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Julia Kiss Band 12
Julia Kiss Band 12
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eBook496 Seiten6 Stunden

Julia Kiss Band 12

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Über dieses E-Book

EIN GENTLEMAN FÜR MOLLY von BARBARA HANNAY
"Der Mann meiner Träume stand plötzlich vor meiner Haustür!", mailt Molly an Patrick. Denn der Fremde scheint genau der perfekte Gentleman zu sein, den sie immer kennenlernen wollte. Bis er sie zu einem romantischen Wochenende in Cornwall einlädt - und seine wahre Identität offenbart …

VERLOBTER - VERZWEIFELT GESUCHT! von NIKKI RIVERS
Madison braucht einen Verlobten, und zwar sofort! Aber wie soll sie auf die Schnelle einen hervorzaubern? Vielleicht kann sie ja den charmanten Colin dazu überreden, sich als ihr Zukünftiger auszugeben … Hauptsachte, sie verliebt sich nicht in den Firmencasanova!

(K)EIN MANN FÜR DIE LIEBE? von KELLY HUNTER
Sie sollte Cole Rees hassen, so wie seine Familie mit ihr umspringt! Doch als Jolie mit dem attraktiven Unternehmer bei einem Schneesturm in der Gondel eines Skilifts stecken bleibt, kommt sie ihm unfreiwillig näher - und muss sich eingestehen, dass er sie fasziniert wie kein Mann zuvor …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum4. Okt. 2019
ISBN9783733713713
Julia Kiss Band 12

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    Buchvorschau

    Julia Kiss Band 12 - Nikki Rivers

    Barbara Hannay, Nikki Rivers, Kelly Hunter

    JULIA KISS BAND 12

    IMPRESSUM

    JULIA KISS erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    Erste Neuauflage in der Reihe JULIA KISS

    Band 12 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    © 2011 by Barbara Hannay

    Originaltitel: „Molly Cooper’s Dream Date"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Tina Beckmann

    Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe JULIA EXTRA, Band 350

    © 2005 by Sharon Edwin

    Originaltitel: „Crime And Engagement"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Petra Meier

    Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe TIFFANY LIEBEN & LACHEN, Band 30

    © 2011 by Kelly Hunter

    Originaltitel: „The Man She Loves to Hate"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Anke Brockmeyer

    Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe JULIA, Band 262011

    Abbildungen: g-stockstudio / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 10/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733713713

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    Ein Gentleman für Molly

    1. KAPITEL

    „Pass auf, gleich kommt meine Lieblingsstelle …"

    Erwartungsvoll kuschelte Molly sich in die Sofakissen, während sich die beiden Liebenden auf dem Bildschirm voneinander abwandten und traurig, aber gefasst auf der Westminster Bridge auseinandergingen.

    Mollys Freundin Karli beugte sich vor und griff erneut in die Popcornschüssel.

    „Du darfst diesen Moment auf keinen Fall verpassen, flüsterte Molly angespannt. „Hörst du die Glocken von Big Ben läuten? Gleich bleibt er stehen und …, ihre Stimme ging in ein verzücktes Seufzen über. „Siehst du, wie er ihr nachschaut?"

    „Und ob ich das sehe, bestätigte Karli. „Man spürt förmlich, wie verzweifelt er ist.

    „Ich weiß …"

    Während der atemberaubende Held darauf wartete, dass die Frau in dem glamourösen Nerzmantel sich noch einmal zu ihm umdrehte, griff Molly nach einem Taschentuch. „Es zerreißt einem das Herz, nicht wahr?"

    „Er wird ihr bestimmt gleich nachlaufen und sie zurückholen", meinte Karli zuversichtlich, aber Molly schüttelte den Kopf.

    „Nein, jetzt hängt alles von ihr ab. Wenn sie sich nicht umdreht, weiß er, dass sie ihn nicht liebt."

    In diesem Augenblick kam ein roter Doppeldeckerbus ins Bild und steuerte die Haltestelle auf der Brücke an.

    „Oh nein!, protestierte Karli, als die Frau auf den Bus zulief und eilig einstieg. „Bitte sag mir, dass dieser Film nicht traurig ausgeht.

    Molly presste fest die Lippen zusammen, um nicht das Ende zu verraten. Langsam entfernte sich die Kamera von dem Paar und schwenkte immer höher, bis man London aus der Vogelperspektive sah: die Themse, die sich wie ein silbriges Band dahinschlängelte, die Parlamentsgebäude, Big Ben, die einsame Gestalt des Helden und den davonfahrenden roten Bus.

    Karli runzelte die Stirn. Molly umschlang mit beiden Armen ihre Knie und machte sich für das furiose Finale bereit. Sie hatte diesen Film schon mehr als ein Dutzend Mal gesehen, und noch immer trieb er ihr am Ende die Tränen in die Augen.

    Die Kamera stieg noch ein wenig höher. Die Verkehrsgeräusche gingen in eine herzzerreißende, dramatisch anschwellende Musik über, und dann endlich – der Bus hielt nach wenigen Metern wieder an, und jemand stieg aus.

    Die Kamera schwenkte wieder nach unten und zoomte die Brücke immer dichter heran, während die Liebenden mit ausgebreiteten Armen aufeinander zuliefen, bis sie sich schließlich weinend und lachend zugleich in den Armen lagen.

