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Begegnung in Triest - Ein spannender Politthriller: Roman
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eBook304 Seiten4 Stunden

Begegnung in Triest - Ein spannender Politthriller: Roman

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Über dieses E-Book

Nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes Nicolas, des 2-jährigen Sohnes Adrian so-wie ihrer Eltern hält es die zeitweise auf einen Rollstuhl angewiesene Wasiliki Tamaro in Dresden nicht mehr aus. Sie alle starben bei einem Brandanschlag auf ihr Haus, den sie selbst nur durch einen Zufall überlebte.
Bei ihrer Schwiegermutter in Triest findet sie ein vorläufiges neues Zuhause.
Eine Speicherkarte mit Notizen ihres verstorbenen Mannes konfrontiert sie erneut mit der Vergangenheit. Bei seinen Recherchen als Journalist über bisher unauffindbare Nazi-Raubkunst ist er eher zufällig auf den Plan einer bislang unbedeutenden, rechtsradikalen Organisation gestoßen. Deren Ziel ist es, die Gesellschaft in Deutschland zu destabilisieren, um dann, nach einer Art Bürgerkrieg, die Regierung abzulösen.
Finanziert werden soll der Putsch mit Verkaufserlösen aus wiederentdeckter Nazi-Raubkunst, darunter weltberühmte Gemälde der Maler Raffael, Vincent van Gogh, Gustav Klimt, Henri Matisse, Jan van Bommel sowie der Süssermann-Diamanten, die einst der russischen Zarin "Katharina der Großen" gehörten.
Durch einen Sprengstoffanschlag auf ein Triester Café, bei dem Wasiliki leicht verletzt wird, lernt sie Raphael Leroy, einen Dozenten für Kunstgeschichte an der Universität in München, kennen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. März 2024
ISBN9783384181220
Begegnung in Triest - Ein spannender Politthriller: Roman
Autor

Jürgen W. Roos

Jürgen W. Roos wurde in Dresden geboren und wuchs in Rees sowie Essen auf. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Schon als Kind träumte er davon, Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen. Die Romane von Mark Twain gehörten bereits damals zu seiner Lieblingslektüre. Nach der Schule lebte er für zwei Jahre in Marseille. Er jobbte als Hilfskraft auf einem der Ausflugsschiffe. Dort schrieb er seinen ersten Roman. Danach zog es ihn nach München. Er arbeitete viele Jahre als Werbefotograf und später als Geschäftsführer einer Weinhandlung. Zwischendurch reiste er durch zahlreiche Länder in Europa, Asien und Afrika. Nach einer langen Pause begann er erneut mit dem Schreiben. Seine Ideen findet er hauptsächlich in den politischen Nachrichten. Besonders die Hintergründe, über die kaum berichtet wird, interessieren ihn. Wieviel an Wahrheit wird verschwiegen? Er hat folgende Romane geschrieben:: Der Rosental Plan Malika oder ein Hauch von Safran, Ich will Deine Tränen sehen Türkischer Winter Fe Pura

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    Buchvorschau

    Begegnung in Triest - Ein spannender Politthriller - Jürgen W. Roos

    1. Kapitel

    Es war erneut einer dieser herrlichen Sommertage, an dem die Sonne schon frühmorgens andeutete, wie das Wetter am gesamten Tag werden würde. Zur Freude der meisten Touristen hatte das Thermometer jetzt, kurz vor 8 Uhr morgens, die 20 Grad überschritten. Das optimale Strandwetter.

    Soweit Raphael Leroy sich erinnern konnte, war es der erste Urlaub, den er allein unternahm. Er und seine Freundin Julia sich vor drei Monaten getrennt. Ihr war eine Stelle als Chirurgin im Beth Israel Medical Center in New York angeboten worden. Ein Jobangebot, das man nicht alle Tage bekam. Er hatte verstanden, dass sie das nicht ablehnen wollte.

    In den Wochen vor der Abreise hatte sie immer wieder versucht, ihn zum Mitkommen zu überreden. Ihrem Vater war es dank seiner zahlreichen Verbindungen gelungen, ihm den hochdotierten Job als Kunstsachverständigen in einem angesehenen New Yorker Museum zu verschaffen. Selbst das hatte ihn nicht reizen können. Zum einen würde seine Mutter, die vor einigen Jahren auf eigenen Wunsch in eine Seniorenresidenz gezogen war, dann ohne die regelmäßigen Besuche ihres Sohnes auskommen müssen. Zudem liebte Raphael seine Arbeit als Dozent am Institut für Kunstgeschichte an der Münchner Universität.

