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Hamburger Mörderrätsel: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 46
Hamburger Mörderrätsel: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 46
Hamburger Mörderrätsel: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 46
eBook296 Seiten3 Stunden

Hamburger Mörderrätsel: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 46

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und der Tote in der Villa
Reinhardt Liermann schwimmt im Geld, seit er ein paar Enthüllungsbücher herausgebracht hat, die die Bestsellerliste anführen. Ein neues Manuskript ist bereits geschrieben, das demnächst veröffentlicht werden soll. Brisantes Material, das so einige hochrangige Personen in erhebliche Schwierigkeiten bringen könnte. Aber auch ein krimineller Bandenchef ist daran interessiert, dass Liermann sein neuestes Werk nicht auf den Markt bringt.
Als man den Autor erschossen auf seinem Grundstück findet, werden die beiden Kriminalkommissare Uwe Jörgensen und Roy Müller beauftragt, den Fall zu lösen.

Kommissar Jörgensen und Czerwinskis Verbrechen
Ein Hamburger Kommissar wird gefilmt, während er einen Mann mit seiner Dienstwaffe tötet. Dieses Video verbreitet sich schnell im Netz.
Doch ist Stefan Czerwinski wirklich der Killer?
Die Kommissare Uwe Jörgensen und Roy Müller werden zum Schein in den Urlaub geschickt, denn wenn sie dienstlich ermitteln, kann man ihnen Befangenheit nachsagen ...

SpracheDeutsch
HerausgeberYbeling Verlag
Erscheinungsdatum12. Dez. 2023
ISBN9783753299235
Hamburger Mörderrätsel: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 46

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    Buchvorschau

    Hamburger Mörderrätsel - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und der Tote in der Villa

    1

    »Hast du dir nicht auch schonmal überlegt, ob du nicht auch so eine Villa haben willst?«, fragte mich mein Kollege.

    Währenddessen zog ich meinen Ausweis und zeigte ihn dem Uniformierten Schutzpolizisten, der mithalf, die Gegend weiträumig absperren. Es durfte niemand in den abgesperrten Bereich hinein. Das war verboten. Und zwar mit gutem Grund. Man hatte eine Weltkriegsbombe gefunden, die entschärft werden musste. Die war bei Bauarbeiten zu Tage gekommen.

    Auch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg kommen diese Dinge immer noch regelmäßig an die Oberfläche. Hier in Hamburg wie auch anderswo. Dieses finstere Erbe einer finsteren Zeit, das da unter unseren Füßen immer noch schlummert, kommt eben immer wieder mal an die Oberfläche. Das Gute daran ist, dass wir daran erinnert werden, wie wichtig es ist, alles zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholt. Das Schlechte daran ist, dass dann manchmal ganze Straßenzüge regelrecht evakuiert werden müssen. Manchmal sind die Leute auch uneinsichtig. Es ist einfach zu lange her, dass sich die Menschen hierzulande daran erinnern können, wie verheerend die Wirkung solch einer Blindgänger-Bombe sein kann. Das haben viele Menschen vergessen. Und dann denken sie, dass es nichts ausmacht, wenn sie während der Entschärfung der Bombe einfach in ihren Häusern bleiben. Aber das macht durchaus einen Unterschied. Manchmal macht es den Unterschied zwischen Leben und Tod. Und von diesem Unterschied kann ja nun wirklich niemand behaupten, dass er eigentlich gar nicht wesentlich sei. Oder sind Sie da anderer Ansicht?

    Man hatte also eine Bombe gefunden.

    Aber damit nicht genug. Man hatte noch etwas anderes gefunden.

    Einen Toten.

    Und deswegen waren wir hier, mein Kollege Kriminalhauptkommissar Roy Müller und ich, Kriminalhauptkommissar Uwe Jörgensen.

    Ob wir den Fall überhaupt übernehmen würden, war noch gar nicht ausgemacht. Aber wir waren gerade verfügbar und in der Nähe gewesen. Und dann kommt man manchmal zu einem Fall wie die Jungfrau zum Kind.

    »Alles in Ordnung«, sagte der Uniformierte.

    »Gut«, sagte ich.