    Als der Abspann begann, zog Karli ihre sommersprossige Stupsnase kraus. „Okay, räumte sie ein. „Das war nicht schlecht.

    „Nicht schlecht?", schniefte Molly. „Gib zu, dass es einfach gigantisch war! Der Augenblick, in dem Christian glaubt, dass er Vanessa für immer verloren hat, ist eindeutig die emotionalste Szene der Filmgeschichte. Und London ist die romantischste Stadt der Welt", fügte sie mit einem wehmütigen Seufzer hinzu.

    Karli zuckte die Schultern und schob sich noch eine Handvoll Popcorn in den Mund. „Ich dachte, das wäre Paris."

    „Nie im Leben!, begehrte Molly auf. „Jedenfalls nicht für mich. Paris ist … Sie machte eine unbestimmte Handbewegung. „Ach, ich weiß auch nicht. Paris ist einfach nicht London."

    „Gib es zu, Molly, neckte Karli sie. „Du hast eine Schwäche für Engländer und glaubst, dass es in London nur so von perfekten Gentlemen wimmelt.

    In ihrem Innern wusste Molly, dass mehr als nur ein Körnchen Wahrheit darin steckte, aber sie beschloss, nichts darauf zu erwidern. Stattdessen stellte sie den Fernseher ab, ging zum Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Der Mond war beinah voll. Sein Licht versilberte die hohen Kiefern auf der Landzunge und die spiegelglatte Oberfläche des Korallenmeers.

    „Eins ist sicher, murmelte sie. „Auf dieser Insel wird mir nie im Leben etwas so Romantisches passieren.

    Karli zuckte die Schultern. „Ach, ich weiß nicht. Wir haben zwar keinen Big Ben und auch keine Westminster Bridge, aber ein lauschiger Abend in der Picknickbucht ist auch nicht zu verachten. Ich hatte jedenfalls keinen Grund zur Klage, als Jimbo mir dort einen Heiratsantrag gemacht hat."

    Mit einem reumütigen Lächeln drehte Molly sich wieder zu ihrer Freundin um. „Tut mir leid, Karli. Ich hatte dich und Jimbo ganz vergessen. Ihr seid wirklich das Paradebeispiel für eine romantische Liebe. Unzertrennlich seit dem Kindergarten und bis heute ein Herz und eine Seele. Ich glaube, jedem hier war klar, dass aus euch einmal ein Paar wird."

    „Na ja, so romantisch ist es auch wieder nicht, wenn dein Ehemann sein halbes Leben auf einem Fischkutter verbringt", stellte Karli trocken fest.

    „Wahrscheinlich nicht. Molly ging in die Küche und stellte einen Topf auf den Herd, um Kakao zu machen. „Ich sollte wirklich aufhören, mir immer wieder diesen Film anzusehen. Danach fühle ich mich jedes Mal so ruhelos, dass ich am liebsten meine Koffer packen und den nächsten Flieger nach London besteigen würde.

    „Muss es denn unbedingt London sein?, fragte Karli, die ihr gefolgt war. „Wenn du nur von der Insel weg willst, könntest du dir doch auch Sydney oder Brisbane ansehen. Oder Cairns.

    Molly verdrehte die Augen. Als ob irgendeine Stadt in Australien es mit ihrer Vision von Englands berühmter Hauptstadt aufnehmen könnte! Solange sie denken konnte, schwärmte sie schon für London. Für dessen Geschichte, die Gebäude, die Pracht, die Kultur. Schon allein die Worte Portobello Road, The Serpentine, Piccadilly Circus und Battersea klangen in ihren Ohren aufregend und magisch. Wie reine Poesie …

    „Wenn ich einmal nach Übersee reise, dann lieber nach Amerika, verkündete Karli. „Jimbo will mit mir nach Las Vegas fliegen.

    „Wow! Wann denn?"

    Karli winkte grinsend ab. „Sobald einer von uns beiden einen Job findet, der mehr als das Allernötigste einbringt. Also in etwa hundert Jahren."

    „Ja, das liebe Geld ist auch mein Problem, pflichtete Molly ihr seufzend bei. „Die Hypothek auf dem Haus verschlingt fast meine ganzen Ersparnisse, und die Mieten in London sind horrend. Ich habe das im Internet gecheckt.

    „Aber vielleicht würde es gehen, wenn du das Haus zur Ferienvermietung anbietest."

    „Ich weiß nicht …" Die Vorstellung, dass fremde Leute sich hier im Dreiwochentakt die Klinke in die Hand gaben, während sie sich am anderen Ende der Welt befand, behagte Molly gar nicht. Immerhin war Pandanus Cottage mehr als ein halbes Jahrhundert das Zuhause ihrer Großmutter gewesen.

    „Oder wie wäre es mit einem Haustausch?, schlug Karli vor. Dann hättest du nur einen einzigen Mieter, und den könntest du dir aussuchen. Mein Cousin in Cairns hat das mit einem dänischen Ehepaar gemacht, und es hat super geklappt.

    Ein Haustausch … Unvermittelt spürte Molly ein elektrisierendes Kribbeln im Magen.

    „Und wie funktioniert so etwas?"

    Patrick Knight klappte den schmalen Aktenordner zu, legte ihn auf den Stapel mit den erledigten Vorgängen und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war bereits nach acht, und es würde noch Stunden dauern, bis er den Papierberg auf seinem Schreibtisch abgearbeitet hatte.