    Außerdem gab es einen dritten wichtigen Punkt, der dagegensprach. Ihm war längst klargeworden, dass ihr Verhältnis nicht unbegrenzt andauernd würde. Falls er mit ihr nach New York ginge, konnte das eine Trennung nur verzögern. Julias Fortgang aus München war für beide die beste und einfachste Lösung. Genauso hatte er es ihr schließlich gesagt. Äußerst wütend war sie allein in die USA geflogen.

    In der Folge hatte er, ein Freund und dessen Ehefrau geplant, die vorlesungsfreien Sommermonate gemeinsam in Venetien verbringen. Doch daraus wurde nichts. Kurz vor ihrer Abreise war sie mit dem Fahrrad unglücklich gestürzt und hatte sich dabei am Knie verletzt. Statt in Italien verbrachte sie den Urlaub jetzt im Krankenhaus und ihr Mann, neben seinen Besuchen in der Klinik, im Englischen Garten.

    Raphael liebte Sommertage wie diesen. Trotz der zu erwartenden Hitze wollte er durch Triest bummeln, um die Stadt besser kennenzulernen. Extra früh war er deswegen von Cavallino aus, wo sie sich auf einen der kleineren zahlreichen Ferienanlagen unmittelbar am Meer einen hübschen Bungalow gemietet hatten, losgefahren. Das dortige tägliche Strandvolleyballturnier würde diesmal ohne ihn stattfinden.

    Auf der Autobahn herrschte glücklicherweise kaum Verkehr. Nach nur gut zwei Stunden Fahrt konnte er seinen Pkw in einer Parkgarage am Triester Bahnhof abstellen.

    Es war sein erster Besuch in der Stadt. Sie gehörte zu den wenigen in Italien, die sich ihm bisher entzogen hatten. Seine Lieblingsstädte waren Rom und Florenz und daran würde sich vermutlich auch weiterhin nichts ändern. In Florenz hatte er zwei Semester Kunstgeschichte studiert.

    Wie immer, wenn er in eine ihm unbekannte Stadt kam, war er gespannt darauf, wie sie ihm gefallen würde. Freunden gegenüber hatte er spaßeshalber mal gesagt, dass er ihren Geruch einatmen müsse, um sie beurteilen zu können.

    In diversen Reiseführern wurde die Hauptstadt der Region Friaul-Julisch Venetien oftmals als das kleine „Wien am Meer oder „Stadt der drei Winde bezeichnet.

    Am Abend zuvor hatte er sich den Stadtplan in seinem Führer genauer angeschaut. Daher wusste er ungefähr, welche Richtung er vom Parkhaus aus einzuschlagen hatte. Sein erstes Ziel war das nahegelegene Meer.

    Dort angekommen schlenderte er geruhsam weiter bis zur Piazza dell´Unita d´Italia, im Herzen der Stadt. Von da aus gedachte er über eine der schmaleren Straßen oder Gassen in die Altstadt vorzudringen. Er wollte selbst herausfinden, was von 500 Jahren Habsburger Monarchie und der Prachtarchitektur von Ferstl, Hansen, Geiringer sowie Karl Junker übriggeblieben war.

    Zudem hatte er vor, der Synagoge an der Via Gaetano Donizetti und der Kathedrale di San Giusto Martire mit ihren Deckenmalereien einen Besuch abzustatten.

    Auf seinem Weg musste er ungewollt immer wieder den zur Arbeit eilenden Bewohnern der Stadt ausweichen. Die überwiegend bezaubernd gekleideten Italienerinnen schienen sich mehr für die Nachrichten auf ihren Handys als die entgegenkommenden Menschen zu interessieren. Einige Male gelang es ihm erst im letzten Moment, einen Zusammenstoß zu vermeiden.

