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Ich bin die Freude meines Alters: Alte und neue Geschichten
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Ich bin die Freude meines Alters: Alte und neue Geschichten
eBook280 Seiten5 Stunden

Ich bin die Freude meines Alters: Alte und neue Geschichten

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Über dieses E-Book

Christel Bethkes Gedichte und kurze Geschichten mäandern zwischen dem Gestern und dem Heute. Sie erzählen in natürlichen, sinnlichen Bildern vom Alltag des Alterns und von menschlichen Merkwürdigkeiten, von denen manche sich auch vom Älterwerden nicht aufhalten lassen.
Die Autorin kommentiert das Leben, das sie täglich um sich herum beobachtet, ebensowie ihre Erinnerungen an alte Geschichten mit lebenskluger Toleranz. Das macht ihre Texte über Generationengrenzen hhinweg lesenswert.

Christel Bethkes Geschichten und Reflektionen über das Leben im Alter, sind lesenswert für alle, die schon älter sind oder es noch werden möchten.

15 Fotos dokumentieren und beschreiben Ihre Geschichten.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum10. Sept. 2015
ISBN9783739277417
Ich bin die Freude meines Alters: Alte und neue Geschichten
Autor

Christel Bethke

Christel Bethke, geboren 1930 in Gerdauen in Ostpreußen, kam 1945 mit einem Flüchtlingstreck nach Oldenburg, wo sie noch heute lebt. Ihr schriftstellerisches Debüt gab sie 1981 mit dem Gedichtband Das Netz. 1998 erschien Mein langer Weg zu mir. Tagebuch eines Frauenlebens, von dem 2020 unter dem Titel ... und trotzdem ein Sonntagskind eine erweiterte Neuausgabe herauskam. Danach gab es Bücher mit »alten und neuen Erinnerungen« an Ostpreußen, das sie nach der Wende mehrfach besuchte, mit Gedichten, mit Geschichten aus dem Alltag sowie mit Kochrezepten. Immer noch spielt sich ihr Leben »zwischen Herd und Schreibmaschine« ab, sodass wir auf ihr nächstes Buch gespannt sein dürfen.

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    Buchvorschau

    Ich bin die Freude meines Alters - Christel Bethke

    Inhalt

    Plagiat

    Der Bauer hat sein Land verkauft

    Sage nicht

    Das Wiedersehen

    Die Bushaltestelle

    Trommeln

    Mit zweiundachtzig

    Das Alter

    Unten steht der Leichenwagen

    Die Tilsiterin

    Zu Hause trösten schon die Wände oder alles hat seine Zeit

    An einem Sonntagmorgen

    Narziß

    Was man nicht kennt, vermißt man nicht

    Nach Hause kommen

    Nimm drei, bezahl zwei

    Eros und Geschlecht

    Frühling in der Stadt

    3 alte Frauen (4)

    Kriminaltango

    Sommerweg

    Der Neurotiker

    Eckbank in Rot

    Lungern

    Das Treffen oder der helle Wahnsinn

    Du hast es wiedermal geschafft

    Dodo

    Besuch bei Ludwig Hohl

    Gleichgültig

    Schöpferische Möglichkeiten ohne Ende

    Nachts auf dem Balkon

    Bornhorst

    Bücher

    Traum

    Ein Brief an den Verlag

    Bei Thalia

    Vielleicht doch lieber Seebestattung

    Bilderbuch

    Kein Ort für unsere Trauer

    Frühe Kindheitserinnerungen

    Ein Tag im Mai

    Merkwürdig

    Zeitungsinserat

    Austherapiert

    „Wenn du denkst, es geht nicht mehr ..."

    Erfolgserlebnisse eines Vormittag:

    Die Eintänzerin

    „Luna Beef"

    Mademoiselle Bethke oder man wird ja träumen dürfen

    Schön ist solch ein Morgen

    Stein oder nicht Stein

    Im ICE

    Empfehlung

    Wen der Herbst nicht will, den holt der April

    Am 4.10.2012

    Eigener Herd ist Goldes wert

    August 2011, morgens mit dem Rad nach Zwischenahn

    Wie geht es dir?

    Das Leben der Hühner ist rot

    Der Großzügige

    Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe

    Mister Mint

    Warum fragte ich nicht?