    Mit einem Anflug von Schuldbewusstsein griff er nach seinem Handy und tippte rasch eine SMS ein. Angela würde es nicht gefallen, aber er konnte es nun mal nicht ändern.

    Sorry, Ange. Ersticke in Arbeit. Muss für heute Abend leider absagen. Können wir uns Freitag treffen? P.

    Nachdem das erledigt war, klappte Patrick das Handy wieder zu und nahm sich den nächsten Ordner vor. Sein Magen knurrte. Er war hundemüde. Und außerdem hasste er sein derzeitiges Leben.

    Die globale Finanzkrise der letzten Jahre hatte seinen interessanten und herausfordernden Job bei einer renommierten Londoner Bank in eine Quelle kräftezehrenden Dauerstresses verwandelt. Es war, als würde er in einem Kriegsgebiet arbeiten. Viele seiner Kollegen waren gefeuert worden oder hatten von sich aus gekündigt. Einige hatten sogar Nervenzusammenbrüche erlitten, sodass er sich allmählich wie der letzte einsame Kämpfer an einer verlorenen Front fühlte.

    Sicher, er hatte das eine oder andere bedeutende Vermögen retten können, aber in seiner Abteilung leistete er die Arbeit von drei Mitarbeitern, und die ständigen Belobigungen seines Chefs hatten längst ihren Glanz verloren. Mittlerweile hatte Patrick einen Punkt erreicht, an dem er sich fragen musste, warum er sich diesen Wahnsinn eigentlich antat.

    Er hatte keine Zeit, um das schöne Haus in Chelsea zu genießen, das er vor drei Jahren gekauft hatte, und keine Zeit, um mit seiner neuesten Freundin auszugehen. Tatsächlich grenzte es an ein Wunder, dass er Angela überhaupt kennengelernt hatte. Höchstwahrscheinlich würde sie ihm – ebenso wie ihre Vorgängerinnen – demnächst den Laufpass geben.

    Hatte er sich tatsächlich einmal vorgenommen, in seiner Freizeit einen Roman zu schreiben?

    In seiner Freizeit!

    Ein guter Witz, nur konnte Patrick inzwischen nicht mehr darüber lachen. Dies war sein Leben, und er war auf dem besten Wege, es zu vergeuden. Eines Tages würde er aufwachen und feststellen, dass er fünfzig und ein Abbild seines Chefs geworden war – blass, ausgelaugt, langweilig und nur noch fähig, über ein einziges Thema zu reden: seine Arbeit.

    Ein leiser Signalton verkündete Patrick, dass er eine SMS bekommen hatte. Wie erwartet, war sie von Angela und lautete wie folgt:

    Sorry, weder Freitag noch an einem anderen Tag. Eine Absage zu viel. Machs gut, Süßer. Ange

    Patrick gab einen leisen Fluch von sich. Morgen würde er Angela zwei, nein besser drei Dutzend Rosen schicken, auch wenn er sich nicht viel von dieser Aktion versprach. Nicht dieses Mal. Und wenn er ehrlich war, konnte er nicht behaupten, dass das Ende dieser Affäre ihm das Herz brechen würde.

    Dennoch war die Situation symptomatisch für die Richtung, die sein Leben eingeschlagen hatte.

    Von einer plötzlichen Unruhe erfasst, schob Patrick seinen Stuhl nach hinten und begann, mit ausgreifenden Schritten sein Büro zu durchwandern. Er fühlte sich wie ein gefangenes Tier in einem zu kleinen Käfig und verspürte den unbezähmbaren Drang, aus diesem Käfig auszubrechen.

    Als sein Blick auf den alten Globus fiel, der in einer Ecke des Raums stand, blieb er unvermittelt stehen. Er hatte ihn bei der großen Renovierungsaktion vor einem Jahr aus dem Konferenzsaal gerettet und betrachtete ihn in letzter Zeit recht oft. Dabei packte ihn jedes Mal das fast schmerzhafte Verlangen, überall auf diesem Planeten zu sein, solange es nicht London war.

    Mit einem leichten Stups setzte Patrick den Globus in Bewegung und ließ die farbigen Umrisse der verschiedenen Kontinente an sich vorbeiziehen. Nach einer Weile berührte er ihn mit der Fingerspitze und spürte einen gespannten Kitzel, als sich die Drehgeschwindigkeit verlangsamte.

    Wenn er aufhört, sich zu drehen, gehe ich genau dorthin, wohin mein Finger zeigt, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Mit angehaltenem Atem wartete er, und als es endlich so weit war, musste er über sich selbst lachen. Er hatte etwas Spektakuläres, Exotisches erwartet wie Tahiti oder Rio de Janeiro, aber sein Finger zeigte auf eine winzige Insel vor der Ostküste Australiens.

    Patrick kniff die Augen zusammen, um die kleine Schrift zu entziffern. Magnetic Island, las er. Er hatte noch nie davon gehört und wollte gerade wieder zur Tagesordnung übergehen, als etwas ihn innehalten ließ. Gerade eben war er noch verzweifelt genug gewesen, um an jeden beliebigen Ort auf der Welt zu flüchten. Sollte er da nicht wenigstens kurz checken, was es mit dieser Insel auf sich hatte?

