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Im Banne der ewigen Gletscher: Roman
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Im Banne der ewigen Gletscher: Roman
eBook152 Seiten2 Stunden

Im Banne der ewigen Gletscher: Roman

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Über dieses E-Book

Raph Jurt, Wucherer und Schieber aus Zürich, reist auf die Gandialp, um sich dort selbst zu töten. "Anständig" aus dem Leben gehen will er, auf einer Hochtour wie von ungefähr verunglücken und dann spurlos - verschollen sein.

Auf der Alp lernt er ein ganz anderes Leben kennen. Ausgerechnet "der Nant", ein Wilderer, hilft ihm dabei, den Wert und Sinn des Lebens zu erkennen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum12. Apr. 2018
ISBN9783746020808
Im Banne der ewigen Gletscher: Roman
Autor

F.H. Achermann

F.H. Achermann war der Verfasser einer ganzen Reihe von populären Romanen, die ihn zu einem der meistgelesenen schweizerischen Jugendbuchautoren werden ließen. Neben seinen Romanen aus der schweizerischen Heimat waren es vor allem seine Bücher über die Frühzeit der Menschen und seine historischen Romane zur europäischen Geschichte, die seinen Ruhm begründeten. Daneben verfasste er noch eine Reihe von Zukunftsromanen, Studentengeschichten, Kriminalromanen und Theaterstücken. Der Erfolg seiner Werke machte ihn im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. In Deutschland wurde er dabei vielfach als Schweizer Karl May bezeichnet. (Quelle: Wikipedia) Zu seinen bekanntesten Werken gehören: Der Schatz des Pfahlbauers, Kannibalen der Eiszeit, Der Totenrufer von Hallodin, Auf der Fährte des Höhlenlöwen, Die Kammerzofe Robespierres, Dämonentänzer der Urzeit, Nie kehrst du wieder goldne Zeit, Die Madonna von Meltingen, Die Jäger vom Thursee, Der Wildhüter von Beckenried

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    Buchvorschau

    Im Banne der ewigen Gletscher - F.H. Achermann

    Morgenlicht flammt über den Trawinagletscher. Kalt und still trotzen die grauen Zacken des Karn-Massivs aus seinen grünlich schimmernden Eiswellen zum blauen Himmel empor wie Felsenrisse eines im Orkan erstarrten Ozeans. Hoch droben am Himmel kreisen zwei winzige Pünktlein. Suchen sie wohl ihr Glücklichsein in den wunderbaren Lichtfluten oder wittern sie etwas drunten in der tiefen Gletscherspalte? Vergebliche Hoffnung! Dort im Eisgeklüft lauert der weiße Tod, und der hält seine Opfer der Tiefe gebannt, bis der wandernde Eisstrom sie nach Jahrhunderten durchs Gletschertor wieder zum Lichte bringt.

    Vom Tal her wandert ein müdes Menschenkind gegen die Gandialp hinauf. Raph Jurt, der Fabrikant und Kaufmann, Raph Jurt, der Wucherer und Schieber aus Zürich. Was will denn der dort oben in der Weiheluft einer unberührten Paradieswelt?

    Den Tod…!

    „Anständig" aus dem Leben gehen will er, auf einer Hochtour wie von ungefähr verunglücken und dann spurlos — verschollen sein!

    Müde starrt er zu den Zacken des wilden Karngrates empor, ohne indessen etwas anderes zu sehen als die Distanz, die ihn noch von dem Tode trennt. Niemand soll seine Leiche finden, identifizieren, sezieren und die Todesursache feststellen. Deshalb muss er da hinauf!

