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Hamburger Mörder-Hacker: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 8
Hamburger Mörder-Hacker: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 8
Hamburger Mörder-Hacker: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 8
eBook306 Seiten3 Stunden

Hamburger Mörder-Hacker: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 8

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und der Hacker
Er ist einer der berüchtigten Hacker aller Zeiten. Und er versucht den Coup seines Lebens zu machen, indem er die Zugangscodes der Rechner des Verteidigungsministeriums knackt und an den russischen Geheimdienst zu verkaufen versucht.
Bald ist er ein Gejagter, der um sein Leben kämpfen muss. Und die Fahnder der Kriminalpolizei sind dabei noch sein geringstes Problem ...

Kommissar Jörgensen und die menschliche Bombe
Menschen werden explosive Mikro-Chips implantiert und anschließend als lebende Bomben missbraucht. Eine neue Dimension des Terrorismus? Wer versucht Hamburg in Angst und Schrecken zu versetzen und führt dazu einen unmenschlichen Hightech Krieg? Den Ermittlern bleibt nicht viel Zeit, um den Wahnsinn zu stoppen ...


Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum30. Sept. 2021
ISBN9783753200149
Hamburger Mörder-Hacker: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 8

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    Buchvorschau

    Hamburger Mörder-Hacker - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und der Hacker

    1

    Dario Brandhorsts Finger tickten nervös auf dem Lenkrad des schwarzen Mitsubishis. Er blickte auf die Rolex an seinem Handgelenk.

    Er seufzte.

    Und war ungeduldig.

    Sehr ungeduldig.

    17.00 Uhr. Hauptverkehrszeit.

    Rund um Hamburg kam es zum täglichen Verkehrsinfarkt.

    Ein paar zusätzliche Baustellen machten die Situation nicht gerade besser.

    Vor der Ampelanlage Ecke Vogeldeichstraße/Rubbertstraße staute sich jetzt der Verkehr wie fast überall in Hamburg Mitte.

    Vor Brandhorsts Mitsubishi befand sich ein Lieferwagen, rechts davon eine Limousine, dahinter ein Cabriolet mit einer sonnenbebrillten Blondine am Steuer. Links bemerkte er einen Sportwagen mit zwei jungen Männern.

    Die Rotphase musste gleich zu Ende sein.

    Dann sprang die Ampel um. Aber der Lieferwagen vor ihm bewegte sich keinen Zentimeter.

    Stattdessen gingen die Türen auf. Maskierte sprangen heraus. Sie trugen MPis und kugelsichere Westen, dazu Sturmhauben, die nur die Augenpartie freiließen.

    Brandhorst duckte sich gerade noch rechtzeitig, bevor die erste Salve die Frontscheibe des Mitsubishi zu Bruch gehen ließ. Den Oberkörper ließ er seitlich sinken, deckte damit den schmalen Diplomatenkoffer zu, der auf dem Beifahrersitz lag.

    Scherben regneten auf ihn herab. Er langte zum Handschuhfach, riss es auf.

    Zwei Dinge befanden sich darin: eine automatische Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer und eine gewöhnliche Handgranate, wie sie bis heute bei der Bundeswehr in Gebrauch war.

    Brandhorst riss die Handgranate an sich, zog mit den Zähnen den Auslöser und schleuderte sie durch die zertrümmerte Frontscheibe.

    Bevor die Granate detonierte, hatte einer der Killer aus dem Lieferwagen die Seitenscheibe des Mitsubishi erreicht, hob die MPi.

    Brandhorst riss die Automatik heraus und feuerte. Die Kugel traf den maskierten Killer unterhalb der Nase. Die Sturmhaube färbte sich rot. Er wurde nach hinten gerissen, taumelte. Dann ertönte die Detonation der Handgranate.

    Brandhorst lag quer über Fahrer- und Beifahrersitz des Mitsubishi, krümmte sich dabei wie ein Embryo. Er schützte das Gesicht mit den Händen. Die Hitze war mörderisch.

    Er wartete einen Moment lang ab. Dann gab es die nächste Explosion. Der durch die Handgranate ausgelöste Brand des Lieferwagens hatte sich offenbar bis zum Tank vorgefressen.

