Jetzt sag ich's: Erinnerungen
Von Waltraut Haas und Marina C. Watteck
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Über dieses E-Book
Waltraut Haas ist seit über 70 Jahren eine Ikone des deutschsprachigen Films und der Bühne. An der Seite von Stars wie Peter Alexander, Johannes Heesters, Conny Froboess, Heinz Rühmann, Curd Jürgens oder Hans Moser spielte sie in zahlreichen Musik- und Unterhaltungsfilmen, darunter "Der Hofrat Geiger", "Im weißen Rößl", "Wenn der Vater mit dem Sohne". Nun öffnet sie ihre ganz private Schatzkiste an Erinnerungen: Begegnungen mit Hollywoodstars Tyrone Power, Errol Flynn und Rock Hudson kommen darin ebenso vor wie die Liebe ihres Lebens, Erwin Strahl. Waltraut Haas erzählt von Verzicht und Disziplin, von großem Glück und großen Tragödien, von Liebe und Enttäuschungen, über die sie bisher nie gesprochen hat – offenherzig, unsentimental, mit Witz und Verstand. So entsteht das berührende Porträt einer Frau, die niemals aufgibt und immer das Positive im Leben sieht – und von ihrem Publikum seit drei Generationen geliebt wird.
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Buchvorschau
Jetzt sag ich's - Waltraut Haas
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
zu meinem 90. Geburtstag habe ich von meinem Sohn Marcus eine Schiffsreise geschenkt bekommen. Auf dieser Reise hatten wir Zeit und Muße, in Erinnerungen zu schwelgen. Viele Erlebnisse und Geschichten sind mir nach und nach eingefallen, und mein Sohn meinte: »Das musst du erzählen!«
Und ich habe erzählt. Jetzt ist daraus ein Buch geworden. Ich bin glücklich, dass mein Leben mit so viel Liebe und Humor aufgeschrieben wurde. Bei jeder Zeile habe ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt gefühlt. Ich bin Marina Watteck dankbar dafür und sehr glücklich über das Ergebnis.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich viel Freude mit diesem Buch!
Einleitung
Viel ist über Waltraut Haas schon geschrieben worden, vieles hat sie in unzähligen Interviews, im Rahmen von humoristischen Abenden und in zwei Büchern selbst erzählt. Ihre Schilderungen sind immer lebhaft, bildhaft und haben meist eine Pointe. Sie gehört zur österreichischen Kulturlandschaft wie der Stephansdom zu Wien.
Als wir anfingen, miteinander an diesem Buch zu arbeiten, war einer der ersten Sätze von ihr: »Ich war 39 Jahre alt, als ich geheiratet habe, und vorher hat es durchaus schon ein Leben gegeben.« Über dieses Leben erzählt sie, unter anderem, im hier vorliegenden Buch. Erstmals gibt es nicht immer eine Pointe am Ende ihrer Geschichten, es war nicht immer alles lustig. Dennoch gelingt es ihr, egal was passiert, sich stets wieder aufzurichten, nach vorn zu schauen und wie ein braver Soldat weiterzumarschieren.
Dieses Buch ist keine bloße Aneinanderreihung von Lebensstationen, sondern es sind Geschichten aufgezeichnet, die von Waltraut Haas teilweise bekannt sind – andererseits aber Erlebnisse und Begegnungen, von denen bisher niemand wusste.
Nur wenigen Menschen ist es gegeben, ihr Leben mit Humor, Selbstkritik und Dankbarkeit zu betrachten – Waltraut Haas besitzt alle drei Eigenschaften in hohem Maße.
Marina C. Watteck
Tausche Gasthaus gegen Bühne
Wenn du jetzt hochnäsig oder eingebildet wirst, dann kriegst heut’ noch a Watschn«, waren die Worte meiner Mutter, als ich, 20 Jahre alt, beseelt von meinem ersten Erfolg als Mariandl in dem Film »Der Hofrat Geiger«, verträumt auf einen Artikel in einer Zeitschrift blickte. Das habe ich mir gemerkt. Ein Leben lang. Ich habe nie etwas für selbstverständlich erachtet und war immer dankbar für alles, was ich erreicht und bekommen habe. Allerdings war mir klar, dass ich viel dazu tun muss, dieser Weg nicht leicht ist, Opfer von mir verlangen wird und ich bereit sein muss, diese zu bringen.
Meine Mutter war überhaupt mein Ein und Alles über viele Jahrzehnte. Sie war meine beste Freundin, meine Ratgeberin, später die Ersatzmutter für meinen Sohn Marcus, wenn mein Mann und ich auf Tournee waren, sie war tatsächlich ein wichtiger Grundpfeiler meines Erfolges. Und sie war der Mensch, dem ich alles, wirklich alles anvertrauen konnte. Sie hat ihr ganzes Leben hart gearbeitet, und als unser Hausarzt im Jahr 1960 meinte, sie solle etwas kürzertreten und nicht mehr im Gastgewerbe arbeiten, war ich nur allzu froh, ihr ein anderes Leben bieten zu können.
