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Hamburger Mordssturm: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 33
Hamburger Mordssturm: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 33
Hamburger Mordssturm: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 33
eBook323 Seiten3 Stunden

Hamburger Mordssturm: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 33

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und der Mann mit der Samtstimme
In Hamburg geht ein Serienmörder um, dessen Taten eine ganz bestimmte Handschrift tragen. Er beschmiert die Hände seiner Opfer mit Blut - denn in der Vergangenheit spielten blutige Hände eine entscheidende Rolle in seinem Leben. Kommissar Jörgensen und sein Ermittler-Team machen sich auf die Spur des Wahnsinnigen...

Kommissar Jörgensen und der Abstecher
Ein Orkan verwüstet einen Stadtteil im Norden von Hamburg. Eine gute Gelegenheit, dort eine Leiche abzulegen. Doch wer ist dieser Tote? Und warum wurde er von dem sogenannten »Abstecher« umgebracht? Wer hat den Killer beauftragt?
Die Kommissare Jörgensen und Müller werden mit diesem Fall betraut. Mit Hilfe ihrer Kollegen kommen sie der Lösung des Falls immer näher, jedoch mit einer unerwarteten Wendung...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum9. Dez. 2022
ISBN9783753299907
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    Buchvorschau

    Hamburger Mordssturm - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und der Mann mit der Samtstimme

    von Alfred Bekker

    1

    »Sag mal, was ist eigentlich deine früheste Kindheitserinnerung, Uwe?«, fragte mich mein Kollege Roy Müller. Wir hatten gerade mit einer langwierigen Observation in Hamburg HafenCity zu tun. Und solche Observationen bringen es eben manchmal mit sich, dass man oft lange einfach nur im Auto sitzt und aus dem Fenster sieht. Man wartet, dass irgendjemand Bestimmtes auftaucht. Manchmal wartet man auch umsonst.

    »Wie kommst du denn jetzt darauf, Roy?«

    »Nur so. Man sagt doch immer, dass die frühe Kindheit psychologisch gesehen so entscheidend ist.«

    »Schon möglich. Aber ich bin kein Psychologe, Roy.«

    »Ja, aber der eine oder andere irre Killer hat sich doch schon auf schlimme Erlebnisse in der Kindheit berufen, die dann bewirkt haben, dass er irgendwann austickte und Menschen umgebracht hat.«

    »Ich hoffe nicht, dass du so eine Befürchtung in Bezug auf mich hast.«

    »Nein, das nun nicht.«

    »Da bin ich ja beruhigt.«

    »Trotzdem würde es mich einfach interessieren: Woran erinnerst du dich zuerst, wenn du zurückdenkst?«

    »Willst du das wirklich wissen?«

    »Ja.«

    Ich seufzte. »Ich bin das erste Kind von zwei dauerredenden Akademiker-Eltern. Um irgendwie Anteil an der Welt zu haben und dazwischen zu kommen, musste ich möglichst schnell sprechen lernen. Eine Alternative gab es da nicht.«

    »Aha.«

    »Also meine allererste Erinnerung ist die: Meine Eltern sitzen am Frühstückstisch, ich am Tisch-Ende. Meine Mutter ist bereits hochschwanger mit meinem Bruder. Die beiden unterhalten sich und irgendwann sagt meine Mutter zu meinem Vater: Ich glaube das Kind hört uns zu und es versteht uns.«

    »War das traumatisch für dich?«

    »Nö. Ich war einfach nur ein Kind, dass sehr früh sprechen gelernt hat.«

    »Aber heute bist du mit der Sabbelei doch eher zurückhaltend, Uwe.«

    »Man muss nicht zu allem was sagen.«

    »Man könnte auch sagen, du hast dich in frühester Jugend ausgesabbelt.«

    »Das überlasse ich dann heute eher dir, Roy. Du hast ja noch Übungsbedarf.«

    »Ha, ha!«

    »Was ist denn deine erste Erinnerung, Roy?«

    »Ach, nicht weiter der Rede wert.«

    »Du hast mich gefragt, und ich habe dir geantwortet. Also bist du mir auch eine Antwort schuldig.«

    Roy zögerte einen Moment.

