bewundernswerte Haltung gezeigt, trotz des großen Schmerzes und der Trauer um ihren Mann. Damals war Meredith klar geworden, daß in ihrer Mutter mehr Lebensenergie steckte, als sie vermutet hatte.
Während Meredith frühstückte, blätterte sie die Zeitung durch. Ihrer Gewohnheit gemäß fing sie von hinten an und las zuerst die Lokalnachrichten. Diese wurden in den letzten Tagen nur von einem zentralen Thema beherrscht, vom Tode Lord Bellamys nämlich. Tags zuvor war seine Beisetzung gewesen. Nun prangte ein großes Bild davon auf der zweiten Seite.
Meredith sah sich das Bild genauer an. Es zeigte die trauernden Hinterbliebenen. Sie umstanden dicht gedrängt den Sarg, der sich auf einem Gestell direkt über der Grube befand. Ein Berg von Blumen war um den Sarg herum aufgebaut. Links des Sarges war eine Frau im Rollstuhl zu sehen. Sie trug einen Schleier und wirkte klein und unscheinbar.
Lady Bellamy, die Schwester des Verstorbenen, dachte Meredith. Sie erinnerte sich, einmal gehört zu haben, daß Lady Bellamy im Rollstuhl saß. Das war aber auch schon alles, was der Öffentlichkeit über sie bekannt war.
Neben ihr stand, durch den Blumenberg halb verdeckt, ein noch junger Mann in Frack und Zylinder. Robert Bellamy, der neue Lord, einziger noch verbliebener Sohn des alten Lord Bellamy. Neben ihm stand eine Frau, die ebenfalls einen Schleier trug. Von ihrem Gesicht war nichts zu sehen. Trotzdem wußte Meredith, daß Lady Kelly Bellamy eine sehr schöne Frau war. Sie hatte sie schon des öfteren in Zeitungen gesehen, denn hin und wieder machte Lady Kelly Schlagzeilen, nicht immer positive…
Auf dem Bild waren noch eine ganze Anzahl weiterer Personen zu sehen. Meredith kannte sie nicht. Ein Mann fiel ihr aber besonders auf, und zwar durch seine enorme Größe. Zwei Meter, schätzte Meredith.
Meredith fand, daß das Bild, nicht zuletzt durch seine Scharzweiß-Wiedergabe, die einer Beerdigung entsprechende Düsternis ausstrahlte. Sie konnte sich genau vorstellen, wie denjenigen, die wirkliche Trauer empfunden hatten, in diesen Augenblicken zumute gewesen war. Wenn sich der Sarg in die Erde senkte, dann war auch das letzte Band zerrissen. Kurz kam ihr die Beerdigung ihres Vaters in den Sinn. Er war sehr beliebt gewesen, und er hatte eine sehr große Beerdigung gehabt. Alle Trauergäste, die gekommen waren, hatten wirklich um ihn getrauert. Daß es sich bei Lord Bellamy ähnlich verhielt, nahm Meredith nicht an. Er hatte nämlich keinen guten Ruf genossen und war als Tyrann verschrien gewesen.
Meredith überlegte sich, wer von den abgebildeten Personen wohl wirklich Trauer empfunden hatte. Ihre Gedanken wurden aber durch den Postboten unterbrochen, der soeben auf das Haus zumarschierte. Meredith sah ihn aus den Augenwinkeln.
Vergessen waren die Bellamys. Meredith konzentrierte sich nun wieder auf sich selbst. Das hatte einen einfachen Grund. Sie erwartete nämlich sehnlichst Post. Und zwar wartete sie auf einen Brief aus der Redaktion des »Cornwall Echo«.
Meredith hatte bereits verschiedene Kurzgeschichten an die Zeitung verkaufen können. Vor einer Woche nun hatte sie wieder zwei neue eingesandt. Ihre Geschichten, die meist von Liebe handelten, wurden gut honoriert. Das CE, wie das »Cornwall Echo« allgemein nur genannt wurde, druckte ihre Geschichten gern ab, denn sie waren von guter Qualität. Meredith verstand sich aufs Schriftstellern, wie ihr schon von verschiedenen Seiten versichert worden war. Und so konnte sie sich ihr Studium ohne fremde Hilfe finanzieren. Das kärgliche Geld, das ihre Mutter nach Vaters Tod erhielt, hätte dazu kaum ausgereicht.
Meredith wartete, bis sie den Briefschalter klappern hörte, dann holte sie die Post aus dem Kasten. Ein paar Werbesendungen waren dabei, aber kein Brief vom CE. Immerhin, ganz leer war Meredith aber nicht ausgegangen, denn ein großer brauner Umschlag war an sie adressiert.
Erstaunt betrachtete sie ihn. Kein Absender war angegeben, weder vorne noch hinten. Ihr Name und ihre Adresse waren mit Schreibmaschine getippt worden.
Sie warf einen Blick auf den Stempel. »Truro« stand dort deutlich zu lesen.
»Truro?« murmelte sie vor sich hin. »Wer um alles in der Welt schickt mir Post aus Truro?« Sie überlegte, ob sie dort jemanden kannte. Aber es fiel ihr niemand ein.