Als Zweijährige im Garten meines Großvaters
Mit den Radiokopfhörern meines Vaters, im Alter von drei Jahren
Schon als Kind habe ich die Natur geliebt, circa 1930.
Meine neuen Puppen, Weihnachten 1930
Auch Puppenkleider müssen gewaschen werden – als Wäschermädl, circa 1930.
Kostüme waren schon als Kind eine meiner Leidenschaften – im Biedermeier-Kleid, 1937.
Meine Mutter und ich 1927
Als Zweijährige mit meinem geliebten Vater
Harmonie unter den Geschwistern: Fritz, vier Jahre, und ich, sieben Jahre alt
Sie hat mich ja schon zuvor zu fast allen Dreharbeiten begleitet, jetzt war es noch einfacher. Wir wohnten zwar beide noch eine Zeit lang im »Schönbrunner Stöckl«, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder viele Jahre als Gasthaus geführt hatte. Sie arbeitete aber nicht mehr, und ich kaufte ein Grundstück am Küniglberg, wo ich 1958 ein Haus bauen ließ, in das wir 1960 eingezogen sind. Das war ihr Zuhause bis zu ihrem Tod im Jahr 1991. Ihre Liebe, ihr Vertrauen, ihr praktisches Denken und ihr künstlerisches Verständnis waren für mich ein ganz wichtiger Teil meines Lebens.
Schon als Kind hatte ich dramatische Ambitionen. Ich stand gern im Mittelpunkt, konnte gut andere Menschen nachmachen, und am liebsten habe ich mich verkleidet und bin spielerisch in andere Rollen geschlüpft. Gemeinsam mit meinem Bruder Fritz, der drei Jahre jünger und musikalisch sehr begabt war, habe ich sehr gern Kasperl-theater gespielt.
Mein Bruder war sehr geschäftstüchtig. Wir haben eine kleine Kassa gebaut, er hat sich als Old Shatterhand verkleidet, ich als Prinzessin, und für zehn Groschen pro Person haben wir den Kindern etwas vorgespielt. Meine Mutter ließ uns gewähren, für sie waren es Kindereien, die sie nicht ernst genommen hat. Erst als mir viele Jahre später der Theatervirus immer noch im Blut steckte, hat sie versucht, mich mit sanftem Druck in eine andere Richtung zu lenken. Sie hatte zwar Verständnis für meinen Wunsch, es waren aber so unsichere Zeiten, dass sie einfach Angst hatte, ich würde es zu nichts bringen. So wurde beschlossen, dass ich nach Abschluss der Hauptschule in die Haushaltungsschule gehen sollte, um etwas »Anständiges« zu lernen. Meine Mutter hatte ganz praktische Ansichten: »Fast jedes Mädchen möchte Schauspielerin werden. Lern was G’scheites, und wenn das mit dem Schauspiel nicht hinhaut, kannst du auf etwas zurückgreifen.«
Ich war eine gute, aber nicht sehr brave Schülerin, interessiert hat es mich überhaupt nicht. Es hat auch nicht unbedingt geholfen, dass meine Cousine mit mir in die gleiche Klasse ging, denn wir hatten nur Unsinn im Kopf, und mehr als ein Mal mussten wir Strafen für unsere Streiche ausfassen.
Ich wurde in eine unruhige Zeit geboren. Österreich war mitten in einer Wirtschaftskrise, es gab politische Unruhen und fast 300 000 Arbeitslose – ich habe davon aber nichts mitbekommen. Meine Eltern, Stefanie Klager (19. Dezember 1901–30. März 1991), aufgrund ihrer großen braunen Augen »Rehlein« genannt, und mein Vater Walther Haas haben einander beim Turnen kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Mein Vater war Volksschullehrer an der evangelischen Schule in der Gumpendorfer Straße und ein sehr gut aussehender Mann, meine Mutter war eine ebenso hübsche wie lebenslustige Hotelierstochter aus Meidling. Ihre Eltern – ihre Mutter Barbara und ihr Stiefvater Karl Graf – führten den »Meidlinger Hof« an der Ecke Meidlinger Hauptstraße und Hufelandgasse. Meine Mutter war die Älteste von sechs Geschwistern und hat daher immer fest anpacken müssen. Da ist nicht viel Zeit geblieben für Unsinn oder Dummheiten, wie es in der Familie geheißen hat, obwohl sie eine sehr talentierte Pianistin war und mit Leidenschaft diesen Beruf ausüben hätte können. Sie malte auch gern und hätte viel daraus machen können, doch all das kam nicht infrage. Künstlerberufe waren in der Familie meiner Mutter suspekt – meine Mutter musste sich fügen und arbeitete im elterlichen Betrieb anstatt im Konzertsaal.
Meine Disziplin, mein Pflichtbewusstsein und meine Ausdauer habe ich sicher von ihr geerbt. Sie hat es mir vorgelebt.