    Schließlich sagte er: »Ich habe einen Bauklotz an den Kopf gekriegt.«

    »Einen Bauklotz.«

    »Ja.«

    »Woher kam der?«

    »Keine Ahnung. Meine Erinnerung beginnt, als dieser Bauklotz meinen Kopf getroffen hat.«

    »Irgendjemand muss den doch geworfen haben!«

    »Ja, denke ich mir auch. Für mich kam der wie aus dem Nichts.«

    »Ist er vielleicht irgendwo heruntergefallen?«

    »Auch möglich. Wie gesagt: Ich weiß es nicht.«

    »Und jetzt fragst du dich all die Jahre, wie du herauskriegen könntest, wer dieses Bauklotzverbrechen begangen hat und bist deswegegen Polizist geworden. Ist es so?«

    »Naja, vielleicht ein bisschen weit hergeholt.«

    »Jetzt sag nicht, du wolltest in Wahrheit Medizin studieren und hattest einfach ein bisschen zu schlechte Noten dazu.«

    »Das kommt der Wahrheit wahrscheinlich ein bisschen näher«, sagte Roy.

    »Ach, so!«

    »Ich musste da nur gerade so drüber nachdenken: Was sind die ersten Bilder, die ein Mensch im Kopf hat . Die ersten Bilder, die er sieht und aus irgendeinem Grund für immer im Gedächtnis behält? Das muss doch irgendwie mit dem zu tun haben, was danach geschieht. Meinst du nicht?«

    »Wie ich schonmal sagte, Roy: Ich bin kein Psychologe.«

    Übrigens: Mein Name ist Uwe Jörgensen. Ich bin Kriminalhauptkommissar und Teil einer in Hamburg angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen ‘Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.

    Die schweren Fälle eben.

    Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.

    Zusammen mit meinem Kollegen Roy Müller tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. »Man kann nicht immer gewinnen«, pflegt Kriminaldirektor Bock oft zu sagen. Er ist der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.

    *

    Da ist ein blutiges Messer in ihrer Hand.

    Der Junge steht da und sieht sie, wie sie sich über den Mann beugt, das Messer in ihrer Faust.

    Der Mann bewegt sich nicht.

    Nicht mehr.

    Er ist tot.

    Überall Blut.

    Und die Frau schreit irre.

    Sie sieht den Jungen an.

    Er wird diesen Blick nie vergessen.

    Sein ganzes Leben nicht.

    Und das, was er jetzt gesehen hat, wird er ständig vor Augen haben. All die Jahre.

    Es ist ein inneres Bild, das er nicht loswerden wird.

    Ein Bild, das sein Leben bestimmt.

    2

    »Es ist schön, dass du mich doch noch besuchen kommst, Junge.«

    »Hi.«

    »Wir haben uns lange nicht gesehen. Sehr lange.«

    »Was willst du?«

    »Dich sehen.«

    »Dann sieh dir auch das an!«

    »Junge ...«

    »Die Narbe, die du hinterlassen hast!« Er deutete auf sein Gesicht.

    »Es tut mir leid ...«

    »Diese Narbe ist das einzige, was du mir hinterlassen hast.«

    »Ich bin froh, dich zu sehen.«

    »Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass ich mir wünsche, du wärst tot.«

    »Sag so etwas nicht!«

    »So ist es einfach.«

    »Vielleicht habe ich nicht alles richtig gemacht, aber ...«

    »Du bist eine Mörderin.«

    »Hör mal!«

    »Und um ein Haar hättest du mich auch umgebracht.«

    »Nein, das wollte ich nicht. Das war ...«

    »Ich bin eigentlich nur deswegen hier, um dir eine Sache zu sagen: Bring es zu Ende!«

    »Was?«

    »Dich braucht niemand. Du bist nur schädlich und zwar für alle, die etwas mit dir zu tun haben. Also bring es zu Ende! Besorg dir eine Rasierklinge, häng dich mit einem Bettlaken auf - wie auch immer! Aber es wäre wirklich besser, wenn du diese Mauern nie mehr verlässt!«

