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Hamburger Mörderspuren: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 21
Hamburger Mörderspuren: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 21
Hamburger Mörderspuren: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 21
eBook317 Seiten3 Stunden

Hamburger Mörderspuren: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 21

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen sucht nach Czerwinski:
Ein Kommissar ermittelt verdeckt gegen eine Ring internationaler Waffenhändler. Als er sich mit einem Informanten treffen will, läuft er in eine Falle und gerät in die Fänge eines mörderischen Sadisten. Das Leben des Ermittlers hängt an einem seidenen Faden, während die Kollegen verzweifelt versuchen, seine Spur aufzunehmen.

Kommissar Jörgensen und die Schüsse auf Herrn Bock:
Er ist der Chef einer wichtigen Ermittlungsbehörde - aber in seiner Vergangenheit scheint es ein dunkles Geheimnis zu geben. Ein wahnsinniger Killer hat es auf ihn abgesehen und präsentiert eine alte, blutige Rechnung.
Für die Ermittler beginnt ein Wettlauf mit dem Tod ...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum18. Mai 2022
ISBN9783753299778
Hamburger Mörderspuren: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 21

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    Buchvorschau

    Hamburger Mörderspuren - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen sucht nach Czerwinski

    1

    »Hey, Tiger! Was für eine Überraschung!«

    Jonas 'Tiger' Bartelt wirbelte herum.

    Mit seiner Rechten ließ er das karierte Jackett zurückgleiten. Ein hartes Geräusch, das wie ein 'Ratsch!' klang, hielt Bartelt davon ab, den gewaltigen Magnum Colt aus dem Gürtel zu reißen.

    Bartelt erstarrte.

    Ein halbes Dutzend Bewaffneter schnellte aus verschiedenen Verstecken hervor. Sie hielten Maschinenpistolen im Anschlag. Einige lauerten an den Ecken der umliegenden Lagerhäuser, andere kamen hinter den gewaltigen Brückenpfeilern hervor, die die Elbbrücke abstützten.

    Eine Falle!

    Dieser Gedanke durchzuckte Bartelt wie ein Blitz. Aber die Erkenntnis kam zu spät. Blindlings war er hineingetappt. Und jetzt konnte es nur noch einen verzweifelten Kampf auf Leben und Tod geben.

    Bartelt erkannte, dass er umzingelt war. Sein Blick kreiste über das abgelegene Industriegelände in Hamburg-Moorfleet. Es war derartig mit Schwermetallen verseucht, dass es für die nächsten Jahrzehnte niemanden geben würde, der es geschenkt haben wollte. Ausgeschlachtete Lastwagen rosteten vor sich hin, Lagerhallen verfielen und waren zu einer Heimat der Ratten geworden.

    Ein Ort, wie geschaffen für ein geheimes Treffen.

    Und für einen Mord.

    Bartelt schluckte.

    Schussgeräusche würden vom Lärm der A1 verschluckt. Mit Hilfe einer Hochbrücke wurde die vielbefahrene Verkehrsader zu einem Teil quer über das Industriegelände geführt.

    Weitere Männer kamen jetzt aus ihrer Deckung. Bartelt sah dunkle Sonnenbrillen und schussbereite Maschinenpistolen.

    »Tiger, du bist ein Idiot«, sagte eine schneidende Stimme, die zu einem kleinen drahtigen Mann gehörte.

    »Kittelhoff!«, zischte Bartelt zwischen den Zähnen hindurch. »Ich hätte es mir denken können.«

    Kittelhoff trat vor. Die MPi hing ihm lässig an einem Riemen über der Schulter und knautschte sein Tausend-Euro-Sakko.

    Kaltblütig fingerte er ein silbernes Etui aus der Innentasche heraus und steckte sich einen schmalen Zigarillo in den Mundwinkel. Einer seiner Leute gab ihm Feuer.

    »Mit wem wolltest du dich hier treffen, Tiger? Mit den Leuten aus Harburg? Komm schon, spuck's aus! Du stiehlst uns die Zeit - und das kann ich nicht leiden, Tiger. So gut solltest du mich kennen ...«

    Bartelts Haltung entspannte sich etwas.

