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Die Maske Der Elfen
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eBook263 Seiten4 Stunden

Die Maske Der Elfen

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Über dieses E-Book

Die Jung Elfe Aliona wird in ihrem Dorf schwer misshandelt. Seit ihrer frühesten Kindheit trägt sie drei schreckliche Flüche an ihrem Körper und ihrem Gesicht. Eine Maske verhindert, dass die Flüche auf andere wirken können. Täglich, beim ersten Sonnenstrahl, wickelt sich die Maske um ihr Gesicht, und es ist unmöglich sie vor Sonnenuntergang wieder abzunehmen.
Aliona will fliehen, aber wie? Es gibt keine Möglichkeit die Maske zu zerstören - oder doch? Zudem drängen sich Fragen auf: Was ist mit ihren Eltern geschehen? Was ist im Dorf los? Warum trägt sie diese Flüche? Und alles Schlechte scheint vom König auszugehen? Sie hofft darauf eine Möglichkeit zur Flucht zu finden. Und diese Hoffnung rettet sie...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum2. Dez. 2015
ISBN9783737577861
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    Buchvorschau

    Die Maske Der Elfen - Janet Christen

    1

    „He! Jetzt bleib doch stehen! Ich denk nicht dran! Ich wollte nur so schnell wie möglich vom Marktplatz in mein Haus und das Abendessen vorbereiten. Meine „Flucht vom Platz war alltäglich. Serem rannte hinter mir her und ich rannte vor ihm weg. Wenn er doch nur stehen bleiben würde oder sich verschnaufte. Stolpern wäre auch nicht schlecht! Ich hörte den gleichmäßigen Rhythmus meiner Füße, die auf den Boden klatschten. Ich grub die Zehen in die Erde. Ein kalter Herbsttag wie eh und je. „Wenn du nicht stehen bleibst, rufe ich die Wachen! „Lass mich in Ruhe! Durch meine Maske klangen meine Worte eigentümlich. Mein Herz schlug verdächtig ruhig. Wahrscheinlich, weil ich andauernd vor Serem weglaufen musste. „Bleib jetzt endlich stehen! Das ist ein Befehl, du Miststück! Meine Schritte beschleunigten sich nochmals. Mein Haus kam in Sicht, aber er holte auf. Wieso auch nicht? Er war größer als ich, kräftiger, besser genährt. Ich rannte die Stufen rauf zu meiner Haustür, stieß die Tür auf und schloss sie krachend. Ich hörte seine Schritte die Treppe raufkommen und konnte gerade so den Schlüssel im Schloss umdrehen, als sich die Klinke senkte. „Öffne! brüllte er. Ich schloss nochmals ab. Er hämmerte an die Tür. „Aliona, öffne, oder ich mach dir Beine! Sein Hämmern ging in den kräftigen Schlägen meines Herzens unter. Ich ließ mich rücklings gegen die Tür sinken. Dann krachte es hinter mir. Er hatte sich gegen die Tür geworfen. Er durfte bei mir einbrechen. Jeder durfte das, er ganz besonders. Ich presste mich gegen das dunkle Holz. „ÖFFNE! verlangte er erneut. „Ich weiß genau, dass du hinter der Tür sitzt und deine mickrigen Hände den Schinken umklammern! Öffne, oder ich schlag dir die Tür ein."

    Warum er hinter mir her war?

    Spaß, wie eine Jagd? Er wollte mir nur den Schinken wegnehmen. Ich hatte mit Müh und Not das Geld dafür zusammen gespart. Ich würde ihm kein Gramm geben, nur über meine Leiche. Es blieb still. Ich schlich in mein Zimmer. Dort hebelte ich eine Diele hoch. Da lag eine kleine Kiste, ein Fotoalbum und der Rest eines Weißbrotes. Ich steckte den Schinken samt Verpackung hinein und schloss die Diele wieder. Ich legte den Teppich über die nun wieder unauffällige Diele. Dann ging ich wieder zur Tür und hockte mich davor.

