Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

IM MITTELPUNKT DIE EULE: Der Krimi-Klassiker aus New York!
IM MITTELPUNKT DIE EULE: Der Krimi-Klassiker aus New York!
IM MITTELPUNKT DIE EULE: Der Krimi-Klassiker aus New York!
eBook260 Seiten3 Stunden

IM MITTELPUNKT DIE EULE: Der Krimi-Klassiker aus New York!

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ich streckte die Hand aus, und als ich sie wieder zurückzog, war sie voller Blut. Man hatte ihn von hinten her betäubt und ihm dann die Gurgel durchschnitten. Eine gründliche Arbeit.

Mich fröstelte, mir war kälter als dem dicken Mann. Als ich auf dem einen Hosenbein einen Blutspritzer entdeckte, drehte sich mir der Magen um. Ich lief hinauf und rief die Polizei an.

Die Polizei auf Long Island hat’s mit der Ruhe. Sie machte auch jetzt keine Ausnahme.

»So, so?«, sagte der Diensthabende. »Wir schicken jemanden hin. Lassen Sie die Leiche liegen, wo sie liegt.«

Was hatte er sich denn gedacht - dass ich sie in den Salon setzen und ihr eine Zigarre zwischen die Zähne stecken würde?

Margaret Scherf (* 1908 in Fairmont, West Virginia; † März 1979) war eine US-amerikanische Kriminal-Schriftstellerin.

Der Roman Im Mittelpunkt die Eule erschien erstmals im Jahr 1945; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum10. Aug. 2020
ISBN9783748753056
IM MITTELPUNKT DIE EULE: Der Krimi-Klassiker aus New York!

Mehr von Margaret Scherf lesen

Ähnlich wie IM MITTELPUNKT DIE EULE

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für IM MITTELPUNKT DIE EULE

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    IM MITTELPUNKT DIE EULE - Margaret Scherf

    Das Buch

    Ich streckte die Hand aus, und als ich sie wieder zurückzog, war sie voller Blut. Man hatte ihn von hinten her betäubt und ihm dann die Gurgel durchschnitten. Eine gründliche Arbeit.

    Mich fröstelte, mir war kälter als dem dicken Mann. Als ich auf dem einen Hosenbein einen Blutspritzer entdeckte, drehte sich mir der Magen um. Ich lief hinauf und rief die Polizei an.

    Die Polizei auf Long Island hat’s mit der Ruhe. Sie machte auch jetzt keine Ausnahme.

    »So, so?«, sagte der Diensthabende. »Wir schicken jemanden hin. Lassen Sie die Leiche liegen, wo sie liegt.«

    Was hatte er sich denn gedacht - dass ich sie in den Salon setzen und ihr eine Zigarre zwischen die Zähne stecken würde?

    Margaret Scherf (* 1908 in Fairmont, West Virginia; † März 1979) war eine US-amerikanische Kriminal-Schriftstellerin.

    Der Roman Im Mittelpunkt die Eule erschien erstmals im Jahr 1945; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    IM MITTELPUNKT DIE EULE

    Erstes Kapitel

    »Es ist ein Vogel im Keller, Charles.«

    Immer, wenn ich unrasiert bin, sagt Mama Charles statt Charlie zu mir.

    »Was für ein Vogel?«

    »Er sieht ein bisschen wie ein Habicht aus und ein bisschen wie ein Huhn. Audrey meint, dass es vielleicht ein seltenes Tier ist. Sie hat den Zoo angerufen.«

    »Was sagt man im Zoo?«

    »Wir sollen bis morgen warten, dann kommen sie her und schauen sich den Vogel an. Aber er fliegt herum. Geh doch und sieh nach, was er will!«

    »Wie soll man herauskriegen, was ein Vogel will?«

    Ich ging die Kellertreppe hinunter und sah mich in dem sogenannten Sportzimmer um, wo Audrey und ihre Freunde beiderlei Geschlechts sich, wenn Mama in den Kirchenverein geht, mit Tischtennis und Alkohol auszutoben pflegen. Meistens geht es dann mehr über Schnäpse als über die Pingpongbälle her. Ich sah keinen Vogel. Audrey hat Vorhänge vor die Fenster gehängt, wahrscheinlich, damit die Hunde nicht hereingucken können. Ich hob einen hoch. Da schwebte etwas im Gleitflug über meinen Kopf weg.