    Aber was sollte das bringen? Seine Arbeit fesselte ihn an London. Er würde weder nach Magnetic Island noch sonst wohin reisen können.

    Und wenn du es doch irgendwie möglich machst? meldete sich eine kleine Stimme in seinem Kopf. Es ist allerhöchste Zeit, dass du dir eine Auszeit nimmst.

    Wieder zurück an seinem Schreibtisch, ging Patrick ins Internet und gab „Magnetic Island" in die Suchmaschine ein. Wie sich herausstellte, lebte die Insel vorwiegend vom Tourismus und schien sich gar nicht sosehr von Tahiti zu unterscheiden. Zumindest gab es dort ebenfalls Palmen, weißen Sand und türkisblaue, tropische Buchten.

    Patrick scrollte durch die Liste mit den angebotenen Unterkunftsmöglichkeiten, bis sein Blick an dem Wort „Haustausch" hängen blieb. Neugierig geworden, klickte er den entsprechenden Link an und las:

    Magnetic Island, Queensland, Australien

    Biete Cottage mit zwei Schlafzimmern gegen Wohnung in London, UK

    Ab 1. April für drei bis vier Monate

    Mit seiner fantastischen Lage auf einer bewaldeten Landzunge bietet dieses Haus einen einzigartigen Meerblick. Mehrere schöne Buchten sind bequem zu Fuß zu erreichen. Am Rande des Great Barrier Reef gelegen, ist die Insel ein Paradies zum Fischen, Tauchen, Segeln, Kanufahren und Parasailing.

    Ein breites Lächeln erschien auf Patricks Gesicht. Für einen Moment konnte er sich schon auf der Insel sehen. In einer anderen Hemisphäre, einer völlig neuen Welt …

    Freiheit, ich komme!

    Er würde mit tropischen Fischen schwimmen. Unter Palmen in einer Hängematte liegen. Australischen Bikinischönheiten nachblicken. Den Thriller schreiben, der bisher nur in seinem Kopf existierte, und sich dabei vom Anblick des blauen, glitzernden Ozeans inspirieren lassen …

    Widerstrebend riss Patrick sich von dem verlockenden Tagtraum los und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Es fiel ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren, da er im Geiste bereits einen Anzeigentext formulierte:

    Biete Haus mit drei Schlafzimmern im begehrten Stadtteil Chelsea, London, UK

    Kamin, zwei Balkone, Garten

    ausgezeichnete Verkehrsanbindung

    zahlreiche Restaurants / Geschäfte / Galerien / Museen bequem zu Fuß erreichbar.

    ab April/Mai bis Juni/Juli für drei Monate

    Bevorzugtes Ziel: die Küste von Queensland, Australien

    Als Patrick dreieinhalb Stunden später die letzte Akte schloss, stand für ihn fest, dass er es tun würde.

    Es musste sein!

    Morgen früh würde er gleich als Erstes einen Gesprächstermin mit seinem Boss vereinbaren.

    2. KAPITEL

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: Reif für einen Tapetenwechsel

    Hi Patrick,

    ich kann noch immer kaum glauben, dass ich in etwas mehr als vierundzwanzig Stunden tatsächlich in ENGLAND sein werde! Ich habe gepackt (mein armer Koffer stöhnt), und mein kleines Haus wartet blitzblank geputzt auf Sie. Das Bett ist frisch bezogen – hoffentlich mögen Sie Marineblau.

    Eigentlich wollte ich Ihnen ja zur Begrüßung einen Strauß Blumen hinstellen, aber dann habe ich es doch gelassen. Ich hatte Angst, sie könnten verwelken oder anfangen zu riechen, bevor Sie hier ankommen.

    Den Schlüssel habe ich unter den Blumentopf neben der Hintertür gelegt. Das klingt für Sie als Großstädter bestimmt sehr leichtsinnig, aber es besteht kein Grund zur Sorge. Die Bewohner von Magnetic Island sind grundehrlich und in solchen Dingen ausgesprochen locker. Niemand hier schließt seine Tür ab.

    Zur Sicherheit habe ich aber noch einen Ersatzschlüssel an der Rezeption des Sapphire Bay Resort gelassen, wo ich bis gestern gearbeitet habe.

    Gearbeitet HABE – klingt das nicht wundervoll?

    Ach, Patrick, Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich es mir immer gewünscht habe, in London zu leben, und nun ist es endlich so weit (wenn auch nur für drei Monate ).

    Nochmals tausend Dank, dass Sie meinen Traum haben wahr werden lassen. Ich bin so aufgeregt, dass ich wahrscheinlich die ganze Nacht lang kein Auge zubekomme.

    Ach ja, Sie können natürlich jederzeit mein Auto benutzen. Es ist nicht mehr als eine Sardinenbüchse auf Rädern, aber man kann sich damit fortbewegen. Und machen Sie sich keine Gedanken wegen der fehlenden Nummernschilder. Wir müssen unsere Autos nicht registrieren lassen, solange wir sie nicht aufs Festland bringen.

    Es war sehr nett von Ihnen, mir ebenfalls Ihren Wagen anzubieten, aber ich will meine zweifelhaften Fahrkünste lieber nicht im Londoner Verkehr auf die Probe stellen.

    Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.

    London, ich komme!

    Molly

    PS: Leider geht mein Mitteilungsbedürfnis mit mir durch, wenn ich aufgeregt bin.