    Schwerfällig lässt er sich auf eine Gneisplatte nieder, nicht ohne vorher nach alter Gründlichkeit ein Nastuch darüber gebreitet zu haben, um seinen neuen Touristenanzug nach Möglichkeit zu schonen. Zitternd fährt seine weichliche Damenhand, jetzt von Hitze und Anstrengung aufgedunsen, über die schweißige Stirne, wo blonde Locken kleben. Wie die Kiemen eines Fisches arbeiten die Flügel seiner feingeschwungenen Römernase, die mit dem energisch vorspringenden Kinn seinem blassen, verweichlichten Gesicht noch eine letzte Spur von untergegangenem Cäsarentum gerettet hat.

    Mechanisch greift er in eine Seitentasche und zieht ein hermetisch verschlossenes Reagenzröhrchen hervor, welches komprimiertes Stickoxydul enthält, ein sogenanntes Lust- oder Lachgas. Sorgfältig hält er es gegen das Licht: Dieses feine Röhrchen mit dem farblosen Inhalt soll ihm den Todeskampf erleichtern, zu einem letzten Genuss gestalten.

    Da fliegt ein Marienkäferchen auf seine Hand. Lange betrachtet er den kleinen Gast, wie er in frischer Lebenslust die Flügel hebt und senkt! —

    „Puuh! Fort! Das Leben ist eine Krankheit, von der man nur im Tod genest!"

    Noch eine Weile sieht er den Ameisen zu, die schon über die Schuhe krabbeln, dann steht er auf, stemmt sich schwer auf seinen Eispickel und stolpert mühsam aufwärts.

    Nach etwa zwei Stunden öffnet er das Gatter der Gandialp. Schon von weitem hört er Hundegebell, dann sieht er leichten Rauch aufsteigen, hört das Gegacker der Hühner und endlich das heimelige Grunzen der Schweine. Tausende von Fuss-, Klauen- und Pfotenstapfen sind rings um die primitive Hütte in die tiefe Erde gegraben, förmlich eingegraben. Auf den Schuhspitzen überschreitet der Tourist wie eine zimperliche Näherin diese pontinischen Sümpfe und erreicht glücklich und wohlbehalten die Steinstufen des Eingangs. Doch da, unter dem Loch, steht sichtend ein Ferkeljüngling mit hocherhobener Wählscheibe, um den Ankömmling mit klugen Äuglein und schnuppernder Nase auf die Zugehörigkeit seiner Art zu prüfen.

    „Kaspar, pack dich fort, krächzt eine Stimme aus dem Dunkeln, und der „Jüngling springt mit kurzem Protestgrunzen an ihm vorüber in sein Element.

    Wie Raph eingetreten ist und seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hat, sieht er sich einem Alten gegenüber, den jedenfalls der Sensenmann an diesem weltverlorenen Posten vergessen oder nicht gefunden hat. Der Urwald seines Gesichtes hängt ungeregelt wie Tannenbart nieder, und sein kaum ergrautes Haupthaar gleicht einem vom wilden Sturm zerzausten Wald von Wettertannen. Hemd und Hose sind seine einzige Bekleidung, wenn man das so nennen darf; denn das zerrissene Hemd lässt den ledernen Nacken frei, und an den Hosen spielen die Knöpfe überhaupt keine Rolle mehr. Die sehnigen Füsse sind frei und haben die Schutzfärbung des Bodens angenommen. Sich stumm im Barte kratzend, betrachtet er den Fremden wie ein Meteor, der aus fernen Welten in die Erdatmosphäre geraten ist. Ob er aus angeborener Schüchternheit oder aus Naturstolz nichts sagen will, weiß er wohl selber nicht. Endlich dreht er aber seinen hageren, gekrümmten Rücken langsam dem Gaste zu und ruft nach dem Milchkeller hin:

    „Rosi! 'S ist einer da!"

    Damit geht er nach dem Herdkessel, um dort im Feuer zu wühlen.

    Unter dem Eingang zum Milchkeller erscheint ein Mädchen von etwa zwanzig Jahren, hübsch und sauber, die Füße abgerechnet! Ihre Hände an der Joppe abtrocknend — eine Schürze trägt man hier nur am Sonntag —, blickt sie weder frech noch schüchtern, aber frisch und frei, nicht ohne geschäftsmäßige Freude auf den wohl sehr vornehmen Gast.