    Eine Eule. Eine ganz gewöhnliche Wald-und-Wiesen-Eule.

    Ich öffnete eines der Fenster und versuchte sie hinaus zu scheuchen, aber sie ließ sich nicht verscheuchen. Sie blieb auf dem Kaminsims, auf dem sie Platz genommen hatte, hocken und musterte mich mit kalten Bücken. »Na schön!«, sagte ich. »Bleib sitzen!«

    Ich ging hinauf. Mama stellte gerade die Kartoffeln auf den Tisch. »Wo ist Audrey?«, fragte ich. »Das dumme Ding kann eine Eule nicht von einem Huhn unterscheiden.«

    »Du hast Vogelkunde studiert - Audrey nicht!«

    Mama und ich setzten uns zu Tisch. Es gab Corned Beef. Mein Urlaub hatte gerade begonnen, und ich war in bester Stimmung. »Die ganzen zwei Wochen lang werde ich mich nicht rasieren«, sagte ich warnend. »Und vielleicht auch das Hemd nicht wechseln.«

    »Dann geh in den Keller zu deiner Eule. Ein feiner Herr rasiert sich täglich. Dein Vater...«

    »Aber sicher. Papa war ein Heiliger. Sonst hätte er es auch nicht fünfundzwanzig Jahre lang mit dir ausgehalten, Mammi!«

    »Sag nicht Mammi zu mir! Übrigens hat Constance angerufen.«

    »Nun mach einen Punkt, Mama! Ich will im Urlaub nichts mit Weibern zu tun haben.«

    »Sie wollte wissen, ob du Lust hättest, morgen mit ihr Golf zu spielen. Ich habe gesagt, natürlich hättest du Lust, mit größtem Vergnügen.«

    Ich wurde böse. Ich wollte nicht gleich meinen ersten, herrlichen freien Tag damit verbringen, hinter den Golfbällen einer geschwätzigen Blondine herzulaufen. Wahrscheinlich würde ich ihr auch noch einige Drinks spendieren müssen. Mama bildet sich ein, Constance unterscheide sich von Bischof Manning nur durch ihr Geschlecht und ihre Figur. Ich habe ihr nie erzählt, wie gern Connie ihren wohlgeformten Busen über sämtlichen Bartischen zwischen St. George und Tottenville etabliert. Und das ist ja auch reichlich sonderbar, wenn man bedenkt, dass die Whalens zu den besten Familien auf Long Island gehören.

    »Mammi«, sagte ich, »du bist die schlimmste Intrigantin, die es gibt!«

    »Vielleicht möchtest du lieber eine der Regent-Töchter heiraten.« Mama hatte ihren sarkastischen Ton angeschlagen.

    »Bestimmt! Am liebsten Daffy!«

    »Unterstehe dich, und ich schlage dir deinen irischen Dickschädel ein!«

    Ich war nicht geneigt, mir wieder einmal Mamas Meinung über die Regents anzuhören, deshalb ging ich zu Jack hinüber, trank zwei Glas Bier und legte mich dann schlafen.

    Ich hörte nicht einmal Audrey nach Hause kommen.

    Irgendetwas hatte mich aufgeweckt. Ich spitzte die Ohren. Draußen war es noch finster, und es wehte kein Wind, nicht das kleinste Lüftchen. Ich hörte nichts, aber um sicherzugehen, tapste ich in den Flur und horchte übers Treppengeländer hinunter. Ich wollte schon wieder in mein warmes Bett zurückkehren, da hörte ich einen klagenden leisen Laut, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gehört hatte. Mir lief es kalt über den Rücken. Dann fiel mir die Eule ein. Wird das verflixte Vogelvieh die ganze Nacht so weiterwimmern? Mama wird aufwachen und sich zu Tode erschrecken...

    Ich schlich die Treppe hinunter in die Küche. Als ich die Kellertür öffnete, sauste ein Wirbelsturm über mich weg, und die Eule landete auf dem Warmwasserhahn.