    »Es ist schrecklich, was du sagst!«

    »Es ist schrecklich, was du getan hast!«

    »Dafür büße ich!«

    »Aber nicht genug! Nicht genug!«

    »Aber ...«

    »Wirst du irgendwann wieder aus dem Knast kommen?«

    »Ja, das ist sehr wahrscheinlich.«

    »Ich finde, du solltest hierbleiben. Hier gehörst du her. Und hier sollte man dich begraben.«

    »Ich ...«

    »Lebenslang sollte wirklich auch lebenslang sein.«

    »Hör zu ...«

    »Zumindest in deinem Fall.«

    »Ich hoffe irgendwann auf eine zweite Chance ...«

    »Nicht bei mir!«

    »Was?«

    »Versuch nicht mehr, mit mir in Kontakt zu treten! Unsere Wege trennen sich hier. Und deiner führt in die Hölle.«

    Und meiner vielleicht auch, dachte er. Aber in eine andere Hölle!

    3

    Noch mehrere Jahre später…

    Viele Jahre später ...

    Eine Stimme wie schwarzer Samt.

    Einschmeichelnd.

    Tief.

    Sonor.

    Verheißungsvoll.

    Der Mann mit der Samtstimme - so hatte Janina Dachelmeyer ihn in Gedanken genannt, als sie ihn in Suri's Bar kennengelernt hatte. Scheinbar zufällig.

    »Nenn mich Rob«, hatte diese Samtstimme gesagt.

    Jetzt saß Janina auf einem Stuhl - gefesselt und geknebelt. Und die Samtstimme hatte für sie auf einmal einen eiskalten, grausamen Unterton. Der ging ins Mark.

    »Halt still, sonst tut es nur weh!«, sagte Rob. Und während er das sagte, öffnete er die Tasche, die er schon in der Bar bei sich trug. Er hatte plötzlich eine Spritze in der Hand.

    Janina zitterte. Sie fragte sich, was für ein Teufelsgift er ihr wohl verabreichen wollte.

    Und dann suchte er die Ader in der Armbeuge und stach hinein.

    »Es ist bald vorbei«, sagte er. »Und dann bekommst du, was du verdienst. So wie die anderen ...«

    Janina Dachelmeyer ahnte, dass sie dieses Zimmer nicht lebend verlassen würde. Sie war in die Hände eines Monsters in Menschengestalt gefallen.

    4

    Im ersten Augenblick war Janina erleichtert, als sie begriff, dass ‘Rob’ ihr keineswegs eine Injektion verpassen, sondern ihr stattdessen Blut abnehmen wollte.

    Die Art und Weise, wie er das machte, war laienhaft. Janina Dachelmeyer konnte das beurteilen, denn sie selbst war Ärztin in einer Hamburger Klinik. Anästhesistin, um genau zu sein. Und das bedeutete, es gehörte zu ihrem täglichen Job, Spritzen so zu setzen, dass die Patienten hinterher möglichst nicht durch einen riesigen Bluterguss gezeichnet waren.

    Rob beherrschte das nicht so gut. Aber der Bluterguss, den sie davontragen würde, war wohl Janina Dachelmeyers kleinstes Problem.

    Sie sah ihm zu, wie er den Inhalt der Kanülen in medizinische Blutbeutel füllte.

    Janina Dachelmeyer zitterte am ganzen Körper, während sie ihm zusah. Die Knebelung war so fest, dass ihr der Kiefer schmerzte. Ihre Hände und Füße spürte sie schon gar nicht mehr. Dreimal nahm er ihr Blut ab. Dann packte er die medizinischen Utensilien wieder sehr sorgfältig in seine Tasche.

    Er war langsam dabei.

    Pingelig.

    Wie ein Pedant.

    Was Janina Dachelmeyer irritierte, war die Tatsache, dass Rob vor der Blutabnahme einen prall gefüllten Blutbeutel aus der Tasche genommen und auf den Tisch gestellt hatte.

    Was sollte das alles? Was machte das für einen Sinn, Blut mitzubringen und ihr welches abzuzapfen?

    Mit was für einem Spinner hatte sie es hier zu tun?

    Ein gefährlicher Spinner.

    Der Puls schlug ihr bis zum Hals. Er hämmerte hinter ihren Schläfen.

    Scheiße!, dachte sie.

