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Hamburger Mordquartett: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 25
Hamburger Mordquartett: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 25
Hamburger Mordquartett: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 25
eBook325 Seiten3 Stunden

Hamburger Mordquartett: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 25

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und die mörderische Abteilung:
Auf dem Weg zur Dienststelle werden die Kommissare Uwe Jörgensen und Roy Müller mit einem Mord an einen Ex-Kollegen konfrontiert. Während der Besprechung mit ihrem Chef Herrn Bock erfahren sie von weiteren Morden an Ex-Kommissaren. Alle Opfer haben eines gemeinsam: Sie waren Mitglieder der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität ...

Kommissar Jörgensen und der Vierfachmörder:
Am Freitag dem Dreizehnten wurden in Hamburg an verschiedenen Orten in einer einzigen Nacht vier Männer ermordet - alle mit derselben Tatwaffe. Was verbindet diese vier Opfer? Was hat den Killer dazu getrieben, diese Männer zu töten, und das genau an diesem Tag?
Dieser Fall gibt den Kommissaren Jörgensen und Müller Rätsel auf, die schnellstens gelöst werden müssen. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie auf einen jungen Mann, den man für den Mörder hält ...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum24. Juli 2022
ISBN9783753299822
Hamburger Mordquartett: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 25

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    Buchvorschau

    Hamburger Mordquartett - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und die mörderische Abteilung

    von Alfred Bekker

    1

    Ich öffnete den Kofferraum. Da lagen fein säuberlich abgepackte Päckchen mit einem weißen Pulver darin. Sah aus wie Puderzucker. War aber Kokain. Der ganze Kofferraum voll.

    Ich wandte mich an Mesut Ibraimow.

    Er gehörte zur Tschetschenen-Mafia, die sich in den letzten Jahren im Hamburger Milieu wie eine Pest ausgebreitet hat.

    Ich bin Uwe Jörgensen, Kriminalhauptkommissar bei der ‘Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes’ in Hamburg. Zusammen mit meinem Kollegen Kriminalhauptkommissar Roy Müller, unserem Chef Kriminaldirektor Bock und all den anderen, die mit uns zusammenarbeiten, ermitteln wir vornehmlich im Bereich der organisierten Kriminalität.

    Und dies war ein verdeckter Einsatz.

    Undercover sozusagen.

    Roy und ich hatten die Rolle von Drogenhändlern angenommen.

    Und jetzt sollte unserer erster größerer Deal über die Bühne gehen, der gleichzeitig dazu führen sollte, dass Mesut Ibraimov endlich das Handwerk gelegt werden konnte.

    Denn bislang war noch jemand so richtig an ihn herangekommen.

    Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen, heißt es. Und das ist leider allzu oft wahr. An die großen Bosse kommt man deswegen so selten heran, weil die Drecksarbeit meistens vom Fußvolk der Mafia-Organisationen gemacht wird. Und die Chefs halten sich schön raus. Jeder weiß, dass sie mit drinstecken und auch das meiste an diesen krummen Geschäften verdienen. Jeder weiß das, aber juristisch hat man meistens keine direkte Handhabe.

    Die sorgen schon dafür, dass sie sich selbst nicht die Hände schmutzig machen.

    Aber es gab eben auch manche Dinge, die sie nicht anderen überlassen konnten.

    Sehr wichtige Geschäfte zum Beispiel. Insbesondere dann, wenn es darum ging, das Vertrauen neuer Geschäftspartner zu erwerben. Und da hatten wir uns eingeklinkt.

    Mesut Ibraimov war unser Mittelsmann zu einer Drogen-Connection, über die Drogen aus Tschetschenien und Afghanistan nach Skandinavien gingen.

    Der Schmuggel ging über einen Schlepper, der eigentlich die Elbe hochfuhr, um einen Containerfrachter in den Hamburger Hafen zu ziehen. Auf dem Weg dorthin nahm er die Drogen mit und übergab die Ladung an einen anderen Frachter, der in der Deutschen Bucht auf ihn wartete und dessen Ziel Oslo war.

    Die Drogen, die mein Kollege Roy Müller und ih im Kofferraum hatten, stammten aus beschlagnahmten Beständen, die auf diese Weise nochmal einem sinnvollen Gebrauch zugeführt wurden.

    Mesut Ibraimov war mit drei Leibwächtern und einer Protzlimousine angereist. Er sah sich den Stoff in unserem Kofferraum an.

