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Hamburger Mördertränen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 27
Hamburger Mördertränen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 27
Hamburger Mördertränen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 27
eBook310 Seiten3 Stunden

Hamburger Mördertränen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 27

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und der Fall mit dem Knie
Es sollte ein Großauftrag werden und die Firma finanziell wieder gut dastehen lassen, denn der letzte Auftrag hatte mehr Schaden als Profit gebracht. Christoph Jäger, der Chef der Sicherheitsfirma Globalido ist sich sicher, dass es zu dem Deal kommen wird und trifft sich mit dem Vermittler Boris Grusinow. Doch während dieses Treffens wird Jäger von einem Unbekannten erschossen. Diesen brisanten Fall übernehmen die beiden Kommissare Jörgensen und Müller.

Kommissar Jörgensen und die letzte Träne
Drei Gangster werden tot aufgefunden. Kommissar Uwe Jörgensen vermutet einen Zusammenhang, denn: alle Ermordeten gehörten zu einer berüchtigten libanesisch-türkischen Gang, alle haben mehrere Tattoos in Form einer Träne. Und - jede Träne steht für einen Mord!
Unterstützung erhalten die Kriminalkommissare Jörgensen und Müller bei diesem Fall von Tarik Yagmur, der einige Jahre für die Drogenfahndung als verdeckter Ermittler unter den Gangmitgliedern gelebt hatte ...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum26. Aug. 2022
ISBN9783753299846
Hamburger Mördertränen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 27

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    Buchvorschau

    Hamburger Mördertränen - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und der Fall mit dem Knie

    von Alfred Bekker

    1

    »Moin, Roy!«, sagte ich.

    »Moin, Uwe!«

    Mein Kollege Kriminalhauptkommissar Roy Müller stieg zu mir in den Wagen. Wie jeden Morgen holte ich ihn an der bekannten Ecke ab, um dann mit ihm zum Polizeipräsidium von Hamburg zu fahren, wo wir unsere Büros haben.

    Roy und ich haben das, was man eine Fahrgemeinschaft nennt. Wir machen das nicht, um den Planeten zu retten oder die Feinstaubwerte in Hamburg zu reduzieren, sondern aus rein praktischen Erwägungen. Die Rush Hour in der Freien und Hansestadt kann nämlich wirklich nervig sein. Und zusammen ist es nicht ganz so langweilig im Stau.

    Ist wirklich wahr.

    Es regnete Bindfäden.

    Roy war ziemlich durchnässt.

    Typisches Hamburger Schietwetter eben. Die Scheibenwischer kamen mit dem Wischen kaum hinterher.

    »Auf eine zweite Dusche hätte ich heute Morgen wirklich verzichten können, Uwe!«

    »Na, aber dann bist du wenigstens so richtig blitzsauber, Roy!«

    »Sehr witzig.«

    »Genau so, wie man von einem Polizisten auch erwartet.«

    »Und du hast gar keine Lust, die Dusche noch nachzuholen, Uwe?«

    »Nicht unbedingt, Roy.«

    »Dachte ich es mir doch.«

    »Ach komm! Für das Wetter kann niemand was!«

    Mein Name ist übrigens Kriminalhauptkommissar Uwe Jörgensen. Zusammen mit Roy Müller bin ich Teil der sogenannten ‘Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes’. Wir sind in Hamburg angesiedelt und beschäftigen uns mit den wirklich schweren Fällen. Vor allem alles, was irgendwie mit organisierter Kriminalität zu tun hat, steht auf unserer Liste. Da verfügen wir einfach über bessere Ressourcen, als die normalen Landespolizeien und deswegen überlässt man diese harten Brocken sehr häufig uns.

    Roy sah nicht ohne Grund auf die Uhr an seinem Handgelenk.

    Einerseits natürlich, um nachzusehen, ob sie überhaupt noch funktionierte. Angesichts des momentanen himmlischen Wassereinbruchs war das ja nicht selbstverständlich. In die Dusche hätte Roy die Uhr ja schließlich auch nicht mitgenommen.

    Andererseits aber auch, weil wir tatsächlich etwas spät dran waren.

