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Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt: Erinnerungen eines Umsiedler-Knaben
Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt: Erinnerungen eines Umsiedler-Knaben
Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt: Erinnerungen eines Umsiedler-Knaben
eBook98 Seiten1 Stunde

Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt: Erinnerungen eines Umsiedler-Knaben

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Über dieses E-Book

Der Autor schildert in einer Vielzahl von Episoden seine Kinderjahre in Oberhennersdorf, später Hornij Jindrichov, bis zur Umsiedelung nach Mitteldeutschland, sowie seine Schulzeit in Wolfen und das Leben an der ABFII in Halle.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. Jan. 2015
ISBN9783738007060
Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt: Erinnerungen eines Umsiedler-Knaben

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    Buchvorschau

    Vom Sudetenland nach Sachsen-Anhalt - Herbert Elstner

    Oberhennersdorf

    Eine Sache war mir bis in jüngste Zeit nicht klar: Warum hatte meine Mutter einmal behauptet, daß mit mir der Krieg kam? Ob sie da was verwechselte? In der Schule habe ich gelernt, daß der Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen am 1.September 1939 begann. Das war nicht mein Geburtstag, sondern Hansis, allerdings nicht 1939, sondern 1936. Ich jedenfalls hatte mit diesem Krieg überhaupt nichts zu tun, bin ja im November 1938 geboren. Muttis Behauptung hat mich damals heftig irritiert und verstimmt. - Heute weiß ich: Mutti meinte den deutschen Einmarsch in die Sudeten im September 1938. - Gesagt habe ich damals aber nichts. So war ich halt als Kind, zu klein gewachsen, schmächtig und auch etwas kränklich, und zudem war ich der Jüngste neben meinen Brüdern Ernst, genannt Arnstl, und Hans, genannt Hansi.

    Meine allerfrühste Erinnerung hat mit Arnstl zu tun. Ich war vermutlich nicht älter als 3, höchstens 4 Jahre, Arnstl also 8, vielleicht 9. Es war Sommer, und wir badeten im Tümpel oben am Hang neben dem „Gemeendehaus" (Nr. 348) in Oberhennersdorf, wo wir im Obergeschoß wohnten. Ich saß in einem Holzbottich, den Arnstl durch das Wasser schob. Plötzlich gab er dem Bottich einen Stoß, der schwamm nicht weit und kippte um. Ich habe heftig Wasser geschluckt, an den Schreck kann ich mich noch erinnern. Arnstl hat mich wohl auch gleich rausgezogen, mehr weiß ich nicht. Zu weiteren gemeinsamen Unternehmungen mit meinem großen Bruder ist es danach wohl lange nicht mehr gekommen.

    Die nächste Erinnerung betrifft den standhaften Zinnsoldaten. – Das Gemeindehaus stand an einer leichten Wegkuppe. Wenn man aus der Haustür kam, führte der Weg links mit ganz leichter Neigung zu der Stelle, wo gegenüber der Hof des Eiselt-Bauern war, zuerst die Scheune, dann das Wohngebäude mit dem Stall dahinter und dem großen Misthaufen, in dem man herich ersaufen konnte, wenn man nicht aufpaßte. Von unserer Haustür nach rechts ging es mit stärkerem Gefälle zu der Senke mit dem bereits erwähnten Tümpel. An diesem Wegstück sehe ich mich am Rand hocken und Holzstückchen schwimmen lassen. Dieses Bild taucht in mir auf, wenn ich an das Märchen vom standhaften Zinnsoldaten erinnert werde, oder auch, wenn ich das Wort Rinnstein lese.

    Mutti mit Herbertl, Hansi, Arnstl; dahinter Tanta Marie. 1939

    Die drei Brüder zu Arnstls Einschulung. 1939

    Mein erstes richtiges Märchen war das von den 7 Geißlein. Es gab da ein großes Mädel, vielleicht schon 10 oder 12 Jahre alt, das hat mir das Märchen einmal erzählt (vielleicht auch zweimal), dann konnte ich es selber auswendig erzählen, was allgemein bewundert wurde und mir mein erstes Erfolgserlebnis verschaffte.