    Schreie mischten sich mit dem Detonationsgeräusch.

    Brandhorst öffnete die Beifahrertür, schob den Koffer hinaus, robbte hinterher und rollte sich dann auf dem Asphalt ab.

    Ein Hupkonzert war zu hören, dazwischen die fernen Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Notfallambulanz.

    Brandhorst hielt sich geduckt, fasste mit der Linken den Koffer.

    Einer der maskierten Killer lief wie eine lebende Fackel über die Vogeldeichstraße auf die Rubbertstraße zu. Das Quietschen von Bremsen mischte sich mit seinen Schreien. Ein Verkehrschaos entstand. Die meisten Wagen auf der Kreuzung waren eingekeilt. Hier und da kam es zu kleinen Auffahrunfällen. Panisches Stimmengewirr war zu hören.

    Brandhorst ließ den Blick kurz über die Szenerie schweifen.

    Die Blondine im Sportwagen starrte ihn an. Einen Moment lang erwog Brandhorst, sie als Geisel zu nehmen, aber ihr Sportwagen war eingekeilt. Sie konnte nicht wegfahren.

    Ein Motor heulte auf.

    Brandhorst wirbelte herum.

    Ein Motorradfahrer schlängelte sich zwischen den Fahrzeugen hindurch.

    Das ist es, dachte Brandhorst. Ein Motorrad war das ideale Fluchtfahrzeug.

    Er hob die Waffe, zielte.

    Aber noch ehe er abdrücken konnte, ging ein Ruck durch seinen Körper, Sekundenbruchteile später ein weiterer. Er sackte in sich zusammen. Noch immer krampfte sich die Linke um den Griff des Koffers.

    Die Blondine im Sportwagen hielt eine Schalldämpferwaffe in der Hand, verbarg sie dann in ihrer Windjacke und zog den Reißverschluss zu. Der Motorradfahrer kam heran, stoppte kurz vor dem toten Brandhorst. Der Fahrer bückte sich, hob den Koffer auf. Die Blondine stieg aus dem Sportwagen und setzte sich dann hinter den Motorradfahrer.

    »Nun mach schon!«, zischte sie.

    Der Fahrer ließ den Motor aufheulen, lenkte die Maschine an dem Toten vorbei und brauste dann auf einem Zickzack-Kurs durch die herumstehenden Wagen davon.

    2

    Als wir am Tatort Ecke Vogeldeichstraße/Rubbertstraße eintrafen, herrschte dort noch immer das Chaos. Überall standen Einsatzwagen herum. Der Verkehr staute sich bis weit auf die Rubbertstraße. Kollegen der dortigen Polizeidienststelle waren damit beschäftigt, den Verkehr umzuleiten. Die Beamten des zentralen Erkennungsdienstes der Hamburger Polizeibehörde, brauchte Zeit, um ihren Job mit der nötigen Gründlichkeit durchführen zu können.

    Kommissar Jasper Thürkow begrüßte Roy Müller und mich. Wir hatten uns dem Ort des Geschehens auf Schleichwegen genähert, den Sportwagen in einer Seitenstraße stehenlassen und die letzten zehn Minuten zu Fuß hinter uns gebracht.

    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie es so schnell schaffen«, meinte Thürkow. Ich kannte ihn von einem Auffrischungslehrgang im Kleinkaliberschießen. »Sie sind sogar noch vor dem Gerichtsmediziner hier.«

    »Der wird dieselben Probleme haben wie wir«, erwiderte ich.

    Thürkow zuckte die Achseln.

    »Der Grund dafür, dass wir Ihre Abteilung verständigt haben, ist, dass es sich bei dem, was sich hier abgespielt hat, wahrscheinlich um eine Auseinandersetzung im Bereich der organisierten Kriminalität handelt.«

    »Ein Bandenkrieg?« Roy hob skeptisch die Augenbrauen.

    Durch unsere Informanten hatten wir keinerlei Informationen, die so etwas erwarten ließen. Aber das musste nichts heißen.