    »Wenn du weg willst, warum fliegst du nicht zum Fenster raus?«, sagte ich brummig. »Du kannst nicht im Abguss übernachten. Das ist unhygienisch,«

    Ich versuchte sie zu packen, aber sie kratzte mich ordentlich mit dem Schnabel und blieb auf dem Wasserhahn hocken. Ich versuchte sie wieder in den Keller oder zur Hintertür hinaus zu scheuchen. Aber der Vogel war eigensinnig. Er klammerte sich an den Wasserhahn fest und zwinkerte mit den Augen. Ich verstand nicht recht, warum er zur Küchentür geflogen war, um dort seinen Nachtgesang anzustimmen, aber schließlich weiß ich ja nicht so genau, was im Hirn einer Eule vorgeht. Vielleicht hatte sie im offenen Fenster was gesehen, das ihr nicht passte, und war ausgerissen. Wenn wirklich etwas zum Fenster hereingekommen war, würde Mama sich schön ärgern und mir die Hölle heiß machen, weil ich es offengelassen hatte. Ich ging in den Keller, um nachzusehen. Die Lampen, die Audrey im Sportzimmer aufgehängt hat, leuchten matt und rosig, damit man ungestört poussieren kann. Aber auch in der trüben Beleuchtung brauchte ich nicht lange zu suchen. Da war das offene Fenster. Und er hing drin.

    Auf der letzten Stufe blieb ich stehen, mein Mund war wie ausgetrocknet, und die Augen traten mir aus den Höhlen. Ich ließ das Geländer los und ging zu ihm hin. Er hing an den Füßen wie ein frisch geschlachtetes Huhn. Und hatte genauso heftig geblutet. Sein Mund stand offen, die Hände baumelten ihm an den Seiten herab, und die Augäpfel waren nach oben verdreht. Der unappetitlichste Anblick, der mir je begegnet war! Ein großer Mann, zu fett und schwammig. Das Blut an der Kehle tropfte nicht mehr. Es war bereits geronnen. Ein paar Tropfen auf der rotgetupften Krawatte. Kein Tropfen auf dem Boden.

    Das war nun nicht weiter sonderbar. Es wäre ein rechtes Kunststück gewesen, ihn in den Keller zu stopfen, dann ins Haus zu laufen und die Treppe herunter und ihm den Hals abzuschneiden. Offenbar war er anderswo umgebracht worden. Die Herrschaften, die ihn hier losgeworden waren, hatten die Gastfreundschaft der Murphys schändlich missbraucht.

    Ich wollte seinen Hinterkopf befühlen, ob er dort eine Beule habe, falls man ihm zuerst eins über den Schädel gehauen hatte. Ich streckte die Hand aus, und als ich sie wieder zurückzog, war sie voller Blut. Man hatte ihn von hinten her betäubt und ihm dann die Gurgel durchschnitten. Eine gründliche Arbeit.

    Mich fröstelte, mir war kälter als dem dicken Mann. Als ich auf dem einen Hosenbein einen Blutspritzer entdeckte, drehte sich mir der Magen um. Ich lief hinauf und rief die Polizei an.

    Die Polizei auf Long Island hat’s mit der Ruhe. Sie machte auch jetzt keine Ausnahme.

    »So, so?«, sagte der Diensthabende. »Wir schicken jemanden hin. Lassen Sie die Leiche liegen, wo sie liegt.«

    Was hatte er sich denn gedacht - dass ich sie in den Salon setzen und ihr eine Zigarre zwischen die Zähne stecken würde?

    Es würden einige Minuten vergehen, bevor sie ankamen. Ich wusste nicht, ob ich Mama wecken sollte. Sie würde erschrecken, aber früher oder später musste sie es ja erfahren. Und wenn sie erschrak, würde mir wohler zumute sein. Ich entschloss mich zu einem Kompromiss und weckte Audrey. Sie ist dick und gemein und schläft für ihr Leben gern. Als ich die Lampe dicht neben ihrem Gesicht anknipste, sah ich, dass sie über und über mit Sommersprossencreme beschmiert war.