    Zuerst habe ich wohl meistens nur mit der Eiselt Christel gespielt, der Hof der Eiselts war ja gleich nebenan, und Christel war wohl auch in meinem Alter. Was wir gespielt haben, weiß ich nicht mehr; Puppe und Puppenwagen mit Holzrädern waren jedenfalls dabei. Eigenes Spielzeug kannte ich nicht; wir waren wohl recht arm, wohnten ja im Gemeindehaus, was man heute sicher Sozialwohnung nennen würde. Eiselts waren reicher, richtige Bauern mit Land und Vieh. Erinnern kann ich mich an Vesper auf dem Acker und an Heimfahrt hoch oben auf dem Heuwagen. Vor der Scheune stand im Sommer die riesige Dreschmaschine, die über einen langen Transmissionsriemen betrieben wurde und viel Staub machte. Und in der Scheune sind wir von oben runter in das weiche Heu gesprungen. Mutti hat immer Eiselts Christel als meine Freundin bezeichnet, was ich aber auch nicht gern zugeben wollte, schon gar nicht vor den anderen Buben.

    Unsere Freundschaft war dann auch irgendwann zu Ende; eine Episode beim Spielen vor der Scheune spielte dabei wohl eine große Rolle. Christel sagte: „Zeigste mo mol dein Schnippel? Ich zeig do oo mei Bumpel". Ich zog brav meine Hose ein Stück runter und zeigte. Christel guckte, kicherte und rannte davon. – Wenn ich meine Hose auch ruck-zuck wieder oben hatte, vergessen werde ich diese Blamage bestimmt nie. Womöglich rührte daher auch meine ständige Befangenheit beim Umgang mit Mädels in all den Jahren meiner Kindheit und Jugend. Oder ging es vielleicht anderen Jungs ebenso? Nicht nur wir allein sind schließlich ziemlich verklemmt erzogen worden.

    Danach habe ich jedenfalls nur mit den Buben gespielt, immer waren sie älter oder größer als ich und haben mich kommandiert. Wenn wir in der Haselnußhecke hinter Eiselts Hof Buden gebaut und geraucht haben, mußte ich aus unserer Küche die Zündhölzer holen. Einmal hat Mutti es bemerkt und aus dem Küchenfenster gerufen: „Herbertl!! ( Mutti mit ihrer besonderen, eher etwas österreichischen Aussprache war die Einzige, die mich Herbertl nannte; für alle anderen war ich das Hawortl.)

    – Sie rief also: „ Herbertl !! Komm soofort rauf!!. Eine Watsche gab es von Mutti aber nie; sie sagte meist nur: „Geh schäm dich! - Die anderen Buben brachten in die Bude Blätter vom Abreißkalender mit, Tabak haben wir aus den trockenen Haselnußblättern gekrümelt. Zum Rauchen war ich selber noch zu klein, aber es war spannend. Natürlich wurden wir dabei auch immer mal erwischt und verjagt.

    Gerne habe ich auch mit den anderen Buben „Kino" gespielt. Das Kino war auf einem mächtigen Kastanienbaum, der vor dem anderen Bauernhof stand, in Richtung Friedhof. Im Mai 2005 haben wir von dem Bauernhof nichts mehr gefunden, aber von der Kastanie ist noch der Wurzelstumpf zu sehen, gut 1m im Durchmesser. Auf dieser Kastanie hat sich jeder eine bequeme Astgabel ausgesucht und dann war das unser Kino. Manchmal haben die anderen, die Größeren, auch dazu gesungen oder gebrüllt, na halt so, wie das im Kino ist.

    Einige wenige Melodien aus dem Volksempfänger in der Stube haben sich mir in jener Zeit eingeprägt, die Texte habe ich nur teilweise verstanden. Vor allem war da: „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor .... Wie einst Lilli Marleen. Oder: „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein, und das heißt EERIKA .... Wenn die Sonne scheint, Annemarie, dann machen wir `ne Landpartie! Und: „Ich weiß, es wirrrd einmal ein Wunderrr geschehn .... Oft spielten sie auch: „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen ... marschiern im Geist in unsern Reihen mit. Die Fanfare zu den Frontmeldungen habe ich auch noch im Ohr: Taa-taa ta-ta-ta-ta-ta taa-taa! Und auch die Einleitung zur Wochenschau: „Die deutsche Wooochenschau, obwohl ich bestimmt nicht oft in Rumburg im Kino war; nur „Quacks, der Bruchpilot und „Patt und Pattachon"

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