    Es war eigentlich ein Zufall und diese geheimnisvolle Pforte, die ihn von der belebten Piazza Borso ins ehemalige Ghetto weglockte. Kaum war er aus der dunklen Passage getreten, kam er sich vor wie in einer anderen Welt. Da gab es Buch-Antiquariate, Antiquitätengeschäfte, Werkstätten, in denen Möbel restauriert wurden sowie einige Gebrauchtwaren-Läden. Ein wahres Stöberparadies, dem er unmöglich widerstehen konnte.

    Das im Schatten gelegene kleine Café in einer schmalen Seitenstraße, mit seinen wenigen Bistrotischen davor, forderte ihn nach seinem Rundgang regelrecht dazu auf, eine kurze Pause für ein zweites Frühstück, einzulegen. Schwere Poller am Anfang der Straße verhinderten, dass sie von Autos befahren wurde.

    Am Tresen im Inneren standen etliche Italiener, die möglicherweise auf dem Weg zur Arbeit, hier den ersten Espresso des Tages tranken.

    Außer ihm saßen an einen der Tische vor dem Café drei Frauen, die sich angeregt auf Deutsch unterhielten. Auf ihre Art sehr attraktiv. Beide dunkelhaarig, eine davon älter, vielleicht die Mutter, mutmaßte er.

    Die dritte, die mit dem Rücken zu ihm in einem Rollstuhl saß, hatte ein ganzes Stück über die Schulter reichende, blonde Haare. Touristen, die so wie er selbst, die kühleren Vormittagsstunden zu einer Stadtbesichtigung nutzten, vermutete er.

    Ihm gefiel es immer aufs Neue, sich in Gedanken in Menschen hineinzuversetzen, die zufällig seinen Weg kreuzten und die er voraussichtlich nie kennenlernen würde. Eine Art privates Ratespiel, bei dem er nur äußerst selten die Lösung erfuhr.

    Nachdem er bei der Bedienung einen Cappuccino sowie ein mit Marmelade gefülltes Cornetto bestellt hatte, lehnte er sich entspannt zurück und schaute den auf der Straße vorbeieilenden Fußgängern hinterher.

    „In dem Umschlag ist die Speicherkarte, die ich dir geben soll. Was du damit machst, ist letztlich deine Sache," hörte er die dunkelhaarige jüngere Frau am Nebentisch zu der Blonden im Rollstuhl sagen.

    Uninteressiert registrierte er, wie sie ihr ein kleines Kuvert gab und diese es schulterzuckend in die Hosentasche steckte.

    Er hatte sich soeben selbst dazu überredet, ein zweites Hörnchen und einen weiteren Cappuccino zu bestellen, als eine mit zwei Personen besetzte Vespa genau auf die Tische vor dem Café zuraste. Für ihn sah es absolut nicht so aus, als könne der Fahrer rechtzeitig abbremsen.

    Im Bruchteil einer Sekunde ging ihm alles Mögliche durch den Kopf. Mit einem lauten Quietschen der Reifen kam die Maschine schließlich doch, nur wenige Zentimeter vor ihnen, zum Stehen. Irritiert sah er, wie der Beifahrer ausholte, um ein nicht besonders großes Päckchen in Richtung des Nebentisches zu werfen.

    Die jüngere Dunkelhaarige reagierte überraschend schnell. „In Deckung!", schrie sie panisch. Reaktionsschnell stieß sie die neben ihr sitzende ältere Frau zu Boden und warf sich darüber. Er selber blieb irritiert auf seinem Stuhl sitzen. Es folgte der laute Knall einer Explosion und unmittelbar darauf schleuderte ihn eine ungeheure Druckwelle durch die geöffnete Tür des Cafés bis vor den Tresen. Den Schmerz, hervorgerufen durch einen harten Gegenstand, der ihn an der Stirn traf, bemerkte er kaum.

    Benommen blieb er liegen. Wie durch einen Nebelschleier sah er vor dem Café Passanten, die sich schreiend zu Boden warfen. Andere wiederum brachten sich in nahegelegenen Hauseingängen in Sicherheit. Der Tisch, an dem er soeben gesessen hatte, stand erstaunlicherweise noch. Selbst der Tasse mit dem Cappuccino war nichts passiert.

    Er sah eine Frau, die ihr Kind aus einem umgekippten Kinderwagen zog, es an sich drückte und wie von Sinnen davonlief.