    Nach einer Weile knackte das Schloss. Er hatte sich wohl die Schlüssel geholt. Meinen eigenen Schlüssel konnte er mir nicht abnehmen, weil er dort steckte, wo die Sonne nie hin schien und er niemals hin fassen würde. Das einzige Versteck, das er nie, auch nur annähernd antasten würde. Die Tür sprang auf. Ich schrie auf. Von dem plötzlichen Aufreißen der Tür kippte ich wie gelähmt nach vorne. Schon bekam ich seinen Stiefel in den Magen. Ich krümmte mich würgend zusammen. Er riss mich am Genick hoch. Seine kalten grünen Augen reflektierten keinerlei Licht. Die Lippen waren schmal zusammengepresst. Hass war in seinem Gesicht. „WO hast du den Schinken versteckt, du Luder?! „Ich hab ihn gekauft! Du darfst ihn nicht nehmen!

    Er schüttelte mich. „Ich darf alles mit dir machen, Dreckstück!" Serem warf mich auf den Boden und kickte die Tür zu. Mit seinen schweren Stiefeln trat er mir sorgfältig auf die Arme, als er durchs Wohnzimmer stampfte. Ich schrie vor Schmerz auf. Mein Wohnzimmer war ein kleiner Raum. In der Mitte stand mein Ohrensessel. Er war alt, aber gemütlich. Ein einziges Fenster war hier drinnen. Durch das grüne Glas fiel das Sonnenlicht herein. Der Staub tanzte im Kegeln. An den Wänden hingen Bilder und Teppiche. Ich hatte sie geschenkt bekommen, naja geschenkt war übertrieben. Als ich das Haus einrichtete war mir der wertloseste Plunder nachgeworfen worden. Alle Teppiche hatten Löcher und waren vergilbt. Jedes Bild war kalt und zeigte höchstens mal eine Rose. Mein bester und größter Teppich lag am Boden, da stand der Sessel drauf. Ich hatte einen Kamin und ein bisschen Feuerholz. Es roch nach Holz und Blut. Mein eigenes blaues Blut tropfte mir aus der Nase in meine Maske hinein. Ich hatte keine Chance es wegzuwischen.

    Er ging selbstgefällig im Wohnzimmer herum. Er nahm eine Zeitschrift zur Hand. „Ist es dir nicht verboten zu lesen? fuhr er mich an und riss mich wieder hoch. Er zeigte die Zeitschrift. „Bitte, ich benutze das Papier doch nur zum Anheizen! bettelte ich. „Und das soll ich dir glauben? giftete er. Ich wies auf den Kamin. Meine geschundene Hand zitterte. „Sieh in der Asche nach! Da ist bestimmt noch ein Papierfetzen. sagte ich. Er zog mich mit und warf mich auf die Knie. „Such mir einen heraus! Ich griff in die kalte Asche. Ich hoffte so sehr ein Zettelchen zu finden. Und endlich, da fand ich ein angesengtes Stück. Ein Auge war drauf gedruckt. „Du musst in die Mitte des Heftes sehen. Da müsste der Schnipsel herein passen! sagte ich zitternd. Er boxte mir auf die Brust. „MÜSSEN muss ich gar nichts. Besonders nicht, wenn DU es vorschlägst. Mein Blut tropfte am unteren Rand meiner Maske hinaus. Als er das sah grunzte er zufrieden. Er sah mich gern leiden, er sah mich gern bluten. Er blätterte durch die Zeitschrift. Er fand eine Frau der ein Auge fehlte. Ich riss immer einzelne Streifen hinaus. Er zog ungläubig den kleinen Fetzen Papier aus meiner Hand. Er hielt es probeweise dagegen. Sein Gesicht verhärtete sich. „Schade. sagte er. Nicht, dass es schade um das Bild gewesen wäre, oder schade um mich, dass er mich bestrafen müsste, weil ich gelogen hätte. Nein, es war schade, dass er mich NICHT bestrafen konnte. Weil ich die Wahrheit gesagt hatte. Er rollte die Zeitung zusammen und schlug mir damit fest auf den Kopf. Wimmernd kippte ich zur Seite und schütze meinen Kopf vor weiteren Schlägen. Er warf die Zeitung vor mich. „Stimmt leider was du sagst. Wenn ich nochmal komme und den Schinken finde, dann… mach dich gefasst von deinem teuren Schinken vermöbelt zu werden. Er drehte sich auf dem Absatz um und stampfte hinaus, die Tür fiel krachend ins Schloss. Ich krabbelte auf meinen Sessel und sank zusammen. Ein weiterer Marktbesuch war überstanden. Mein Gesicht kitzelte vor Tränen und Blut. Ich wollte es abwischen. Aber die Maske verhinderte es. Ich ließ mich zurücksinken. Es war erst Mittag! Noch unendliche sechs Stunden bis Sonnenuntergang. Ich schloss die Augen. Fahrig zog ich meine Handschuhe aus. Dann meine Schuhe und den schweren Mantel. Ich fummelte eine Zeit lang an meiner Maske und endlich löste sich der schwarze, enge Stoff davon. Meine Haare waren befreit. Seufzend ließ ich mich zurückfallen und wollte eindösen. Da flog die Tür erneut auf. Serem war nochmals da. „Ich hasse es, wenn du den Mantel ablegst! knurrte er. Im Schlepptau hatte er zwei Wachen.