    „Grüß Gott, Herr! Was wäre gefällig?"

    „Wollen Sie mir heißes Wasser bereiten — zu einem Kaffee."

    „Gern!"

    Und schon ist sie bei der Arbeit.

    „Unterdessen trinke ich eine Tasse Milch."

    „Aehni, hol Milch!, kommandiert sie wie selbstverständlich. Der Alte schlurft sofort in den Milchkeller und kehrt mit einem Krug zurück, der zwar keinen Schnabel mehr hat, sich aber dafür mangels eines Henkels bequem mit beiden Händen fassen lässt. Wie Herd und Tisch im Betriebe sind, rücken auch die Gäste des Hauses an: ein „getigerter Kater streicht ihm schnurrend zwischen Rücken und Stuhllehne durch, bis er eine Wursthaut erhält, der Hund legt das Kinn vertraulich auf seinen Schoß, die Hühner jagen einander um den Tisch herum und dort guckt auch der „Kaspar" wieder zur Türe herein.

    Die Rosi sieht die Not des Gastes und fährt unter das Gesindel wie ein Uhu unter die Spatzen.

    „Prinz! Leg dich! — Doggeli, du Lauser, fahr ab! — Tschuh, Hühner! Fort mit dem Gesindel! Huggeli, schäm dich! — Prrh! — Wart, Kaspar, ich will dir!"

    Da duckt sich der Hund; Doggeli, der Kater, aber geht vorläufig nur auf eine andere Bank, und die Hühner machen vor der Türe schon wieder Front. Im Vorbeigehen streichelt die schlanke Maid dem Heldenjüngling Kaspar die Schnauze. Da fängt der Hund zu bellen an; denn er ist eifersüchtig!

    Plötzlich aber geht sein Bellen in einen anderen Ton über: er steht auf und spitzt die schlanken Ohren. Vor der Hütte nahen schmatzende Schritte, und herein tritt ein stämmiger Mensch von etwa dreißig Jahren. Auf seinen gedrungenen Schultern sitzt ein sonnenverbrannter Kopf mit wilden, braunschwarzen Kraushaaren und einem sechswöchigen Barte. Der Mann wäre wohl schön zu nennen, wenn er mehr auf sich halten würde; aber außer seinem Naturstock und den abgetretenen Sandalen hat er nicht mehr aufzuweisen als der Alte, nur dass seine Stücke ganz sind. Aber alle diese Mängel der Toilette treten zurück vor der Kühnheit eines Blickes, wie er nur im Hochgebirge — und auf dem weiten Meer sich bildet!

    Merkwürdig!

    Die Rosi wird rot, aber kein Gruß bietet dem neuen Gast das Willkommen und der Alte drückt sich stumm in den Milchkeller.

    „Rosi, einen Enzian!", sagt er kurz, und sie schenkt ihm ein. Wie er den ersten Schluck hinuntergestürzt hat, füllt sie ihm schnell nochmals auf und stellt die Flasche wieder weg. Während einer langen Pause zeichnet er wie abwesend Figuren in den Lehmboden und steht dann auf:

    „Wenn jemand nach mir fragt: Ich bin über den Trawina nach Altingen!"

    Damit geht er, zwar ohne Gruß, aber Raph hat das Gefühl, als ob die Augen der zwei ganz eigentümlich aufgeleuchtet hätten.

    „Wer war das?", kann sich Raph nicht enthalten zu fragen.

    „Das war der Nant!", erfolgt Rosis prompte Antwort.

    So, jetzt weiß Raph Jurt ganz genau — dasselbe wie vorher! Aber dieser „Nant" bringt ihn doch auf eine Idee:

    „Wenn jemand nach mir fragen sollte, Fräulein Rosa -."

    „Ujeh!— Das Fräulein! Sagt nur Rosi!"

