Lebensstürme
Von Bernhard Thurn
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Über dieses E-Book
Dr. Bernhard Thurn M. A., aufgewachsen in Wiesbaden, studierte Erziehungswissenschaften und war dort lange Jahre als Lehrer und Schulleiter tätig. Als Zweitstudium wählte er Germanistik, Phil. und Pädagogik. Anschließend promovierte er zum Dr. Phil in Germanistik. Er arbeitete an unterschiedlichen pädagogischen Instituten und hatte einen Lehrauftrag an der Universität Frankfurt im Bereich Grundschul- und Theaterpädagogik. Des Weiteren verwirklichte er sich als Autor und Regisseur. Dr. Bernhard Thurn veröffentlichte bereits mehrere Bücher für Kinder und Erwachsene.
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Buchvorschau
Lebensstürme - Bernhard Thurn
I
Zu Beginn unserer Erzählung lassen wir Bert und Ramona in einem kleinen Bergort absteigen, in dem sie ihre Unterkunft nicht in einem Hotel, sondern in einer Wohnung in einem Gästehaus beziehen.
Hier wurde ihnen nicht nur eine Aussicht auf die grandiose Bergwelt geboten, sondern auch ein üppiges Frühstück. Es war ein trüber Spätherbsttag, als sie anreisten. Überall roch es nach Verfall und Fäulnis. Bert mochte diese morbide Jahreszeit nicht und war froh, als er seine von der langen Autofahrt müden Glieder in den weichen Bettdaunen ausstrecken konnte. Ramona hatte sich zu einem Erkundungsgang durch den Ort verabschiedet. Ihre Rückkunft würde mit einer begeisterten Schilderung der Gegebenheiten verbunden sein. Das war wie immer zu erwarten. Da war er sich gewiss. Und so kam es. Was hatte sie nicht alles entdeckt? Das Beste war noch die kleine, verträumte Gastwirtschaft, in der sie am Abend behaglich speisten.
Am nächsten Morgen war Ramona als erste auf den Beinen. Sie hatte die Fenster aufgestoßen und war durch die Tür hinausgetreten. Immer noch im Bett liegend hörte Bert ihre Überraschungsrufe: „Wie schön! Komm doch und schau dir das an!" Mühsam schälte sich Bert heraus und blickte in eine Bergwelt, die überraschend in der Nacht weiß geworden war. Dichte Flocken rieselten immer noch aus dem Himmel. Alles, ja die ganze Gegend war wie mit einer weißen Decke überzogen. Auf den Baumästen lagerten üppige Schneestreifen, die Wiesen glitzerten unter der weißen Pracht, besonders als die
Sonne für kurze Augenblicke aus den Wolkenfetzen trat. „Herrlich, nicht? Ramona konnte sich nicht sattsehen und umarmte ihren Mann. Der aber zog sich behutsam zurück und saß kreidebleich in einem Wohnzimmersessel. „Was ist mit dir? Du bist ja ganz blass! Geht es dir nicht gut?
Bert konnte nicht antworten. „Lass mich!, konnte er nur hervorstoßen. „Mit einem Mal geht es mir nicht gut!
Was ist nur mit mir los, fragte er sich. Ich habe doch nichts gegen Schnee. Aber wenn ich ihn jetzt sehe, schnürt es mir regelrecht den Hals zu. Ich kann kaum noch atmen und habe Schweiß am ganzen Körper. Bin ich verrückt? Oder stelle ich mich nur an? Aber warum? Ich darf das Ramona nicht zeigen. Was wird sie von mir denken?
Ramona wollte ihre gute Laune nicht verlieren. „Wir werden jetzt frühstücken. Dann wirst du dich gleich besser fühlen! Sie begaben sich ins Frühstückszimmer, in dem ihre Wirtsleute ein ausgedehntes Frühstücksbuffet ausgebreitet hatten. „Guten Morgen!
, rief ihnen die Wirtin Berta aufgeräumt entgegen. „Haben Sie schon hinausgeguckt? Dieses Jahr beginnt der Winter früher als sonst üblich. Wie wäre es mit einem kleinen Schneespaziergang?" Das hätte sie besser nicht gesagt, denn Bert fühlte sich sogleich wieder übel, konnte beim Frühstück nicht so herzhaft wie Ramona zugreifen, verabschiedete sich bald und legte sich wieder ins Bett.
II
Am Abend war er so weit wiederhergestellt, dass er einwilligte, mit Ramona zu einem Hüttenabend in einem nahen Hotel zu gehen. Als Ramona ihren Mantel auszog, zeigte sie stolz den neu gekauften Pullover. „Na, passt er nicht wunderbar in die Landschaft?, feixte sie, aber Bert war verschwunden. „Wo bist du?
, rief sie verwundert und hastete durch die Gänge vor dem Saal, in dem der Hüttenabend stattfinden sollte. Da stand er, vor der Tür der Herrentoilette und verbarg sein Gesicht in den Händen. Sie zog ihn herum und blickte fassungslos in tränenbefeuchtete Augen. „Tu ihn weg! Schnell, tu ihn weg. Ich kanns nicht ertragen!, stieß er hervor. „Bitte, tu ihn weg!
Schon wieder! Wie heute Morgen angesichts des Schnees. Warum jetzt beim Pullover? Der ist doch kein Schnee? Und er steht ihr gut. Ich kann den Anblick nicht ertragen. Mir wird schwindelig.
Verwundert blickte Ramona auf ihren Neukauf. „Gefällt er dir nicht? Was ist mit dir? „Weg mit ihm, weg mit ihm. Ich ertrage ihn nicht!
, war die gestammelte Antwort.
Wenige Tage später waren Berts sonderbare Anfälle vergessen. Die Landschaft war wieder grau geworden, denn Tauwetter hatte die letzten Schneereste beseitigt. Bert und Ramona hatten inzwischen das Hotel verlassen und sich im Ort eine kleine Wohnung gemietet. Mit dem Auto leisteten sich beide eine Erkundungsfahrt durch die kleinen Dörfer in ihrer Nachbarschaft. Als sie an einer Kirche in einem größeren Ort vorbeikamen, hatte es dort wohl eine feierliche Trauung gegeben. Die Hochzeitsgesellschaft trat mit dem Brautpaar gerade aus der Kirchentür auf den Vorplatz. Sektgläser wurden gefüllt und gemeinsam wurde auf das
Paar angestoßen, das es sich gerne gefallen ließ. „Am liebsten wäre ich dabei!, schwärmte Ramona und blickte auf ihren Mann. Bert lag zusammengeschrumpft auf dem Beifahrersitz und verbarg sein Gesicht. „Fahr bitte weiter!
, stöhnte er wie benommen. Schon wieder!, dachte er. Nein, es darf mir nicht wieder schlecht werden. Aber ich kann es nicht