    Die Gedanken rasten nur so in ihrem Kopf. Die dunkle Ahnung, dass sie in die Hände eines perversen Irren gefallen sein musste, wurde nach und nach zur Gewissheit. Nein, das war kein gewöhnlicher Krimineller. Keiner, der es auf ihr Eigentum oder ihren Körper abgesehen hatte. Jedenfalls nicht auf eine Weise, die man irgendwie hätte nachvollziehen können.

    Er lächelte.

    Sehr verhalten.

    Sehr hintergründig.

    Er wusste, wie es weitergehen würde - sie nicht.

    Und das schien er zu genießen.

    Das - und die Angst in ihren Augen. Die Ungewissheit, die sie quälte.

    »Du fragst dich sicher, was ich hier mache und warum das alles geschieht«, sagte Rob. Und die Samtstimme, die diesen Mann auszeichnete, hatte plötzlich für Janina Dachelmeyer einen ganz anderen Klang. Ein Klang, der sie an klirrendes Eis erinnerte. Oder an Messer, die gegeneinander gewetzt wurden.

    Er sah sie an, und sie begegnete seinem Blick.

    Ein kaltes Glitzern war jetzt in Robs Augen zu sehen. Nervöse Unruhe schien seinen gesamten Körper erfasst zu haben. Die Ruhe, die er bisher demonstriert hatte, war nur aufgesetzt gewesen.

    »Du glaubst inzwischen wahrscheinlich nicht mehr, dass es purer Zufall war, der uns in dieser Bar zusammengeführt hat«, fuhr er fort. Sein Lächeln wirkte jetzt unsicher. »Das war es auch nicht. Ich habe dich ausgesucht. Ja, unter sehr vielen habe ich dich ausgesucht. Ich habe dich beobachtet und wahrscheinlich weiß ich mehr über dich als alle, die von sich behaupten, dich näher zu kennen. Du glaubst, dass wir uns heute zum ersten Mal begegnet sind. Doch ich versichere dir, dass wir uns schon zuvor über den Weg gelaufen sind. Öfter, als du denkst übrigens. Allerdings ...« Er machte eine Pause. Als zwei quälend lange Sekunden des Schweigens vergangen waren, fuhr er fort: »Wir sind uns fast ein Dutzend Mal über den Weg gelaufen. Nur hast du mich nicht bemerkt. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Weißt du, ich bin eben so ein Typ, den man schnell übersieht. Das nehme ich niemandem übel. Ein paar andere Dinge machen mich allerdings schon richtig sauer.«

    Sein Gesicht wurde zu einer vollkommen starren Maske, während er das sagte. Die Lippen zitterten, so als wollten da ein paar wüste Beschimpfungen und Schreie aus ihm heraus.

    Die Sorgfalt, mit der er die Blutprobe in seiner Tasche verstaute, wirkte pedantisch. Er nahm den Blutbeutel, den er mitgebracht hatte, öffnete ihn und schüttete den Inhalt über Janina Dachelmeyers gefesselte Hände. Dann trat er zurück und betrachtete sie.

    Nie zuvor hatte Janina Dachelmeyer so viel Hass und gleichzeitig so viel Furcht in einem einzigen Gesichtsausdruck gesehen. Rob betrachtete sie eine ganze Weile. Die Sekunden rannen dahin, sammelten sich zu einer kleinen Ewigkeit, während Rob vor ihr stand und wie erstarrt wirkte.

    Die ganze Zeit über quälte sie der Gedanke, was er wohl noch vorhatte und welcher verborgene, perverse Sinn in dieser ganzen Aktion lag.

    Eine vorläufige Antwort sollte sie jedoch wenig später bekommen. Die Erstarrung löste sich bei Rob. Mit einer ruckartigen Bewegung griff er in die Tasche, holte eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer hervor. Dann trat er von der Seite an sie heran, setzte den Schalldämpfer an ihre Schläfe auf. Sie konnte fühlen, dass sein Finger zitterte, als er versuchte abzudrücken.

    Janina Dachelmeyer schloss die Augen.

    Es dauerte fünf quälend lange Sekunden, ehe ‘Rob’ schließlich die Kraft hatte, den Abzug der Waffe zu betätigen. Janina Dachelmeyers Kopf sackte weg. Die Einschusswunde war klein, die Austrittsöffnung des Projektils dafür umso größer. Blut und Hirn hatten die Tapete vollgespritzt.