    »Muss ich den erst selbst überprüfen?«, fragte er.

    »Musst du nicht«, sagte ich. »Die Qualität ist 1A.«

    »Na gut. Wenn sich was anderes herrausstellen sollte, bist du tot, das weißt du.«

    »Ich halte, was ich verspreche«, sagte ich.

    »Also, der Schlepper wird hier gleich anlegen… Kann sich nur noch um Minuten handeln. Einer meiner Leute hat mir gerade bescheid gegeben. Er hat im Hamburger Hafen abgelegt und müsste hier gleich auftauchen.«

    Er deutete mehrfach Richtung Elbe, während er das sagte.

    Es kam ein Schlepper.

    Aber von der falschen Seite. Er kam von der Nordsee her und hatte einen ganzen Schwarm Möwen mitgebracht, die ihm folgten und über ihm kreisten. Der Schlepper zog ein großes Containerschiff hinter sich her. Signalhörner ertönten.

    »Es ist Flut«, sagte Ibraimov. »Dann brauchen Schlepper, die rausfahren länger. Die müssen ja gegen das kommende Wasser anfahren.«

    »So viel Zeit haben wir«, versicherte ich.

    »Immer mit der Ruhe. Wird schon alles gut über die Bühne gehen. Und wenn nicht…«

    »Was dann?«, fragte ich.

    Er grinste. »Dann bist du tot.« Er wandte sich an Roy Müller. »Und du auch.«

    Roy Müller lachte. »Aber du bist dann vielleicht auch tot!«, meinte er.

    Eine Bemerkung, die Ibraimov nicht gefiel.

    Er quittierte sie mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck und einer tiefen Furche, die plötzlich mitten auf seiner Stirn erschien. Wirkt fast so, als wäre in seinem Schädel plötzlich der Blitz eingeschlagen.

    Ich sah auf die Uhr. »Ich hoffe, der Schlepper kommt noch«, sagte ich. »Für meinen Stoff finde ich auch andere Abnehmer…«

    »Geduld«, sagte Ibraimov. »Immer mit der Ruhe…«

    *

    Natürlich wusste ich längst, dass der Schlepper kam. Die Kollegen hatten es mir über den Knopf, den ich im Ohr hatte gemeldet. War nur eine Frage der Zeit.

    Schließlich kam er auch und quälte sich gegen die Tiede.

    Wir befanden uns auf dem Gelände eines kleinen, weitgehend stillgelegten Industriehafens an der Elbe. Der war wie geschaffen für solche Deals.

    Der Schlepper kam, legte an. Und ein paar Leute mit Koffern kamen an Land.

    Koffer und Uzi-Mpis.

    In den Koffern war das Geld, wie ich annahm.

    Und die Uzis waren für den Fall, dass irgendwas schief ging.

    Tja, was soll ich sagen? Es ging was schief.

    Wie hätte es auch anders sein können.

    Einer der Kerle - ein Mann mit einem schwarzen Bart und schwarzem, gegeltem Haar sah mich an und estartte.

    »Ey Mann, dich kenne ich doch!«

    Leider hatte er recht.

    Wir kannten uns wirklich, auch wenn es schon lange her war.

    Ich hatte ihn mal in den Knast gebracht.

    Seitdem hatte ich ihn nicht wiedergesehen.

    Nach seiner Haftentlassung hatte er sich offenbar in Hamburg nicht mehr blicken lassen, was auch ganz bestimmt besser so gewesen war.

    Und jetzt standen wir uns wieder gegenüber.

    Das war nicht unbedingt ein günstiger Moment für so ein Wiedersehen - mal abgesehen davon, dass unsere gegenseitige Sehnsucht ohnehin ziemlich begrenzt war.

    Er griff zu seiner Uzi und ballerte sofort in meine Richtung.

    Und dann brach die Hölle los.

    Ich spürte, wie die Kugeln in meinen Oberkörper einschlugen und die Kleidung aufrissen. Während ich nach hinten gerissen wurde, griff ich zur eigenen Waffe und feuerte zurück. Ich trug am ganzen Körper Kevlar unter der Kleidung. Da sieht man zwar etwas fetter mit aus, als man in Wirklichkeit ist,aber es gehört einfach bei so einer Sache zu den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.

    Ich feuerte zurück.

    Aber nicht nur ich. Auch die Kollegen, die versteckt in den alten Industrieanlagen gewartet hatten und jetzt aus der Deckung kamen.