Sie nahm den Brieföffner und schlitzte den Umschlag auf. Zum Vorschein kamen amtlich aussehende Dokumente und ein weißes Briefkuvert, das ebenfalls ihren Namen und ihre Adresse trug.
Verwirrt betrachtete Meredith die Dokumente. Zuoberst lag eine Geburtsurkunde. Sie besagte, daß einer Miss Lydia Miller am 2. März 1964 um 3 Uhr morgens eine Tochter geboren worden war. Der Vater ging aus dieser Urkunde nicht hervor. Er wurde mit »unbekannt« angegeben.
Meredith schüttelte den Kopf. Ihr Herz pochte heftig. Sie ahnte, daß sie gleich etwas Schlimmes erfahren würde. Der 2 März 1964, das war der Tag, an dem auch sie geboren war…
Das zweite amtliche Dokument war eine Adoptionsurkunde. Daraus ging hervor, daß Mister und Mistress Peter Wood am 17. Mai 1965 die zur Adoption freigegebene Tochter der verstorbenen Lydia Miller adoptiert hatten.
Meredith fühlte, wie die Schwäche sie zu übermannen drohte. Ihre Knie waren plötzlich so weich, daß sie sich setzen mußte. Sie zitterte am ganzen Körper. Mr. und Mrs. Peter Wood, ihre Eltern…
Meredith atmete schwer. Mit zitternden Fingern nahm sie den dritten Bogen. Dieser war kein amtliches Dokument, sondern, wie es aussah eine fotokopierte Seite aus einem Tagebuch oder etwas Ähnlichem.
Die Schrift war regelmäßig und gut lesbar.
… bin wirklich der Verzweiflung nahe. Lydia, O Lydia, warum nur hast Du mich verlassen ? Ich weiß, daß Gottes Ratschlüsse unerforschlich sind und wir nicht mit ihnen rechten sollten. Aber ich kann es einfach nicht begreifen, daß ausgerechnet Du so jung gehen mußtest...«
Die kleine Meredith wird alles sein, was mir von Dir noch bleibt. Ich liebe das Kind. Aber ich kann es nicht so sehr lieben, wie ich Dich geliebt habe. Es ist so klein und unschuldig und hat doch Deinen Tod auf dem Gewissen. Daran werde ich immer denken müssen. Ich weiß, das ist nicht ganz gerecht, aber kann ein Mensch, der unvorstellbare Schmerzen erleidet, noch gerecht sein?
O Lydia, Lydia. Bitte verzeih mir das, was ich tun muß. Ich liebe Dich, ich liebe auch die kleine Meredith. Aber ich liebe auch meinen Vater. Und der würde niemals einen kleinen »Bastard«, wie er es nennen würde, auf dem Castle dulden. In dieser Beziehung ist er unerbittlich.
Diese verdammten Standesdünkel! Es wäre kein leichtes Leben für das kleine Wesen auf Bellamy Castle. Ich gebe sie also fort zu Leuten, bei denen sie es besser haben wird.
O mein Gott, ich bin mir nicht sicher, ob ich Meredith überhaupt hierhaben möchte, auch wenn Vater nichts dagegen hätte. Sie würde mich jeden Tag an Dich erinnern und den Schmerz niemals heilen lassen. Ich bin doch noch so jung, Lydia. Und wenn schon Du nicht leben durftest, dann will ich es. Und ich könnte es nicht, wenn ich immer deinen Schatten über mir spüren würde.
Bitte, Lydia, verzeih mir! Es sind Gedanken und Ängste, die meiner nicht würdig sind. Aber ich bin ein Feigling
Ich habe mich nach den Woods erkundigt. Ehrbare Leute, die ein Kind haben möchten, aber keines bekommen können. Bei ihnen wird es Meredith guthaben. Es…
Hier endete die Seite. Meredith saß wie betäubt. Ihr Zittern hatte sich noch verstärkt, sie starrte auf die Seite. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die langsam ihre Wangen hinunterliefen und auf die Tagebuchseite tropften. Erst langsam fand Meredith wieder in die Wirklichkeit zurück.
Es blieb ihr noch, den weißen Umschlag zu öffnen. Sie tat es, eher mechanisch, denn eigentlich wollte sie es gar nicht. Der einliegende Brief war wieder mit Schreibmaschine abgefaßt.
Sehr geehrte Miss Wood, wie Sie sicherlich in allen Zeitungen gelesen haben, ist Lord Bellamy vor einigen Tagen von uns gegangen. Bellamy Castle bekommt nun also einen neuen Besitzer. Wie Sie sicherlich ebenfalls wissen, soll Robert Bellamy, 18. derer von Bellamy, der neue Herr über die Bellamy-Besitztümer werden. Er ist aber nicht der rechtmäßige Erbe.
Das sind vielmehr Sie, Miss Wood. Aus den beigelegten Dokumenten und der Tagebuchseite geht eindeutig hervor, daß Sie Jason Bellamys uneheliche Tochter sind, denn aus seinem Tagebuch stammt die kopierte Seite.
Und weil es eine Art Bellamysches Hausgesetz gibt, das besagt, daß die Erbfolge strengstens eingehalten werden muß – dieses Gesetz gilt noch heute – sind Sie, Miss Wood, alleinige Erbin von