    Kriminaldirektor Bock erwartete uns nämlich zur Besprechung in seinem Büro. Er war der Chef der Ermittlungsgruppe, beziehungsweise unserer Abteilung.

    Ein bevorstehender Einsatz musste mit den beteiligten Kollegen besprochen werden.

    Gute Planung war schon der halbe Erfolg.

    Das erwies sich immer wieder aufs Neue.

    »Wir kommen schon noch pünktlich«, sagte ich.

    »Du bist ein Optimist, Uwe!«

    »Was denn sonst, Roy? Was denn sonst!«

    *

    Der Killer kniete jetzt nieder. Kies bedeckte das gesamte Flachdach des zehnstöckigen Olendio-Gebäudes, benannt nach einer Immobilien-Firma, der es gehörte. Für die Zwecke des Killers hatte es exakt die richtige Höhe.

    Der Killer stellte die Sporttasche ab. Dann setzte er mit präzisen Handgriffen das Scharfschützengewehr zusammen, welches er darin aufbewahrte. Zu seiner Ausrüstung gehörte auch ein kleines Stativ.

    In aller Seelenruhe baute er es dann auf. Es gab schließlich nichts Unangenehmeres, als wenn irgendein Schuss aus aussichtsreicher Position daneben ging, nur weil der Schütze im falschen Moment gezittert hatte.

    Konnte vorkommen.

    Durfte es aber nicht.

    Niemals.

    Zuletzt setzte der Killer noch das Hochleistungszielfernrohr auf die Waffe. Auf eine Laserzielerfassung verzichtete er mit Bedacht. Er wollte schließlich nicht, dass das Opfer durch den Laserstrahl gewarnt wurde. Der Killer legte ein Kissen auf den Boden, um sich bequem hinknien zu können.

    Dann nahm er sein Opfer ins Visier.

    »Tut mir leid«, murmelte er. »Aber du bist selbst Schuld!«

    Der Zeigefinger spannte sich um den Abzug.

    2

    Das italienische Restaurant La Taverna lag im Hamburger Stadtteil St. Pauli an der Reeperbahn und war bekannt dafür, einen der schönsten Dachgärten der ganzen Stadt zu haben.

    Hierher lud Christoph Jäger, der Chef der Sicherheitsfirma Globalido mit Vorliebe seine Geschäftspartner ein.

    »Na, was sagen Sie? Habe ich Ihnen zu viel versprochen?«, fragte Jäger und lehnte sich in seinem Sessel zurück und nippte dabei an dem exquisiten Rotwein, den er sich hatte servieren lassen. »Es gibt keinen Ort wie diesen in ganz Hamburg. Abgesehen vielleicht von ein paar wenigen weiteren Stellen. Aber da laufen so viele Leute herum, mit denen irgendetwas nicht stimmen könnte ...« Jäger atmete tief durch. Dem kahlköpfigen, übergewichtigen, aber trotzdem sehr kräftigen Mann sah man durchaus immer noch an, dass er mal sehr gut trainiert gewesen war. Aber das war gut ein Jahrzehnt her, als er noch Kampfschwimmer bei der Marine gedient hatte. Auch später, als hoch dekorierter Soldat beim KSK – Kommando Spezialkräfte -, war er noch in Form gewesen. Erst als er sich mit seiner eigenen Sicherheitsfirma selbstständig gemacht hatte, hatte sich das verändert.

    Ihm fehlte einfach der nötige sportliche Ausgleich für das gute italienische Essen, das er so mochte.

    Sein Gesprächspartner war ein sehr hagerer, grauhaariger Mann mit falkenhaft-eisgrauen Augen. Er trug einen ziemlich schlichten Anzug, der eine Nummer zu groß war. Vermutlich deshalb, weil man dann besser eine Waffe unter dem Jackett verbergen konnte. Notfalls konnte man dann sogar eine Kevlar-Weste unter dem Hemd tragen, ohne dass die Jacke allzu sehr spannte.

    Jäger ging nicht davon aus, dass sein Gegenüber wohl zurzeit keine Kevlar-Weste unter dem Hemd trug. Dazu wirkte er einfach im Moment zu schmächtig.