    Er sah sich auch den Ausweis meines Kollegen kurz an.

    Wie sagte schon Lenin? Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

    Mein Kollege und ich gingen also weiter. Ein Mann kam mir entgegen. Das war der Einsatzleiter. Er koordinierte hier alles. Ich stellte mich und meinen Begleiter kurz vor.

    »Schön, dass Sie da sind«, sagte der Einsatzleiter. »Wir haben im Keller dieser Villa nicht nur eine Bombe gefunden, sondern auch noch eine Leiche. Das hat man Ihnen am Telefon gesagt?«

    »Das hat man«, bestätigte ich.

    »Sehr schön. Die Bombe ist inzwischen unschädlich gemacht worden.«

    »Gut.«

    »Das Sprengstoff-Spezialkommando hat ganze Arbeit geleistet.«

    »Bei uns früher nicht so ein Aufhebens gemacht«, sagte ich. »Der Dorfpolizist hat die ganzen Granaten, die wir Kinder gefunden haben, in seiner Schublade gesammelt. Angeblich kannte der sich damit aus, weil er im Krieg gewesen war.«

    »Ja, das machen wir inzwischen etwas anders«, stellte der Einsatzleiter klar.

    »Ich habe damals schon als kleiner Junge gedacht: An dem Schreibtisch würde man jetzt wohl kaum ruhig arbeiten können!«

    »Der Mann, den wir gefunden haben, starb wohl auf gewaltsame Weise. Und das erst vor kurzem. Er lag in einem Kellerraum.«

    »Wer wohnt denn hier überhaupt?«, fragte ich.

    »Ein schwerhöriger Rentner, der im Rollstuhl sitzt. Der will von dem toten Mann nichts wissen.«

    Wir ließen uns in den Kellerraum führen. Ob der Tote wirklich eines gewaltsamen Todes gestorben war, würde sich wohl erst noch herausstellen müssen. Die Schlussfolgerung des Einsatzleiters war allerdings vielleicht etwas verfrüht gewesen.

    Interessant war die Identität des Toten.

    Es handelte sich nämlich um einen gesuchten Kriminellen aus dem Bandenmilieu der arabisch-türkischen Clans. Ein Libanese.

    Die Autopsie ergab ein unklares Bild. Möglich, dass er durch einen Karateschlag umgekommen war. Genauso möglich war es aber auch, dass er irgendeine Art Unfall hatte.

    Weitere Untersuchungen ergaben dann, dass er vermutlich von einer Treppe gestürzt war. An den Treppen im Haus und in den Keller gab es aber keine Spuren.

    Also mit anderen Worten: Es war ein Unfall. Der konnte sich aber nicht in dieser Villa zugetragen haben, weil die vorhandenen Treppen dazu nicht passten.

    Mein Kollege Roy Müller hatte dazu eine Theorie.

    »Der Kerl wird irgendwo anders gestorben sein.«

    »Ein Unfall«,meinte ich.

    »Ja. Aber ein Unfall, der vielleicht Ärger zwischen den Clans bedeutet hätte. Also hat man einfach in irgendeinen Keller gelegt, in den man eingebrochen ist.«

    Einbruchsspuren gab es tatsächlich. Aber davon abgesehen würde sich Roys Theorie vermutlich wohl nie beweisen lassen.

    Leider.

    Aber so ist das eben.

    Man kann nicht alles definitiv beweisen oder definitiv ausschließen. Ein Rest an Unsicherheit bleibt immer.

    So, wie sonst auch im Leben.

    Wir bekamen den Fall dann auch abgenommen. Er kam in eine andere Zuständigkeit und ehrlich gesagt, habe ich dann auch erstmal aus den Augen verloren, wie sich die ganze Angelegenheit entwickelt hat.

    *

    Eine andere Villa, um die es in dieser Geschichte geht, stand am Elbufer. Die Villa stammte noch aus den Zeiten von Kaiser Wilhelm.

    Dem zweiten Kaiser Wilhelm natürlich.

    Der hatte sich zwar schon zu Lebzeiten als ‘der Große’ titulieren lassen, was eigentlich toten Kaisern und Königen vorbehalten war, aber die Nachwelt war da in ihrem Urteil wohl einfach etwas strenger gewesen.