    Ich sollte vielleicht erklären wer Serem ist:

    Serem ist ein Hochelf. Er konnte sich so ziemlich alles erlauben. Sein braunes, annähernd schwarzes Haar war kurz geschnitten. Er war fast zwei Meter groß und hatte breite Schultern. Er kämpfte in der Brigade für den Palast. Seine Hände waren doppelt so groß wie meine. Er war doppelt so schwer wie ich. Und wenn er könnte würde er ohne mit der Wimper zu zucken mir den Hals umdrehen. Er hasste mich abgrundtief. Er war bereits verwandelt. Aber die meiste Zeit trug er die Flügel, wie alle anderen, in den Laschen unter den Schulterblättern versteckt. Seine Haut war braungebrannt von der Arbeit draußen. Heute trug er statt des vornehmen Umhangs eine lederne Hose und ein Hemd. Es spannte sich über seiner Brust. Jedes Mädchen im Dorf flog ihm zu, wie eine Motte zum Licht. Nur ich nicht. Ich hasste ihn dafür, was er mir regelmäßig antat. Warum er das tat? Dass er nie bestraft wurde? Dass alle wollten, dass er das machte. Und er es mit Vergnügen tat.

    Eine Weile war es still. Dann sagte ich mit gebrochener Stimme „In meinem Haus darf ich ihn ablegen! Er kam auf mich zu und ich sah nur noch wie er seine Hand hob und zuschlug. Der brutale Schlag mitten ins Gesicht haute mich aus dem Sessel. „Halt sie fest Luv. Titan, du durchsuchst mit mir das Haus! Luv riss mich an den Haaren hoch und zog mich in die Küche. Er drückte mich auf die kalte Arbeitsfläche. „Wenn du es auch nur wagst dich aufzurichten-„ er musste nicht den Satz vollenden, damit ich wusste was mir dann blühte. Ich spürte die Seile, die sich um meine Hände schlossen. Sie wanderten um meine Beine herum. Er schubste mich von der Theke auf den Boden. Ohne mich wehren zu können schlug ich mit der Schulter auf den Boden. Der Schmerz ging mir durch Mark und Bein. Ich hörte, wie sie alles aufrissen und durchsuchten. Sie suchten den Schinken. Er wollte nicht, dass ich ihn hatte. Er wollte, dass ich weiterhin von den paar Wurzeln lebte, die ich bekam, wenn die Jäger von ihrer Jagd zurückkehrten. Luv lehnte sich lässig an die Küchenzeile und holte sich aus seiner Hosentasche eine Zigarettenschachtel und das dazugehörige Feuerzeug. Wahrscheinlich nahm er sich, wie immer, mit dem Mund eine Zigarette, zündete sie sich an und tat genussvoll einen tiefen Zug. Wie ich es hasste, dass sie hier rauchten. Er schnippte die Asche auf mich. Ich spürte wie das Nikotin in meiner Nase kribbelte wie Niespulver. Er stupste mich mit dem Fuß an. „Los beweg dich. Ich zog es vor die Bewusstlose zu spielen. Das kam öfters vor, wenn er mich so vom Schrank schubste. Er trat zu. Ich biss meine Zähne zusammen. Die Maske hatte auch Vorteile. Er konnte nicht sehen, wie sich mein Gesicht vor Schmerz verzog. „Pff, die hält nichts aus. sagte er.