    »Es hat eine größere Detonation gegeben. Die wenigen Zeugenaussagen, die meine Kollegen bis jetzt aufgenommen haben, sind ziemlich wirr«, berichtete Kommissar Thürkow.

    »Aber es steht wohl fest, dass in dem ausgebrannten Lieferwagen eine Mannschaft von vier oder fünf schwer bewaffneten Typen saß. Sie sind herausgesprungen und hatten es auf den Fahrer des schwarzen Mitsubishi abgesehen.«

    »Und der hat sich gewehrt«, stellte Roy fest.

    Thürkow nickte.

    »Der war auf einen Angriff gut vorbereitet. Aber offenbar nicht gut genug ...« Thürkow führte uns zu einem Toten, der durch zwei Treffer hingestreckt worden war. »Der Mann hat zwei Pässe bei sich. Einer lautet auf den Namen Lothar Grünhaus, bei dem anderen handelt es sich um einen belgischen Pass auf den Namen Peter Vanderbeek.«

    »Hatte der Mann ein Handy bei sich?«, fragte ich.

    Thürkow nickte. »Haben wir sichergestellt.«

    »Wenn an der Position dieses Mannes nichts verändert wurde, dann ist er nicht vom Lieferwagen aus erschossen worden«, stellte ich fest.

    Thürkow bestätigte das.

    »Die Ballistiker haben da noch ein paar Rätsel zu knacken. Aber was den Lieferwagen angeht ... Der wurde gestern von seinem Besitzer als gestohlen gemeldet.«

    Roy sah sich die Toten an, die um den Lieferwagen herumlagen. Manche waren bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.

    »Einer der Kerle rannte brennend auf die Rubbertstraße«, berichtete Thürkow. »Die Schmerzen müssen ihm nahezu den Verstand geraubt haben. Ein LKW erfasste ihn tödlich.«

    Ich deutete auf ein Cabriolet, dass nur wenige Meter von dem schwarzen Mitsubishi entfernt wie abgestellt dastand. Mitten auf der Fahrbahn.

    »Was ist das da für ein Fahrzeug?«

    »Wissen wir nicht, aber da kümmern wir uns noch drum.«

    3

    »Verdammt, wohin fährst du denn, Bruno?«, rief die junge Frau. Der Fahrtwind wirbelte ihr blondes Haar ziemlich durcheinander. Sie klammerte sich mit der Rechten an Brunos Rücken, während sich die Linke um den Griff des schmalen Diplomatenkoffers krallte. Der Koffer war zwischen ihr und Bruno eingeklemmt. Er enthielt alles, worauf es ankam.

    Hoffentlich ...

    Bruno gab ihr keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er sie nicht einmal verstanden. Der Fahrtwind und der Verkehrslärm verschluckte alles. Gerade waren sie auf der Nordseite von Hamburg-Mitte gekommen. Die Straße machte eine Art Schleife, bevor sie sich quer durch Hamburg zog.

    Bruno nahm die nächste Abfahrt nach Veddel und hielt sich dann in Richtung der Hafenanlagen und Piers. Auf einem Parkplatz bog er ab und brachte die Maschine dann mit einer Vollbremsung zum Stehen. Das Hinterrad der Kawasaki brach leicht aus, aber Bruno hatte die Maschine im Griff.

    Das hatte er auf dem Höllenslalom bewiesen, der hinter ihnen lag. An der Ecke Vogeldeichstraße/Rubbertstraße war es wirklich brenzlig gewesen. Bruno war mit geradezu halsbrecherischer Geschwindigkeit zwischen den eingekeilten Fahrzeugen hergefahren. Die junge Frau schauderte noch immer allein bei dem Gedanken.

    Sie stieg von der Maschine. Den Koffer behielt sie in der Hand. Die leichte Windjacke, die sie trug, wurde von der Schalldämpfer-Pistole ziemlich ausgebeult. Sie strich sich das Haar einigermaßen glatt.

    »Du musst verrückt geworden sein, Bruno!«, stieß sie hervor.

    Bruno nahm den Helm vom Kopf.

    Er hatte ein kantiges Gesicht mit sehr großporiger Haut. Die Nase sah aus, als wäre sie irgendwann einmal gebrochen worden.

