Ein Koffer geht auf Reise: Kurzgeschichten zum Vorlesen und Selberlesen
Von Ute Heinrichs
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Über dieses E-Book
Die Geschichten eignen sich für das Vorlesen am Abend oder zwischendurch. Sicherlich können sich auch junggebliebene Erwachsene daran erfreuen, die bereit sind, sich in die Fantasiewelt der Kinder hinzudenken. Abschalten vom Alltag und Lächeln.
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Buchvorschau
Ein Koffer geht auf Reise - Ute Heinrichs
Prolog
Die folgenden zehn Kurzgeschichten erzählen von einem Koffer, der verschiedene Stationen auf unserem Erdball erreicht und dort manchmal spannende, manchmal komische Abenteuer erlebt. Dabei tritt er durchaus mit den Personen der Geschichten in Kontakt und baut so manche Beziehung auf. Nicht selten muss er brenzlige Situationen meistern. Ein Abenteuer jagt das Nächste und die Kofferbesitzer wechseln in jeder Geschichte. Aufregend, was den Koffer da so alles erwartet…
Personen und Namen in dem Buch sind frei erfunden und jegliche Ähnlichkeit mit Lebenden ist rein zufällig.
Geschichte 1 - Koffer macht eine Kreuzfahrt
Kapitel 1 - Koffer findet ein Zuhause
„Eigentlich habe ich doch schon eine Menge erlebt", dachte sich Koffer.
Zwischendurch sah nicht alles so rosig aus, aber es hatte sich doch alles
noch zum Guten gewendet. Wenn er zum Beispiel an die Kreuzfahrt mit
der alten Dame dachte, wurde ihm ganz warm ums Herz.
Aber es fing alles ja ganz anders an. Erst einmal stand er Monate in einem
verstaubtem Geschäft. Kaum einer warf nur einen Blick auf ihn. Doch dann
kam eines Tages eine alte Dame, Frau Schuster, in den Laden und sagte:
„Ich brauche einen großen Koffer. Ich gehe auf eine Kreuzfahrt. Aber er
soll natürlich gut aussehen. Auf so einem Schiff wird sehr viel Wert auf
Äußerlichkeiten gelegt". Herr Finster – der hieß leider nicht nur so - nickte,
schaute sich um und sein Blick fiel auf Koffer. Wahrscheinlich dachte er in
diesem Moment, eine gute Möglichkeit, Koffer los zu werden. So
antwortete er schließlich: „ Dieser Koffer eignet sich bestimmt
ausgezeichnet." Dabei grinste er verstohlen, so dass die alte Dame es
nicht sehen konnte.
Zunächst schüttelte sie den Kopf, schien nicht ganz zufrieden, doch fragte
dann nach dem Preis. Herr Finster überlegte kurz und sprach: „120 Euro,
das ist ein Freundschaftspreis." Koffer hätte beinahe los gelacht, aber dann
hätte er sich verraten. Niemand wusste bis dahin, dass er kein
gewöhnlicher Koffer war. Aber Frau Schuster schüttelte den Kopf: „Nein so
viel Geld habe ich nicht. Sie denken vielleicht, wer auf eine Kreuzfahrt
geht, kann sich auch so einen Koffer leisten. Aber ich habe diese Reise in
einem Kreuzworträtsel gewonnen. Niemals hätte ich mir so etwas leisten
können. Mein Mann ist schon vor 15 Jahren gestorben und mit der kleinen
Rente kann ich mir gerade einmal im Jahr eine Woche im Schwarzwald
leisten. Aber ich will mich nicht beklagen. Es gibt Leute, denen geht es viel
schlechter als mir. Ich bin doch sehr glücklich und dann muss eben mein
alter Koffer ausreichen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."
Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und wollte den Laden verlassen.
Koffer konnte sich ein Stöhnen nicht verkneifen. Gerne wäre er mit dieser
netten alten Dame auf eine Reise gegangen. Er stellte sich vor, wie sie all
ihre guten Kleider in ihn packen würde. Herr Finster schien wohl doch noch
so etwas wie ein Gewissen zu haben. Er lief Frau Schuster hinter her und
rief: „Werte Dame. Es tut mir leid. Aber Sie wissen ja, hier kommen
Menschen herein, die wollen für wenig Geld das Beste und haben dabei
Geld wie Heu. Unsereiner muss ja auch eine Familie ernähren."
Was konnte dieser Mann lügen. Er lebte alleine und erst letztens hatte er
eine Erbschaft gemacht, so dass er sich eigentlich gar nicht mehr mit dem
Geschäft herumärgern müsste. Das hatte er gerade vor einer Woche noch
einem Kunden erzählt. Doch bevor Koffer seinen Gedanken weiter nach
hängen konnte, sprach Herr Finster schon weiter: „ Dies ist ein
Vorjahresmodell, gnädige Frau. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich
Ihnen den Koffer für 40 Euro überlassen. Wären Sie damit einverstanden?"
Das schlug dem Fass den Boden aus. Koffer sollte ein Vorjahresmodell
sein. Das gab es doch gar nicht. Aber er wollte schweigen, wenn es eine
Möglichkeit gab, von diesem Lügenbold weg zu kommen.
Die Dame schien zu überlegen und nickte dann. „Gut, für 40 Euro nehme
ich ihn. Das kann ich mir noch leisten. Einpacken brauchen Sie ihn nicht.
Ich nehme ihn gleich so mit." Dabei zwinkerte sie Koffer zu. Ja, hatte sie
etwa gemerkt, dass Koffer nicht irgendein Koffer war?
