Die wilde Jagd: Martha Oak Abenteuer, #1
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Über dieses E-Book
Abenteuerlich. Charmant. Mitreissend.
»Ra-Ra, das ist ein Wald. Da passiert schon nichts.«
»Das habt Ihr auch gestern gesagt und was ist passiert? Wir wurden von einem Monster gejagt!«
Martha Oak wollte nur ganz heimlich eine verlorene Seele fangen. Was man eben als Hexe so macht, wenn man eher in den Grauzonen der Magie und des Lebens unterwegs ist. Doch plötzlich steht der gefürchtete Weihnachtsdämon Krampus vor ihr und bittet ausgerechnet sie um Hilfe … ?
Damit beginnt das wilde Abenteuer, bei dem Martha legendären Weihnachtsfiguren begegnet und mit ihrer schmerzhaften Vergangenheit konfrontiert wird.
Doch kann Martha Krampus überhaupt helfen? Oder muss Krampus sich wie alle Mythenwesen seinem Schicksal ergeben?
Das Buch ist inspiriert von deutschen Märchen, Mythen und Bräuchen.
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Buchvorschau
Die wilde Jagd - Jule Jessenberger
Kapitel 1
Krampus
»Stille Nacht, Heilige Nacht,
alles schläft, einsam wacht,
… Krampus?«
☽ ❅ ☾
»R a-Ra, es ist Zeit.«
Martha schaute aus dem großen Schaufenster ihres Ladens in die Nacht hinaus. Dicke Schneeflocken tanzten durch die spärlich beleuchtete Straße, während ein einsamer Bus sich im Schneckentempo vorbei pflügte. Der Schnee reichte bereits über die Reifen, aber selbst dann fuhren Münchner Buse noch.
Martha musterte die Menschen, die im Bus dicht beieinander standen und hofften, dass sie sicher heim kamen. Viel konnte sie eh nicht sehen – außer einem zitternden Knäuel aus dicker Winterbekleidung, das sich hinter den angeschlagenen Busscheiben bewegte.
»Scheiße«, murrte Martha und verzog das Gesicht. Sie starrte die Flocken böse an, in der Hoffnung, dass sie schnell wieder in den Himmel zurückflogen. Aber so mächtig war sie als Hexe leider nicht. Wetterhexerei war auch nie ihre Stärke gewesen. Sie erinnerte sich noch genau, als sie einmal versucht hatte, Regen für einen verzweifelten Bauern zu beschwören. Aber das Einzige, was passierte, war, dass schleimige Regenwürmer vom Himmel gefallen waren und der Bauer panisch behauptet hatte, sie hätte die Apokalypse heraufbeschworen.
Hach ja, die guten, alten Zeiten während dem Hexenwahn, als die Vorboten der Apokalypse ekelige Regenwürmer waren, die sofort elendig starben, weil der Boden so ausgetrocknet war. Martha lief es kalt den Rücken herunter. Bah! Das waren grausame Zeiten gewesen! Gut, dass sie die hinter sich hatte.
»Meisterin Oak!«, kreischte es auf einmal hinter ihr. Martha schreckte zusammen und stieß gegen den Vogelschädel, der im Schaufenster hing und mit einer Lichterkette dekoriert war. Dieser fing an zu wanken und die Lichter tanzten durch den Laden, der überfüllt war mit allerlei Büchern, Truhen, Gefäßen, Artefakten, Relikten und anderem Allerlei, das man irgendwie in die Kategorie Okkult stecken konnte.
»Bei Hekates Hunden! Erschrick mich doch nicht so, Ra-Ra!«, zischte Martha den Raben an, der auf dem Regal vor dem Schaufenster landete. Dort lagen verschiedene Bücher aus, bei denen es um alte, vergessene Bräuche und Rituale rund um Weihnachten ging. Und genau auf die schön drapierten Bücher sabberte Ra-Ra, Marthas treuer Seelengefährte, weil er gerade einen Lebkuchen frass.
»Hey! Nicht auf die Bücher!«, entfuhr es Martha und sie scheuchte den Raben hastig weg. Ra-Ra krähte sie empört an, flatterte über ihren Kopf hinweg und landete auf dem immer noch schwankenden Vogelschädel, wo er weiterhin genüsslich an seinem Lebkuchen knabberte.
»Ihr verhaltet Euch seltsam, Meisterin Oak. Seid Ihr etwa wieder verflucht?«
»Nein, ich bin nicht verflucht«, grummelte Martha und reinigte vorsichtig die Bücher von den Lebkuchenkrümmeln. Sie spürte Ra-Ras bohrenden Blick in ihrem Nacken.
»Iss auf, Ra-Ra. Wir müssen los«, sagte sie schließlich, als ihre geliebten Bücher ordentlich drapiert waren. Dann zog sie ihren lila, viktorianischen Mantel zu. Sie merkte, wie eine warme Energiewelle von dem Stoff über ihre Haut kribbelte und stellte zufrieden fest, dass die eingewebten Runen kurz aufglühten.
Perfekt, ihr Mantel war noch immer mit Magie geladen und würde sie draußen damit nicht nur vor der Kälte schützen.
»Ihr wollt DA raus?«, entrüstete sich Ra-Ra und blickte zum Fenster hinaus. Dabei schabte sein Schnabel an der kalten Scheibe, während er hastig den letzten Bissen Lebkuchen verschluckte. Marthas Blick glitt zu dem Schaufenster. Mittlerweile war aus dem schönen Schneespiel ein tobendes Schneechaos geworden. Scheiße.
»Jep. Wir wollen da raus«, erwiderte Martha so unbeeindruckt wie möglich, während sie eine Hand ausstreckte zum antiken Garderobenständer, der neben der Eingangstür stand. Sie schnipste und fokussierte ihre Magie auf den langen, dicken Wollschal, der sich elegant um den Ständer schlängelte.