    Noch wurde geredet. Noch lebte er.

    Aber er war Profi genug, um zu wissen, dass es nichts mehr für ihn zu gewinnen gab.

    Kittelhoff verzog das Gesicht, nahm den Zigarillo aus dem Mund und bleckte die Zähne.

    »Hör zu, wir können dich einfach umlegen oder dich vorher so zurichten, dass du darum betteln wirst, eine Kugel in deinen verdammten Schädel gejagt zu bekommen!«, zischte er dann.

    Zeit gewinnen!, dachte Bartelt.

    Er schielte zu einem verrosteten Mercedes-Transporter ohne Reifen und Türen, vier Meter von ihm entfernt.

    »Ich wollte mich hier mit einem Bullen treffen«, sagte er.

    Kittelhoff lachte schallend.

    »Eine selten dämliche Lüge«, kommentierte er. »Vielleicht, um dich selbst ans Messer zu liefern?«

    Einer der Bewaffneten griff zum Funkgerät.

    »Herr Kittelhoff, da kommt ein Wagen«, wandte er sich an seinen Chef.

    Bartelt glaubte, einen günstigen Moment gewählt zu haben. Er riss den Magnum Colt heraus, feuerte wild um sich und hechtete in Richtung des Mercedes-Wracks.

    Drei oder vier der Killer feuerten gleichzeitig ihre MPis ab. Feuerstöße von zwanzig bis dreißig Kugeln pro Sekunde fauchten aus den kurzen Läufen heraus. Die Projektile perforierten das Blech des Mercedes-Transporters, kratzten am Betonuntergrund. Funken sprühten.

    Bartelt zuckte. Sein kariertes Jackett verfärbte sich rot. Der gewaltige Colt Magnum rutschte ihm aus der Hand. Bartelt krümmte sich zusammen und blieb reglos liegen.

    »Los, aufräumen!«, befahl Kittelhoff an seine Männer gewandt.

    2

    Kommissar Stefan Czerwinski lenkte den Wagen auf das brachliegende Industriegelände. Er stellte den unscheinbaren Ford hinter einer halb verfallenen Lagerhalle ab, deren große Metalltore von einer braunen Rostschicht bedeckt waren.

    Stefan stieg aus, überprüfte den Sitz seiner Pistole vom Typ SIG Sauer P 226 und blickte sich um. Von der nahen Brücke dröhnte der Lärm der A1.

    Stefan sah auf die Uhr am Handgelenk.

    Er hatte genau um 17.23 Uhr hier eintreffen sollen. Keine Minute früher oder später, andernfalls hätte der Mann, mit dem er sich hier treffen wollte, die Verabredung platzen lassen.

    Stefan war pünktlich.

    Und ihm war klar, dass er jetzt beobachtet wurde. Jonas 'Tiger' Bartelt wartete vermutlich in sicherer Entfernung auf ihn, um sicherzugehen, dass Czerwinski allein kam.

    Stefan hatte sich an alle Bedingungen gehalten, die Bartelt gestellt hatte.

    Stefan ging auf einen der mächtigen Pfeiler zu, auf das ein Graffiti-Sprayer kunstvoll das Konterfei Fidel Castros aufgebracht hatte.

    Dort war der Treffpunkt.

    Stefan ging auf den Brückenpfeiler zu. Auf der A1 rauschte der Rush Hour-Verkehr lauter als die Brandung an der Nordseeküste bei starkem Wind.

    Stefan ließ den Blick kurz über die Autowracks schweifen.

    Aus den Augenwinkeln heraus nahm er für den Bruchteil einer Sekunde eine Bewegung wahr. Hinter der Ecke eines verfallenen Lagerhauses lauerte jemand.

    Stefan hatte den Brückenpfeiler mit Fidel Castro beinahe erreicht. Castro hielt lässig eine Kalaschnikow in der Rechten und eine Havanna in der Linken.

    Instinktiv spürte Stefan, dass hier etwas nicht stimmte.

    Die Ecke am Lagerhaus hielt er unauffällig im Auge.

    Vielleicht ist das 'Tiger' Bartelt dort, dachte Stefan.

    Vermutlich wollte Bartelt einfach sichergehen und seinen Gesprächspartner erst einmal beobachten.

