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DER TOLEDANER DEGEN: Der Krimi-Klassiker!
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eBook248 Seiten3 Stunden

DER TOLEDANER DEGEN: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Während Henry die letzten Tropfen seines Whiskys genießerisch schlürfte, dachte er über das Royal Rajah nach. Nie würde man ahnen, was seine Mauern bergen, wenn man vor dem imposanten Vordach vorfährt, die blankpolierten Bronzebeschläge und den gold-blau uniformierten Portier sieht und die äußerst vornehme Atmosphäre atmet, welche die Torstufen umgibt. Selbst in dem großen Vestibül, das nicht ganz wie übliche Hotelhallen war, würde man noch nicht merken, dass hier den Göttern des unerschütterlichen Gleichmuts geopfert wird...

Margaret Scherf (* 1908 in Fairmont, West Virginia; † März 1979) war eine US-amerikanische Kriminal-Schriftstellerin.

Der Roman Der Toledaner Degen erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1958.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum21. Nov. 2020
ISBN9783748765295
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    Buchvorschau

    DER TOLEDANER DEGEN - Margaret Scherf

    Das Buch

    Während Henry die letzten Tropfen seines Whiskys genießerisch schlürfte, dachte er über das Royal Rajah nach. Nie würde man ahnen, was seine Mauern bergen, wenn man vor dem imposanten Vordach vorfährt, die blankpolierten Bronzebeschläge und den gold-blau uniformierten Portier sieht und die äußerst vornehme Atmosphäre atmet, welche die Torstufen umgibt. Selbst in dem großen Vestibül, das nicht ganz wie übliche Hotelhallen war, würde man noch nicht merken, dass hier den Göttern des unerschütterlichen Gleichmuts geopfert wird...

    Margaret Scherf (* 1908 in Fairmont, West Virginia; † März 1979) war eine US-amerikanische Kriminal-Schriftstellerin.

    Der Roman Der Toledaner Degen erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1958.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DER TOLEDANER DEGEN

    Erstes Kapitel

    »Henry, bist du dir darüber im Klaren, dass wir seit achtundzwanzig Monaten verheiratet sind, ohne dass etwas passiert wäre?« Emily tunkte den Pinsel in die Farbe und verlieh dem Chinesen-Männlein, das sie aut einen Kaffeetisch malte, ein zweites Auge.

    »Du hast mir das Schlüsselbein zerteppert »Das war ein Unglücksfall.«

    »Das Atelier hat gebrannt, Di Nobili hat uns auf achthundert Dollar verklagt, Roscoe hat die Windpocken gehabt, deine Mutter ist ihre Brillantnadel losgeworden, und du hast zwölf Pfund zugenommen.«

    »Lauter lächerliche Bagatellen!«, sagte Emily und wischte den Pinsel an ihrem Arbeitskittel ab. »Ich meine, mit unserer Ehe ist nichts passiert.«

    »Ich frage mich heute noch, wieso es dir gelungen ist, mich zu beschwatzen.« Henry zündete eine Zigarette an und blickte auf die Lexington Avenue hinunter, wo die Taxis und Busse den späten Frühlingsschnee zu braunem Kakao vermanschten. »Vielleicht wird in London etwas passieren -ein Glücksfall, der mir die Freiheit wiederschenkt!«

    Emily sagte in entschiedenem Ton: »Wenn in London unsere Ehe kaputtgeht, fahre ich nicht hin.«