    Er sah sie kalt an.

    »Was regst du dich so auf, Viola? Bis jetzt ist doch alles glatt gegangen.«

    »Glatt gegangen, nennst du das?« Viola atmete tief durch.

    Bruno deutete auf den Koffer.

    »Ich will hineinsehen!«

    Viola zögerte. In der nächsten Sekunde griff Bruno unter seine Lederjacke. Blitzartig riss er einen kurzläufigen Revolver hervor. Die Mündung zeigte auf Violas Stirn. Viola erstarrte.

    »Nun mach schon!«, zischte Bruno. »Öffne den Koffer!«

    Violas Gesicht blieb regungslos.

    »Was soll schon drin sein? Eine Million Dollar in gebrauchten Scheinen natürlich.«

    »Ich will es sehen.«

    Viola öffnete vorsichtig den Koffer. Bruno starrte auf die Bündel mit Geldnoten. Viola klappte den Koffer wieder zu. Bruno nahm ihn mit der Linken an sich.

    »Ich wusste, dass dieser Augenblick irgendwann kommen würde«, meinte er.

    »Ich dachte ...«

    »… dass wir Partner sind?« Bruno lachte heiser. Er stellte den Koffer auf den Boden.

    »Du bist ein Schwein«, sagte Viola.

    »Ein anderer wäre wohl kaum der Richtige für diesen Job gewesen.«

    Er streckte die Linke aus, während er mit der Rechten weiterhin die Waffe auf Viola richtete. »Gib mir die Automatik, die du unter der Jacke trägst! Ich will kein Risiko eingehen.«

    »Was hast du vor, Bruno?«

    Er blieb ihr die Antwort schuldig. Zögernd holte sie ihre Waffe unter der Windjacke hervor.

    »Mit zwei Fingern!«, mahnte Bruno.

    Er trat auf sie zu, näherte sich ihr bis auf einen Schritt. Seine Linke riss ihr dann die Waffe förmlich aus der Hand. Eine Sekunde lang hatte Viola überlegt, sich zu wehren, aber dann entschied sie, dass es zu riskant war. Bruno war ein guter Schütze. Und auf die geringe Entfernung war jeder Schuss, den er abgab tödlich.

    Bruno verzog das Gesicht. Er hob die Linke, richtete den Schalldämpfer der Automatik auf Violas Kopf und drückte ab. Die junge Frau taumelte getroffen zurück. Sie zuckte noch einmal und ging dann zu Boden.

    Bruno atmete tief durch.

    »Sorry, Baby, aber für dich war kein Platz mehr in diesem Spiel«, murmelte er halblaut vor sich hin. Er steckte den kurzläufigen Revolver in die Jackentasche. Dann wischte er mit einem Taschentuch eventuell vorhandene Fingerabdrücke von der Automatik, die er Viola abgenommen hatte.

    Bruno trat auf die Tote zu, ging in die Hocke und legte ihr die Waffe in die Hand. Anschließend setzte er die Mündung des Schalldämpfers genau dorthin, wo er Viola getroffen hatte.

    Auf der rechten Stirnseite war die Kugel eingeschlagen. Mit dem Finger der Toten zog er den Stecher zurück und drückte ab.

    Bis die Cops herausgefunden hatten, dass dies kein Selbstmord gewesen war, würde einige Zeit vergehen.

    Bruno drehte die Tote herum. Die Kugel war hinten aus dem Schädel wieder ausgetreten und hatte sich in den weichen Schotter hineingefressen. Bruno grub das Projektil aus und steckte es ein. Dann legte er Viola wieder so hin, wie sie gefallen war.

    Er stand auf.

    »Tschüss, Kleine! Hat Spaß gemacht, mit dir Geschäfte zu machen!«

    Bruno drehte sich herum. Er klemmte sich den Geldkoffer hinten auf seine Kawasaki. Eine Million in gebrauchten Scheinen. Geld, so weiß, wie es niemand hätte waschen können.

    Bruno lächelte kalt.

    Ausgesorgt, dachte er.