    Trotzdem ging Stefan auf Nummer sicher.

    Er postierte sich so neben dem Brückenpfeiler, dass man ihn von der Lagerhausecke aus nicht abschießen konnte.

    Und dann fielen ihm die roten Flecken in der Nähe des Mercedes Transporters auf.

    Blut ...

    Die Flecken am Metall konnte man auf den ersten Blick kaum vom Rost unterscheiden. Aber die auf dem Fußboden bildeten eine Spur. Als ob jemand eine Leiche davongeschleift hatte ...

    Stefans Hand ging zur SIG in seinem Gürtelhalfter. Er zog die Waffe heraus. Vorsichtig setzte er einen Schritt vor den anderen, umrundete den gewaltigen Brückenpfeiler und sah ...

    … ein paar Füße!

    Sekunden später sah er einen Toten auf dem Beton liegen.

    Jonas 'Tiger' Bartelt.

    Die Stellung war eigenartig. Der Mann lag auf dem Rücken, die Arme zeigten in Richtung des Kopfes. Seine Kleider waren im Bereich des Oberkörpers blutdurchtränkt. Zahlreiche Einschüsse hatten ihn geradezu durchsiebt.

    Stefan atmete tief durch. Jemand war ihm zuvor gekommen. Jemand, der irgendwie Wind von diesem Treffen bekommen hatte...

    Stefan wirbelte herum.

    Er sah gerade noch, wie zwei Bewaffnete hinter einem der anderen Betonpfeiler hervortauchten. Die MPis hatten sie im Anschlag. Dunkle Sonnenbrillen schützen sie gegen die tiefstehende Abendsonne.

    Stefan reagierte blitzschnell. Er presste sich gegen den Beton, während bereits die erste Salve in seine Richtung gefeuert wurde. Funken sprühten, als die Projektile am Beton kratzten. Kleine Stücke wurden aus dem Brückenpfeiler herausgeschossen. Hier und da blieben Kugel stecken, andere wurden zu tückischen Querschlägern. In diesem Moment verfluchte sich Stefan Czerwinski dafür, ohne Absicherung hierhergekommen zu sein. Er war volles Risiko eingegangen. Schließlich bot sich nicht jeden Tag eine wichtige Figur im internationalen Waffenhandel als Informant für den Kriminalpolizei an. Und da hatte Stefan Czerwinski alles auf eine Karte gesetzt.

    Ganze Schiffsladungen voll hochmoderner Kriegswaffen, vom Sturmgewehr bis zu mobilen Stinger-Flugabwehrraketen waren nach Informationen von V-Leuten und Informanten in den letzten Wochen über den Hamburger Hafen in alle Welt gegangen. Hier und da waren aufgrund dieser Informationen ein paar kleinere Ladungen konfisziert worden, aber es gab Grund zu der Annahme, dass das nicht mehr als die Spitze des Eisbergs gewesen war. Da lief ein schwunghafter Handel mit dem Tod gut getarnt im Hintergrund.

    Und Stefan hatte gehofft, über 'Tiger' Bartelt endlich einen Schritt weiter an die Hintermänner heranzukommen. Aber diese Hoffnung hatte sich nun zerschlagen.

    Stefan wartete, bis sich der Geschosshagel gelegt hatte. Er hörte Schritte. Kurz sah er einen der Killer auftauchen und die Waffe hochreißen. Stefan schoss. Er erwischte den Kerl an der Schulter. Der Killer wurde zurückgerissen, schrie auf und taumelte fluchend zu Boden.

    Stefan spurtete los.

    Er sah kurz in Richtung der Lagerhaus-Ecke. Sein Verdacht bestätigte sich. Mehr als das Aufblitzen eines Mündungsfeuers konnte er nicht erkennen. Stefan warf sich zu Boden, rollte sich herum und feuerte zweimal mit seiner SIG. Links und rechts schlugen indessen die MPi-Kugeln ein. Stefan rappelte sich auf. Mit einem Hechtsprung war er bei dem verrosteten Transporter. Dicht pfiffen die Kugeln über seinen Kopf. Der Mercedes-Transporter war keine gute Deckung. Einige der Kugeln schlugen einfach durch die Bleche durch. Stefan atmete tief durch. Er griff in seine Jacke und holte den Dienstausweis heraus.