    „Also: Wenn jemand nach mir fragen sollte, Rosi, so sagt ihr ebenfalls, dass ich hinüber sei — über den Trawinagletscher."

    „Wenn man nach euch fragt? Aber Herr — Herr — wie soll ich wissen, dass man euch meint, da ich ja euren Namen nicht kenne?"

    Da fährt es ihm blitzschnell durchs Gehirn: Wenn ich gründlich verschwinden will, so darf ich meinen Namen hier unter keinen Umständen angeben!

    „Mein Name ist— Hans Joller!"

    Raph wählt absichtlich einen einheimischen Namen, um möglichst wenig aufzufallen.

    „Dann seid ihr wohl ein Unterwaldner?", wundert sich richtig die Rosi.

    „Hm!— Ursprünglich vielleicht!"

    Da hat sie auch etwas für ihren geheimnisvollen „Nant"!

    Seit dieser verschwunden ist, streicht der Alte wieder in der Küche herum. Vielleicht hat ihn der Rum angezogen, den der Gast dem duftenden Kaffee beimischt. So ein Schnäpschen ist ja für steinalte Leute oft das letzte Band, das sie noch mit dem irdischen Jammertal verknüpft.

    Recht früh geht Raph Jurt im Nebenstadel ins Heu zur Nachtruhe.

    Heute Nacht ist er allein. Unter sich hört er das Atmen und Riegeln einer Kuh, die wohl krank ist; denn die anderen Kühe nächtigen auf freier Weide. Aus der Ferne dringt das hohle Rauschen eines Wasserfalles, und durch eine Spalte des von der diesjährigen Hitze stark verzogenen Holzes sicht Raph einen letzten Ausläufer des Trawinagletschers mit seiner eigentümlichen, geheimnisvollen Helle.

    Es muss draußen eine wunderbare Hochsommernacht sein!

    Raph Jurt aber starrt vor sich in die leere Dunkelheit. Bilder aus den Tagen seiner Jugend schweben heran: Er sieht seinen Vater am Schreibtisch, wie er rechnet und spekuliert; denn der Mammon war sein höchster Gott, sein Zweiter der Ernst des Lebens! Auch zu den Kindern redete er nur in Zahlen: Wie viel hast du in der Sparbüchse? Was wirst du einst verdienen als Kaufmann, als Ingenieur? Er liebte seine Kinder aufrichtig und innig, der ernste Mann mit seinem düsteren Furchengesicht, und wollte sie alle glücklich machen; aber dieses Glück war für ihn der Mammon und nur der Mammon!

    Und dann kam die Matura mit ihrer Entscheidung für den Lebensberuf: er wählte den Ingenieur, um die Fabrik seines Vaters führen zu können.

    Und er fand den Weg zum „Glück"! Den Weg des rücksichtslosen Kampfes und einer jedes Mittel ausnützenden Konkurrenz.

    Und dann die erste Katastrophe: der Verlust eines Vermögens durch Valutaspekulationen.

    Endlich das Schlimmste: mit der Titanenkraft eines Wahnsinnigen wollte er den Verlust wieder einbringen, und es gelang ihm; der Krieg bot ihm Gelegenheit zur Fabrikation von Kriegsmaterial, zu Wuchereien und Schiebermanipulationen, an denen er Unsummen verdiente. —

    Er hatte wieder „Glück". Aber der Weg dazu führte über Leichen, über Ruinentrümmer von Menschenglück, über Särge ausgemergelter Arbeiter und über seine eigene zertretene Ehre ... Anständige Leute traten vor ihm zurück.

    Und dann . . . und dann...!

    Wie im Wahne des Fiebers schießt er hoch, reißt einen Brief aus der Brusttasche und lässt die Taschenlaterne aufleuchten. Einige Sätze ihres letzten Schreibens muss er immer und immer wieder lesen:

    Lieber Raph!

    ... nur

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