    An: Molly Cooper

    Von: Patrick Knight

    Betrifft: Reif für einen Tapetenwechsel

    Liebe Molly,

    danke für Ihre Nachricht, die ich jetzt erst gelesen habe. Ich musste bis spät in den Abend hinein arbeiten, um meinen Schreibtisch klar zu bekommen. Jetzt werde ich rasch packen, und dann nichts wie weg.

    Cidalia (meine Putzfrau) kommt im Laufe der Woche vorbei und erklärt Ihnen, wie alles im Haus funktioniert. Die Schlüssel habe ich in meiner Bankfiliale in der Kings Road deponiert (eine Wegbeschreibung finden Sie im Anhang). Meine Kollegen sind instruiert, sie Ihnen auszuhändigen, und wenn Sie Ihren Pass mitbringen, dürften Sie keine Schwierigkeiten haben.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Flug!

    Mit den besten Wünschen,

    Patrick.

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: Ich bin in London!!!

    Wow … wow … WOW!!!

    Wäre ich nicht so erschossen, würde ich mich kneifen, um festzustellen, ob ich träume, aber der Jetlag hat mich voll erwischt, und ich bin zu keiner körperlichen Anstrengung mehr in der Lage.

    Doch ich schwebe auf Wolken!

    Ihr Kollege in der Bank war sehr gentlemanlike. Er hat mir mit einer galanten Verbeugung die Schlüssel überreicht und mir einen angenehmen Aufenthalt im Alice Grove Nummer 34 gewünscht. Als ich dann endlich dort war, wagte ich meinen Augen kaum zu trauen.

    Oh Patrick, Ihr Haus ist einfach

    UNGLAUBLICH

    SCHÖN!

    Göttlich wäre vielleicht treffender, aber auch das würde Ihrem Zuhause nicht gerecht. Weitere Lobeshymnen folgen morgen. Ich werde gleich meine erste Tasse englischen Tee trinken und dann auf der Stelle ins Bett fallen – oder besser gesagt, in Ihr Bett (hoffe, diese Feststellung erscheint Ihnen nicht zu intim ).

    Ihre rundherum glückliche

    Molly

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: Danke!

    Hi Patrick,

    nach zehn Stunden Schlaf in Ihrem fantastischen Kingsize-Bett geht es mir schon bedeutend besser als gestern Abend, aber mir ist noch immer ganz schwindlig vor Aufregung.

    Ich bin noch nie von Australien weg gewesen, und so war es ein unglaubliches Erlebnis, England zum ersten Mal aus der Luft zu erblicken. Wir sind über den Kanal geflogen, und als ich die grüne, leicht neblige Landschaft unter mir sah (genauso, wie ich es mir immer vorgestellt habe), sind mir tatsächlich die Tränen gekommen.

    Und dann Heathrow! Meine Güte, jetzt weiß ich endlich, wie sich Rinder fühlen, wenn sie in ihre Gatter getrieben werden. Für einen Moment überkam mich der Drang, auf dem Absatz kehrtzumachen und auf meine verschlafene kleine Insel zurückzukehren, doch dieser Moment war schnell vorbei. Stattdessen bin ich mit dem Taxi nach Chelsea gefahren, was eine schreckliche Geldverschwendung war, aber ich fühlte mich der Londoner Untergrundbahn einfach noch nicht gewachsen.

    Als ich dem Fahrer die Adresse nannte, wirkte er ziemlich beeindruckt, was ich augenblicklich verstand, als er vor Ihrem Haus hielt.

    Und jetzt bin ich etwas besorgt, denn bei diesem Tauschgeschäft haben Sie eindeutig den Kürzeren gezogen.

    Sie bieten mir ein absolutes Traumhaus mit teppichgeschmücktem Treppenaufgang, Marmorkamin und drei Schlafzimmern, von denen jedes über ein angrenzendes Bad verfügt, während Sie inzwischen vermutlich festgestellt haben, dass in meinem Minibadezimmer drei grüne Baumfrösche wohnen.

    Ach, Patrick, können Sie es überhaupt ertragen?

    Ihr Wohnzimmer mit all den vielen Büchern gefällt mir sehr (Sie lesen ziemlich gerne, oder?), aber am schönsten finde ich Ihre Küche. Ich liebe die schwarz-weißen Fliesen auf dem Boden und die hohen Verandatüren, durch die man direkt in den süßen kleinen Hintergarten gelangt. Dort habe ich heute Morgen meinen Tee getrunken, mich von der sanften englischen Sonne bescheinen lassen und die Narzissen vor meinen Füßen betrachtet. Es war das erste Mal, dass ich Narzissen in der Natur gesehen habe, können Sie sich das vorstellen?

    Überhaupt gibt es hier so vieles, das ich zum ersten Mal erlebe.

    Nach dem Frühstück bin ich über die Kings Road geschlendert, und alle hatten so rosige Wangen und sahen mit ihren doppelt geknoteten langen Schals und Stiefeln so mondän aus! In der Hoffnung, mich optisch ein wenig anzugleichen, habe ich mir ebenfalls einen Schal gekauft (für die Stiefel ist mein Budget zu knapp, und bei den rosigen Wangen muss ich leider auch passen).

    Und wissen Sie, was dann passiert ist? Ich könnte schwören, dass ich einen bekannten Filmschauspieler gesehen habe. Ein älterer Mann, sein Name fällt mir gerade nicht ein, aber meine Großmutter war ganz verrückt nach ihm.