    Stefan wusste, was er tat, als er ihn unter den Transporter schob. Dasselbe machte er mit den Handschellen, die er am Gürtel trug.

    Und dann holte er sein Handy hervor. Ein Knopfdruck und er hatte Verbindung mit der Kriminalpolizei Hamburg. Die Nummer unseres Hauptquartiers war ins Menü des Apparats eingespeichert.

    »Hier Kommissar Czerwinski. Ich sitze in der Klemme!« Stefan gab seine Position durch.

    Eine Kugel zischte dicht an Stefans Kopf vorbei und traf das Handy. Der Apparat zerplatzte. Stefan zog augenblicklich die Hand zurück, warf sich zur Seite und feuerte flach auf dem Boden liegend zurück.

    Er packte die SIG fester.

    Hinter einem Schutthaufen bewegte sich etwas. Einer der Killer tauchte kurz hervor. Stefan schoss mehrfach kurz hintereinander, so dass sein Gegenüber schleunigst zurücktauchte.

    Meine Chancen sind gleich null, erkannte Stefan bitter.

    Aber er war entschlossen, sich so teuer wie möglich zu verkaufen.

    3

    Reifen quietschten. Der Sportwagen, den die Fahrbereitschaft mir zur Verfügung gestellt hatte, rutschte noch ein Stück über den Asphalt. Wir rissen beinahe gleichzeitig die Türen auf - mein Freund und Kollege Roy Müller und ich, Kriminalhauptkommissar Uwe Jörgensen. Beide zogen wir unsere Dienstwaffen hervor.

    Kriminalhauptkommissar Roy Müller und ich gehörten zur ‘Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes’, einer auf Ermittlungen im Bereich des organisierten Verbrechens spezialisierten Sonderabteilung in Hamburg.

    Wir waren nicht die ersten am Ort des Geschehens.

    Einige Meter entfernt stand ein Ford, mit dem unser Kollege Ollie Medina gekommen war.

    Er war offenbar näher dran gewesen. Ollie war Stefan Czerwinskis Partner im Dienst. Und außerdem sein Freund.

    Mit der SIG in beiden Händen sah er sich um.

    Augenblicke später trafen einige weitere Wagen ein. Unsere Kollegen. Sie wurden unterstützt von Kräften der Polizei.

    Innerhalb einer halben Minute schwärmten überall Kommissare und Einsatzkräfte des Polizei aus, großteils mit schusssicheren Westen ausgerüstet.

    Die Aktion war etwas überstürzt, aber dennoch recht groß angelegt. Wer immer hier auf dieser Industriebrache sich auch ein Feuergefecht mit unserem Kollegen Stefan Czerwinski geliefert hatte, musste sehen, dass er schnellstens untertauchte. Denn das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt.

    Ich ging auf Ollie zu, die SIG immer noch im Anschlag.

    Allerdings sagte mein Instinkt mir, dass wir wahrscheinlich zu spät kamen. Alle Anzeichen sprachen dafür.

    »Du warst als Erster hier?«, fragte ich, an Ollie gewandt.

    »Ja. Ich war in der Großmannstraße, hier ganz in der Nähe. Aber das sind immer noch fünf Minuten bis hierher. Und als ich hier auftauchte, war keine Spur mehr von Stefan zu sehen. Es sei denn ...« Er deutete auf die Blutspuren in der Nähe des Mercedes Transporters. Zusammen mit den zahlreichen Einschusslöchern, die aus dem verrosteten Gefährt so etwas wie einen Schweizer Käse gemacht hatten, ergab das ein Bild, das mir nicht gefiel.

    »Ob das Stefans Blut ist, werden erst die Laboranalysen ergeben«, meinte Ollie düster. Er deutete auf den Betonpfeiler mit dem Castro-Graffiti. »Dahinten sind ebenfalls Blutspuren. Scheint so, als hätte man den, der hier erschossen wurde, hinter den Betonpfeiler geschleift ...«

    Keiner sprach es aus. Aber es sprach eigentlich alles dafür, dass es sich bei jener Person um niemand anderen als unserem Kollegen Stefan Czerwinski gehandelt hatte.

