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Meistermörder wider Willen
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eBook131 Seiten1 Stunde

Meistermörder wider Willen

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Über dieses E-Book

Seinen ersten Mord beging er, oder besser: Sein erster Mord passierte ihm, da war er noch keine dreizehn Jahre alt.

Aber wie alle folgenden Morde beging er auch diesen allerersten Mord unabsichtlich, ungeplant, ohne es zu wollen. Oder wenn doch, so lag es daran, dass zwei Seelen in seiner Brust wohnen, die einander heftig widersprechen. Die Folge war, dass sein Leben mehr und mehr zu einem einzigen Alptraum wurde. Immerhin, entlarvt wurde er fast nie. Und wenn doch, so wusste er jedes Mal Abhilfe …

Denn: Er war und ist ein Meistermörder.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum12. Mai 2023
ISBN9783755442202
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    Buchvorschau

    Meistermörder wider Willen - Karl Plepelits

    1

    Meinen ersten Mord beging ich – nein, so muss es heißen: Mein erster Mord passierte mir, da war ich noch keine dreizehn Jahre alt.

    Ich litt an Kinderasthma. Deshalb verbrachte ich die Sommerferien im Jugendheim Mitterberghaus im Massiv des Hochkönigs, um dort an der Höhenluft zu genesen. Dieser fromme Wunsch meiner Mutter ging zwar leider nicht in Erfüllung. Das Asthma wurde dadurch um nichts besser. Aber es hatte schlimme Konsequenzen.

    Übrigens hatte ich mein Leiden zweifellos der Nikotinsucht meines Stiefvaters zu verdanken. Der pflegte nämlich hemmungslos die Wohnung mit seinem Zigarettenrauch zu verstinken und zu verpesten, ohne an das Wohl der Lunge eines kleinen Kindes zu denken. Und ohne daran zu denken, dass dieses kleine Kind einmal größer, älter, reifer werden und für diese ständigen Misshandlungen Rache nehmen könnte.

    Ich war damals rasend fromm. Kein Wunder, wenn man Kinder in eine Klosterschule schickt, in meinem Fall ins Melker Stiftsgymnasium. Obendrein hatte ich eine annehmbare Sopranstimme und durfte daher mit ihr als Sängerknabe, oft genug nur zähneknirschend, sämtliche Gottesdienste und sonstige Festivitäten der frommen Patres in der prachtvollen barocken Stiftskirche verschönern – und gleichzeitig meinen Eltern das Schuldgeld ersparen. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich gar nicht eine Höhere Schule besuchen dürfen. Wie mein Stiefvater so schön sagte: „Was braucht der Bub ins Ginasium gehen?" Er meinte: Die Hauptschule tut’s für diesen Lausbuben doch auch. Aber Gott sei Dank …

    Also: Jugendheim Mitterberghaus am Hochkönig im Bundesland Salzburg, irgendwann im Sommer des Jahres 1953. Nachmittag. Freizeit.

    Freizeit: Das bedeutet, unsere braven Erzieher und Erzieherinnen hatten kein eigenes Programm für uns, sondern ließen uns tun und lassen, was uns beliebte. Uns zum Beispiel Spiele ausdenken. Im Spieleausdenken war ich immer schon gut. Denn dafür braucht man Phantasie. Und was ein Meistermörder werden will, braucht, so wie es aussieht, besonders viel davon. Sonst haben sie ihn gleich, die Bullen, oder wie wir damals sagten, die Schantis (Gendarmen).

    Und welches Spiel dachte ich mir an diesem speziellen Tag aus? Es klingt vielleicht bizarr oder einfach blöd. Aber mir war’s damals ernst. Ich beschloss, einmal zur Abwechslung Priester zu spielen und als solcher eine „heilige Messe zu zelebrieren", wie es die frommen Patres nennen. Für eine katholische Messe benötigt man bekanntlich Hostien. Und solche besaß ich an diesem Tag sogar. Natürlich keine richtigen Hostien. Sondern kleine, runde Kekse, die ich in meiner Phantasie in Hostien verwandelte. (Und die Hostien verwandeln sich ihrerseits angeblich in den Leib Christi.) Diese Kekse waren mir erst tags zuvor von edlen Spendern geschenkt worden.