1932, ich war erst fünf und mein Bruder Fritz gerade zwei Jahre alt, starb mein Vater an akuter Urämie. Ich habe nur sehr wenige, aber äußerst liebevolle Erinnerungen an meinen Vater. Wir haben ihn beispielsweise oft gemeinsam mit der Mutter von der Stadtbahn abgeholt, und ich bin ihm in die Arme gelaufen. Ich erinnere mich ebenso daran, dass er mir manchmal mithilfe eines Kochlöffels Schneckerln in die Haare gedreht hat. Der Schock angesichts des Verlusts des Vaters war überwältigend. Ich spürte nicht nur meinen Schmerz, sondern auch den meiner Mutter, die nun völlig unversorgt mit zwei kleinen Kindern dastand. Ich weiß noch, wie ich mir zu Weihnachten nur meinen Vater zurückgewünscht habe. Das Christkind sollte ihn mir einfach auf unser Hausdach stellen, ich würde ihn dort schon abholen. Das Konzept Tod war für mich als Fünfjährige viel zu abstrakt, in meiner Welt würde das Wünschen helfen, dachte ich damals.
Meine Mutter verfiel in eine schwere Depression, aber dank meiner Großeltern, die uns liebevoll aufnahmen, konnte meine Mutter wieder Fuß fassen. Zuerst arbeitete sie im Hotel mit, dann kauften meine Großeltern ihr und ihrem Bruder, unserem Onkel Joschi, der Fleischhauer war, das Gasthaus »Schönbrunner Stöckl«, das direkt am Seitenzugang zum Schloss Schönbrunn lag, wo sie für die Küche und er für die Schank zuständig war.
Dass in einem solchen Beruf wenig Zeit für uns Kinder übrig blieb, war klar. Doch wir hatten unsere liebevollen Großeltern und den großen Schönbrunner Park, der unser Abenteuerspielplatz, Märchenwald und Kulisse war. Besonders hatte es uns der Schönbrunner Tierpark angetan – daher stammt wahrscheinlich meine Liebe zu Tieren.
Als Kind hatte ich Katzen, später Hunde. Wir hatten eine Kinderfrau, aber unsere Mutter versuchte, jede freie Minute mit uns zu verbringen, was im Gastgewerbe wirklich nicht einfach war. Zum Unterschied vom Großteil der damaligen Bevölkerung mussten wir nicht hungern, ein Glück, das uns als Kinder natürlich nicht bewusst war. Überhaupt hat sich das Gasthaus später, als ich schon auf der Bühne stand, immer wieder als Hort für hungrige Schauspieler bewiesen. Doch bis dorthin war noch ein langer Weg.
Während des Krieges war meine Mutter mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Mein Onkel Joschi war an der Front, sie hielt die Stellung im »Stöckl«. Die Jahre des Krieges waren für mich von Gegensätzen geprägt. Einerseits die harte Arbeit im Gasthaus, die ständige Angst, wie es mit uns weitergehen würde, andererseits die Schrebergartenidylle meines Großvaters väterlicherseits, Ferdinand Haas, die mir wie eine Zauberwelt vorkam. Er hatte an mir einen besonderen Narren gefressen, da er sich immer eine Tochter gewünscht, aber nur Söhne bekommen hatte. Mein Großvater wohnte in der Hietzinger Hauptstraße mit seiner Frau Bertha, die wunderschöne Märchen für Kinder schrieb und veröffentlichte. In seinem Schrebergarten in Ober St. Veit wuchs alles nur Vorstellbare. Mein Großvater, pensionierter Reichsbahnoberinspektor und leidenschaftlicher Gärtner, hatte nicht nur einen grünen Daumen, er lehrte mich auch, die Natur zu achten, mit ihr respektvoll umzugehen und ihr keinen Schaden zuzufügen. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm, einzig vor dem Unkrautjäten versuchte ich mich immer zu drücken. Vormittags nahmen wir meistens eine kleine Jause zu uns, und nachdem es ja damals noch kein Telefon gab, musste ich um die Mittagszeit auf einen kleinen Hügel steigen und nachschauen, ob Großmutter Bertha schon das weiße Handtuch am Balkon gehisst hatte. Wenn ja, bedeutete dies, dass wir uns beeilen mussten, denn das Mittagessen war fertig. Not macht eben erfinderisch.
Mein Großvater hatte noch eine Eigenart, an die ich mich erinnere. In seinem Garten war ein großes Loch, gerade so groß, dass ein Mann aufrecht darin stehen konnte. Und genau das tat er, wenn in Wien Fliegeralarm ausgelöst wurde. Er wollte nie in den Luftschutzkeller, er wollte im Freien, in seinem Garten sein – bis auf ein einziges Mal, und da rettete er mir das Leben.
Gerade im letzten Kriegsjahr mussten wir ständig in den Luftschutzkeller, fast jede Nacht gab es Bombenalarm. Am 19. Februar 1945 wurde der Tiergarten Schönbrunn schwer getroffen, von