    „Man darf gespannt sein"

    Träumen kann man doch

    Darf ich fragen wie alt Sie sind?

    Oma

    Rentner-Da-Sein

    Unglaublich oder vor lauter Licht sieht man die Sterne nicht

    Oktober

    Was sich die Schwachköpfe ...

    Was es heute gibt

    Engel bringt das Gewünschte

    Tapferkeit

    Alte Heimat, Neue Heimat oder ich hatte immer Angst

    Auch dafür muß gedankt werden

    Alle Jahre wieder

    Schlaflos

    Das zieht sich hin

    Silberner Tag

    Erinnerungen

    Erfolgserlebnis heute Vormittag:

    Wir fahren nach Ajonken

    9. September 2012

    Frau Schwendimann will kämpfen

    Briefe nicht erwünscht

    4.5.2013 Glück

    Sonne

    Der Angsthase

    Nachwort

    Spät erst erfahren sie sich:

    bleiben und stille bewahren

    das sich umgrenzende Ich.

    Gottfried Benn

    Plagiat

    Mein Leben besteht nur

    aus Literatur.

    Die große und die kleine

    Liefern mir die Steine

    zum Überlebensbau.

    „Ich bemerke wieder einmal,

    daß kein Buch den lebendigen Menschen ersetzen kann",

    Albert Speer in Spandauer Tagebuch

    Der Bauer hat sein Land verkauft

    Der Bauer hat sein Land verkauft,

    Er holt die Milch jetzt in der Tüte.

    Er hält gar keine Tiere mehr

    Und spricht von „Freizeit", meine Güte!

    Und seine Frau, die Bäuerin,

    Hält sich nun fit for fun:

    Sie joggt, spielt Golf und sonstnochwas,

    Hat auch ein neues Outfit an.

    Auf ihrem weiten schönen Feld

    Stehn neue Immobilien.

    Sie haben jetzt ’ne Menge Geld

    Und machen „Auszeit" auf Sizilien.

    Das alte Haus, mit Stall und Scheun’,

    Es mußte Neuem weichen,

    vom Giebel „achtzehnhundertzehn"

    Ließ niemand sich erweichen.

    Zweihundert Jahr Vergangenheit,

    Gelebtes Leben, hier am Ort.

    So ist das mit dem Zahn der Zeit,

    Was bleibt, ist nur das Wort.

    Sage nicht

    Sage nicht, das Glas ist schon halb leer

    Und nicht, morgen wird es regnen

    Wenn wir spazieren gehen werden.

    Sage nicht, gestern war ich dort um diese Zeit

    Und morgen werde ich woanders sein.

    Laß uns im Heute doch verweilen.

    Im Glase funkelt rot der Wein

    – vielleicht ein achtel noch –

    Wir wollen ihn genießen.

    Das Wiedersehen

    In der Nähe des Bahnhofes beobachtete ich folgende Szene, die mir beim Weiterfahren verschiedene Gedanken in den Sinn kommen ließen: Ein Mann, offensichtlich von dort kommend, denn er zog einen Koffer hinter sich her, und ein Kind von entgegengesetzter Seite, strebten eilig aufeinander zu. Vielleicht hatte das Kind, es war ein kleines Mädchen, sich verspätet und nicht mehr rechtzeitig geschafft, beim Eintreffen des Zuges den Erwarteten zu begrüßen. Jedenfalls war ersichtlich, wie sehr sie sich freuten, sich wieder zu sehen. Das letzte Stück Weges wäre fast auch noch der Vater gerannt: der Koffer bleibt stehen, die kleine Tochter liebevoll begrüßt, umarmt und sich immer wieder drückend und Fragen stellend (hoffentlich nicht gleich nach der Schule!), ziehen sie nun den Koffer hinter sich her nach Hause.

    Ernst Barlach hat eine Skulptur geschaffen, die er Das Wiedersehen nennt und die mich immer wieder sehr berührt. Sie zeigt zwei Frauen, eine davon alt und ge krümmt, sich berührend. Sich wiedersehen, eine herzbewegende Angelegenheit ist das.

    Was war das früher immer für eine große Begebenheit, wenn Besuch kam und auch wenn er wieder fort mußte. Telefon gab es nicht im Haus und Briefe zeigten auch nie an, wie es denn wirklich um einen stand. Hat sich Mutter verändert, der Vater? Wie geht es ihnen wirklich? Hat er sich von seiner Krankheit erholt?