    »Im Sportzimmer liegt ein Toter«, sagte ich wie nebenbei.

    »Na und?« Sie drehte sich um und zog die Decke über den Kopf. »Er wird dir im Weg sein, wenn du Pingpong spielen willst.«

    Sie begann aufzuwachen. »Was hast du gesagt?«

    »Dass eine Leiche an den Füßen im Kellerfenster hängt!«

    Sie wollte schon sagen: »Leg dich schlafen und hör auf, mich zu verkohlen!« - aber da muss sie gemerkt haben, wie blass ich aussah. »Ist das dein Ernst?«

    »Komm runter, dann wirst du’s sehen! Dein seltener Vogel hat sauer reagiert. Deshalb bin ich aufgewacht.«

    Audrey setzte sich im Bett auf. Jetzt begann ihr die Sache zu imponieren. »Sieht es schaurig aus?«

    »Sehr. Zieh dich lieber an! Gleich kommen die Bullen.«

    Sie schlüpfte in einen blauen Morgenrock, den sie mir- gemaust hatte, und steckte die kurzen Vorderfransen ihres Haares mit einem Kamm fest.

    Mäuschenstill schlichen wir die Treppe hinunter. »Fang mir nicht

    zu schreien an!«, sagte ich streng. »Sonst kriegt Mama einen Herzanfall.«

    »Ich schreie nie.« Auf leisen Socken schlich sie hinter mir her. Es war ein Paar meiner Golfsocken. Sie nimmt alles, was nicht niet- und nagelfest ist.

    Audrey hielt ihr Versprechen, nicht zu schreien. Sie sah bloß aus wie ein Tischgast, dem man nach dem Truthahn Hummer mit Schokoladensauce serviert hat. Sie wollte um keinen Preis näherkommen. Ich kam mir wie ein Held vor.

    »Kennst du ihn?«, fragte ich.

    »Nein. Du?«

    Ich schüttelte den Kopf.

    »Warum haben sie ihn hier abgeladen? Es muss nicht leicht gewesen sein, ihn herumzuschleppen.«

    Ich überlegte gerade, was ich mir, wenn ich Kriminalbeamter wäre, an dem Toten einprägen müsste, da hörte ich die Funkstreife draußen haltmachen und raste hinauf, um die Tür zu öffnen, bevor sie klingelten. Sie warfen einen kurzen Blick auf unsere Leiche und erklärten sofort, dass sie für diesen Fall nicht zuständig seien.

    Nach einem kurzen Telefongespräch sagte der eine: »Sie haben da eine feine Sache erwischt, Mr. Murphy! Es sollte mich nicht wundern, wenn man Ryan herschickt.« Es klang, als ob ich etwas Besonderes geleistet hätte.    

    »Wer ist Ryan?«, fragte Audrey.

    »Ein Bluthund, der in Centre Street an der Kette liegt für den Fall, dass solche Geschichten auftauchen. Netter Kerl, wenn man tut, was er sagt. Ein Ekel, wenn man ihm in die Quere kommt.«

    Während wir warteten, gingen wir hinunter, um uns noch einmal die Leiche anzusehen. Ich hätte gerne gewusst, ob er eine Armbanduhr hatte, und hätte gern nachgeschaut, wenn nicht die Polizeibeamten gewesen wären; da hörte ich ein gurgelndes Geräusch. Mama stand auf der Treppe und hielt ihren alten gestreiften Morgenrock über den Hüften zusammen.

    »Mammi!« Ich lief zu ihr hin und nahm ihren Arm. »Immer mit der Ruhe! Alles ist in bester Ordnung!«

    »Guten Abend, Mrs. Murphy!«, sagte einer der Beamten. »Haben Sie etwas dazu zu sagen?«

    Mama schluckte und schüttelte den Kopf. Sie sah mich vorwurfsvoll an. »Er ist immer so brav gewesen, Herr Wachtmeister.«

    »Mama!«, sagte Audrey. »Sei nicht dumm!« Wir setzten Mama auf einen Barstuhl. Sie begann sich langsam zu erholen.