    Besagte edle Spender waren zwei fröhliche amerikanische Soldaten, die zur allgemeinen Überraschung in einem Jeep in unmittelbarer Nähe unseres Kinderheimes aufgetaucht waren. Das ergab natürlich ein Riesenhallo, und rasch waren sie von einer kleinen Schar von Büblein umringt, die sie und ihr Gefährt wie Besucher aus einer fernen Galaxie bestaunten. Und irgendwie waren sie das ja auch, zumindest für alle, die so wie ich aus der sowjetischen Besatzungszone stammten und noch nie erlebt hatten, dass sich Besatzungssoldaten mit der einheimischen Bevölkerung oder auch nur mit uns Kindern abgaben. (Ich muss allerdings zugeben, dass ich in dieser Hinsicht auch schon Gegenteiliges gehört habe.)

    Sie, die Amis, redeten uns nämlich sofort leutselig an, natürlich auf Englisch. Und das war, jedenfalls für mich, ebenfalls eine Sensation. Denn das waren die ersten englischen Worte, die ich aus dem Munde sogenannter Native Speakers hörte. Ich sagte mir, eine solche Gelegenheit kommt für mich nie wieder. Und da alle anderen stumm blieben – ihnen hatte offensichtlich Ehrfurcht oder Feigheit den Mund verschlossen –, beantwortete ich kurz entschlossen alle ihre Fragen, so gut ich’s eben konnte. Auf Englisch, versteht sich. Ein Wort ergab das andere, und zwischen ihnen und mir entwickelte sich eine lebhafte Plauderei. Die zwei Amerikaner freuten sich offensichtlich über unser, nein, mein Interesse. Und ich freute mich, dass ich meine bescheidenen, aber mühsam erworbenen Englischkenntnisse endlich einmal praktisch anwenden konnte.

    Zu meinem Missvergnügen ertönte plötzlich aus dem Heim laut und deutlich die Glocke, die alle zum Abendessen zusammenrief. Und augenblicklich machten alle kehrt und sausten dem Futtertrog entgegen, um ja nicht zur Abfütterung zu spät zu kommen und eventuell hungrig zu Bett gehen zu müssen, oder vielleicht auch nur, um nicht von den Erzieherinnen wegen Säumigkeit gemaßregelt zu werden – alle, sagte ich, außer mir und dem Emil. (Mit ihm hatte ich mich inzwischen bestens angefreundet.) Mir wäre es einfach unhöflich oder sogar unzivilisiert erschienen, den so netten und freundlichen Amerikanern mitten im Satz schnöde den Rücken zu kehren, ohne sie wenigstens ausreden zu lassen, und auch, ohne mich von ihnen zu verabschieden.

    Der Lohn der „guten Tat", wenn ich so sagen darf, blieb nicht aus. Der eine, der sich als Jeremy vorgestellt hatte, hatte auf einmal ein Papiersackerl in der Hand und warf es mir, fröhlich lachend, zu, ehe er uns seinerseits fortschickte. Ich war so gerührt, dass ich mich kaum richtig bedanken konnte. Erst auf dem Rückweg öffnete ich das Sackerl. Es war voller Kekse, und sie schmeckten himmlisch. Wir kosteten sie natürlich auf der Stelle, Emil und ich. Und sie erinnerten mich in ihrer Größe und Gestalt tatsächlich an die Hostien in der Kirche.

    In der Nacht kam mir dann die Idee, einige davon wirklich als Hostien zu verwenden und mit ihnen Priester zu spielen. Als Altar würde dabei am besten wohl einer der vielen Felsen in der Umgebung dienen. Gedacht, getan. Am nächsten Tag forderte ich den Emil auf, mir als Ministrant zur Seite zu stehen, und marschierte mit ihm zu einer etwas abseits gelegenen niedrigen Felsstufe, die ich zum Altar erklärte und wo wir in unserem Spiel voraussichtlich ungestört bleiben würden.