    Das ganze Gefecht dauerte kaum länger als eine halbe Minute.

    Dann waren eine Menge Leute tot.

    *

    »Sie beide haben großes Glück gehabt, dass Sie jetzt noch lebend hier sitzen«, sagte Kriminaldirektor Bock, als Roy und ich uns später im Besprechungszimmer unseres Chefs einfanden.

    »Wir hätten das wirklich gerne vermieden«, sagte ich. »Aber das war leider nicht möglich.«

    »Ich weiß«, sagte Herr Bock.

    »Der Kerl hat mich wiedererkannt und dann ist bei ihm eine Sicherung durchgebrannt.«

    »Wir hätten Sie nie für diesen Einsatz einteilen dürfen!«, meinte Herr Bock.

    »Das weiß man hinterher.«

    »Glücklicherweise sind Sie beide mit dem Leben davongekommen.«

    Unsere Gegner hatten weniger Glück gehabt. Die Leute, die wir eigentlich hatten verhaften wollen, waren alle tot.

    Und in der Presse war jetzt von einem Massaker die Rede.

    »Nehmen Sie beide sich ein paar freie Tage«, schlug Herr Bock vor. »Und ich hoffe, dass Sie mir dann für den nächsten Fall wieder voll zur Verfügung stehen.«

    »Überstunden haben wir ja noch genug«, lautete der Kommentar meines Kollegen Roy Müller dazu - womit er zweifellos recht hatte.

    *

    Einige Tage später…

    Das Motorboot hob sich am Bug aus dem Wasser, während es beschleunigte. Robert Meuser grinste, während er das Steuer herumriss.

    »Na, was sagst du, Björn?«, rief er dem Mann neben ihm zu, der alle Mühe hatte, sich gut genug festzuhalten. »Habe ich zu viel versprochen?«

    »Allein von der Pension eines Polizisten kann man sich so ein Boot aber nicht leisten«, gab Björn zurück.

    »Darauf bin ich glücklicherweise nicht angewiesen«, rief Meuser. »Hamburg wird von Geizkrägen regiert, die kein Verständnis für ihre Polizisten haben. Und davon abgesehen ist das Wetter schlecht.«

    »Dafür bist du aber lange dort geblieben, Robert!«

    »Kann ich im Nachhinein kaum noch nachvollziehen!«

    Das Boot fuhr jetzt auf die Küste zu. Die Silhouette von Cuxhaven breitete sich vor ihnen aus. In rasender Geschwindigkeit näherten sie sich dem Yachthafen. Eine gewaltige Bugwelle schäumte hinter ihnen her.

    Plötzlich tanzte der zitternde rote Lichtpunkt eines Laserpointers auf Meusers Stirn.

    »Vorsicht!«, rief Björn.

    Aber es war schon zu spät. Man hörte den Schuss nicht.

    2

    Ein Ruck ging durch Meusers Körper, als die Kugel in seine Stirn eindrang und am Hinterkopf wieder austrat und dort eine klaffende Austrittswunde in die Schädeldecke riss.

    Meuser ließ das Steuerrad des Motorbootes los, taumelte einen Schritt zurück und schlug dann zu Boden. Das austretende Blut wurde durch die hereinspritzende Gischt verdünnt. Björn duckte sich, denn er sah noch immer den Laserstrahl des Zielerfassungsgerätes durch die Luft tanzen und mal hier und mal dort auf der weißen, glatten Polyesteroberfläche auftauchen. Das Boot raste inzwischen weiter vorwärts.

    Es dauerte nur Augenblicke, dann krachte es mit voller Wucht gegen einen Bootssteg des Yachthafens. Der ohnehin schon stark aus dem Wasser gehobene Bootsrumpf rutschte über den Steg hinüber - geradewegs in eine dort vertäute Yacht hinein. Der Bug des Motorbootes rammte die Yacht, drückte deren Außenhaut ein und bohrte sich regelrecht fest. Der Motor heulte auf, klang jetzt tiefer und machte schließlich gurgelnde Geräusche, als sich die Schraube in das Holz des Bootsstegs hineinfraß. Der Motor verreckte.

    Björn wurde unterdessen mit dem Kopf gegen eine harte Kante geschleudert. Alles drehte sich vor seinen Augen. Er sackte in sich zusammen und verlor das Bewusstsein.