    Eine viertel Stunde später schnippte er die Zigarette vor mein Gesicht und trat sie langsam und genüsslich aus. Der Rauch reizte mich zum Husten. Aber lieber bewusstlos daliegen, als bei Bewusstsein weiter schikaniert zu werden. Ich hörte die Schritte. „Sie ist mal wieder bewusstlos. sagte Luv schlicht. „Wenn sie wach wäre, würde ich sie auspeitschen lassen! Das Biest hat hier irgendwo ein Versteck, ich weiß es! Ich hab den Schinken gesehen! Sie HAT ihn. Ich weiß nur nicht wo. Kommt Leute, wir gehen. Lassen wir sie allein in ihrem Dreck. Die Seile lösten sich und ich spielte weiter perfekt die Bewusstlose. Meine Hände glitten langsam auseinander und die Finger zuckten nicht einmal. Ich wusste, dass ein Zucken eines Muskels mich verraten würde. Sie beobachteten mich schließlich genau. Nach fünf Minuten gingen sie dann. Die Tür schloss sich.

    Ich wartete eine Stunde ehe ich aufstand. Zitternd stützte ich mich auf Spüle. Ich brauchte einige Minuten bis der Schmerz wich und das Fleisch anfing abzuheilen. Das hatte ich Gott sei Dank allen voraus, allzu lang blieben die Schmerzen nicht. Ich schüttelte die Asche von mir ab und räumte die Kippe weg. Ich sah mich um. Die Küche hatten sie in Frieden gelassen. Aber das restliche Haus war verwüstet. Ich hob die Plastiksachen auf und ordnete alles. Im Wohnzimmer war nicht viel zerstört worden.

    Das Badezimmer sah anders aus. Der Spiegel stand in einer Ecke. Er war von seinem eigentlichen Platz gerissen worden. Sämtliche Schränke waren leer gefegt worden. Da ich alles in gepolsterten Schachteln aufbewahrte, war keines meiner Fläschchen zerbrochen. Ich räumte alles wieder ein. Dann hing ich den Spiegel wieder auf, dabei musste ich unweigerlich in mein Spiegelbild sehen.

    Die schwarzweiß unterteile Maske lächelte mich an. Als ob ich fröhlich wäre. Es war glatt wie Glas. Kleine Schlitze für die Augen, milchiges Glas war darüber gespannt. Ich konnte relativ gut dadurch sehen, durch die schmalen Schlitze. Nur die anderen konnten nicht in meine Augen sehen. Die Maske hatte ihre schwarzen Bänder fest um meinen Kopf gezogen.

    Ich sah auf die Uhr. „Zwei Stunden noch. Dann bist du Scheißding endlich weg!" Schimpfwörter gehörten eigentlich nicht zu meinem Vokabular. Ich hatte nur ein paar aufgeschnappt, als ich an den Cliquen der Jungen vorbeigegangen war. Die bezeichneten den Kot von Tieren oder ihren eigenen als Scheiße. Und irgendwie passte dieser Begriff zu dieser Maske. Sie war ein Scheißding. Etwas was keiner anfassen wollte. Was jedem Magenkrämpfe verursachte. Was niemand freiwillig im Gesicht getragen hätte. Und am allerwenigstens ich. Diese Maske war der Beweis für alles Übel. Für all die Dinge die mir wiederfuhren war sie verantwortlich. Sie verkörperte meine Stellung.

    Ich war eine Geächtete.

    2

    Mein Zimmer war das Schlimmste. Sie hatten den Schrank umgekippt, den Teppich weggekickt, das Bett verschoben. Alle meine Sachen, die ich besaß, lagen am Boden. Mühevoll richtete ich den Schrank allein wieder auf. „Ich schwöre, ich nagel dich in nächster Zeit an die Wand!" sagte ich zu ihm. Ich legte die noch zu tragenden Klamotten wieder zusammen, die anderen wanderten in den Wäschekorb. Dann richtete ich das Bett wieder her. Ich hatte ein Kuscheltier. Das versteckte ich im Gitterrost. Es war meine einzige Zuflucht. Serem hatte schon oft probiert es zu zerstören. Er hatte darauf eingehackt, es versucht zu zerschneiden oder es in Flammen aufgehen zu lassen. Als er es mir wegnehmen wollte, kam er nicht über die Schwelle des Hauses damit. Er blieb mitten in der Tür stecken. Und ich dankte immer dem, der diesen Zauber darauf gelegt hatte. Nichts zerstörte es. Ich nahm es heraus. Ich knuddelte es. Es war ein alter Teddy. Sein weißes Fell war plattgelegen, seine große schwarze Nase zeigte Risse, die schwarzen Augen hatten Kratzer. Dennoch war er das Schönste auf der Welt für mich. Ich steckte ihn wieder weg und breitete dann den Teppich aus und versteckte damit die nicht gefundene Diele wieder.