    Immerhin gab es einen Baustil, den man wilhelminisch nannte.

    Aber das konnte man ja auch auf den ersten Wilhelm beziehen.

    Wie auch immer. Man sprach ja von der wilhelminischen Zeit. Und in dieser Zeit war diese Villa errichtet worden. Vielleicht wirkte dieses Haus etwas angeberisch. Zumindest empfanden manche das so. Aber das war ihrem derzeitigen Besitzer egal. Sollten sich die Leute doch das Maul zerreißen. Ihn kümmerte das nicht.

    Eine prächtige Villa mit Blick auf den Elbstrand - irgendwo in den Randbezirken von Hamburg. Manchmal musste sich Reinhard Liermann kneifen, um wirklich glauben zu können, dass alles ihm gehörte. Und darüber hinaus schwamm er förmlich im Geld, seit ein paar seiner journalistischen Enthüllungsbücher die Bestseller-Liste anführten, und er zu einem Dauergast in Talk-Shows geworden war. Liermann nippte an seinem Drink. Auf dem niedrigen Tisch befand sich ein aufgeklappter Laptop. Liermann drückte auf die Enter-Taste. Alles war sicher verschlüsselt in der Daten-Cloud. Wirklich sicher. Da kam niemand ran. Ganz bestimmt. Niemand konnte an die tatsächlich sehr brisanten Einzelheiten seiner Recherchen heran. Niemand, außer natürlich Liermann selbst.

    Ein vernehmliches Geräusch ließ ihn jetzt plötzlich hochfahren.

    Ein Tierlaut.

    Es klang gefährlich.

    Sehr gefährlich.

    Irgendwie gehörte dieser Tierlaut nicht hierher.

    Zumindest hätte das ein Außenstehender gedacht.

    Für den Besitzer dieser Villa traf das allerdings nicht zu.

    Liermanns Blick wanderte suchend.

    Er runzelte die Stirn.

    Dann sah er den Alligator auf dem Rasen. Das Reptil war zurzeit ungefähr einen Meter lang und damit offensichtlich noch lange nicht ausgewachsen.

    Reinhard Liermann atmete erleichtert auf. Da war sie ja, die gesuchte Kreatur. Ich habe schon gedacht, du wärst uns abhanden gekommen!, überlegte er. Das hätte jede Menge Ärger gegeben. Die Haltung eines solchen Reptils verursachte ohnehin schon eine Reihe von Komplikationen. Gerade in einem regelungswütigen Land wie Deutschland. Liermann verzog das Gesicht.

    »Janina?«, rief er. »Janina, ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie darauf achten müssen, das Gehege richtig zu schließen, nachdem Sie das Biest gefüttert haben! Janina ...?«

    Keine Antwort.

    Das war seltsam.

    Ein ungutes Gefühl kam jetzt in Herrn Liermann auf.

    Ein sehr ungutes Gefühl.

    Irgendetwas stimmte hier nicht.

    Oder ich bin einfach zu misstrauisch?, dachte er.

    Jemand, der mit einem Krokodil zusammenlebte, sollte die Welt eigentlich etwas gelassener sehen, sagte er sich.

    Liermann seufzte, stand auf und ging die Treppe der Veranda herunter auf den Alligator zu.

    ‘Das Biest’ - so hatte Liermanns Ehefrau Lisa das Tier getauft. Als sie sich kennengelernt hatten, war ‘das Biest’ kaum so lang wie Liermanns Unterarm gewesen.

    Damals hatte man noch von einem Haustier sprechen können.

    Heute?

    Naja…

    Der Alligator wurde langsam ein Ungeheuer.

    So richtig kuschelig war er ja ohnehin nie gewesen…

    Anschmiegsamkeit war nicht sein hervorstechendstes Merkmal.

    War auch besser so.

    So ein Biest änderte nämlich schnell mal die Meinung und dann wurde aus dem Schmusepartner im Handumdrehen eine Zwischenmahlzeit.