    4

    Am späten Nachmittag hatten wir die Identität des toten Mitsubishi-Fahrers. Sein wahrer Name war Dario Brandhorst. Er hatte acht Jahre wegen Totschlags im Gefängnis gesessen. Nach der Entlassung war er untergetaucht, hatte vermutlich als Lohnkiller für die Unterwelt gearbeitet. Jedenfalls hatte er in einem Fall Fingerabdrücke und eine Zigarettenkippe hinterlassen. Später war er cleverer gewesen. Seine Spur hatte sich verloren und war auch durch sorgfältige Analyse der Arbeitsweise kaum noch identifizierbar.

    Leider.

    Auf die genaue Analyse des wahrscheinlichen Tathergangs durch unsere Innendienstler mussten wir wohl noch etwas warten. Der Fall war kompliziert. Wir hofften aber, dass die Kollegen am nächsten Morgen soweit waren. Dann lag auch sicher ein ballistischer Bericht vor. Und vielleicht war es bis dahin sogar gelungen, einige der Bewaffneten zu identifizieren, die sich im Lieferwagen befunden hatten.

    Auch das konnte sich schwieriger gestalten.

    Die Explosion hatte dafür gesorgt, dass nicht mehr von allen Toten Fingerabdrücke genommen werden konnten, mit denen unser computergestütztes automatisches Identifizierungssystem für Fingerabdrücke etwas anfangen konnte.

    Unsere Kollegen hatten Dutzende von Wagennummern notiert, um mögliche Zeugen auch noch später identifizieren und vernehmen zu können. Die Zeugenvernehmungen am Tatort hatten bislang nur ein diffuses Bild ergeben. In mehreren Aussagen war allerdings von einem Motorradfahrer die Rede, der ziemlich rücksichtslos durch das Chaos hindurch gesteuert sein musste - mit einer jungen Blondine auf dem Rücksitz.

    Ein Zeuge - selbst Motorradfan - meinte sich zu erinnern, dass es sich um eine Kawasaki gehandelt hatte. Ob der Kawasaki-Fahrer und seine schöne Beifahrerin irgendetwas mit dem Fall zu tun hatte, war noch nicht ganz klar.

    Blieb noch das Handy des Ermordeten.

    Brandhorst erwies sich selbst bei dessen Benutzung als Profi. Er hatte keine Telefonkartei im Menü angelegt. Alles, was wir hatten, waren die jeweils letzten zehn angenommenen und selbst gewählten Gespräche, deren Zeitpunkt, Dauer und Kosten.

    Bei selbst gewählten Gesprächen hatte Brandhorst es wiederum mit einem Trick geschafft, die Spuren zu verwischen. Sämtliche Verbindungen waren über einen dubiosen Vermittlungsservice gegangen, so dass immer nur dessen Nummer im Menü auftauchte und nicht die des Gesprächspartners. Bis wir die vollständige Liste der Verbindungen hatten, konnten ein oder zwei Tage vergehen. Blieben die angenommenen Gespräche. Die meisten waren von Telefonzellen oder aus Lokalen geführt worden.

    Mit zwei Ausnahmen.

    Es hatte zwei kurze Anrufe eines gewissen Mark Vorrell gegeben. Der erste am gestrigen Abend, gegen 20.00 Uhr, der zweite ungefähr eine Stunde bevor an der Ecke Vogeldeichstraße/Rubbertstraße die Hölle losbrach.

    Roy pfiff durch Zähne, als Mark Vorrells Bild auf dem Computerschirm erschien, den wir in unserem Dienstzimmer stehen hatten.

    »Ein alter Bekannter«, meinte er.

    »Kann man wohl sagen, Roy ...«

    Wir überflogen die Angaben, die neben dem Foto fein säuberlich aufgelistet waren. Mark Vorrell, geboren am 24.2.1980, in der Computer-Hacker-Szene bekannt unter dem Pseudonym 'Big-Byte'. Seine Leidenschaft für den Rechner hatte ihm schon so manche Schwierigkeiten eingebrockt, inklusive einer Bewährungsstrafe. Mit 19 war er dadurch aufgefallen, dass er es geschafft hatte, sich in die Datenverbundsysteme der Kriminalpolizei einzuhacken. Wir konnten von Glück sagen, es damals offensichtlich nur mit einem Spaßvogel zu tun gehabt zu haben. Mark 'Big-Byte' Vorrell hatte sämtliche Gesichter der auf unseren Internetseiten zur Fahndung ausgeschriebenen Kriminellen durch die Köpfe von Micky Maus und Donald Duck ersetzt.