    Ach, Patrick, es ist so unfair! Ich lebe hier wie eine Königin, und dann denke ich an Sie, wie Sie auf der anderen Seite des Erdballs in meinem winzigen Cottage sitzen, das milde ausgedrückt sehr schlicht ist. Vielleicht hätte ich Sie warnen sollen, dass ich nicht einmal einen Flachbildschirmfernseher besitze.

    Bitte schreiben Sie mir, wie es Ihnen geht. Ich hoffe inständig, dass es Ihnen nicht vor Entsetzen die Sprache verschlagen hat.

    Cheers, wie ihr Briten sagt.

    Molly

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: Sind Sie noch am Leben?

    Tut mir leid, wenn ich wie Ihre Mutter klinge, Patrick, aber könnten Sie mir kurz mitteilen, dass Sie gut angekommen sind und dass im Haus alles in Ordnung war? Eine einzige Zeile würde mir schon genügen.

    M.

    PS: Ich bin immer noch begeistert, aber ich kann kaum glauben, wie kalt es hier ist. Sollte es jetzt nicht Frühling sein?

    An: Patrick Knight

    Von: Felicity Knight

    Betrifft: Bist du gut und sicher angekommen?

    Hallo Liebling,

    ich nehme an, dass du inzwischen in Australien angekommen bist, und hoffe, dass du einen guten Flug hattest. Keine Sorge, ich habe nicht vor, dich während deines Aufenthalts ständig zu nerven, aber ich brauche einfach ein Signal, dass bei dir alles in Ordnung ist.

    Außerdem wollte ich dir gutes Gelingen für deinen Roman wünschen!

    Alles Liebe von der stolzen Mutter eines zukünftigen weltberühmten Bestsellerautors.

    An: Molly Cooper

    Von: Patrick Knight

    Betrifft: Sind Sie noch am Leben?

    Liebe Molly,

    ja, ich bin gut hier angekommen – danke der Nachfrage –, und alles ist bestens. Was ich hier vorgefunden habe, war den zwanzigstündigen Flug vollauf wert. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Ihr Haus entspricht perfekt meinen Bedürfnissen, und die Lage ist mit Geld gar nicht zu bezahlen. Alles hier strahlt vor Sauberkeit, genau wie Sie es versprochen haben. Vielen Dank, dass Sie sich sogar die Mühe gemacht haben, die Bettwäsche zu bügeln!

    Wie Sie wissen, habe ich vor, hier ein Buch zu schreiben, sodass ich weder Luxus noch einen Fernseher benötige. Was ich brauchte, waren ein radikaler Tapetenwechsel und Inspiration, und die Umgebung hier bietet mir beides.

    Ich habe mir erlaubt, den Tisch ans Fenster zu stellen, sodass ich beim Arbeiten den atemberaubenden Blick über die Bucht nach Cape Cleveland genießen kann. Während des Tages wechselt das Meer je nach Sonnenstand und Wolkenbild ständig die Farbe – einfach traumhaft!

    Ich freue mich, dass Sie sich inzwischen eingelebt haben und mein Haus Ihnen so gut gefällt. Und bitte machen Sie sich meinetwegen keine weiteren Gedanken. Ich genieße die Sonne und bin absolut zufrieden.

    Ach, und danke auch für die hilfreichen Notizen bezüglich der Fische in Ihrer Kühltruhe, der Topfpflanzen, des Schleudergangs Ihrer Waschmaschine und der Geckos. Sämtliche Punkte sind vom Unterzeichner sorgfältig zur Kenntnis genommen worden.

    Viele Grüße,

    Patrick

    An: Felicity Knight

    Von: Patrick Knight

    Betrifft: Bist du gut und sicher angekommen?

    Hi Mum,

    alles ist in bester Ordnung, danke der Nachfrage. Ich bin mitten im Paradies gelandet, mach dir also keine Sorgen.

    Wir bleiben in Verbindung.

    Liebe Grüße, auch an Jonathan,

    Patrick

    Persönliche Aufzeichnungen von Patrick Knight. Magnetic Island, 10. April

    Ehrlich gesagt fühle ich mich gerade etwas unwohl.

    Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich näher mit dieser Methode zu befassen. Es schien mir eine unnötige Zeitverschwendung zu sein, etwas aufzuschreiben, von dem ich das Meiste sowieso nie verwenden werde. Aber nachdem mir einen ganzen Tag lang die Worte „Erstes Kapitel" von meinem ansonsten leeren Bildschirm entgegengestarrt haben, will ich es wenigstens auf einen Versuch ankommen lassen.

    Also, was gibt es zu sagen?

    Es ist eine überaus faszinierende Erfahrung ans andere Ende der Welt zu kommen und das Leben einer Person kennenzulernen, in dem die Landschaft, die Farben, die Geräusche, ja selbst die Gerüche fremd und überraschend sind.

    Sobald ich Mollys Notizen gefunden hatte, die überall im Haus verteilt waren, wusste ich, dass ich mich in einer völlig anderen Welt befand. Hier einige Beispiele:

    An einer Topfpflanze: Es wäre schön, wenn Sie sie zwei Mal pro Woche gießen könnten. Aber achten Sie darauf, dass kein Wasser auf dem Unterteller stehen bleibt, sonst brüten die Moskitos.