    »Lieber verzichtest du auf ein Dutzend Männer als auf diese Englandreise!«

    »Die ganze Reise ist mir gleichgültig!« Emily griff hach dem Telefon, das seit mehreren Minuten hartnäckig klingelte. »Hallo! Ja, Mrs. Cormorant, er hat sie gerade in Arbeit. Wirklich! Aber Sie können sie nicht vor nächster Woche bekommen. Wir fliegen heute Abend nach England - übers Wochenende. Wunderbar, nicht wahr? Der bedeutendste Innenarchitekt von London hat uns eingeladen. Geld spielt keine Rolle - es. ist ja nicht unser Geld. Ich soll irgendeinem Lord zwei Schränkchen für seinen Salon antikisieren. Henry...« - sie deckte die Hand über die Muschel »...kannst du die Truhe bis nächsten Mittwoch fertigmachen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, nahm sie den Hörer wieder hoch. »Ja, Mrs. Cormorant, er versprüht hoch und heilig, sie bis Mittwoch fertig zu haben. Auf Wiedersehen!«

    »Emily«, sagte Henry streng, »du weißt, wir können unmöglich nächsten Mittwoch schon wieder in New York sein, geschweige denn Mrs. Cormorants Truhe bis dahin fertig haben!« Emily lächelte. »Du bist so süß und ehrlich, Henry! Ich fürchte, mir wird im, Flugzeug schlecht werden, ich werde das neue Gabardinekostüm lieber erst in London anziehen!«

    »Fahr doch so, wie du bist!«, sagte Link, der mit drei Pappbechern Kaffee erschien. Ihm gehörte Lincoln Simpsons Antiquitätengeschäft im Parterre des gleichen Hauses. »Ich dachte mir, ihr würdet heute keine Zeit zum Kaffeetrinken haben, aber wie ich sehe, seid ihr mit der ganzen Arbeit schon fertig und könnt mit ruhigem Gewissen davonfahren.« Sorgenvoll betrachtete er die Tische, Stühle, Betten, Truhen, Sekretäre, Wandleuchter, Standuhren und sonstigen Gegenstände, die Emily Bryce im Aufträge verschiedener Innenarchitekten und Dekorationsfirmen zu antikisieren, also in Pseudoantiquitäten zu verwandeln hatte, damit sie teuer verkauft werden konnten. Manche dieser Gegenstände standen schon so lange im Atelier, dass Emily nicht mehr wusste, wer sie gebracht hatte. Und bei jedem Stück hatten sie heftige Auseinandersetzungen gehabt. Aber Emily war außerstande, einen Auftrag abzulehnen.

    »Ich glaube nicht, dass wir das Flugzeug noch erreichen«, sagte Henry aufrichtig. »Es ist bereits vier.«

    »Wir kommen zurecht!«, beschwichtigte Emily ihn. »Sollen wir dir etwas mitbringen, Link? Vittorio hat sich ein Paar Epauletten oder ähnliches gewünscht.«

    Link wollte nichts einfallen. »Amüsiert euch und schaut euch London an! Und gebt Acht, dass man euch nicht betrügt! Mir wäre lieber, ihr hättet diesen Auftrag nicht gerade von Alfredo Vittorio bekommen.« 

    »Einverstanden!«, sagte Henry und begann seine Pinsel wegzuräumen. »Er ist glatt wie ein Büchsenpfirsich.«

    »Dir gefallen bloß seine Hemden nicht!«, warf Emily ein. »Alfredo ist in, Ordnung. Denk mal, morgen frühstücken wir im Bett mit dem Herzog von Orange!«

    »Der Mann heißt Peel«, berichtigte Henry. »Mr. George Peel - ganz einfach!«

    »Wer wird uns glauben, dass wir nach London fliegen, um zwei Schränke für jemand zu antikisieren, der nicht mindestens ein waschechter Herzog ist!«

    Roscoe kehrte ans dem Drugstore zurück, in dem er seinen Nachmittagskaffee einzunehmen pflegte, und unkte von bevorstehenden Katastrophen wie zum Beispiel Emilys Flugreise nach London. Er war schon lange, bevor Emily sich mit Henry Bryce verheiratete, im Lentement-Atelier angestellt gewesen, vergötterte sie und fragte sie in allem um Rat, vom Hemdenkauf bis zum Sparbuch. Roscoe hatte nur Sine schlechte Gewohnheit - er pflegte zum Schluss nach seinem eigenen Kopf zu handeln. Emily entließ ihn monatlich zweimal.