    Ich saß auf der Fensterbank zum kleinen Garten hin. Ich konnte die Sonne sehen, wie sie langsam unterging. Wie zäh flüssig rann sie nach unten. Und als der letzte Tropfen im Horizont versunken war, lösten sich die Bänder der Maske und sie fiel zu Boden. Ich rannte sofort ins Badezimmer. Mein Gesicht sah furchtbar aus. Es sah aus wie es immer aussah, wenn ich am Marktplatz gewesen war. Es war dreckig und staubig, das Salz meiner Tränen war auf meinen Wangen getrocknet, so wie das Blut auf meinen Lippen. Vorsichtig wusch ich mir mein Gesicht, es brannte unter dem kalten Wasser. Der Schmutz ging ab. Nun musste ich erst mal etwas essen.

    Ich rannte in die Küche und suchte nach etwas Scharfem. Mein Taschenmesser hatten sie mir letzte Woche weggenommen. Ich nahm schließlich den schärfsten Löffel den ich fand.

    Ich rannte damit wieder in mein Zimmer, nachdem alle Fenster sorgfältig geschlossen und sämtliche Türen zu waren.

    Dann öffnete ich die Diele und holte das Weißbrot und den Schinken heraus. Ich riss etwas vom Brot ab und biss hinein. Die Süße ließ ich mir auf der Zunge zergehen. Ich hatte es so selten und musste es dann so schnell essen. Es war herrlich. Sorgfältig kaute ich jeden Bissen. Dann mühte ich mich am Schinken ab. Endlich gab er ein Stück frei. Der Geschmack des Fleisches ließ mich fast verrückt werden. Es war das Beste was ich seit Wochen gegessen hatte. Ich drückte es gegen meinen Gaumen, drückte den Saft aus, kaute es genüsslich durch. Ich war fast enttäuscht, als ich schließlich doch schlucken musste. Aber jetzt musste ich zusehen, wie ich möglichst viel abschneiden konnte. Das Weißbrot musste heute weg und der Schinken war super nahrhaft.

    Gegen acht Uhr war ich fertig, ich war gesättigt. Schwielen waren auf meinen Händen vom Schneiden. Ich packte den Schinken sorgfältig ein und steckte ihn wieder in sein Versteck. Dann verbrannte ich das Papier des Weißbrots. Es durften keine Überreste zu finden sein. Ich ging ins Badezimmer und wusch mich. Sollte ich erzählen wie ich aussah? Besser wärs oder?

    Ich war nichts Besonderes. Ich hatte hüftlanges, goldenes Haar. Streckenweise waren weiße Strähnen darin. Meine Augen waren braun. Meine Haut selber war weiß wie Kalk. Ich konnte nicht in die Sonne. Wenn ich die Sonnenstrahlen berührte, brannte meine Haut so gut wie sofort weg. Es schmerzte so höllisch, dass ich davon fast ohnmächtig wurde. Und es brauchte Ewigkeiten zum Abheilen. Ich war klein für eine Elfe, nur 1,70. Vielleicht denkt ihr, ich würde nicht schlecht aussehen. Aber ihr seht mich nicht. Ich kann nur das wiedergeben, was ich im Spiegel sehe:

    Meine Augen lagen in dunklen Höhlen. Ich schlief wenig. Die Maske sorgte dafür. Ich war abgemagert. Meine Rippen waren zu sehen und meine Wangen waren eingefallen. Vielleicht bin ich früher mal hübsch gewesen. Die Iris war orange braun, durch die Flüche. Meine langen Finger wirkten immer knochig, immer spröde. Der einzige Grund warum ich nicht an Vitamin Mangel litt, waren die ständigen Spritzen der Ärzte, genauer eines bestimmten Arztes.

    Meyn war so ziemlich der Einzige, der etwas mit mir sympathisierte. Er verabreichte mir die nötigsten Stoffe, die mein Körper brauchte. Aber er schenkte mir nichts zu essen. Keine ordentliche Suppe oder so etwas. Er hatte nur ein klein bisschen Mitleid mit mir. Und deshalb mochte ich ihn sehr. Ich war eine kurze Zeit in ihn verliebt gewesen. Aber ich hatte es mir bald aus dem Kopf geschlagen. Alavin hätte das nie zugelassen. Keiner hätte das zugelassen.