    Jäger nahm das als sicheres Zeichen dafür, dass dieser Mann ihm anscheinend vertraute, denn bei ihrem ersten Treffen hatte er noch ausgesehen, als würde er zehn Kilo mehr auf den Rippen haben.

    In der Branche, in der Christoph Jäger tätig war, war Vertrauen wichtiger als alles andere.

    »Christoph, ich habe mir Ihr Angebot noch mal vorgenommen und ...«

    »Lassen Sie uns doch erst den kulinarischen Teil bewältigen, bevor wir zum Geschäftlichen kommen«, unterbrach ihn Christoph Jäger und trank das halbe Weinglas leer.

    Der Grauhaarige hatte sein Glas noch nicht einmal angerührt.

    »Ganz wie Sie wollen«, sagte er höflich.

    Seine Lippen waren ein gerader Strich. Christoph Jäger war schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen, dass er seine Uhr rechts anstatt links trug. Schien eine Gewohnheit zu sein. Die Rolex am rechten Handgelenk des Grauhaarigen rutschte etwas und gab dabei kurz den Blick auf ein Tattoo frei. Jäger hatte es bisher noch nicht bemerkt.

    Sieht aus wie eine Rose oder sowas Ähnliches, dachte er.

    Naja…

    Jäger hatte sich angewöhnt, auf solche Kleinigkeiten zu achten.

    Jedes detail konnte wichtig sein.

    Der Kellner kam und brachte das Essen.

    Der Hagere nahm nur einen Salat. Jäger hingegen ein großes Pasta-Gericht.

    Auf die Kalorien brauchte er nicht zu achten.

    Er war gut in Form, fand er.

    »Sie waren vor ein paar Jahren mal etwas unangenehm in den Schlagzeilen«, sagte der Hagere dann, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, seinen Salat auch nur anzurühren.

    Jäger hatte bereits den Mund voll. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und brauchte ein paar Augenblicke, bis er genug heruntergeschluckt hatte, um antworten zu können.

    »Meinen Sie die Sache im Irak? Oder Afghanistan?«

    »Ich weiß nicht ...«

    »Wir operieren weltweit. Sicherheitsdienstleistungen für private Bürger, Unternehmen oder Staaten, das ist unser Job. Und was diese beiden Einsätze angeht, da sind wir in die Schlagzeilen gekommen, weil unser Auftraggeber in die Schlagzeilen geriet. Und das war in diesen Fällen die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika!«

    »Sie sind international tätig?«

    »Natürlich.«

    »Ihr offizieller Firmensitz ist Luxemburg.«

    »So ist es.«

    »Außerdem haben Sie Tochterunternehmen auf den Cayman Islands, in Delaware, USA, auf Malta und in diesem einen kleinen Dorf in Schleswig-Holstein, dessen Name mir gerade entfallen ist...«

    »Sie sind ja gut informiert.«

    »Man könnte es so zusammenfassen: Globalido hat seine Heimat überall dort, wo man leicht Briefkastenfirmen gründen kann, nicht wahr?«

    »Wie gesagt, unsere Auftraggeber sind international. Und da müssen wir flexibel sein. Auch, was den jeweiligen rechtlichen Rahmen unser Einsätze angeht.«

    »Sie sagen, dass einer Ihrer Auftraggeber - die Regierung der USA - Sie in die Schlagzeilen gebracht hat.«

    »Ja.«

    »War es nicht vielmehr umgekehrt?«

    »Wie?«

    »War es nicht vielmehr so, dass die Regierung der Vereinigten Staaten unter anderem Ihretwegen in die Schlagzeilen geriet?«

    Jäger lachte.

    »Sind Sie ein getarnter Aktivist irgendeiner Gutmenschen-Organisation, und ich habe das bisher nicht gemerkt?«

    »Nein, aber ich stelle mir ein paar Fragen. Zum Beispiel, was die diskrete Abwicklung angeht ...«