    »Leben Sie wohl!«, sagte er seufzend. »Wir sehen uns nie wieder.« Er zog seinen Kamm hervor und ordnete sein schwarz gefärbtes Haar, bevor er mit der Untergrundbahn nach Hause fuhr.

    »Wir sehen uns am Dienstag!«, sagte Emily heiter. »Nehmen Sie die Post aus dem Kasten und legen Sie sie auf den Schreibtisch, und gehen Sie nicht ans Telefon, es kommen doch nur Beschwerden. Und vergessen Sie nicht, Ihre Pillen zu nehmen!«

    Roscoe nickte mit düsterer Miene, und sie sperrten das Atelier zu. Mit Links Hilfe kamen sie sogar noch eine Minute zu früh auf dem La-Guardia-Flugplatz an. Emily trug ihr neues Gabardinekostüm, von der Überlegung ausgehend, dass der Mensch ja doch nur einmal lebe. Es gab einige Scherereien wegen der Farben und Pinsel, die sie in Pappschachteln unter dem Arm trug, aber zu guter Letzt wurde Sie samt Gepäck ins Flugzeug verladen.

    Am nächsten Abend um halb sechs trank Henry im Doppelzimmer des Royal-Rajah-Hotels in Kensington ein Glas Whisky und wärmte seine Füße am elektrischen Ofen. Er fühlte sich wohl und schwelgte in Wohlbehagen, weil es den ganzen Tag über so ungemütlich gewesen war. Alle Bekannten hatten he...« Stäuptet, nie schneie es im April in London. Doch es schneite.

    Aus dem Badezimmer kam das friedliche Geräusch rauschenden Wassers. Emily war dabei, ihren gestörten Blutkreislauf durch ein heißes Bad wieder anzuregen,

    Henry hatte soeben sein Glas zur Hälfte geleert, da hörte er Emily laut aufschreien. In Strümpfen lief er über den eiskalten Fußboden.

    Emily stand triefend neben der Wanne.

    »Als ich mich hineinsetzte, schlug mir das Wasser über den Kopf.«

    »Musstest du die Wanne bis zum Rand füllen?«

    »Man will die Ausländer mit Absicht ertränken. Henry, was geht in diesem Badezimmer vor? Die Toilette heißt Alerto und das Papier Bronco

    »Du hast noch genau vierzig Minuten Zeit, um dich anzuziehen.«

    »Warum hat Lord Peel uns nicht auf sein Schloss eingeladen?«

    »Mr. Peel hat kein Schloss. Er besaß ein Haus in Marlborough, aber er musste es verkaufen. Die Steuern sind zu hoch.«

    »Wozu braucht er dann die beiden Schränke?«

    »Er will seiner Tochter in London eine Wohnung einrichten.« Henry kehrte an den Ofen zurück und nahm sein Glas zur Hand.

    »Er ist ein lieber Kerl!«, rief Emily, im Wasser planschend. »Nett und rosig, mit zwinkernden Augen.«

    Henry brummte vor sich hin. Nach einer Weile erschien Emily und begann ihren Koffer zu durchstöbern. »Was soll ich anziehen, wenn wir in den Eiskeller gehen?«

    »Du hast doch wohl ein Kleid mit!«

    »Ja, aber es hat keine Ärmel. Na schön, ich werde mir deinen Bademantel umnehmen.«

    »Du wirst dich wie eine Dame benehmen, und wenn ich dabei erfrieren muss!«

    Emily murmelte, sie bekäme bestimmt Lungenentzündung, Henry kümmerte sich nicht einen Deut um ihre Gesundheit, und wer kein Idiot sei, bleibe schön zu Hause. Aber sie zog das hinten und vorn tief ausgeschnittene Taftkleid an, parfümierte sich im Übermaß und setzte sich hin, um die Fingernägel zu polieren.