    »Hilmar Sanders, Cuxhavener Polizei.« Das waren die ersten Worte, die dann irgendwann, sehr viel später in sein Bewusstsein drangen. Björn öffnete die Augen.

    »Sie sind Björn Arthur Fischer?«

    »Was?«, murmelte Björn, noch ehe er überhaupt die Augen geöffnet hatte. Und er hatte auch keine Eile damit, denn irgendwie hatte Björn das Gefühl, das alles, was er jetzt vielleicht zu sehen bekommen konnte, auf die eine oder andere Art unerfreulich war.

    »Dieser Name steht in dem Führerschein, der bei Ihnen gefunden wurde«, sagte die Stimme, die sich als Hilmar Sanders vorgestellt hatte.

    Björn öffnete jetzt die Augen und sah einen kleinen, rundlichen Mann in einem viel zu engen und vor allem völlig zerknitterten Anzug. Die Dienstmarke trug er deutlich sichtbar an der Jacke, die weit genug offen stand, um sehen zu können, dass Sanders Gürtel und Hosenträger trug.

    Ein Mann, der auf Sicherheit Wert legt, dachte Björn.

    »Sie haben Glück gehabt, Herr Fischer«, erklärte Sanders. »Die Ärzte sagen, Sie würden keine ernsthaften Schäden davontragen.«

    »Na, das ist doch wenigstens mal eine gute Nachricht«, murmelte Björn.

    »Herr Fischer, haben Sie irgendeine Ahnung, wer auf Herr Meuser und Sie geschossen haben könnte?«

    »Auf mich?«

    »Wir haben ein zweites Projektil gefunden, bei dem wir davon ausgehen, dass es Sie verfehlt hat, Herr Fischer.«

    »Kann ich mir - ehrlich gesagt - nicht vorstellen«, murmelte Björn.

    »Dann wollen Sie damit sagen, dass beide Schüsse für Herrn Meuser bestimmt waren?«

    »Sie fragen mich Sachen … Scheiße, woher soll ich das wissen? Ich habe Robert längere Zeit nicht gesehen, und er wollte mir sein Boot zeigen.«

    »Sie sind für uns der wichtigste Zeuge, Herr Fischer. Ich möchte Sie also bitten, sich trotz der Kopfschmerzen, die Sie im Moment zweifellos haben, sich Mühe zu geben und uns weiterzuhelfen. Jede noch so unwichtig erscheinende Einzelheit kann unter Umständen für uns sehr entscheidend sein…«

    Ja, dachte Björn traurig. Und er erinnerte sich daran, wie er selbst diese Sätze so oft gesagt hatte. Damals, in Hamburg, als Meuser noch sein Chef gewesen war und sie als Teil der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität dem Verbrechen in Hamburg die Stirn geboten hatten.

    »Ist Irene schon informiert?«, fragte Björn unvermittelt.

    »Sie meinen die Witwe?«

    »Ja.«

    »Natürlich. Sie weiß Bescheid.«

    3

    In der Nähe von Brunsbüttel - zwei Wochen später…

    Möwen kreisten über dem Wasser. Der Wind riss an den Kleidern der beiden Männer, die auf der Terrasse des kleinen Sandsteinhauses standen.

    Bert Danneberg sog die frische Luft ein. Das schüttere Haar wirbelte zur anderen Seite, als er nur ein bisschen den Kopf dreht.

    »Dieser Blick ist unbezahlbar!«, meinte er. »Und was ganz anderes als die Abgase in Hamburg Mitte, was, Björn?«

    »Hast du eigentlich gar nichts davon mitgekriegt, was mit dem Chef passiert ist?«

    »Du meinst Meuser?«

    »Natürlich meine ich den - nicht die Flasche, die man uns damals in den letzten zwei Monaten vor die Nase gesetzt hat, die unsere Einheit noch existiert hat, nachdem … du weißt schon!«

    Bert Dannebergs Gesicht wurde sehr ernst. Tiefe Furchen bildeten sich auf der Stirn und an den Mundwinkeln. Er sah Björn an.