    Ein Hubschrauber knatterte über das Industriegelände. Aus der Luft ließ sich das unübersichtliche Gebiet schließlich am effektivsten absuchen.

    »Hier wollte er sich mit 'Tiger' Bartelt treffen«, meinte Ollie und deutete auf das Castro-Grafitto. »Ich war eingeweiht, durfte aber nicht mit. Ich habe in der Großmannstraße gewartet. Schließlich wussten wir nicht, ob Bartelt vielleicht das Gelände überwachen lässt und dann wäre alles geplatzt.«

    »Tiger wollte auspacken?«, fragte Roy etwas skeptisch.

    »Ja. Und zwar umfassend.«

    Ich verstand nur zu gut, dass Stefan der Versuchung nicht hatte widerstehen können. Wir vermuteten seit langem, dass 'Tiger' Bartelt, ein mäßig erfolgreicher Import/Export-Kaufmann, in dunkle Geschäfte verwickelt war.

    Wahrscheinlich war er in den illegalen Waffengeschäften, mit denen wir uns gerade intensiv beschäftigten, eine Art Mittelsmann. Leider hatte das, was wir gegen ihn in der Hand gehabt hatten, nicht dazu ausgereicht, dass der Staatsanwalt auch nur den kleinen Finger rührte.

    »Wieso wollte Tiger plötzlich auspacken?«, fragte ich. »Gab es irgendeinen besonderen Anlass dafür?«

    Und Roy setzte hinzu: »Unsere ziemlich erfolglosen Ermittlungen gegen ihn können ihm wohl kaum so zugesetzt haben, dass er vor lauter Angst sein Schweigen brechen wollte.«

    »Keine Ahnung«, meinte Ollie. »Vielleicht hat Tiger sich mit seinen sauberen Geschäftsfreunden überworfen - und im Gegensatz zur Justiz machen die keinen fairen, sondern einen kurzen Prozess.«

    In diesem Moment meldete sich unser Kollege Fred Rochow über Funk. Ollie holte das Gerät aus der Jackentasche.

    »Hier Medina. Was gibt's?«

    »Wir haben in einer der Lagerhallen den Wagen gefunden, mit dem Stefan unterwegs war«, berichtete Rochow.

    »Irgendwelche Spuren?«, fragte Ollie.

    »Reifenprofile vor der Lagerhalle. Der Wagen stand ursprünglich vor der Halle und ist in ziemlich großer Hast hineingefahren worden. Die Reifen sind beim Start durchgedreht. Um den Rest kümmert sich der Erkennungsdienst.«

    4

    Spezialisten des zentralen Erkennungsdienstes aller Hamburger Polizeieinheiten trafen schließlich ein. Auch wir von der Kriminalpolizei nahmen seine Dienste gerne in Anspruch.

    Dutzende von Kommissaren, Erkennungsdienstlern und Beamten der Polizei suchten jeden Quadratzentimeter auf diesem brachliegenden Industriegelände ab.

    Von den Gangstern, mit denen es Stefan Czerwinski während seines Notrufs zu tun gehabt hatte, war weit und breit nichts zu sehen.

    Allerdings fanden wir auch keine Leiche.

    Und das hielten wir unter den gegebenen Umständen für eine gute Nachricht. Es bedeutete schließlich nicht mehr und nicht weniger, als dass für Stefan Czerwinski noch Hoffnung bestand.

    Die Spezialisten vom Erkennungsdienst sammelten jede Menge Patronenhülsen und Projektile ein. Außerdem gab es Reifenspuren mehrerer Fahrzeuge, die noch recht frisch waren und vielleicht mit dem Fall in Zusammenhang standen. Was die Blutspuren anging, würden wir abwarten müssen, was das Labor sagte.

    In der Nähe der Reifenspuren fand sich ein Manschettenknopf, der ziemlich kostbar wirkte. Mindestens 5.85er Goldauflage, so schätzte ich. Das Design war sehr ungewöhnlich. Die Gravur wirkte wie ein chinesisches Schriftzeichen. Vielleicht würde sich der Juwelier ermitteln lassen, der das Stück gefertigt hatte.