    Im Zusammenkommen der Menschen hat sich seit damals auch etwas verändert. Vielleicht sieht man sich öfter, aber nicht intensiver.

    Also erstmal die Ankündigung. Da muß natürlich alles auf Vordermann gebracht werden: das Haus gesäubert,das Gastzimmer, so vorhanden, hergerichtet, gebacken muß werden, ein Speiseplan erstellt, nachdem man sich der Lieblingsspeisen des Gastes erinnert hat, Blumen auf den Tisch mit der frischen gestärkten Decke und natürlich Großer Bahnhof. Alle Mann hin und den Be such abgeholt. War mit großem Gepäck zu rechnen, mußte der Handwagen mitgenommen werden, denn auch ein Auto gab es nicht und von einem Taxi ist mir ebenfalls nichts bekannt, das bestellt werden konnte. Wie denn auch, eher konnte schon bei Onkel Priedigkeit Pferd und Wagen ausgeliehen werden.

    Ganz anders heute. Viele kleine Reisen, die auch in acht Tagen um die Welt führen können, sind gefragt. Schließlich möchte man die Große Mauer begangen haben, auf einem Kamel bis an die Pyramiden geritten sein. Auf einem Elefanten durch den Regenwald wäre auch ganz schön und überhaupt, das Leben ist viel zu kurz, trotz Brückentagen und geschickter Urlaubsplanung, um sich alles einzuverleiben.

    Damals kam man, um eine Weile zu bleiben, um wieder mal vereint zu sein. Klar wird man da vom Zug abgeholt und wenn er langsam einfährt, schon Ausschau halten aus welchem Coupé der Erwartete aussteigen wird. Dann erste verstohlene Bestandsaufnahme. Hat er sich verändert? Wenn ja, inwiefern. Schließlich schickte man nicht dauernd Fotos von sich und gemailt wurde auch nicht.

    „Das Herz muß wissen, wann es da sein soll", heißt es im Kleinen Prinzen. Wie wahr. Im Zeitalter des Autos und der Flugzeuge ist man ständig „Überraschungen" ausgesetzt. Und das Herz kann erst da sein, wenn es schon zu spät ist, und man fragt sich, ja war das denn nun wirklich wahr oder nicht. Dann fallen einem erst die Antworten ein zu Fragen, die gar nicht gestellt wurden.

    Zeit, Abschied zu nehmen. Der Besuch geht zu Ende, der Koffer ist gepackt, Proviant für unterwegs hergerichtet, zusätzlich noch ein Pappkarton mit nahrhaften Dingen für den Städter bereitgestellt. Der Handwagen aus dem Stall wird mit einer Wolldecke ausgelegt, um den guten Lederkoffer zu schonen und schon geht es los: einer zieht und einer schiebt; wenn es bei Urban den Berg runtergeht, muß gebremst werden, und viel zu früh für den Großen Bahnhof, der wieder abgehalten wird, ist man da. Dann aber, wenn das Gepäck verstaut, der Platz belegt ist, wird das Fenster heruntergelassen und gewinkt, wenn zur Hand, mit einem Taschentuch, das der Zurückbleibende ganz bestimmt aus seiner Manteltasche gezogen hat und so lange flattern läßt, bis der Zug die letzte Kurve genommen hat. Leere, Traurigkeit bleiben zurück. Dann aber wird sich gerafft und der gemeinsamen Zeit gedacht, die hinter einem liegt und die so wichtig war und ist im Leben. So halten wir es heute noch und das Tuch, das Taschentuch, ist ganz wichtig: es sollte nach Möglichkeit weiß sein und frisch entfaltet werden.

    Louise und ich in Bad Pyrmont (1968)

    Die Bushaltestelle

    Als ich vor einiger Zeit im Heim Besuche machte, sah ich, dass man eine Haltestelle für Busse davor eingerichtet hatte. Prima, dachte ich, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Da kann ich, wenn es im Winter mit dem Rad zu gefährlich wird, direkt mit dem Bus bis vor die Tür fahren. Alles ist da: eine Bank, ein durchsichtiges Häuschen, Fahrplan, ein Papierkorb für die entwerteten Fahrscheine und das Halteschild.