    An der Kühlschranktür: Bedienen Sie sich an dem Fisch im Eisfach. Es gibt Korallenbarsche, Stachelmakrelen, Wahoo und Nannygai. Lassen Sie sich von den fremdartigen Namen nicht abschrecken, sie schmecken alle köstlich. Versuchen Sie es auf dem Grill. Auf dem Regal neben dem Herd finden Sie ein Buch mit fantastischen Barbecue-Rezepten.

    An der Wohnzimmerwand neben dem Lichtschalter: Nicht erschrecken, wenn Sie eine kleine Eidechse über die Wand flitzen sehen. Es ist ein Gecko, der ebenso nützlich wie niedlich ist, da er sich von lästigen Insekten ernährt.

    Die Pflanzen und Bäume um das Cottage herum sind überhaupt nicht mit der Vegetation in England zu vergleichen. Einige sind wilder und ausladender, andere üppiger und dicker. Und alle kommen mit unglaublich wenig Erde aus. Sie finden sie selbst noch in den Ritzen der riesigen Felsbrocken, die es überall auf der Landzunge gibt.

    Die Vögel hier sehen nicht nur anders aus, sondern klingen zum Teil auch sehr bizarr. Es gibt einen hellgrünen Papagei mit einem blauen Kopf und einer gelben Kehle, der unentwegt durchdringende Schnattergeräusche von sich gibt. Der Ruf des „Laughing Kookaburra klingt natürlich wie Lachen, weshalb er auch den Spitznamen „Lachender Hans bekommen hat. Ein anderer Vogel stößt während der Nacht unheimliche Klagelaute aus, bei denen man eine richtige Gänsehaut bekommt.

    Selbst das Licht ist hier anders. So gnadenlos hell, dass man eine ganze Weile braucht, um sich daran zu gewöhnen …

    HILFE!!!

    Bei diesem armseligen Geschreibsel überkommt mich das starke Bedürfnis nach einem Glas Rotwein. Höchstwahrscheinlich steckt nicht einmal der Funke eines Schriftstellers in mir. Aber was soll’s. Es wäre schließlich noch erbärmlicher, gleich am ersten Tag das Handtuch zu werfen.

    Zumal es einem Wunder gleichkommt, dass der alte George Sims mich so ohne Weiteres hat gehen lassen. Er hat mir auf den Kopf zugesagt, dass er bei mir schon länger einen Burn-out befürchtet hatte, und dass ich mir die drei Monate mehr als verdient habe. Ich war so platt von seiner Großzügigkeit, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte.

    Aber zurück zum Thema. Ich dachte immer, das Schreiben wäre eine ungemein entspannende Tätigkeit, bei der man die ganze Welt vergessen könnte. Im Moment kann davon bei mir keine Rede sein, aber ich bin noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Und bis es so weit ist, werde ich weiter das „freie Schreiben" üben.

    Trotz all der Dinge, die hier anders sind – oder vielleicht gerade deswegen – fühle ich mich ausgesprochen wohl in Molly Coopers kleinem Cottage. Es ist zwar schlicht, aber dafür hat es jede Menge Charme. Manchmal kommt es mir fast vor, als wäre sie gar nicht wirklich abgereist. Es klingt seltsam, aber es ist, als würde ich sie tatsächlich mehr und mehr kennenlernen. Nur indem ich mich hier aufhalte und all die tausend Dinge berühre und benutze, die sie ebenfalls berührt und benutzt hat (ihre Seife – Sandelholz, glaube ich –, ihr Geschirr und Besteck, ihr Bett mit dem weißen Moskitonetz etc. etc.).

    An ihrer Kühlschranktür ist ein Foto von ihr angebracht (mit einem Magnet in Form einer Melonenscheibe). Sie steht neben einer älteren Frau, und auf der Rückseite stehen die Worte „Molly und Gran" und das Datum. Das Bild ist etwas mehr als ein Jahr alt, und Mollys Großmutter wirkt darauf sehr zerbrechlich. Molly selbst dagegen sieht aus wie das blühende Leben. Außerdem hat sie eine wilde, hellbraune Lockenmähne, ein sehr hübsches Lächeln, Grübchen und sensationelle Beine.

    Nicht dass Mollys Aussehen oder ihre Persönlichkeit in irgendeiner Weise relevant wären. Wir werden einander nie persönlich kennenlernen, und außer unseren Häusern gibt es keine Berührungspunkte.

    Also etwas mehr über Pandanus Cottage.

    Insgeheim hatte ich befürchtet, es könnte zu mädchenhaft und niedlich sein. Einer dieser kuscheligen, in Pastelltönen gehaltenen Orte, die den Testosteronspiegel eines Mannes abrupt in den Keller fallen lassen. Aber Pandanus Cottage hat nichts dergleichen an sich. Ich finde es ganz wundervoll, besonders die spektakuläre Wildheit seiner Umgebung gefällt mir.

    Das Haus selbst ist sehr klein. Es gibt nur zwei Schlafzimmer, ein Bad und einen großen offenen Raum, der gleichzeitig als Küche, Ess- und Wohnzimmer dient. Alles befindet sich auf einer Ebene, und es ist seltsam, keine Treppe hinaufsteigen zu müssen, um ins Bett zu gehen.

