JEDER SCHREIBT FÜR SICH ALLEIN
n seinem Sachbuch „Jeder schreibt für sich allein“ hat Anatol Regnier Nachlässe und Korrespondenzen von Schriftsteller innen ausgewertet, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geblieben sind. Nun geht er in Dominik Grafs gleichnamigem Dokumentarfilm abermals auf Spurensuche. In den knapp drei Stunden verschmelzen Interviews, Fotografien, bewegtes Archivmaterial, innen wie u. a. Gottfried Benn, Erich Kästner, Hans Fallada, Ina Seidel und Willi Vesper hatten verschiedene Gründe für ihr Verbleiben in Deutschland und standen den Nationalsozialisten unterschiedlich nah. Mehrfach wird erwähnt, dass es aus der Rückschau einfacher zu urteilen sei als in dem Moment. Das ist aufschlussreich und interessant. Je näher der Film jedoch der Gegenwart kommt, desto näher kommt er auch gefährlichen Vereinfachungen und historischen Relativierungen: O-Töne, in denen die Empathielosigkeit der RAF-Terrorist innen mit der der Nazis parallelisiert wird, werden unkommentiert stehen gelassen. Forderungen wie die Umbenennung der Erich-Kästner-Straße in München werden als Zeichen eines aufziehenden neuen Totalitarismus gedeutet. Das ist für einen Film, der Empathie einfordert und zeigen will, wie widersprüchlich Biografien und Verhaltensweisen sein können, erstaunlich simpel – und hinterlässt leider einen bitteren Nachgeschmack.