    Eine ältere Dame mit Spazierstock wurde von einem der Fliehenden zu Boden gerissen und einfach liegengelassen. Mutig blieb ein vielleicht 15-jähriger Junge bei der Frau stehen, half ihr auf und redete beruhigend auf sie ein. Raphael sah, wie er ihr schließlich, als wenn nichts Besonderes geschehen wäre, den Stock in die Hand drückte und sie wegführte.

    Er selbst war immer noch wie betäubt. Irgendetwas Feuchtes lief über seine Wange. Bevor er dem nachgehen konnte, spürte er eine Hand, die mit aller Kraft versuchte, ihn von sich wegzuschieben.

    Nur langsam registrierte er, dass sie einer Frau gehörte. Der Rollstuhl, in dem sie zuvor gesessen hatte, lag halb verdeckt unter ihren Beinen.

    Sich mühsam aufrichtend sah in zwei unendlich grüne Augen in den Farben eines klaren Bergsees, die ihn aufgebracht ansahen.

    Augen, die es auf der Erde eigentlich nicht zweimal geben konnte. Keinen Moment zweifelte er daran, diese oder zumindest welche, die den ihren haargenau glichen, schon einmal gesehen zu haben.

    Am energischen Druck ihrer Hand an seiner Schulter merkte er, dass sie noch immer versuchte, ihn von sich zu schieben. Es gelang ihr schließlich mit Hilfe herbeigeeilter Helfer.

    Raphael sah auf dem Fußboden liegend, wie sie und der Rollstuhl zu einem Krankenwagen getragen wurde. Kurz darauf war er an der Reihe. Erst nachdem ihm Sanitäter auf die Beine halfen, sah er den kleinen Umschlag, den die dunkelhaarige Frau der Blonden gegeben hatte, auf dem Boden liegen. Er musste ihr aus der Hosentasche gerutscht sein. Eher automatisch steckte er ihn ein.

    2. Kapitel

    Die Tage nach der Explosion hatte Raphael hauptsächlich mit Faulenzen am Strand, schwimmen, gelegentlichen Volleyballspielen und langen, abendlichen Strandspaziergängen verbracht.

    Derweil hatte er den Schock so weit überwunden, um erneut nach Triest zu fahren und sich die Stadt, diesmal hoffentlich ohne unliebsame Zwischenfälle anzusehen. Zudem musste er bei der Polizei seine Aussage zu Protokoll geben. An den brutalen Anschlag würde er vermutlich sein Leben lang denken müssen.

    Manchmal wachte er nachts auf und hatte das Bild der schreienden und verletzten Menschen vor Augen.

    Mit einem Krankenwagen war er ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht worden. Glücklicherweise konnten die Ärzte bei ihm keine ernsthaften Verletzungen feststellen. Nach der routinemäßigen Vernehmung durch die Polizei, gleich in der Klinik, sowie der Aufforderung, an einen der kommenden Tage für seine schriftliche Aussage im dortigen Polizeipräsidium, der Questura, vorbeizukommen, hatte man ihn entlassen.

    Die zwei dunkelhaarigen Frauen vom Nebentisch hatten die volle Wucht der Explosion zu spüren bekommen. Beide waren bei dem Anschlag schwer verletzt worden und lagen auf der Intensivstation, erfuhr er von einer der Krankenschwestern. Dagegen war die Dritte mit den eindrucksvollen grünen Augen, die samt ihrem Rollstuhl mit ihm ins Café geschleudert wurde, fast unverletzt davongekommen. Sie hatte das Krankenhaus noch vor ihm verlassen können.

    Nach zähen Verhandlungen mit der Krankenhausverwaltung sowie einem Trinkgeld für die Kaffeekasse, hatte er schließlich deren Namen und Adresse bekommen. Signora Tamaro, ein Name, der ihm nichts sagte, hatte als Wohnsitz die Anschrift eines gleichnamigen Triester Hotel angegeben.

    Da er sowieso in Stadt war, wollte er ihr den gefundenen Umschlag, gleich persönlich abgeben. Immerhin konnte es sich bei dem Inhalt um etwas Wichtiges handeln, redete er sich ein. Doch insgeheim, da machte er sich nichts vor, hoffte er darauf, sie selber anzutreffen. Er wollte wissen, ob es sich bei ihr um die Frau handelte, der er vor Jahren kurz begegnet war.