    Es gibt hier verblüffend viele Fenster. Und Kerzen in rauen Mengen. Sie sind überall verteilt, als gäbe es hier keinen Strom, zusammen mit Stücken von Treibholz, Muscheln und kleinen, überraschenden Gegenständen in Blau. Normalerweise achte ich nicht besonders auf Farben, aber (… ja, ich weiß selbst, wie dümmlich sich das anhört …) ich liebe all diese blauen Molly-Stückchen. Sie sind wie ein Echo des Ozeans und des Himmels, und ich muss jedes Mal lächeln, wenn ich eins von ihnen sehe.

    Außerhalb des Hauses herrscht schwüle Hitze, aber drinnen ist es kühl, still und sehr friedvoll – genau die Atmosphäre, die ich nach dem geballten Stress der letzten Jahre brauche. Alle sind informiert, dass ich in den nächsten Monaten nicht zu erreichen bin, und das bedeutet: keine Anrufe, keine SMS, nur gelegentlich eine Mail von Molly oder meiner Mutter. Die reine Wohltat!

    Ich glaube, ich werde heute Nachmittag die Hängematte im Mangobaum ausprobieren …

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: aktueller Lagebericht

    Hi Patrick,

    wirkt der Zauber der Insel schon auf Sie, und kommen Sie gut mit Ihrem Buch voran? Ich habe bereits angefangen London zu erforschen (zu Fuß und in diesen herrlichen roten Doppedeckerbussen. Das kostet zwar mehr Zeit, aber ich wage mich immer noch nicht in die U-Bahn). Außerdem habe ich einige Regeln für mich aufgestellt, um meine Zeit hier optimal zu nutzen.

    Andere Australier meiden!

    Schließlich will ich nicht die ganze Zeit von zu Hause reden.

    Das „richtige" London kennenlernen

    Natürlich werde ich mir auch den Buckingham Palace und den Trafalgarsquare ansehen, aber ich brenne vor allem darauf, die verborgenen Schätze der Stadt zu entdecken.

    Von einem Highlight kann ich Ihnen sogar schon berichten: Gestern bin ich bei einem Spaziergang auf das Haus gestoßen, in dem Oscar Wilde vor mehr als hundert Jahren gelebt hat. Ich habe an der Fassade hinaufgeschaut und an all die brillanten Theaterstücke gedacht, die er geschrieben hat. Ist es nicht unglaublich, dass man dieses Genie ins Gefängnis gesteckt hat, nur weil er schwul war?

    Sie sind doch nicht schwul, oder? Nach den Büchern, die sie lesen (Sportlerbiografien, Spionageromane und dicke Wälzer über Finanzen), glaube ich es jedenfalls nicht.

    Sorry, Patrick! Selbstverständlich gehen mich weder ihr Literaturgeschmack noch Ihre sexuellen Präferenzen etwas an, aber es ist schwer, nicht neugierig auf Sie zu werden. Hier gibt es ja nicht einmal ein Foto von Ihnen! (Keine Angst, ich stelle deswegen keine wilden Vermutungen an, sondern gehe einfach davon aus, dass Männer weniger Wert darauf legen als Frauen.)

    Apropos Fotos: Ich habe zwar vor, mir die Wachablösung vor dem Buckingham Palace anzusehen, aber ich gedenke nicht, mich zusammen mit einem Mann zu Pferde ablichten zu lassen, der einen umgedrehten Wischmopp auf dem Kopf trägt.

    Mich in den perfekten Engländer verlieben

    Eigentlich wäre es ganz praktisch, wenn Sie doch schwul wären, da ich mich in dem Fall hemmungslos über mein nicht vorhandenes Liebesleben äußern könnte. Nachdem Sie die Insel nun kennen, wird auch Ihnen klar sein, dass es dort nicht gerade vor interessanten Singlemännern wimmelt.

    Meine geheime Fantasie (nun erzähle ich es Ihnen doch) ist eine romantische Verabredung mit einem echten englischen Gentleman. Natürlich bestehe ich nicht auf Prince William oder Colin Firth. Ich bin durchaus bereit, meine Ansprüche herunterzuschrauben, aber nicht zu sehr. Der kleine Bruder von Colin Firth wäre zum Beispiel eine akzeptable Alternative.

    Vor allen Dingen muss er gut angezogen sein! Nachdem ich an einem Ort aufgewachsen bin, an dem die Herren der Schöpfung in der Regel in Flipflops und löchrigen T-Shirts herumlaufen, lechze ich förmlich nach einem Mann in einem eleganten Anzug. Er soll ein schönes, kultiviertes Englisch sprechen, mich wie eine Lady behandeln und mich zu etwas Kulturellem einladen – zu einem Konzert oder Theaterbesuch oder in eine Kunstgalerie etc. (Ein Mädchen darf schließlich seine Träume haben, oder nicht?). Wissen Sie übrigens, dass in London gerade sechhundertdreiundsiebzig!!! verschiedene Shows zu sehen sind, während auf unserer Insel einmal im Jahr ein Amateurmusical aufgeführt wird?

    Armer Patrick, ich hatte Sie ja bereits vor meinem krankhaften Mitteilungsdrang gewarnt, aber jetzt lasse ich Sie in Ruhe.

    M.

    An: Patrick Knight

    Von: Molly Cooper

    Betrifft: Putzen

    Cidalia war heute da. Sie

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