    Heute ist eine riesige Maschine im Garten damit be schäftigt, einen neuen Weg einzurichten, der sich mir zu nächst nicht recht erschließen will. Schade eigentlich um die alten Büsche, die der Umwandlung zum Opfer gefallen sind. Soll das ein Rundweg werden oder zwei? Eine Art von Acht, so etwas wie eine Endlosschleife? Ich lasse mir das vom zu wenigen Personal erklären. Es stimmt, der Weg soll die Kranken daran hindern „auszubüxen" wie mir der Pfleger erklärt. Einmal drin, muß der Wegführung gefolgt werden. Mir fällt der Hamster ein, der in seinem Rad unentwegt läuft und läuft und läuft. Oder ist das ein anderes Tier?

    Auch mit der Bushaltestelle stimmt etwas nicht. Nie wird hier ein Bus ankommen oder abfahren. Und das soll zum Wohle der Kranken sein? Der Verwirrten, die mir gar nicht so verwirrt scheinen, wenn man sich mit ihnen unterhält. Immer bekomme ich eine ausführliche Antwort wenn meine Frage die richtige ist. Seltsam ist das alles. Du sollst auf einen Bus warten, der nie kommen wird, und du sollst deine Runden drehen wie im Gefängnis. Wenn man nicht schon verwirrt ist, hier kann man es werden.

    Albert Speer, Hitlers großer Architekt, muß zwanzig Jahre im Spandauer Gefängnis absitzen und weiß als in telligenter Mensch, er wird verrückt werden, wenn er sich keinen Plan macht. Ihm kommt die Idee mit der Weltum wanderung im Gefängnisgarten. Er rechnet sich aus wieviel Kilometer er täglich schaffen kann, nachdem er die Länge des Weges im Garten ausgerechnet hat. Als Architekt fällt ihm das nicht schwer. Auch berechnet er Zeitzonen, winterliche Verhältnisse in den jeweiligen Ländern, durch die er kommen wird, ein und steckt sich Routen ab. Er läßt sich Material über die Strecken, die er durchwandern wird, bringen und studiert es. Jeden Tag notiert er sich die gewanderten Kilometer. Am 6. August 1955 heißt es „Flimmernde Hitze über der Pußta ... aus unserem Kräuterbeet riß ich eine Zitronenmelisse aus und zerrieb die Blätter zwischen den Fingern, der intensive Geruch verstärkt die Illusion von Fremde, Wanderung und Freiheit. Am 2. Dezember 1956 befindet er sich dreihundertdreiundfünfzig Kilometer vor Kabul: „Rech ne damit, daß ich, wenn keine Schneestürme auftreten, Mitte Januar in der Hauptstadt von Afghanistan ankommen werde.

    Am 24. Februar kommt es fast zur Katastrophe. Er ist inzwischen in nächster Nähe der Beringstraße, die zweihundertsiebzig Kilometer breit und bis Mitte März zugefroren ist, und er rechnet sich aus, daß, wenn er sein Tempo steigern könnte, er sie zu Fuß überqueren könnte, denn ein Wärter, der von dort stammte, hatte ihm erzählt, daß sie zufriert und er somit der erste Mitteleuropäer wäre, dem es gelänge. Im ganzen, erzählt er seinem Mit häftling Rudolf Hess, habe er bis dahin 78 514 Runden gedreht oder aber 21 201 Kilometer bis „hierher zurückgelegt. Der beunruhigt sich und fragt: „Halten Sie das nicht für beängstigend. Ist das nicht eine Manie? Speer beruhigt ihn damit, daß er sich in guter Gesellschaft befinde. Von Ludwig dem Zweiten wird berichtet, daß er manchmal abends in den Marstall ging, sich auf einer Karte die Stra ßenentfernung von München nach Schloß Linderhof ausrechnen ließ, sich aufs Pferd setzte und Runde um Runde die ganze Nacht über die Bahn abritt. Der Adjutant mußte ihm zurufen: „Jetzt sind Euer Majestät in Murnau, jetzt in Oberammergau und jetzt treffen Euer Majestät in Linderhof ein!"