    »Wenn Sie irgendwo Sicherheitskräfte...«

    »Sie meinen Söldner.«

    »Ich spreche von Sicherheitskräften.«

    »Worte!«

    »Es gibt da ein paar rechtliche Unterschiede.«

    »Aber der Job ist derselbe!«

    »Wollen wir uns darüber jetzt streiten?«

    »Ich denke, das ist sinnlos.«

    »Wenn wir also unsere Spezialisten einsetzen, dann geht es zur Sache. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und immer dann, wenn Blut fließt, ist hinterher das Geschrei groß. Dabei bedenkt man häufig eins nicht: Dass noch viel mehr Blut geflossen wäre, wenn unsere Leute nicht eingegriffen hätten. Wir töten professionell und effektiv. Und wir machen dabei so wenig wie möglich kaputt und wenn sich unser Auftraggeber geschickt verhält - was nicht immer der Fall ist - dann erfährt auch niemand was davon.«

    »Wenn Sie das sagen.«

    Jäger redete mit vollem Mund weiter.

    »Ich könnte Ihnen da Stories erzählen … Aber wie heißt es so schön? Der Rest ist Schweigen.«

    »Das wollen wir hoffen.«

    In diesem Augenblick ging ein Ruck durch Christoph Jäger Körper. Zweimal. Sein Blick erstarrte. Er sackte nach vorne. Das Gesicht fiel in das Pasta-Gericht. Jäger rührte sich nicht mehr. Aus dem Hinterkopf und aus dem Genickbereich trat Blut aus.

    Der Hagere erhob sich unterdessen von seinem Platz. Er hatte weder das Essen, noch das Weinglas oder das Besteck angerührt. Sein Blick glitt für einen Moment hoch. Dann verließ er mit schnellen Schritten den Dachgarten des Restaurants La Taverna. Als der Kellner ihm begegnete, hatte er bereits eine Sonnenbrille auf.

    Und als der Kellner den Mann mit dem Gesicht in der Pasta fand und daraufhin laut »Mario!« rief, hatte der Grauhaarige längst das Lokal verlassen und befand sich bereits im Fahrstuhl.

    3

    Nächster Morgen - gleiches Ritual.

    »Ich hoffe, du bist keine Gefahr für den Straßenverkehr, Uwe«, meinte mein Kollege Roy Müller, als ich ihn am Morgen an der bekannten Ecke abholte.

    »Wieso das denn, Roy?«

    »Na, weil ich annehme, dass du genau wie ich kaum Zeit zum Schlafen hattest!«

    Roy stieg aber trotzdem zu mir in den Sportwagen.

    Ich unterdrückte ein Gähnen, aber Roy ging es ganz genauso. Unser Chef hatte uns erlaubt, zwei Stunden später zum Dienst zu kommen. Das hatte im Übrigen auch noch den Vorteil, dass wir uns jetzt nicht wie sonst durch die Rush Hour von Hamburg zu quälen brauchten, sondern ziemlich gut bis zum Polizeipräsidium am Bruno-Georges-Platz durchkamen.

    In der letzten Nacht hatten wir einen großen Drogendeal im Hamburger Hafen hochgehen lassen. Leider richteten sich die Gangster nicht nach den Bürozeiten des Polizeipräsidiums Hamburg. In diesem Fall hatten wir sehr lange darauf warten müssen, bis die Verdächtigen endlich auftauchten. Bei so einer Operation darf kein Fehler passieren. Alles muss sorgfältig per Video dokumentiert werden, damit die Staatsanwaltschaft nicht am Ende vor Gericht wie ein begossener Pudel dasteht und ein paar skrupellose Großdealer als freie Leute den Gerichtssaal verlassen!

    Es ist ein Geduldsspiel. Wir mussten mit dem Zugriff so lange warten, bis wir genug Beweise im Kasten hatten und der Deal tatsächlich über die Bühne gegangen war.

    Aber immerhin war uns das ganz gut gelungen.

    Jetzt waren alle beteiligten Kollegen entsprechend geschafft. Fast fünfzig Kollegen waren in diese Operation involviert gewesen.

    Wir erreichten das Polizeipräsidium, und ich fuhr den Sportwagen in die Tiefgarage unserer Fahrbereitschaft.

    Ein paar Minuten später fanden wir uns im Büro unseres Chefs ein. Unsere Kollegen Stefan Czerwinski, Oliver ‘Ollie’ Medina, Fred Rochow und Mara O’Leary waren schon dort. Außerdem unsere Innendienstler Max Warter und Daniel Ochmer. Max kam aus der Fahndungsabteilung, während Daniel bei uns für betriebswirtschaftliche Fragen zuständig war. Oft genug muss man im Bereich des organisierten Verbrechens den Geldströmen folgen, wenn man an die großen Gangster herankommen will. Und dafür war Daniel unser Spezialist.