    Vor diesem behelfsmäßigen „Altar knieten wir uns nieder, falteten, wie es sich gehört, brav die Hände. Und dann begann ich feierlich zu psalmodieren: „Kyrie eleison! Kyrie eleison! Kyrie eleison! Christe eleison! und so weiter, und so fort, so gut ich’s halt konnte, sprich, soweit ich mir die Texte, egal, ob lateinisch oder deutsch, von meinen gesanglichen Darbietungen bei den Proben und in der Stiftskirche selbst gemerkt hatte. (Kyrie eleison und Christe eleison sind natürlich griechische Worte. Aber das wusste ich damals noch nicht.) Und der Emil sekundierte mir, so gut er’s konnte, eifrig als Ministrant. Sängerknabe war er zwar keiner, aber wenigstens eifriger Kirchengeher und wirkte in seiner Heimatpfarre, im Gegensatz zu mir, als echter Ministrant.

    In dieser Form „zelebrierten" wir also hingebungsvoll diese kindliche (oder, wenn man will, kindische) Imitation einer katholischen Messe. Da verspürte ich, völlig unverhofft, einen harten Schlag am Hinterkopf, verlor das Gleichgewicht und kollerte ein paar Meter den steilen Hang hinunter, ehe ich mich zum Glück in einem Gebüsch verfing. Gleichzeitig hörte ich eine wütende Stimme schreien, was der Peter und der Emil da treiben, sei eine Gotteslästerung, eine Blasphemie, und das dürfe auf keinen Fall ungesühnt bleiben.

    Diese Stimme kannte ich. Sie gehörte dem Horstl, einem großen und kräftigen Buben, der uns und alle anderen schon oft terrorisiert hatte. Nur, dass er so wahnsinnig fromm war, dass er unser Spiel als Gotteslästerung betrachten konnte (den Ausdruck Blasphemie kannte ich noch nicht), das hätte ich ihm niemals zugetraut. Was ich damals noch nicht wusste, aber früher als gedacht lernte: Terrorisieren, oder sagen wir, knechten kann einer alle anderen nur dann, wenn alle anderen, oder zumindest fast alle anderen sich terrorisieren und knechten lassen. (Diese Regel gilt selbstverständlich auch und vor allem in der Politik.) Jedenfalls hatten wir uns alle und hatte auch ich mich bisher stets als fügsam und nachgiebig gezeigt, nämlich dem Horstl gegenüber.

    Ich rappelte mich auf und sah, dass auch der Emil ein Opfer seiner Fäuste geworden war. Und das gab mir den Rest. Wie durch ein Wunder war meine Fügsamkeit mit einem Schlag vorbei, verflogen, vom Winde verweht. Ohne ein Wort zu sagen, stürmte ich hinauf zu unserem „Altar", wo der Horstl noch immer wütete und uns Gemeinheiten ins Gesicht schrie. Sicher hätte er nie erwartet, dass einer von uns beiden die Hand gegen ihn erheben würde. Wir waren ja – in seinen Augen – samt und sonders Arschlöcher und Feiglinge.

    Nun, das mit den Arschlöchern konnte ich nicht beurteilen. Jedenfalls, Feigling wollte ich ab sofort keiner mehr sein. Meine Faust traf ihn offenbar so unvorbereitet, dass nun er das Gleichgewicht verlor und den steilen Hang hinabzukollern begann. Ich selber war hinter ihm her und traktierte ihn so oft und so häufig mit Fußtritten, dass er es nicht schaffte, den Absturz zu stoppen und wieder auf die Füße zu kommen, um mir die nun wohl mehr als verdiente Abreibung zu verpassen.

    Letzteres musste ich natürlich verhindern. Und aus diesem tiefen Grunde lenkten meine Fußtritte seinen Absturz in eine ganz bestimmte Richtung, nämlich auf eine Geländekante zu, unterhalb deren eine hohe Felswand klafft. Dort angelangt, versetzte ich ihm einen allerletzten, sozusagen den ultimativen Fußtritt. Und im nächsten Moment war

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