Briefe aus dem Gefängnis: Karten und Briefe an Sophie Liebknecht
Von Rosa Luxemburg
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Über dieses E-Book
Die "Briefe aus dem Gefängnis" schrieb Rosa Luxemburg während ihrer Haft vom Juli 1916 bis November 1918 in der Festung Wronke bei Posen und dann in Breslau. Das Schreiben erhält ihr den Kontakt zu ihren Freunden und politischen Weggefährten. Ihr Mitstreiter Karl Liebknecht war zu ihrem Entsetzen am 23. August zu 49 Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Erst später kommen beide auf Grund einer Amnestie der Preußischen Regierung frei.
Diese Sammlung von Briefen ist ein literarisches Zeugnis von Seltenheitswert: Sie enthalten sehr persönliche und ungewohnt poetische Texte der Journalistin Rosa Luxemburg. Hier erlebt man eine junge Frau, hin- und hergerissen zwischen politischen Idealen, ihrer Kräfte raubenden Radikalität und einer sehr weiblichen Sehnsucht nach Geborgenheit und Angenommen-Sein. Und man bekommt beim Zuhören ein Gefühl von der Stärke dieser kompromisslos mutigen Frau und ihrer ungebrochenen Zuversicht.
Rosa Luxemburg
Rosa Luxemburg (1871-1919) was a Marxist theorist, philosopher and economist. One of the most brilliant minds drawn to the revolutionary socialist movement, she was a dedicated political activist, she proved willing to go to prison and even give her life for her beliefs. Her selected works are collected in Rosa Luxemburg: Socialism or Barbarism (Pluto, 2010).
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Buchvorschau
Briefe aus dem Gefängnis - Rosa Luxemburg
Karte aus der Freiheit
Diese Karte ist die einzige Karte aus der Freiheit. Am 10.7.16 erfolgte Rosa Luxemburgs Verhaftung.
Meine liebe kleine Sonja!
Es ist heute eine drückende, feuchte Hitze, wie meist in Leipzig – ich vertrage so schlecht die Luft hier. Ich saß vormittag zwei Stunden in den Anlagen am Teich und las im »Reichen Mann« »Der reiche Mann« von Galsworthy.Die Sache ist brillant. Ein altes Mütterchen setzte sich neben mich, tat einen Blick auf das Titelblatt und lächelte: »Das muß ein feines Buch sein. Ich lese auch gern Bücher«. Bevor ich mich zum Lesen hinsetzte, prüfte ich natürlich die Anlagen auf Bäume und Sträucher hin – alles bekannte Gestalten, was ich mit Befriedigung feststellte. Die Berührung mit Menschen befriedigt mich dagegen immer weniger; ich glaube, ich werde mich doch bald ins Anachoretentum zurückziehen wie der hl. Antonius, aber – sans tentations mehr. Seien Sie heiter und ruhig.
Herzliche Grüße
Ihre Rosa
Den Kindern viele Grüße.
Postkarte vom 5.8.1916
Berlin, 5. August 1916
(Gefängnis in der Barnimstr.)
Meine liebe, kleine Sonja!
Heute, am 5. August, erhalte ich soeben Ihre beiden Briefe zusammen: den vom 11. Juli (!!) und den vom 23. Juli. Sie sehen, die Post zu mir geht länger als nach New York. Inzwischen habe ich auch die Bücher gekriegt, die Sie mir geschickt hatten, und ich danke Ihnen für alles aufs herzlichste. Es tut mir sehr weh, daß ich Sie in Ihrer Lage verlassen mußte; wie gern möchte ich mit Ihnen im Feld wieder ein wenig schlendern oder im Erker in der Küche auf den Sonnenuntergang blicken ... Von Helmi hatte ich eine ausführliche Karte mit der Reisebeschreibung. Vielen, vielen Dank auch für Hölderlin. Aber Sie müssen nicht so mit dem Geld für mich schmeißen, das ist mir eine Pein. Auch für alle guten Sachen und die Wicken herzlichen Dank. Schreiben Sie bald, dann kriege ich es vielleicht noch in diesem Monat. Ich drücke Ihnen fest und warm die Hand. Bleiben Sie tapfer und lassen Sie sich nicht niederdrücken. Ich bin in Gedanken bei Ihnen. Grüßen Sie vielmals Karl und die Kinder.
Ihre Rosa
Pierre Loti ist wunderbar, die anderen habe ich noch nicht gelesen.
Postkarte. Diese Karte wurde geschrieben an dem Tag, an dem Karl Liebknecht in zweiter Instanz zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
Wronke, 24. August 1916
Liebe Sonitschka, daß ich jetzt nicht bei Ihnen sein kann! Die Sache trifft mich schwer. Aber, bitte, behalten Sie den Kopf oben, manches wird schon anders, als es jetzt aussieht. Jetzt müssen Sie aber fort – irgendwo aufs Land, ins Grüne, wo es schön ist und wo Sie Pflege finden. Es hat keinen Sinn und Zweck, daß Sie jetzt weiter hier sitzen und immer mehr herunterkommen. Bis zur letzten Instanz können wieder Wochen vergehen. Bitte, gehen Sie so bald wie irgend möglich ... Für Karl wird es sicher auch eine Erleichterung sein, wenn er Sie auf Erholung weiß. Tausend Dank für Ihre lieben Zeilen vom 10. und für die guten Gaben. Sicher werden wir nächstes Frühjahr zusammen im Feld und im Botanischen herumstreifen, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber jetzt gehen Sie fort von hier, Sonitschka! Können Sie nicht zum Bodensee, damit Sie ein bißchen den Süden spüren!? Bevor Sie gehen, möchte ich Sie unbedingt sehen, machen Sie eine Eingabe in der Kommandantur. Schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Bleiben Sie ruhig und heiter trotz alledem! Ich umarme Sie.
R.
Für Karl tausend herzliche Grüße.
Die beiden Karten von Helmi und Bobbi habe ich erhalten und mich sehr gefreut.
Karte vom 21.11.1916
Wronke, 21. November 1916
Meine geliebte kleine Sonitschka, ich erfuhr von Mathilde, daß Ihr Bruder gefallen ist, und bin ganz erschüttert von diesem Schlag, der Sie wieder traf. Was müssen Sie alles in der letzten Zeit ertragen! Und ich kann nicht einmal bei Ihnen sein, um Sie ein wenig zu erwärmen und aufzuheitern! ... Auch bin ich unruhig um Ihre Mutter, wie sie dieses neue Leid ertragen wird. Das sind böse Zeiten, und wir haben alle eine lange Verlustliste im Leben zu verzeichnen. Jeder Monat kann jetzt wahrhaftig wie bei Sebastopol für ein Jahr zählen. Hoffentlich kann ich Sie recht bald sehen, ich sehne mich danach