    Es wurde eine Art Nachlese zum nächtlichen Einsatz.

    Und auch da war Daniels Vorarbeit unerlässlich gewesen. Ohne seine Erkenntnisse hätten wir niemals die richtigen Leute zielsicher abhören können, um sie dann bei einem Riesendeal zu überraschen.

    »Gestern haben alle, die an dem Einsatz beteiligt waren, sehr gute Arbeit geleistet«, sagte Kriminaldirektor Bock. Der Chef unserer Abteilung namens ‘Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ hatte seine Hände in den Taschen seiner Flanellhose vergraben. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt. »Der Staatsanwalt hat mir gerade noch einmal bestätigt, dass die Voraussetzungen sehr gut sind, was die Anklagen gegen die Festgenommenen angeht. Die meisten werden für viele Jahre ins Gefängnis verschwinden, und damit dürften unsere Straßen wieder einmal etwas sicherer sein. In den nächsten Tagen werden außerdem weitere Verhaftungen erfolgen, die sich aus den Erkenntnissen ergeben haben, die bei diesem Einsatz gewonnen wurden.«

    Ich kannte diesen Gesichtsausdruck bei Herrn Bock. Wenn er wirklich zufrieden gewesen wäre, hätte sein Gesichtsausdruck anders ausgesehen. Es war nur eine Nuance, aber sie war für mich offensichtlich.

    Ich nippte an dem Kaffee, den Mandy uns gebraut hatte.

    Und dann wartete ich geduldig ab, bis Herr Bock schließlich auf den Punkt kam, der ihm nicht gefiel. Er projizierte mit dem Beamer ein Foto an die Wand.

    »Das ist Boris Grusinow. Er lebt seit langem hier in Deutschland, ist aber gebürtiger Ukrainer. Er gilt als ein Verbindungsmann der Mafia.«

    Auf dem Bild war ein grauhaariger, hagerer Mann zu sehen. Es stammte von einer Datei, die über unser Datenverbundsystem SIS zugänglich war. Offensichtlich war Boris Grusinow schon irgendwann einmal erkennungsdienstlich behandelt worden. Vermutlich bei einer Festnahme.

    Herr Bock hob die Augenbrauen und ließ den Blick schweifen.

    »Wir nehmen an, dass dieser Boris Grusinow bei dem Deal, der gestern Nacht stattgefunden hat, eine entscheidende Rolle als Vermittler gespielt hat. Daniel ist überzeugt davon, dass er den Deal angebahnt hat. Und das ist auch garantiert nicht das erste Mal, dass er in diesem Business tätig war.«

    »Ich nehme an, dass er juristisch sauber aus der Sache herausgehen wird«, vermutete Stefan Czerwinski. Er schlug die Beine übereinander. »Grusinow ist bekannt dafür, dass er sehr vorsichtig ist. Er steckt seine Finger immer nur so tief in unsaubere Sachen hinein, dass nichts an ihm haften bleibt.«

    »Ich habe ein Diagramm vorbereitet, auf dem die geschäftlichen Verflechtungen von Boris Grusinow veranschaulicht sind«, mischte sich nun unser Kollege Daniel Ochmer ein. Wenig später sahen wir das Diagramm an der Wand. Das Ausmaß seiner geschäftlichen Verbindungen war wirklich beeindruckend. »Grusinow stellt Kontakte zwischen verschiedenen Zweigen des organisierten Verbrechens her«, erläuterte Daniel. »Er hat gute Verbindungen zu Waffenhändlern, zu Oligarchen in der Ukraine, Weißrussland und in anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und unterhält außerdem beste Kontakte zu Leuten, die dafür sorgen, dass Rauschgift aus Afghanistan und Tadschikistan in rauen Mengen den europäischen Markt erreicht. Natürlich ist er selbst an all diesen Geschäften nicht beteiligt, und wir habe nichts Gerichtsfestes gegen ihn in der Hand. Aber wenn wir uns etwa Mühe geben, dann ist es vielleicht diesmal möglich, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.«

    »Hängt vermutlich davon ab, wie aussagebereit die anderen Festgenommenen sind«, vermutete ich.