    »Was geht in meinem Haus vor, während anständige Menschen schlafen?«

    Wir erzählten es ihr, Punkt für Punkt, und erwähnten auch die Eule.

    »Diese Eule bringt uns Pech. Jag' sie weg, Charles!«

    Wir überredeten Mama, hinaufzugehen, damit sie die Leiche nicht mehr sehen müsse, und dann erschien Ryan auf dem Schauplatz.

    »Wo ist er?«, sagte er mit schallender Stimme. In seiner Gesellschaft befanden sich ein kleines Männlein mit einer Tasche, offenbar der Polizeiarzt, und ein zweiter Kriminalbeamter.

    Ryan hatte so ganz und gar nichts von einem schweigsamen, sphinxhaften Meisterdetektiv an sich. Er pflegte laut zu denken, und bei ihm hieß das, dass man ihn über den halben Hafen weg hörte.

    Wir führten sie in den Keller hinunter. Ryan spazierte mehrere Male vor dem Leichnam auf und ab und schilderte uns mit dröhnender Stimme, was wir deutlich mit eigenen Augen sehen konnten. Der Polizeiarzt war eine brave, freundliche Seele. Man merkte ihm an, dass es ihm auf eine Leiche mehr oder weniger nicht ankam. Ein Fotograf kam hereingestürzt und nahm das Corpus delicti von allen Seiten her auf. Dann legten sie unseren Leichnam auf den Boden, damit der Arzt besser heran konnte. Nachdem er ihn betrachtet und das klebrige Blut am Hinterkopf untersucht hatte, sagte er: »Dürfte seit drei oder vier Stunden tot sein. Die offenbare Todesursache könnt ihr ja selbst sehen. Wir werden ihn aufschneiden und den Mageninhalt analysieren. Er wurde nicht hier getötet. Sonst hätte er eimerweise Blut verlieren müssen - mit den Füßen nach oben.«

    Dann wollten sie gerne wissen, was aus der Armbanduhr des Toten geworden sei. Rings um das sonnverbrannte Handgelenk lief ein weißer Streifen.

    Ryan unterwarf uns einem kurzen Verhör, aber keiner von uns hatte was zu berichten. Er schien uns aufs Wort zu glauben. Die Funkstreife fuhr weg und nahm den Polizeiarzt mit. Ryan und sein Trabant untersuchten mit ihren Taschenlampen die Erde vor dem Kellerfenster, und Audrey und ich zogen hinter ihnen her.

    »Eine einzelne Radspur«, bellte Ryan.

    »Fahrrad?«, sagte Sharpie hoffnungsvoll. Soviel ich sehen konnte, diente dieser Sharpie nur als Publikum, damit Ryan jemanden hat, der ihm zuhört, wenn er laut denkt.

    Wir verfolgten die Spur durch die hohe Ligusterhecke, die unser Grundstück von dem der Regents trennte, und dann quer über die Zufahrt in den Geräteschuppen. Sharpie stolperte über den Schubkarren, und als Ryan mit seiner Taschenlampe hin leuchtete, sahen wir an der einen Kante einen Klacks Sand und dunkelbraunes Zeug.

    »Sie haben den Karren nicht einmal versteckt!«, brummte Ryan.

    »Wenn er hier umgebracht worden wäre«, sagte Audrey weise, »müsste mehr Blut zu sehen sein.«

    Ryan gab ihr recht. »Wo ist die Garage?«

    Ich führte ihn hin. Es war eine Garage für vier Autos: Daffys drei Sportwagen und den gelben Packard ihres Vaters. An keinem der Autos war auch nur die geringste Blutspur zu finden. Daffys blauer Sportwagen fehlte. Ein nasser Badeanzug klebte auf dem Sitz ihrer neuesten Erwerbung - einem weißen Buick -, der die meisten Menschen an ein Streifenauto der Polizei gemahnt hätte.

    Ryan ließ seine Blicke zu dem Hause der Regents wandern. Der Tag begann zu grauen, und da stand es groß und mächtig. Der rosa Stuck machte einen warmen und freundlichen Eindruck. Haley Regent hatte ein Haus in Nizza kopieren lassen.