    »Wie gefällt er dir?«, fragte Emily.

    »Wer?«

    »Lord Peel natürlich!«

    »Ein liebenswürdiger Spross alten Adels! Ein echter Brite! Raucht Pfeife, hasst die Regierung, hat einen kleinen Schnupfen.« Henry streckte die Füße näher ans Feuer. »Es heißt, davon kriegt man Frostbeulen! Peel scheint sehr an seiner Tochter zu hängen.«

    Emily sah Henry an. »Was hältst du von Olivia?«

    Henry merkte den Blick. »Mir war’s lieber, sie hätte keinen Mann.«

    »So, so! Dir gefallen diese billigen hilflosen Wesen! Durchsichtig wie eine Schaufensterscheibe! Nie könnte sie ein Geschäft führen!«

    »Das hat sie auch nicht nötig. Sie hat Geld.«

    Emily beschmierte den einen Daumen wie eine Wilde mit rotem Lack. »Wenn sie Geld hat, warum wohnt sie in diesem Loch?«

    »Ich nehme an, dass das früher einmal ein gutes Hotel war.«

    »Ja. Ich kann mir vorstellen, dass die ollen Raubritter sich hier großartig amüsierten.«

    Während Henry die letzten Tropfen seines Whiskys genießerisch schlürfte, dachte er über das Royal Rajah nach. Nie würde man ahnen, was seine Mauern bergen, wenn man vor dem imposanten Vordach vorfährt, die blankpolierten Bronzebeschläge und den gold-blau uniformierten Portier sieht und die äußerst vornehme Atmosphäre atmet, welche die Torstufen umgibt. Selbst in dem großen Vestibül, das nicht ganz wie übliche Hotelhallen war, würde man noch nicht merken, dass hier den Göttern des unerschütterlichen Gleichmuts geopfert wird. Die Portiersloge, mit Schlüsseln und Postfächern garniert, macht einen soliden, beruhigenden Eindruck. Mr. Peel aber behauptete, Briefe an Leute, die längst gestorben waren, blieben jahrelang in den Fächern liegen. Briefe an Leute, deren Name mit C beginne, und die aus Versehen in das Fach mit dem Buchstaben R gerieten, wurden für ewige Zeiten im R-Fach aufbewahrt. Neue Gäste, die nicht wüssten, dass sie sich von selbst beim Portier nach Post zu erkundigen hätten, erhielten ihre Post überhaupt nie.

    Was den ehrwürdigen Aufzug betraf, so war er eine geheiligte Institution und durfte nicht mutwillig benutzt werden. Rüstige Gäste, behauptete Peel, seien gezwungen, einen Faden von ihrem Zimmer ins Vestibül zu ziehen oder sich aufs Geratewohl wieder zurückzutasten, auf und ab über schmale, mit roten Teppichen belegte Treppen, durch lange Flurtunnels, über glasverkleidete Brücken, die von einem Flügel zum anderen führten; gelegentlich müssten sie sich bei länger ansässigen Gästen nach dem Weg erkundigen... 

    »Wahrscheinlich steigen sie aus alter Gewohnheit hier ab«, sagte Henry. »So, wie wir in die Grillbar laufen, obwohl das Essen abscheulich ist. Es gefällt ihnen, weil die schlechte Bedienung eine persönliche Note hat.«

    »Ich glaube nicht, dass Olivia vom Pferd gefallen ist«, sagte Emily, zu dem heiklen Thema zurückkehrend. »Ich glaube, sie will bemitleidet werden.«

    »Ihr teurer Gatte wird sie sicher nicht bemitleiden«, brummte Henry. »Roy Palling dürfte ebenso viel Herz haben wie unsere Steuerbehörden.«

    »Ich finde ihn niedlich«, erwiderte Emily.

    »Was? Diesen dicken Ochsen?«

    »Er hat Charme. Männer mit Charme gefallen dir nie, Henry!«

    Henry zuckte die Schultern. Er hatte das Gefühl, binnen einer Stunde würde Emily ihren Roy samt all seinem Charme gründlich überhaben.