    Alavin war der König. Zusammen mit Sympha regierte er die Elfen Welt. Er hatte seine Finger überall im Spiel. Und ihm hatte ich mein Schicksal zu verdanken.

    Alavin war kühl. Von innen wie von außen. Sein weißblondes, langes Haar fiel ihm über die Schulter. Die vielen Goldringe an seinen Händen und die Ketten um seinen Hals verdeutlichten seine Stellung nur noch mehr. Er mochte mich nicht. Ich will nicht immer hassen sagen. Aber er verbot mir alles. Er hatte die Gesetze geändert, um mich zum Freiwild zu machen. Und Serem war der Sohn seiner Schwester, wo sie jetzt war wusste keiner. Die ganze Familie waren Hochelfen. Alavin hatte zudem graue Augen. Nicht verwunderlich, er war ein Windelf. Ihm gehorchten die Winde. Wenn ich ihn mal auf der Straße sah, suchte ich so schnell als möglich mein geschütztes Haus auf. Wenn ich es nicht rechtzeitig erreichte oder er mich vorher sah wurde ich hochgerissen und solang hin und her geschleudert bis ich taumelnd davonlief und mich übergab.

    Er war ein Wiederling wie Serem, wie alle Hochelfen im Dorf.

    Ich zog mir das raue Leinenhemd über. Die Maske lag auf meinem Nachtisch. Damit sie nicht allzu grob wieder auf mein Gesicht sprang oder ich über sie stolperte. Ich kontrollierte nochmals ob der Wecker auch funktionierte und schlief dann erschöpft ein.

    Der Wecker klingelte und riss mich damit aus meinem Traum, in diesem stand ich auf einer Wiese, die warme Sonne schien auf meine Haut, alle Vögel zwitscherten. Ich war frei.

    Da schepperte der Wecker. Die angelaufenen Messingschalen vibrierten in den höchsten Tönen. Ich machte ihn aus. Es war noch dunkel draußen. Aber ich musste heute vor Sonnenaufgang aufstehen. Heute war der wichtigste Tag überhaupt! Und damit das funktionierte musste ich so früh aufstehen.

    Ich nahm die Maske vom Nachttisch und ging damit ins Badezimmer. Ich wusch mir das Gesicht, die Arme und die Hände, ehe ich anfing meine Zähne zu machen. Sie waren nach wie vor schön weiß. Kein Karies zerstörte sie. Ich nahm meinen Kamm heraus. Oder das was man als solchen nennen konnte. Ich hatte aus der Nachbarsmülltonne diesen Kamm herausgezogen. Ihm fehlten drei der zehn Zinken und er war vollkommen zerkratzt. Meine Haare waren schon zu verfilzt und schmutzig und verknotet, als das dieses jämmerliche Ding sie entwirren konnte. Ich hatte keine Schere. Ansonsten hätte ich mir bereits die Haare abgeschnitten.

    Im Kühlschrank lagen noch zwei Eier. Die briet ich mir und aß sie schnell. Je früher ich mit zubereiten fertig war, desto länger hatte die Pfanne Zeit zum abkühlen. Es MUSSTE kalt sein. Es musste aussehen, als hätte ich gestern Nacht das letzte Mal gekocht. Sie kannten den Inhalt des Kühlschranks nicht. Das war mein Glück.

    Ich aß die zwei Eier zusammen mit einem Kanten Brot. Seltenes Frühstück bei mir. Ein Glas Milch war noch übrig. Die hatte ich der Nachbarsfrau abgeschwatzt. Sie war nicht ganz so hartherzig und hatte sich erweichen lassen – Gott sei Dank.

    Ich schlüpfte wieder ins Bett. Meine Maske legte ich vor mein Gesicht. Der Morgen graute. Ich hatte das Küchenfenster gekippt damit die kalte Morgenluft die Essendämpfe herauszog und alles abkühlte. Meine Essenssachen waren schon abgewaschen und wieder im Schrank. Ich schloss seufzend die Augen. Sie würden erst in drei Stunden nachsehen kommen. Also ganz ruhig bleiben.

    Heute war der wichtigste Feiertag überhaupt. Heute wurde ein weiterer Jahrgang feierlich auf die nächste Ebene befördert.

    Elfen waren nicht von Geburt an Elfen. Wir wurden als Menschen geboren. Das Einzige, das uns identifizierte, war unser blaues Blut. Wenn eine Elfe einen Menschen gebar,

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