    »Geld!«, sagte Ryan. »Sie kennen die Leute, Murphy?«

    »Nicht sehr gut«, sagte ich. »Seit sie vor vier Jahren eingezogen sind, habe ich oft versucht, mit ihnen bekannt zu werden, aber jedes Mal, wenn ich in die Nähe der Hecke kam, rief Mama aus vollem Hals: Charles, komm her, du musst einholen gehen!«

    Wir gingen zu dem Haus hinüber, und ich erklärte Ryan, dass die Familie zwei Töchter habe, Daffy und Blue. Ryan wollte wissen, in welcher Branche Haley Regent tätig sei.

    »In gar keiner«, sagte Audrey, die für ihr Leben gern tratscht. »Zuerst hat er Mrs. Regents Geld durchgebracht, und jetzt lebt er von Daffy.«

    »Das weißt du doch nicht, Audrey!«, protestierte ich.

    »Sie bekommt teure Geschenke von einigen ältlichen Herren.«

    Wir gingen über die Zufahrt nach vorne, und dort stand der blaue Sportwagen mit offener Tür dicht an den Stufen.

    »Und die andere?«, fragte Ryan.

    »Blue ist erst neunzehn. Ein nettes durchschnittliches Mädel.«

    »Ha!«, sagte Audrey spöttisch. »Woher weißt du das?«

    Ich war froh, als Ryan ihr taktvoll zu verstehen gab, dass sie jetzt nach Hause gehen dürfe. Er klingelte, und wir mussten mehrere Minuten warten, bevor der Riegel zurückgeschoben wurde und Blue Regent die Tür öffnete. Sie sah verschlafen und ärgerlich aus, hielt vorne den verschossenen Baumwoll-Pyjama zusammen, an dem sämtliche Knöpfe zu fehlen schienen.

    »Miss Regent«, sagte ich, »das ist Mr. Ryan von der Kriminalpolizei. Er untersucht einen Mordfall. Ein dicker Mann wurde umgebracht und an den Füßen in unseren Keller gehängt. Es sieht so aus, als ob man ihn mit eurem Schubkarren hinübertransportiert hätte.«

    »Lassen Sie gefälligst mich reden!«, unterbrach mich Ryan. »Bitte, rufen Sie Ihre Eltern und Ihre Schwester! Haben Sie nachts etwas gehört? Zum Beispiel - dass man jemandem die Gurgel durchgeschnitten hat!«

    »Macht das viel Lärm?«, fragte Blue. »Meine Mutter kann ich nicht herunterholen. Sie ist krank.« Sie wiegte die schmalen Hüften, als sie die Treppe hinaufging. Als sie zurückkam, hatte sie eine blaue Arbeitshose an und ein auffälliges rotes Seidenhemd. So pflegt sie sich auszustaffieren, wenn sie Joe Kronsky im Garten hilft. Daffy kam mit ihr, ein wenig umnebelt und in eine rosa Stoffwolke gehüllt, wie man es vom Film her gewöhnt ist.

    »Sie ist immer noch beduselt«, murmelte Ryan. »Hat es gerade bis zur Tür geschafft!«

    Dann erschien ein Butler. Er hatte nur halb so viel an, wie ein Butler sonst anzuhaben pflegt. Er sah aus wie ein arbeitsloser Spion, aber als Ryan Stühle verlangte, sagte er mit einem sanften Stimmchen: »Ja, Herr Kommissar.«

    Haley Regent kam herein. Er war fix und fertig angekleidet, graue Flanellhose und gestreiftes Hemd, und hatte ein Buch unterm Arm »Guten Morgen, meine Herren!« Er rieb sich vergnügt die Hände. »Höre ich recht - ein Mord? Hoffentlich mit viel Blut!«

    Ryan starrte ihn finster an. Ob Mr. Regent vor vier oder fünf Stunden ein Auto habe verfahren hören? Nein. Ob er ungewöhnliche Geräusche auf dem Grundstück gehört habe? Nein.

    »Fragen Sie mich lieber gleich, ob ich etwas weiß, das erspart Zeit«, sagte Haley. »Ich weiß ganz und gar nichts. Aber Sie

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1