»Warum!?«, krächzte Ra-Ra und Martha musste grinsen, weil sie merkte, wie seine Panik größer wurde. Ihre Augen allerdings blieben auf dem Schal gerichtet, der sich gerade von der Garderobenstange löste und zu ihr herüber flog.
»Aber, Meisterin Oak,«, schnatterte Ra-Ra los und seine Knopfaugen wurden flehend groß. »Es ist sicherlich eisig kalt! Ich meine, seht Euch doch mal die Straßen an! Da liegt ja so viel Schnee! Wir könnten erfrieren!«
Martha griff in ihre Manteltasche, während der Schal sich um ihren Hals legte, und zog eine kleine selbst gestrickte und potthässliche Mütze heraus. Diese setzte sie Ra-Ra auf sein federndes Haupt, dem einfach nur fassungslos der Schnabel aufklappte.
»Hier. Das hilft, dass du nicht einfrierst. Und wenn, sei doch froh! Dann kannst du dich endlich als Kuh reinkarnieren!«
Martha knotete die Mütze unter Ra-Ras Kopf fest, während dieser jammerte: »Aber, Meisterin Oak, ich will nicht erfrieren! Das ist ein schrecklicher Tod!«
»Jeder Tod ist schrecklich.«
»Eben! Niemand will sterben! Seht ihr? Deswegen sollten wir hier drinnen bleiben und weiterhin Lebkuchen essen.«
»Dabei könnte man aber auch ersticken und sterben.« Ra-Ra starrte sie schockiert an und, wenn er ein menschliches Gesicht gehabt hätte, wäre er wahrscheinlich blass um die Nase geworden.
»Bei den heiligen Geistern, daran hatte ich noch gar nicht gedacht!«, stellte er fest und die plötzliche Traurigkeit darüber, dass er jetzt doch keine Lebkuchen mehr essen konnte, machte ihn sichtlich fertig. So fertig, dass Martha laut seufzte und ihn sanft an den Federn kraulte.
»Ra-Ra, das war ein Witz. So was kann nicht mit Lebkuchen passieren.«
»Dann sagt doch so was nicht, Meisterin Oak! Das war gemein! Mein armes, kleines Herz hält so was nicht aus. Das wisst Ihr doch.«
»Du bist immer so theatralisch«, entgegnete Martha und rollte mit den Augen, bevor sie selbst gestrickte Krallenschützer aus ihrem Mantel hervor holte.
»Theatralisch?! ICH?!«, empörte sich Ra-Ra und flatterte mit seinen Flügeln brüskiert auf, während Martha ihm die Krallenschützer anzog. »Ich denke immer nur an das Schlimmste, was passieren kann, für meine—unsere Sicherheit! Immerhin habe ich einen Eid geschworen, euch zu beschützen, Meisterin Oak.«
»Ja, ja, du bist ein ganz toller Beschützer«, kommentierte Martha sarkastisch und unterdrückte den Zwang ihren furchtlosen Gefährten all die Momente aufzuzählen, in denen er kreischend davon geflattert war, weil er Angst gehabt hatte zu sterben. Dabei war es nicht mal schlimm, wenn er starb! Er war ihr Seelengefährte. Seine Seele war für immer an ihre gebunden und solange sie nicht starb, würde er weiterleben und immer wieder reinkarnieren. Martha verstand wirklich nicht, was sein Problem war.
»Was ... was wenn Ihr ausrutscht? Es ist ja so glatt! Schaut doch nur mal raus, Meisterin Oak.«
Martha stemmte die Hände in die Hüften und hob eine Augenbraue, während ihr Rabe sich aufplusterte: »Und was, wenn Ihr dann auf einen Eiszapfen fallt … und dieser Euch ... aufspießt!? Es kann so schnell und leicht passieren.«
Martha schnaubte. »Ra-Ra, ich bitte dich. Einfach von einem Eiszapfen aufgespießt zu werden, ist ja wohl sehr unrealistisch.« Martha stoppte kurz, als ihr ein Gedanke kam. »Allerdings könnte es sein, dass ich innerliche Verletzungen bekommen könnte, wenn der Eiszapfen es irgendwie durch meinen Mantel schafft. Und wenn der Dreck von dem Schnee in mein Blut kommt, könnte ich tatsächlich an einer Blutvergiftung sterben. Langsam und qualvoll. Huh.«
Ra-Ras Schnabel begann zu beben und seine Augen waren vor Horror weit aufgerissen.
»Bitte! Ich will da nicht raus!«, kreischte der Rabe panisch. Martha platzte nun endgültig der Geduldsfaden. Sie wurde nicht oft laut, aber diesmal konnte sie es nicht verhindern, dass sie Ra-Ra anmaulte: »Ra-Ra, reiß dich zusammen. Hier wird keiner sterben! Es ist nur ein kleiner Nachtspaziergang! Was kann schon schief gehen!? Huh?«
☽ ❅ ☾
Vielleicht hätte sie das nicht sagen sollen. Martha verfluchte sich jetzt dafür. Es hätte eigentlich nur ein kleiner Nachtspaziergang durch den Englischen Garten werden sollen, doch jetzt rannte sie um ihr Leben. Ihre Beine brannten vor Anstrengung, weil sie durch den kniehohen Schnee stürmte und panisch versuchte, nicht an irgendwelchen Ästen hängen zu bleiben. Hinter ihr hörte sie, wie sich etwas sehr Großes durch die Bäume wälzte. Äste knackten, Bäume brachen und Glöckchen klingelten durch die Nacht.
Martha warf einen kurzen Blick über die Schulter, als sie über einen Baumstamm kletterte. Die Hörner ihres Verfolgers