    Sie wanderten durch die Korridore und die Treppe hinunter, landeten in einer Besenkammer neben dem Speisesaal und wurden von dem Oberkellner in die Cocktailbar geleitet. Mr. Peel und Roy Palling wärmten ihre Hinterteile vor einem schönen Kohlenfeuer. Olivia saß steif auf einem kalten, harten Chromsessel. Henry fand sie recht schön und merkte an Emilys gerunzelten Brauen, dass sie seine Meinung teilte. Sie waren die einzigen Gäste des uralten und tief melancholischen Barmixers.

    »Ich fürchte, wir werden uns beeilen müssen«, sagte Mr. Peel. »Die Stammgäste - die alten Damen, die man überall herumwimmeln sieht - hausen wie die Heuschreckenschwärme. Es ist ratsam, sich nicht zu verspäten.« Er bestellte die Drinks, und dann herrschte Schweigen.

    Henry merkte, dass Roy Palling sich den Kopf zermarterte, um etwas zu sagen. Schließlich brachte er es fertig, den Anwesenden mitzuteilen,  dass das Wetter für diese Jahreszeit ungewöhnlich schlecht sei.

    Mrs. Palling beobachtete Emily mit ziemlichem Respekt, wie es Henry schien. Ebenso hatte er den Eindruck, dass sie sich vor ihrem Gatten fürchtete.

    Mr. Peel reichte seiner Tochter ein Glas. »Bist du sicher, dass es richtig war mitzukommen? Wird es dich nicht zu sehr ermüden?«

    Roy sagte ungeduldig: »Sie ist ganz gut auf den Beinen und kann mit uns essen. Es war kein schlimmer Sturz.«

    »Soviel ich weiß, warst du nicht mit dabei.« Mr. Peel musterte seinen Schwiegersohn mit finsteren Blicken.

    Olivia blickte unruhig von einem zum anderen. »Es war wirklich nicht schlimm, Papa«, sagte sie. »Roy hat recht. Du machst dir zu viele Sorgen um mich.«

    »Jedenfalls«, fuhr ihr Vater fort, »wirst du keine Springer mehr reiten, Olivia! Es hat dir nie Freude gemacht. Ich verstehe nicht, warum du unbedingt einen Sport treiben musst, der fast immer mit einem Unglück endet.«

    »Das ist genauso wie mit Krabben-Mayonnaise«, sagte Emily liebenswürdig. »Mir wird immer übel davon, aber ich kann nicht widerstehen. Erinnerst du dich noch, Henry, damals bei Pierre, als ich Hals über Kopf vom Tisch aufstehen musste...« Henry machte diesen Erinnerungen mit einem bedeutsamen Blick ein Ende, und Emily wandte sich tief gekränkt den zwei großen Sepiadrucken an der Wand zu. Der eine hieß Die glückliche Mutter und zeigte eine Jagdhündin mit sieben Jungen. Der andere hieß Oh, du entschwundene Hand! und zeigte einen weniger vom Glück gesegneten Köter, der auf einem Handschuh lag und finster dreinschaute.

    Sie tranken ihre Gläser leer und begaben sich in den Speisesaal, wo bereits einige der Dauergäste, von denen Mr. Peel gesprochen hatte, den rosaroten Flammeri in sich hineinschlabberten. Die alten Damen saßen allein oder mit einer Gefährtin an kleinen Tischen und hatten sich hinter erschreckenden Bergen von Flaschen und Gläsern mit Fischpastete, Anchovis und Marmelade verbarrikadiert.

    »Das ist Cousine Adas Tisch«, sagte Mr. Peel mit einem Kopfnicken, während er Emilys Stuhl zurechtrückte. »Wie gewöhnlich ist sie nicht zu Hause. Aber Sie müssen sie kennenlernen, ehe Sie abreisen - ein Stückchen altes England, die gute Cousine Ada! Fünfundsiebzig und zäh wie Sattelleder.«

    Henry stellte fest, dass auf Cousine Adas Tisch alle die kleinen Flaschen fehlten.