    Ihm war inzwischen eingefallen, wo und bei welcher Gelegenheit er diese auffällig smaragdgrünen Augen, die wie ein Bergsee leuchteten, schon einmal gesehen hatte. Ebenso konnte er sich an den Rollstuhl erinnern. Der Vorfall lag mindestens zwei Jahre zurück.

    Während einer Tagung in Dresden hatte er die Mittagspause zu einem Spaziergang am Elbufer genutzt. Rein zufällig wurde er dabei Zeuge, wie unweit von ihm ein Mann, der einen Kinderwagen schob sowie eine Frau im Rollstuhl von drei Burschen in kurzärmligen Lederjacken bedrängt wurden. Zwei der Angreifer schlugen auf ihn ein, während der besonders mutige Dritte mit voller Wucht gegen den Kinderwagen trat, der daraufhin umkippte.

    Nicht nur das Geschrei des Kindes brachte Raphael dazu, hinzulaufen. Um zu helfen, kam er zu spät. Was möglicherweise auch an seiner kräftigen, sportlichen Figur lag. Nachdem die drei Schläger ihn kommen sahen, hatten sie es mit einem Mal eilig und rannten davon.

    Während sich der Mann sofort um das Kind kümmerte, reichte ihm seine Begleiterin die Hand.

    Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er dabei in solch unwahrscheinlich grüne, tiefgründige und wegen des soeben erlebten, wütend blitzende Augen gesehen; dermaßen auffällig, dass er sich bis jetzt an sie erinnerte.

    Ansonsten war ihm lediglich in Erinnerung geblieben, dass sie blond und außergewöhnlich hübsch mit feingeschnittenen Gesichtszügen gewesen war. Mehr gab sein Gedächtnis nicht her.

    „Vielen Dank für ihr Eingreifen. Es hätte böse ausgehen können. Diese feigen Nazis fühlen sich nur in der Mehrzahl stark," hatte sie sich bei ihm bedankt.

    „Wieso kennen sie über deren Gesinnung?"

    „Viele von denen erkennt man auf Anhieb. Einer der drei hatte auf seinen Oberarm einen Lorbeerkranz mit der Zahl „444 eintätowiert. Das steht für „DdD oder auch Deutschland den Deutschen."

    „Hatten die Kerle einen besonderen Grund, sie und ihren Begleiter anzugreifen?", hatte er wissen wollen.

    „Ich bin Journalist und dazu Italiener, also zudem ein Ausländer, schaltete sich der Mann ein. Dabei gab er das weiterhin schreiende Kind an die Frau im Rollstuhl weiter. „Kürzlich habe ich einen Artikel für die Sächsische Zeitung geschrieben, in dem ich über diese üble Bande sowie deren politische Führer berichtet habe. Mein Name wurde darin absichtlich nicht genannt. Doch irgendwie haben diese Dumpfbacken herausgefunden, dass er von mir stammte. Daraufhin haben sie auf einer ihrer eigenen Internetseiten ein Foto von mir mit dem Untertitel „Feind des deutschen Volkes veröffentlicht. Zwar musste das nach einem Gerichtsbeschluss gelöscht werden, doch zuvor wurde die Seite hundertfach geteilt und von noch mehr Leuten gelesen."

    Der Journalist deutete auf seine Begleiterin, die zwischenzeitlich das Kind beruhigt hatte: „Auch im Namen meiner Frau und unseres Sohnes nochmals vielen Dank für ihr beherztes Eingreifen. Sollten wir uns, unter hoffentlich erfreulicheren Umständen, wieder über den Weg laufen, lade ich sie herzlich gerne auf ein Bier ein."

    An den Namen, mit dem sich der Mann ihm möglicherweise vorgestellt hatte, konnte Raphael sich nach dieser langen Zeit nicht mehr erinnern.

    Eigentlich hatte er sein Auto, wie beim ersten Besuch der Stadt, im Parkhaus am Bahnhof abstellen wollen. Doch diesmal hatte er Pech gehabt. Alle Plätze waren belegt. Nachdem er keine Lust verspürte, sich in die Warteschlange vor der Einfahrt einzureihen, hatte er sich von seinem Navi zu einem Parkplatz an der Basilica di San Silvestro lotsen lassen. Dort fand er auf Anhieb einen freien Platz. Den etwas längeren Spaziergang zur Questura nahm er dafür gerne in Kauf.