    Inzwischen war das Krokodil beträchtlich gewachsen - das ungewöhnliche Haustier eines echten Exzentrikers und gleichzeitig eine besondere Art von Maskottchen. Liermann hatte sich in den Boulevardmedien des Öfteren mit dem ‘Biest’ abbilden lassen. Schlagzeile: »Ich beiße zu wie ein Alligator - ohne Rücksicht darauf, wem das wehtut!« oder: »Liermann hat keine Angst vor großen Tieren.«

    Das passte zu ihm, so fand er.

    Viele hatten ihm abgeraten, so etwas bringe zwar Aufmerksamkeit aber nicht unbedingt positive. Liermann war das egal. Er machte, was er wollte. Und er ließ sich dabei von niemandem Vorschriften machen.

    Ein Werbegag.

    Liermann hatte früher mal für zwei Jahre in einer Werbeagentur in Florida gearbeitet und da das Public Relations Handwerk von der Pike auf gelernt. Und das kam ihm jetzt zugute. Die Amerikaner, so war er im Übrigen zutiefst überzeugt, hatten ohnehin ein ganz anderes Verhältnis dazu, als das in Deutschland üblich war.

    Einfach nur in Erinnerung bleiben. Darum ging es letztlich immer. Und das galt keineswegs nur für die Werbebranche. Wer den Leuten nicht in Erinnerung blieb, konnte nichts verkaufen: weder ein Waschmittel, noch eine gute Idee, ein sensationelles Enthüllungsbuch oder die schmierige Wahrheit über Leute, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass Recht und Gesetz eingehalten, anstatt mit Füßen getreten wurden. Es gab kaum jemanden, der das so gut verstanden hatte, wie Reinhard Liermann. Darin war er wirklich ein unübertroffener Meister.

    Reinhard Liermann blickte zur Seite. Der Gärtnergehilfe bog mit seinem Aufsitz-Rasenmäher hinter einer Gruppe von Büschen hervor. Das Geräusch war Reinhard Liermann schon seit einer halben Stunde immer wieder auf die Nerven gegangen und hatte ihn in seiner Konzentration gestört. Der Aufsitz-Rasenmäher fuhr jetzt in einer geraden Linie genau auf ihn zu.

    Der Alligator drehte sich zu dem Rasenmäher-Mann um und riss das Maul auf. Nur wenige Meter entfernt hielt der Rasenmäher. Der Mann auf dem Sitz zog eine Pistole mit Schalldämpfer hervor.

    Das Schussgeräusch klang wie ein leichtes Niesen und wurde vom Motor übertönt. Die ersten beiden Kugeln trafen Reinhard Liermann. Sein Körper zuckte. Er wirkte wie eine Puppe, die zum Spielzeug unheimlicher Kräfte geworden war. Es war grauenhaft. Ein Treffer in den Kopf, der zweite in die Brust, genau in Herzhöhe. Alles wurde rot. Blutrot. Es war ein furchtbarer Anblick. Schlimmer als ein Horrorfilm.

    Das weiße Hemd, das Liermann trug, verfärbte sich blutrot. Er sackte in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Das nächste halbe Dutzend Kugeln traf den Alligator, der inzwischen zum Angriff übergegangen war. Der Körper des Reptils zuckte unter den Treffern. Der Killer hörte erst auf zu schießen, als sich das Tier nicht mehr bewegte. Dann stellte er den Motor des Aufsitz-Rasenmähers aus und stieg ab.

    Er ging auf die Veranda zu, stieg die Stufen hoch und stand dann neben dem Tisch, auf dem sich Liermanns Laptop befand.

    Der Killer hielt kurz inne.

    War da etwas?

    Sein untrüglicher Instinkt meldete sich.

    Eine Bewegung an der Tür lenkte den Killer ab. Er riss die Waffe hoch. Eine junge Frau mit dunklen, zu einem Knoten zusammengebundenem Haar stand ihm gegenüber und sah mit großen, angstgeweiteten Augen in die Mündung des Schalldämpfers.

    Die junge Frau schluckte.

    Ihre Augen waren geweitet.

    Sie stand wie erstarrt da.

    Schockgefroren.