    »Ich fürchte, darauf werden wir uns allein nicht verlassen können«, sagte Herr Bock. »Es werden einige personalintensive Observationen vor uns liegen.«

    »Ich nehme an, die nötigen Genehmigungen zur Überwachung von Grusinows Telekommunikation liegen bereits vor«, sagte Stefan.

    »Wenn das so einfach wäre«, ergriff Herr Bock wieder das Wort. »Grusinow wohnt offiziell in einem Apartment in Altona. Da hält er sich aber so gut wie nie auf. Wir denken, dass es verschiedene Immobilien in Hamburg und Umgebung gibt, die Strohmänner von ihm erworben haben und über die er verfügen kann. Allerdings wird es nicht ganz einfach sein, all die Adressen überhaupt zu ermitteln.«

    »Er scheint ein sehr vorsichtiger Mann zu sein«, lautete Ollies Kommentar.

    »Jedenfalls werden wir uns einige Mühe geben müssen, um ihm seine Beteiligung an diesen Geschäften zu beweisen.«

    Meine Aufmerksamkeit war in diesem Augenblick bei den auf dem Foto angegebenen besonderen Kennzeichen. Danach hatte Grusinow eine Tätowierung am rechten Handgelenk.

    Eine Rose, die meistens von seiner Armbanduhr verdeckt wurde, die er ebenfalls rechts trug.

    Seltsam, dachte ich.

    4

    Bis zum Mittag saßen Roy und ich in den gemeinsamen Dienstzimmer. Wir waren damit beschäftigt, uns mit allen Einzelheiten vertraut zu machen, die mit Grusinow zu tun hatten.

    Aus irgendeinem Grund kehrte ich immer wieder zu einem bestimmt Punkt zurück.

    »Wieso trägt jemand ein Tattoo, das er mit seiner Uhr verdeckt?«, fragte ich.

    Roy zuckte mit den Schultern.

    »Was weiß ich! Vielleicht mag er es nicht mehr. Mit Tattoos ist das doch so eine Sache. Zuerst findest du es vielleicht cool, mit einer Rose am Handgelenk herumzulaufen und ein paar Jahre später ist es dir peinlich.«

    »Dieser Mann hat doch Geld genug, jemanden zu bezahlen, der ihm das Tattoo wieder wegmachen würde. Und zwar so, dass er hinterher nicht irgendwie vernarbt und entstellt aussieht, Roy.« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht der Grund sein.«

    »Und was ist dann deiner Meinung nach die Erklärung?«

    »Jedenfalls scheint es mir, dass er die Uhr trägt, um das Tattoo zu verdecken.«

    »Ja, was du sagst, ist irgendwie voller Widersprüche. Oder besser gesagt: Herr Grusinow scheint ein recht widersprüchlicher Charakter zu sein. Außerdem - was ist so wichtig an diesem Tattoo? Er trägt es und wenn es mal darum geht, ihn zu identifizieren, ist es vielleicht nützlich. Ansonsten interessieren mich - ehrlich gesagt - sehr viel mehr seine Verbindungen zu diversen Gangsterchefs.«

    Es sind manchmal die Kleinigkeiten, die einen nicht loslassen. Kleinigkeiten, die aber entscheidende Puzzleteile sein können. Ich wusste nicht, worin die Bedeutung dieses Tattoos lag oder weshalb es die kostbare Zeit eines Polizeibeamten wert sein sollte, sich damit zu beschäftigen, wieso dieser Mittelsmann des organisierten Verbrechens es vorzog, dieses Tattoo mit einer Uhr zu verdecken, anstatt es sich fachmännisch weglasern zu lassen.

    Vielleicht war die Erklärung ganz einfach und banal und hatte nichts zu bedeuten.

    »Was hältst du von der Möglichkeit, dass Grusinow einfach nur Linkshänder ist und ihn die Uhr am Handgelenk seiner starken Hand behindern würde.«

    »Ach, Roy!«

    »Also ich bin Rechtshänder und mich würde die Uhr

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