    Einer der jüngeren Polizisten führte ihn in einen Raum, wo er seine Aussage zum Anschlag auf das Café zu Protokoll gab. Dank seiner italienischen Sprachkenntnisse war die Prozedur schnell erledigt. Auf seine Frage nach dem Hintergrund für das Attentat und wem er gegolten hatte, bekam er lediglich eine ausweichende Antwort. Entweder wollte ihm der Beamte den Grund nicht nennen oder er kannte ihn selbst nicht.

    Von der Polizeistation aus bummelte er gemütlich zur Kathedrale di San Giusto Martire mit seinem weithin sichtbaren Glockenturm.

    Im Besonderen der Altar in der Josefs-Kapelle mit dem Gemälde, das die Verlobung Marias darstellte, beeindruckte ihn zutiefst. Solche Kunstwerke in natura betrachten zu können, gaben ihm immer aufs Neue ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit.

    Von der Kathedrale aus spazierte er zu Fuß zurück zur Altstadt, um sich das 1875 im Stil der Neorenaissance erbaute Rathaus und den Palazzo Municipio, anzuschauen.

    Ohne ein weiteres, bestimmtes Ziel zu haben, bummelte er schließlich durch die Gassen der Altstadt bis hin zu dem Café, vor dem der Anschlag stattgefunden hatte. Viel konnte er nicht erkennen. Eingang und Fenster hatte man mit Brettern verschalt.

    Zufall oder Schicksal? In einer der Seitenstraßen, unweit der Piazza dell´Unita d´Italia, überflog er soeben die Speisekarte eines Restaurants, als er sie näherkommen sah. Es war der Rollstuhl, der ihm zuerst auffiel.

    Sie befand sich in Begleitung einer älteren, mit einem bunten Sommerkleid bekleideten korpulenten Frau, die humpelte und sich schwerfällig auf dem Gefährt abstützte. Unmittelbar vor ihm blieben sie stehen.

    „Sie?"

    Da waren sie wieder, diese geheimnisvollen, smaragdgrünen Augen, die ihn erneut an einen Bergsee denken ließen. Mit geübter Hand strich sie sich gleich zweimal hintereinander die langen, blonden Haare aus der Stirn. Jede ihrer Bewegungen drückten eine souveräne, doch keinesfalls überheblich wirkende Selbstsicherheit aus.

    Bekleidet war sie mit einer einfachen weißen Bluse und grauen, unauffälligen Rock, der ihre Beine bis zu den Knien bedeckte.

    Soweit er sehen konnte, war sie kaum oder nur wenig geschminkt. Trotzdem sah sie hinreißend aus. Von ihr strahlte etwas aus, das ihn unwillkürlich an das Foto eines New Yorker Fotografen erinnerte. Seine Werke er sich erst kürzlich in einer Münchner Galerie angesehen. Es war das Porträt einer jungen Frau, deren Ausstrahlung ihn auf Anhieb gefesselt hatte. Sie wie die Frau unmittelbar vor ihm gehörten zu den seltenen, fast zauberhaften Wesen, die einen nicht oft begegneten.

    Ein wenig belustigt sah sie ihn an: „Sie sind der Mann, der sich bei dem Anschlag vor dem Café recht unsanft auf mich geworfen hat; dem ich meine zahlreichen blauen Flecken zu verdanken habe?"

    Immerhin erinnerte sie sich an ihn.

    Raphael lächelte sie entschuldigend an: „Es tut mir leid, doch es war keine böse Absicht. Unter anderen Umständen wäre ich sanfter mit ihnen umgegangen. Wie ich sehe, hat ihr Rollstuhl die Explosion ebenfalls gut überstanden. Wissen sie, was es mit dem Anschlag auf sich hatte, wem er womöglich gegolten hat? Bei der Polizei, wo ich vorhin die schriftliche Aussage zu Protokoll gegeben habe, wollte oder konnte man mir nichts verraten."

    Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Er könnte für meine Freundin bestimmt gewesen sein. Sie hatte so etwas angedeutet. Doch genau in diesem Moment hat die Bombe unser Gespräch unterbrochen. Ursprünglich wollten wir sie und ihre Mutter heute in der Klinik besuchen. Die Ärzte haben uns nicht vorgelassen."