    »Natürlich habe ich gehört, was mit Robert passiert ist. Böse Sache. Man sollte eben wissen, wann man aufhört.«

    »Wieso warst du nicht auf der Beerdigung?«

    »Hätte das etwas geändert?«

    »Ich finde, du hättest dort sein sollen.«

    »Ich hab Robert schon vor Jahren gesagt, er soll aufhören. Man muss wissen, wann man genug hat - und seien wir mal ehrlich, Robert wusste es nie. Er hat es immer übertrieben, ist immer bis an die Grenzen gegangen und oft genug darüber hinaus.«

    »Und was soll jetzt das Gerede? Er war unser Chef - unser Freund. Er hätte alles für dich getan, Bert, und vielleicht denkst du mal daran, aus welcher Scheiße er dich früher so ab und und zu herausgeholt hat!«

    Bert Dannebergs Zeigefinger ging hoch wie ein Klappmesser, als er ihn seinem Gegenüber unter die Nase hielt.

    »Okay, Björn, es geht mir verdammt nahe, dass der Chef eine Kugel in den Kopf gekriegt hat. Aber das kann doch niemanden wirklich überraschen. Ich habe ihn schon vor Jahren gewarnt, aber der gierige Hund konnte den Hals nicht voll kriegen. Stattdessen hätte er es wie ich machen sollen: Die Vergangenheit ruhen lassen und das schöne Leben genießen!«

    »Bei dir hört sich das fast so an, als wäre er selbst Schuld dran, dass er abgeknallt wurde«, meinte Björn - und der Vorwurf, der in seinen Worten mitschwang, war nicht zu überhören.

    Bert Danneberg nickte.

    »Ja, genau so ist es auch! Weißt du nämlich wie das kommt, dass man plötzlich ein Stück Blei in den Kopf kriegt? Wenn man sich mit den falschen Typen trifft und nicht damit aufhören kann, mit ihnen die falschen Geschäfte zu machen! So ist das nämlich. Es tut mir leid für seine Witwe. Irene hat eine Menge mit ihm aushalten müssen. Aber niemand kann von mir verlangen, dass ich mir auch noch mitansehe, wie sich jemand selbst zugrunde richtet, den ich mal sehr geschätzt habe!«

    »Der Chef war für uns alle ein Vorbild.«

    »Für dich irgendwann nicht mehr, Björn.«

    »Ach, nein?«

    »Das hat schon aufgehört, als wir alle noch im Dienst waren und dafür gesorgt haben, dass in Hamburg die Straßen sauber blieben. So einigermaßen jedenfalls.«

    »Na dann …«

    Keiner der beiden Männer sah den roten Laserpunkt. Er markierte zitternd eine bestimmte Stelle auf Bert Dannebergs Rücken. Ziemlich genau in Herzhöhe kam der Punkt beinahe völlig zur Ruhe. Der Schuss, der dann folgte, war nicht zu hören. Die Kugel durchschlug Bert Dannebergs Körper von hinten und trat aus der Brust wieder aus. Blut spritzte auf und färbte Björns Hemd rot. Er wirbelte herum, aber noch ehe er sich zu Boden werfen konnte, traf auch ihn ein Schuss. Die Kugel erwischte ihn am Kopf. Björn taumelte einen Schritt zurück und schlug dann der Länge nach hin.

    Dann waren da für lange Stunden nur ein Haus, dessen Terrassentür offen stand, das Meer und zwei Tote. Als der Wind sich nach ein paar Stunden etwas drehte, ließ er die Terrassentür immer wieder geräuschvoll zuklappen.

    4

    Als ich Roy an diesem Morgen an der bekannten Ecke abholte, unterdrückte er ein Gähnen. Wir waren beide ziemlich müde, weil die Nacht kurz gewesen war. Normalerweise hat das dann mit den Besonderheiten unseres Jobs zu tun. Die Gangster richten sich nun mal nicht nach den Bürozeiten von Kriminalbeamten. Ganz im Gegenteil. Drogengeschäfte im Morgengrauen, bei denen wir dann endlich jemanden in flagranti erwischen und verhaften können oder langwierige Rund-um-die-Uhr Observationen gehören eben dazu.

    Aber heute hatte unser Schlafmangel nur einen privaten Grund. Wir hatten uns einen Schwergewichtsboxkampf in der Optics-Arena angesehen und waren anschließend noch in charmanter Begleitung ausgegangen. So was kommt selten genug vor, umso mehr muss man es genießen.

    Wir gerieten auf dem Ring in einen Stau. Es dauerte nicht lange, und es herrschte völliger Stillstand. Es ging wieder vor noch zurück.

    »Wenigstens haben wir gegenüber Herrn Bock jetzt eine Ausrede, wenn wir unpünktlich sind«, meinte Roy.

    Ich warf einen kurzen Blick zur Uhr.