    Irgendwie, denke ich manchmal, hängt alles zusammen. Alles ist etwas irre. Das ganze Leben. Und Umwege sollen ja angeblich die Ortskenntnis erweitern. Abends, beim Nachrechnen, muß Speer feststellen, daß sie sich während des Gesprächs auf der Behringstraße befanden. „Wie leicht hätte ein Unglück passieren können, man kann nicht vorsichtig genug sein", notiert er.

    Weil ich heute erschöpft bin, setze ich mich, bevor ich nach Hause fahre, zu einer älteren Frau auf die Bank an der Bushaltestelle. Sie hat ihre umgehängte Tasche auf dem Schoß und macht sie unentwegt auf und zu. Auf meine Frage, wohin, sagt sie, sie will Eis essen fahren. Bei der Hitze, denk ich, ist das eine gute Idee. Ich habe sie im Haus schon öfter gesehen und seit es diese Haltestelle gibt, sitzt sie hier jeden Tag, erzählte mir der Pfleger. Sie hat den Riemen der Tasche wie beim Koppelzeug schräg über Rücken und Bauch und unwillkürlich muß ich an einen Brotbeutel denken, in dem die eiserne Ration eines Soldaten war. Und siehe da, jetzt holt sie ein flaches Päckchen aus der Tasche und wickelt ein Brot aus. Nachdem sie das Papier sorgfältig in den Papierkorb getan hat, beginnt sie zu essen.

    Jetzt kommt noch ein möglicher Fahrgast und setzt sich zu uns. Alles das geschieht wortlos. Was ist das nun alles, ist das gut oder trostlos? Müßte ich hier sein, kommt mir in den Sinn, ginge ich nicht auch hierher, um zu warten? Was hat man nicht schon in seinem Leben gewartet! Von we gen, das Herz muß wissen, wann es da sein soll, wie esim Kleinen Prinzen heißt. Das ist ja vom Warten schon so müde, daß es den Augenblick verpaßt, wenn es da sein soll, das heißt, wenn der Bus endlich kommen sollte. Wird die Welt, in der wir leben, durch unsere Träume nicht doch verändert und lebbarer? Wir wollen doch nicht nur aufgehoben sein, sondern leben.

    Das letzte Stück unserer Straße, bevor sie in die Bundes straße mündet, es sind vielleicht hunderzwanzig Me ter, war immer ganz besonders sauber. Jedes bißchen Unrat, Papier und Plastik wurde von einer alten Frau aufgesammelt. Dreimal mindestens am Tag trat sie aus ihrem Haus und sorgte für Ordnung. Jahrelang ging das so und auch der daneben laufende Graben gehörte dazu. Im letzten Jahr, als es Herbst wurde und die Blätter fielen, be gann ihre Sisyphusarbeit. Die Blätter! Die wirbelnden, fallenden Blätter. Sie konnte sie nicht schnell genug sammeln und in ihre Ecke tragen, schon waren sie wieder auf und davon. Einmal stieg ich vom Rad und sie führte mich an den Ort ihrer Niederlage und ihren Augen war anzusehen, daß sie die Welt nicht mehr verstand. Schade.

    Mir fiel ein, wie besessen ich immer alles gemacht hatte und manchmal heute noch. Gestrickt wie eine Irre, dabei wollte schon längst keiner mehr die Pullover und So cken haben. Dann danach das Häkeln! Spitzen für Tisch de cken! Teurer Stoff wurde gekauft, Bielefelder Leinen, und die ganze Spitze eingearbeitet und drumherum ge näht im Spezialgeschäft für ganz teures Geld. Wäre es nicht schön zu wissen, man wird nicht mehr sein, aber eine solche Decke überdauert einen und wird zum Familienerbstück? Puste kuchen, wo sind die Erbstücke geblieben? Die Heiß manglerin meinte mal, das macht sie heute nicht mehr. Die setzen gleich ihren Kaffeebecher auf den Tisch, ohne Decke. Und eigentlich haben sie auch recht, bei den Mangelpreisen.

    Dann das Sammeln der Beeren im Herbst. Wieviel Gläser Gelee und Marmelade gekocht. Nichts davon für mich und ob die anderen das mochten und zu schätzen wußten, bleibt auch fraglich, denn der Geschmack der Nachkommen hat sich auch den Neuerungen angepaßt.

    Mein Badesee ist neunhundert Schwimmzüge lang, hin und her also eintausendachthundert. Mache

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