    Aber nicht den Mann, der sich ‘Rob’ nannte. Und auch nicht Robs Tasche. Er hatte Janina Dachelmeyer extra so hingesetzt, dass das nicht passieren konnte. Schließlich war das nicht sein erstes Opfer, und ‘Rob’ hatte inzwischen dazugelernt.

    ‘Rob’ stand noch eine ganze Weile einfach da. Die Waffe hatte er gesenkt. Er sah auf die reglos auf dem Stuhl hängende, gefesselte Tote herab und sagte schließlich laut und mit einer Stimme, die wieder sehr nach weichem Samt klang: »Jetzt ist es gut. Jetzt … ist alles … gut.«

    Aber das hatte er beim letzten Mal auch gesagt.

    Und eigentlich wusste er auch diesmal im tiefsten Inneren seiner Seele, dass es nicht stimmte.

    Nichts war gut.

    Und es würde wohl auch niemals vorbei sein. Schließlich hatte er die Vorbereitungen für das nächste Mal bereits getroffen. Er ging zu seiner Tasche, legte die Pistole hinein und sein Blick fiel dabei auf den Beutel mit Blut, den er Janina Dachelmeyer abgenommen hatte.

    5

    Zwei Jahre später …

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Roy Müller«, sagte ich, während ich meinen Ausweis vorzeigte.

    Roy und ich standen in einem engen Flur in einem Mietshaus und ein breitschultriger Kollege in Uniform hatte wohl die strickte Anweisung, niemanden die Treppe hinaufzulassen.

    Er hieß Giesenbracht. Als er meinen Ausweis betrachtete, runzelte er die Stirn und gab sie mir dann zurück.

    »Tut mir leid, dass ich so pingelig sein muss«, sagte Giesenbracht.

    »Keine Ursache, dass ist Ihr Job«, meinte Roy.

    »Es soll auch schon Presseleute gegeben haben, die sich mit gefälschten Polizeiausweisen Zugang zu interessanten Tatorten verschafft haben.«

    Ehrlich gesagt, kommt so etwas eher selten vor, aber ausschließen kann man das natürlich nicht vollkommen. Aber ich wollte dem Kollegen Giesenbracht jetzt nicht widersprechen.

    Ich steckte meinen Ausweis wieder ein.

    »Gibt es hier eigentlich keinen Aufzug?«, fragte ich.

    »Ist seit einem halben Jahr defekt, wie mir einige andere Mieter erzählt haben«, sagte Giesenbracht. Er machte eine ausholende Geste. »Sie können raufgehen. Dr. Köppler erwartet sie bereits.«

    »Dr. Köppler?«, fragte ich.

    »Sie hat schon angekündigt, dass sie für ihren Fall noch Verstärkung bekommt. Und das sind dann ja wohl Sie.«

    »Ihren Fall?«, echote ich ziemlich perplex.

    Ich wechselte einen kurzen Blick mit Roy. Die Informationen, die Roy und ich bisher zu dem Fall hatten, waren äußerst knapp. Kriminaldirektor Bock hatte uns hierhergeschickt. Kurz nachdem ich Roy am Morgen an der bekannten Ecke abgeholt hatte, meldete sich unser Chef und beorderte uns an diesen Tatort.

    Denn dieser Fall fiel in die Zuständigkeit der Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes. Ein Serienkiller, der Frauen auf eine ganz spezielle Weise tötete. Zumindest war das bis jetzt die Hypothese.

    Kriminaldirektor Bock hatte zwar erwähnt, dass wir Unterstützung durch Fachleute bekommen würden, aber dass jetzt jemand diesen Fall als seinen bezeichnete und in uns so etwas wie herbeigerufenes Hilfspersonal sah, überraschte mich doch ziemlich.

    Wir gingen die Treppe hinauf. Wenig später erreichten wir die offen stehende Wohnungstür. Es stand kein Name auf dem Schild an der Klingel. Kollegen der Abteilung Erkennungsdienst waren bereits bei der Arbeit. Außerdem sah ich Kollege Hansen von der zuständigen Mordkommission. Er nickte Roy und mir zu.