    Es hatte Ende der Neunziger eine ganze Reihe solcher »Spaß»-Attacken auf die Rechner von dem Landeskriminalamt und Bundeskriminalamt gegeben. Inzwischen arbeitete so mancher dieser Cyber-Punks für uns und half die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern.

    'Big-Byte' Vorrell gehörte nicht dazu.

    Wir hatten lange nichts von ihm gehört.

    Seine Bewährung war vor einem Jahr abgelaufen, so dass er sich auch nicht mehr regelmäßig bei den Behörden zu melden hatte.

    Roy Müller machte ein etwas ratloses Gesicht.

    »Jemand wie 'Big-Byte' ist eigentlich nicht unbedingt der typische Auftraggeber für einen Profikiller vom Schlag eines Dario Brandhorsts«, meinte er.

    Ich konnte ihm da nur zustimmen.

    »Tatsache ist, dass die beiden relativ kurz vor Brandhorsts Tod miteinander telefoniert haben«, wandte ich ein. Und damit war 'Big-Byte' zumindest ein wichtiger Zeuge.

    Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis wir per Computerrecherche 'Big-Bytes' neue Adresse heraus hatten.

    Offenbar war der junge Meister-Hacker in letzter Zeit des Öfteren umgezogen. Selbst eine Anfrage bei seiner Telefongesellschaft führte uns zunächst in die Irre.

    Wir stärkten uns noch mit einem faden Automatenkaffee. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs und nebenbei berühmteste Kaffee-Kocherin im ganzen Gebäude, feierte an diesem Tag nämlich ein paar ihrer unzähligen Überstunden ab. So mussten wir uns mit der Automatenbrühe zufrieden geben.

    »Ich hoffe, da ist wenigstens ein bisschen Koffein drin«, meinte Roy und verzog dabei das Gesicht.

    Ich grinste.

    »Da bekommst du bestimmt nicht mehr Koffein mit, als wenn du einmal an einer Cola-Flasche riechst!«

    »Sehr witzig, Uwe!«

    Zehn Minuten später quälten wir uns mit dem Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft der Kriminalpolizei Hamburg zur Verfügung stellte, durch den Berufsverkehr von Hamburg.

    Unseren Recherchen nach hatte sich Mark 'Big-Byte' Vorrells Wohnsituation von Umzug zu Umzug stark verbessert. Als er unsere Internet-Seite auf den Kopf stellte, hatte er noch in einer miesen Gegend in Wandsbek gewohnt, jetzt residierte er in einem luxuriösen Penthouse Ecke Baumkampweg am Stadtpark. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hier extrem. Zumindest für deutsche Verhältnisse. Security-Leute patrouillierten mit grimmigen Gesichtern in den Korridoren. Kameras machten Videoaufzeichnungen.

    Ein Metalldetektor am Portal verhinderte, dass irgendjemand, der dazu nicht autorisiert war, bewaffnet in das Gebäude gelangen konnte. Security-Leute beobachteten Neuankömmlinge aus einem transparenten Kubus heraus, der aus ultrahartem Panzerglas bestand. Im Inneren dieses Glaswürfels befand sich ein Büro. Ein Monitor stand neben dem anderen. Von hier aus wurden die Videoaufzeichnungen kontrolliert. Besucher mussten sich anmelden und ausweisen.

    Der Metalldetektor machte sich bemerkbar, als wir eintraten.

    Die aufgeregten Gesichter der Security-Männer entspannten sich etwas, als wir ihnen unsere Ausweise entgegen hielten.

    Roy Müller raunte mir zu: »Tja, wenn einem Sicherheit wichtig ist!«

    »Eigentlich traurig, dass Leute glauben, dass so etwas nötig ist«, gab ich zurück.

    »Da sagst du was.«

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