    »Sie hat das Royal Rajah entdeckt, anno dazumal, als es noch ein bisschen Schwung hatte. Jetzt ist es eine Familieninstitution geworden. Immer wenn wir in die Stadt kommen, steigen wir hier ab.«

    »Wenn unsere Wohnung fertig ist, Papa, brauchst du nicht mehr hier abzusteigen«, sagte Olivia. »Das Essen ist schrecklich.«

    »Ich wüsste nicht, wie wir jemanden bei uns unterbringen sollten«, erwiderte Roy mit einem Lächeln, und wenn man ihn lächeln sah, hatte man Lust, ihm die Zähne einzuschlagen..

    »Aber lieber Roy, wenn es sich um Papa handelt...« Mit einem raschen Lächeln sah sie Henry und Emily an. »Langweilig, sich Familienstreitigkeiten mit anhören zu müssen.«

    »Ich ziehe es vor, mitzustreiten«, sagte Emily, und dann näherte sich ihr der Kellner, ein kleines, rosig weißes Karnickel.

    »Dick oder klar?«, fragte er unterwürfig.

    Mr. Peel erklärte, dass sich das auf die Suppe beziehe, und riet ihnen, die klare Brühe zu nehmen. »Man weiß nie, was sie in die Creme hinein tun. Wir nehmen alle Huhn, Albert!«

    Emily erkundigte sich nach der Fleischpastete, und Mr. Peel sagte, das sei eine Art Marmortafel mit eingebetteten Fett-, Schinken- und Wildbrocken, umrahmt von einer wässrigen Kruste.

    »Nicht gut genug für amerikanische Gaumen«, sagte Roy säuerlich.

    »Nicht für den menschlichen Genuss geeignet«, lächelte Mr. Peel. Er schien entschlossen, jeden Zank zu vermeiden, und Henry hatte den Eindruck, ohne Roy Palling wäre es ein gemütlicher Abend geworden. Peel konnte gut plaudern und verfügte über einen großen Vorrat an Anekdoten aus der Chemie-Branche und aus dem Familienleben in Marlborough. Palling saß da wie ein Igel und gab ab und zu ein abfälliges Brummen von sich.

    Henry konnte es sich schließlich nicht mehr verkneifen, ihm eins auszuwischen. »Und was haben Sie für einen Beruf, Palling?«, fragte er nicht allzu höflich.

    Roy verzog höhnisch die Lippen. »Ich male keine Boudoirs.«

    »Nein? Es ist wohl amüsanter, sie zu besuchen!« Rasch wandte sich Henry an Peel und fragte, wo die Arbeit an den Schränken vor sich gehen sollte.

    »Ich will sehr früh anfangen«, gab Emily zu verstehen. »Sagen wir um acht!«

    »Die Schränke stehen bei Jerome«, sagte Mr. Peel. »Aber ich fürchte, er macht nicht vor zehn auf.«

    »Mrs. Bryce wird nicht vor elf aufstehen«, versicherte Henry. »Sie pflegt jeden Abend heroische Entschlüsse zu fassen.«

    »Das ist sehr ungerecht von. dir, Henry! Die Herrschaften kennen mich nicht und werden annehmen, dass du die Wahrheit sagst. Ich will die Schränke morgen fertigmachen und mir am Sonntag London ansehen.«

    Mr. Peel lächelte. »Ihr. Amerikaner! Sie werden bestimmt nicht weniger als eine Woche brauchen, Mrs. Bryce. Und dann eine weitere Woche, um sich umzusehen... Wir werden sehr gekränkt sein, wenn Sie sich nicht die Zeit nehmen, unser Land ein wenig kennenzulernen.«

    »Es ist sicher ein sehr hübsches Land, aber ich

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