    Ich kannte ihn ganz gut, auch wenn wir selten zusammengearbeitet hatten.

    »Hier soll eine Dr. Köppler sein«, sagte ich.

    »Dr. Köppler ist hier«, sagte eine Stimme, die ziemlich resolut klang. Eine weibliche Stimme. Wir drehten uns um und sahen einer sehr zierlichen, grazilen Frau entgegen. Sie war schätzungsweise Mitte Dreißig, hatte dunkles, gelocktes und bis über die Schultern fallendes Haar und war nicht größer als ein Meter sechzig.

    »Guten Tag«, sagte ich.

    »Sie sind die Leute, auf die ich gewartet habe?«

    »Jedenfalls sind wir von der Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes. Dies ist mein Kollege Herr Roy Müller, mein Name ist Uwe Jörgensen.«

    »Dr. Melanie Köppler, Profilerin. Ich unterrichte normalerweise an der Akademie.«

    »Und was führt Sie dann hierher?«

    »Dieser Fall, Herr Jörgensen.«

    »Das verstehe ich nicht.«

    »Hat Sie Ihr Vorgesetzter darüber nicht informiert?«

    »Ehrlich gesagt hatte Kriminaldirektor Bock noch kaum Gelegenheit uns über Einzelheiten in Kenntnis zu setzen.«

    »Dann hat er Ihnen nichts darüber gesagt, dass dieser Fall mit einer Serie von Verbrechen in Zusammenhang steht?«

    »Doch, aber wir sind bis jetzt nur grob informiert.«

    Dr. Melanie Köppler atmete tief durch und verschränkte die Arme vor der Brust.

    »Es war der letzte Fall, den ich bearbeitet habe, bevor ich den Unterrichtsauftrag der Akademie annahm.«

    »Lassen Sie mich raten: Sie haben damals die Sache nicht aufklären können.«

    »Das ist leider wahr, Herr Jörgensen. Glauben Sie mir, es hat mir nächtelang keine Ruhe gelassen, dass da so ein Irrer durch die Gegend läuft, Frauen anspricht, sie in eine Wohnung wie diese lockt und ihnen eins über den Schädel zieht. Wenn sie dann erwachen, finden sie sich gefesselt auf einem Stuhl wieder. Der Täter besudelt die Hände des Opfers mit Blut und erschießt es mit einer Waffe, die einen Schalldämpfer trägt.«

    »Und bei der Reihenfolge sind Sie sich sicher?«, fragte ich.

    »Wie meinen Sie das?«

    »Was das Blut und den Schuss angeht. Sie wissen genau, dass er nicht erst den Schuss abgibt und anschließend der Toten das Blut über die Hände gießt?«

    Melanie Köppler sah ich etwas überrascht an.

    »Nein, sicher ist das nicht, Herr Jörgensen.«

    »Und wie kommen Sie dann darauf?«

    »Es ist einfach nur … Intuition. Ich glaube, dass es so gewesen ist. Aber vielleicht sollten Sie sich mal mit eigenen Augen ansehen, worum es hier geht.«

    »In Ordnung.«

    Dr. Melanie Köppler führte uns in das Wohnzimmer. Dort saß das Opfer noch immer gefesselt auf dem Stuhl - so wie der Täter die junge Frau drapiert hatte.

    »Sie heißt Luisa Mitzmann und war als Krankenschwester im nahegelegenen Krankenhaus beschäftigt«, erläuterte Melanie Köppler. »Alle Opfer dieses Täters waren irgendwo im medizinischen Bereich beschäftigt. Es waren Ärztinnen darunter, Krankenschwestern, eine Altenpflegerin, eine Sprechstundenhilfe, eine Angestellte in einer Blutbank ...«

    »Sagen Sie jetzt nicht, dass der Täter aus Hass gegen das Gesundheitssystem diese Morde begangen hat«, mischte sich Roy ein.

    Melanie Köppler hob die Augenbrauen.

    »Wieso nicht? Das wäre noch nicht einmal das absurdeste Mordmotiv, auf das ich während meiner Arbeit gestoßen bin. Auf jeden Fall müssen wir diesen Aspekt im Auge behalten.«

    Ich sah die Einschusswunde am Kopf und die Austrittswunde des Projektils. Es sah

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