Nachdem Frau Schuster bezahlt hatte, griff sie nach Koffer und verließ
lächelnd den Laden.
Bei der alten Dame zu Hause fühlte sich Koffer auf Anhieb wohl. Sie
verstanden sich sofort. Frau Schuster war auch nicht im Mindesten
überrascht, dass Koffer sprechen konnte. Sie nahm es hin, als wäre es das
Normalste der Welt und alle Koffer würden sprechen. Sie sprach auch
immer von Schicksal. Das wollte Koffer nun dann doch nicht glauben. Aber
nach den Erfahrungen, die er gemacht hatte, ließ sich das wohl nicht mehr
ganz abstreiten. Doch wir wollen nicht vorgreifen. Entscheidet selbst.
Kapitel 2 - Reisevorbereitungen
Frau Schuster und Koffer hatten herrliche Stunden zusammen. Sie
erzählte Geschichten von ihrem verstorbenen Mann, wie sehr sie sich
beide immer so eine Reise gewünscht hätten und dass sie schon seit
Jahren jede Woche die Lösung des Kreuzworträtsels einschicken würde.
Noch nie hätte sie etwas gewonnen. Und dann plötzlich wäre ein Brief
gekommen, mit Einschreiben sogar. Sie hatte tatsächlich eine Reise mit
der Astor, einem riesigen Kreuzfahrtschiff gewonnen. Koffer war ein guter
Zuhörer. Ab und zu nickte er, warf ein „oh oder „ja
ein. Abends schauten
sie zusammen erst die Nachrichten und dann noch einen Krimi im
Fernsehen. Frau Schuster hatte Koffer direkt nach dem Kauf auf ihrem
Sofa deponiert und seither hatte Koffer dort seinen Platz.
Endlich war es so weit, die Reise sollte morgen los gehen. Koffer merkte
es schon, bevor Frau Schuster auch nur anfing zu packen. Nervös lief sie
den ganzen Tag von Zimmer zu Zimmer – dabei war die Wohnung nun
wirklich mit ihren 2 Räumen nicht sehr groß-und murmelte vor sich hin.
Am Abend dann packte Frau Schuster dann mit viel Sorgfalt ihren Koffer.
Koffer war selber sehr aufgeregt. Es war das erste Mal, dass er auf Reisen
ging. Und er hatte eine ganz schöne Verantwortung zu tragen, dachte er
bei sich. Am frühen Morgen sagte Frau Schuster: „Koffer, nun geht es los.
Benimm dich ja ordentlich und blamier mich nicht. Du weißt ja, die anderen
Leute werden sicherlich nicht verstehen, dass ein Koffer sprechen kann."
Koffer nickte, sofern man sein Wackeln so bezeichnen kann, aber Frau
Schuster verstand ihn schon. Dann flüsterte sie kaum hörbar: „Aber ich bin
verdammt froh, dass du mit kommst. So alleine, so eine weite Reise, man
kennt niemanden dort und ist eine Woche auf einem Schiff wie eingesperrt,
da ist mir doch schon mulmig. Gut, dass du da bist, Koffer!" Eine Träne lief
ihr über die rechte Wange. Dann schellte es an der Tür, das Taxi war da
und die traurige Stimmung vorbei. Ein junger Mann stand vor der Tür und
wollte Frau Schuster den Koffer zum Auto tragen. „Lassen Sie mal, junger
Mann. Das schaffe ich gerade noch", erwiderte Frau Schuster. Die Tür
wurde abgeschlossen und los ging es. Koffer ging wirklich auf Reisen, das
erste Mal in seinem Leben. Und er war mächtig aufgeregt, schließlich war
so eine Kreuzfahrt nicht irgendeine Reise.
Kapitel 3 - Die Kreuzfahrt
Das Taxi brachte Frau Schuster und Koffer zum Hafen. Da stand auch
schon die Astor. Ein wirklich riesiges Schiff stand dort. Viele Leute liefen
geschäftig herum, dort wurde noch etwas eingeladen, hier fuhren Autos vor
und da brachten Taxis andere Leute zum Schiff. Frau Schuster bedankte
sich bei dem Taxifahrer und stolz schritt sie auf die Gangway (das ist die
Treppe auf das Schiff) zu. Dort wurde sie von einer jungen Frau mit
schwarzen Haaren empfangen. „Ich bin Charlotte. Darf ich Ihren Namen
wissen und Sie dann zu ihrer Kabine begleiten. Den Koffer können Sie hier
stehen lassen, das Personal wird sich darum kümmern.", sagte Charlotte.
Frau Schuster antwortete: „Nein, das möchte ich nicht!"
„Aber ich muss doch Ihren Namen wissen, damit ich Ihnen Ihre Kabine
zeigen kann", protestierte die Schwarzhaarige.
„Mein liebes Kind, ich bin Frau Schuster. Helene Schuster. Ich meine, den
Koffer trage ich selber. Darum braucht sich keiner kümmern."
Man konnte der jungen Frau ansehen, dass sie Frau Schuster wohl für
etwas verwirrt hielt.
In der Kabine angekommen - es war eine Innenkabine, so viel war Frau
Schuster der Zeitung doch nicht wert, dass es zu einer schönen Aussicht
gereicht hätte - packte Frau Schuster Koffer erst einmal aus.
Koffer lebte in der Woche von den Erzählungen. Jeden Abend, wenn sich
Frau Schuster für das Abendessen umzog – das ist so üblich auf einen
Schiff -, erzählte sie Koffer, was sie alles den Tag über erlebt hatte.
An einem Tag hatte sie ein Ehepaar kennen gelernt, die sich den ganzen
Tag nur mit „Schätzelchen" und