    „Wie geht es ihnen?"

    „Zumindest diese Frage haben sie uns beantwortet. Meine Freundin liegt im Koma. Doch die Ärzte denken, dass sie wieder völlig gesund wird. Schlimmer hat es ihre Mutter getroffen. Ihr musste ein Arm amputiert werden."

    Mit resoluter Stimme mischte sich die ältere Frau auf Italienisch in das Gespräch ein: „Ihr dürft euch gerne weiter unterhalten, aber ich möchte vorher zurück ins Hotel. Ich habe keine Lust, hier an diesem ungemütlichen Ort längere Zeit zu verweilen."

    Ohne es irgendwie verbergen zu wollen, hatte sie sich den Deutschen mit seinen dunkelblonden, langen Haaren und den braunen Augen genauer angesehen. Dessen sportliche Figur mit den breiten Schultern, sein kantiges Gesicht mit den hohen Wangenknochen dem etwas zu großen Mund sowie seine offene, freundliche Art schienen einen positiven Eindruck auf sie zu machen.

    So als wäre ihr soeben eine Idee gekommen, betrachte sie Raphael nochmals abschätzend und sprach ihn schließlich auf Deutsch an: „Falls sie irgendwo im näheren Umkreis so etwas wie einen fahrbaren Untersatz stehen haben und das Gefährt meiner Schwiegertochter hineinpasst, hätte ich eine Bitte an sie: Könnten sie uns nachhause fahren? Es ist nicht sehr weit, gleich hinter der großen Synagoge. Ich bin vorhin dummerweise gestürzt und unsere Taxifahrer haben sich ausgerechnet den heutigen Tag für einen Streik ausgesucht."

    Allein der Gedanke, mehr von und über die junge Frau zu erfahren, ließen Raphael zustimmend nicken. „Mein Pkw steht unweit von hier auf dem Parkplatz an der „Basilica di San Silvestro. Der Rollstuhl sollte ebenfalls hineinpassen. Wenn sie ein paar Minuten warten, hole ich ihn, antwortete er ihr auf Italienisch und fügte lächelnd hinzu: „Ich freue mich, zwei so netten Damen einen Gefallen erweisen zu dürfen."

    Die Ältere nickte zufrieden und deutete auf das Gebäude, vor dem sie standen. „Sie haben soeben die Speisekarte studiert. Mittagessen können sie genauso gut bei uns im Hotel. Als Dank für ihre Chauffeurdienste lade ich sie zum Essen ein. Wir werden hier auf sie warten. Ich bin Roberta und die junge Dame neben mir heißt Wasiliki."

    „Raphael Leroy," wiederholte sie zufrieden seinen Namen, nachdem er sich ebenfalls vorgestellt hatte.

    Trotz des regen Autoverkehrs dauerte die Fahrt zu dem angegebenen Hotel nur knappe 15 Minuten. Auf dem Weg dorthin redete die ältere Frau fast unentwegt, während die Blonde völlig schweigsam und in sich gekehrt nicht ein einziges Wort sprach. Hinter der Fassade des zauberhaften Wesens meinte er eine versteckte, tiefe Traurigkeit zu erkennen. Die Verletzungen ihrer Freundin und deren Mutter schienen sie ziemlich getroffen zu haben.

    Ihr Ziel, das Hotel Tamaro, befand sich in einem gepflegten Gebäude unweit der Triester Synagoge.

    „Und dort wohnen sie?", wollte Raphael von den Frauen wissen.

    „Es befindet sich bereits seit fünf Generationen in unserem Besitz, erklärte ihm die ältere seiner Beifahrerinnen, die sich ihm mit Roberta vorgestellt hatte, voller Stolz. Mein Bruder Tommaso und ich führen es gemeinsam. Ihr Fahrzeug können sie auf dem Parkplatz hinter dem Haus abstellen.

    Die jüngere der beiden Frauen begleitete ihn mit ihrem Rollstuhl bis zu einem Tisch in dem zum Hotel gehörenden Restaurant. Um diese Zeit war es nur spärlich besetzt.

    Wasiliki bestellte bei einem Kellner für sich Gulasch auf Triester Art. Raphael schloss sich ihr an.

    Während sie auf das Essen warteten, begann sie, für ihn völlig unerwartet, plötzlich zu lachen. Es

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