    Und dann war da noch etwas anderes.

    Einer der Leute des Erkennungsdienstes fand es unter dem Mercedes-Transporter.

    Es handelte sich um einen Dienstausweis, wie jeder Kommissar ihn bei sich trägt, sowie ein Paar Handschellen, wie sie zu unserer Standardausrüstung gehören.

    Der Ausweis war ausgestellt auf den Namen Stefan Czerwinski.

    Ollie sah sich das Papier genau an und reichte es dann an mich weiter.

    »Könnt ihr euch darauf einen Reim machen?«, fragte Kommissar Fred Rochow.

    »Er rechnete damit, gefangengenommen zu werden«, knurrte Ollie grimmig. »Und er wusste, dass seine Überlebenschancen vielleicht etwas größer sind, wenn man dieses Ding nicht bei ihm fände.«

    Ollies Hände ballten sich zu Fäusten. Es war ihm anzusehen, wie sehr ihn das ungewisse Schicksal seines Partners mitnahm.

    Die Sache setzte uns allen sehr zu - ihm aber mit Sicherheit am meisten.

    Seine Überlegung war logisch.

    Bei den Ermittlungen gegen den Waffenschmuggler-Ring, dessen Mittelsmann höchstwahrscheinlich Jonas 'Tiger' Bartelt gewesen war, waren bereits zwei Kommissar unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Zwei Kommissare, die versucht hatten, als verdeckte Ermittler näher an die Drahtzieher heranzukommen.

    Mit Kommissaren machten diese Leute kurzen Prozess.

    Und die Tatsache, dass Stefan seinen Ausweis - offenbar absichtlich - hier zurückgelassen hatte, sprach Bände. Er hatte geglaubt, es mit jenen Leuten zu tun zu haben, die wir suchten.

    Und sofern er noch lebte, war er jetzt in deren Gewalt.

    5

    Ollie und Rochow nahmen sich zusammen mit einigen weiteren Kommissaren die Räumlichkeiten von 'Tiger' Bartelts Import/Export-Firma vor.

    Über Handy informierten sie Roy und mich, dass Bartelt dort nicht anzutreffen war, sondern nur sein Teilhaber und einige Firmenmitarbeiter.

    Aber auch deren Aussagen konnten uns vielleicht weiterbringen.

    Roy und ich waren unterdessen auf dem Weg nach Bergedorf, wo Bartelt eine Villa besaß.

    An einem gusseisernen Tor betätigte ich eine Gegensprechanlage.

    »Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei«, stellte ich mich vor. »Mein Kollege und ich würden gerne mit Herr Jonas Bartelt sprechen ...«

    »Der ist nicht hier«, erwiderte eine mürrisch wirkende, männliche Stimme.

    »Und wer sind Sie?«, erkundigte ich mich.

    Ich bekam keine Antwort. Der Sprechkontakt wurde einfach unterbrochen. Ich drücke noch einmal auf den Knopf der Sprechanlage.

    »Hören Sie zu, entweder Sie machen mir jetzt auf, oder ich komme in einer halben Stunde mit einem Durchsuchungsbefehl und zwanzig Kollegen wieder, die in Ihrer Villa das Unterste zuoberst kehren ...«

    Ich bekam wieder keine Antwort. Aber immerhin öffnete sich jetzt mit einem Surren das Tor.

    »Na wenigstens etwas«, meinte Roy.

    Wir stiegen in den Sportwagen und fuhren durch das Tor.

    Die Villa war für Bartelts finanzielle Verhältnisse ein paar Nummern zu groß. Sein Import/Export-Unternehmen schrieb jedenfalls rote Zahlen. Wahrscheinlich diente es in erster Linie dazu, für ein paar mächtige Haie im Hintergrund schmutziges Geld zu waschen. Und da kam es dann auf Verluste nicht an.

    Ich stellte den Wagen ab. Wir stiegen aus.

    Ein bulliger Leibwächter stieg die Stufen zum Haupteingang hinunter. Aus der Jacketttasche ragte ein Funkgerät heraus.

    Wir zeigten unsere Ausweise.

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