    »Wenn wir dieses flotte Null-Tempo noch eine Weile beibehalten, wird es wohl auf mehr als nur ein bisschen Unpünktlichkeit hinauslaufen.«

    »Beruhige dich, Uwe! Wir sind alle Hamburger. Auch Herr Bock. Und jeder, der hier in Hamburg lebt, weiß doch, wie das manchmal auf den Straßen zugeht.«

    Wir warteten fünf Minuten, zehn Minuten. In den Radionachrichten wurde über diese Verkehrsbehinderung nichts gesagt. Roy aktivierte den TFT-Bildschirm unsres Bordrechners, um Näheres zu erfahren. Es dauerte nicht lange, und wir wussten Bescheid. Über das Datenverbundsystem SIS meldete die Polizei einen Mord an einer Fußgängerampel. Ein Mann war auf offener Straße erschossen worden. Die Hintergründe waren natürlich noch unbekannt.

    »Das ist auf der Höhe Kreuzung Ohlsdorfer Straße und Ring 2«, stellte Roy fest.

    »Rutsch du ans Steuer, Roy - für den Fall, dass es hier irgendwann doch noch weitergeht«, sagte ich und öffnete die Tür.

    »Was hast du vor?«

    »Sehen, was los ist?«

    »Das bekommen wir sowieso mit!« Roy deutete auf den Bildschirm unseres Bordrechners.

    »Ja, aber ich bin neugierig!«

    Ich schlug die Tür zu und ging zwischen den stehenden Fahrzeugen her. Hier und da waren bereits die ersten Insassen ausgestiegen. Die meisten hatten irgendwelche Termine in der City oder mussten genau wie wir schlicht und ergreifend pünktlich beim Job erscheinen. Entsprechend gereizt hörten sich die Gesprächsfetzen an, die ich so im Vorübergehen mitbekam.

    Ich setzte zu einem kurzen Spurt an. Bis zur Kreuzung war es nicht weit. Ein Lastwagen stand quer auf der Straße. Ich las das Logo eines bekannten Getränkeherstellers. Der Anhänger war ausgebrochen und umgestürzt. Ein Dutzend weitere Fahrzeuge waren auf die eine oder andre Weise in Unfälle verwickelt, die mit diesem Fahrzeug zusammenhingen. Die Einsatzfahrzeuge der Polizei und des Notfallambulanz hatten den Ort des Geschehens über die quer durch den Stadtpark führende Otto-Wels-Straße erreichen können und dabei auf den letzten Metern die Rasenflächen überfahren. Die deutlich sichtbaren Spuren ließen keinen Zweifel daran.

    »Heh, Sie!«, rief mich ein uniformierter Kollege an, der wohl die Aufgabe hatte, Schaulustige vom Tatort fernzuhalten.

    »Jörgensen, Kriminalpolizei!«, stellte ich mich vor und hielt meinen Dienstausweis gut sichtbar hoch.

    »Sie sind schon hier, bevor man Sie gerufen hat?«, meinte der Beamte. »Alle Achtung! Unser Chef meinte nämlich eben noch, das sei ein Fall, den wir selbst übernehmen.«

    »So?«

    »Es ist einer von unseren Leuten betroffen. So viel wissen wir schon.«

    »Wer denn?«

    »Kommissar Daniel Meyerbrink. War schon pensioniert. Aber er war einer von uns und wir werden herausfinden, wer das getan hat.«

    »Was ist denn genau passiert?«

    »Vielleicht reden Sie am besten doch mit unserem Chef. Das ist Kriminalhauptkommissar Konrad Sommerfeld.«

    »Und wo finde ich den?«

    Der Beamte streckte die Hand aus und deutete auf einen Mann im hellen Mantel, korpulent, breitschultrig und mit einem Gesicht, das ausgesprochen kantig wirkte.

    Bei ihm waren mehrere Polizisten.

    »Danke«, sagte ich und ging los.

    Mir fiel auf, dass die Vorderfront des Lastwagens voller Blut war. Der Tote war wohl schon geborgen worden. Jedenfalls sah ich einen Zinksarg. Auf der Straße war ebenfalls viel Blut.

    »Wir müssen auf die Spurensicherung warten«, meinte einer der Beamten der Polizei.

    »Sie sehen doch, was hier los ist! Bis die Kollegen vom Erkennungsdienst aus St. Pauli hierher geschafft haben, reicht der

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