    2

    »Nur um der journalistischen Korrektheit willen«, sagte der Radiomoderator, »wir haben das Gespräch mit Reinhard Liermann bereits vorgestern aufgezeichnet, hatten aber erst für heute die Erlaubnis, es auch zu senden. Manche von ihnen wissen es vielleicht aus anderer Quelle, für alle diejenigen, auf die das nicht zutrifft, weise ich noch einmal auf ein paar Besonderheiten in Herr Liermanns Umgang mit den Medien hin. Dieser Ausnahme-Enthüllungsautor, der sich auch gerne als Herr Super-Enthüller feiern lässt, besteht darauf, dass die mit ihm aufgezeichneten Interviews in Radio oder Fernsehen zeitversetzt gesendet werden. Dies dient Herr Liermanns Sicherheit, denn es soll durch seine Medienauftritte von niemandem Rückschlüsse auf seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort geschlossen werden können. Sie können das Interview übrigens noch einmal als Podcast auf unserer Website anhören. Hier ist Ihr Daniel Klose von Radio Hamburg, ihrem Sender aus der Großstadt im Norden. Und ganz egal, bei welcher Behörde Sie auch arbeiten mögen. Sie werden heute froh sein, in einem Büro sitzen zu dürfen, denn das Wetter wird grauenhaft. Jetzt aber erst einmal Musik.«

    »Ich kann diesen Liermann nicht leiden«, sagte Roy neben mir auf dem Beifahrersitz meines Porsche.

    Roy und ich sind schon eine Ewigkeit mit diesem Wagen unterwegs. Der ist übrigens mit allem ausgestattet, was ein Dienstwagen so haben muss. Technisch sind wir da auf der Höhe der Zeit. Unsere Abteilung hat es schließlich mit den schlimmsten und am besten organisierten Verbrechern zu tun, die man sich denken kann. Wir sind ohnehin schon oft im Nachteil in unserem Kampf gegen das Verbrechen. Ohne eine gute Ausrüstung hätten wir überhaupt keine Chance.

    »Du kannst ihn nicht leiden?«, fragte ich.

    »So ist es«, sagte Roy.

    »Wieso nicht?«, fragte ich.

    »Da fragst du mich? Weil er das LKA und damit pauschal uns alle schlecht macht natürlich. Der trampelt auf uns herum, so dass die Leute das LKA irgendwann für die wahren Gangster halten werden. Eine Organisation von Gewalttätern, korrupten und völlig außer Kontrolle geratenen Beamten, denen Recht und Gesetz völlig gleichgültig sind, wenn es ihnen nicht in den Kram passt!«

    »Aber in einem hat er doch recht: Missstände müssen aufgeklärt werden, Roy!«

    Roy seufzte.

    »Ja natürlich! Aber der Typ macht eine Show daraus.«

    »Er will Bücher verkaufen.«

    »Und das schafft er offenbar ja auch mit dieser Masche!«

    Es regnete Bindfäden. Die Scheibenwischer meines Porsches schafften es kaum, für freie Sicht zu sorgen, so heftig regnete es. Hamburg schien an diesem Morgen von einer wahren Sintflut heimgesucht zu werden und wenn der Kerl von Radio Hamburg recht hatte, dann würde uns dieses unangenehme Wetter den ganzen Tag über erhalten bleiben. Ein dauernder Wechsel zwischen heftigem und sehr heftigem Regen.

    »Vielleicht ist der eigentliche Grund dafür, dass du diesen Liermann nicht leiden kannst, die Tatsache, dass er leider sehr häufig recht hatte und bei vielen der Themen direkt ins Schwarze getroffen hat, Roy. Gerade, wenn es um die Verflechtungen zwischen dem organisierten Verbrechen, der Justiz und den Polizeibehörden ging.«

    »Da könnte was dran sein«, gab Roy zu.

    »Schwarze Schafe gibt es überall, Roy. Auch beim LKA. Und wir sollten froh sein, wenn jemand so etwas aufdeckt.«

    »Eins zu Null für dich, Uwe.«

    »Schön, dass du das einsiehst.«

    »Das ändert aber nichts daran, dass ich den Typ einfach nicht leiden kann, Uwe. Die Art, wie er auftritt … Auch jetzt wieder in dem Gespräch, das wir gerade gehört haben! Ich finde das unsympathisch.«

    Roys Haar klebte ihm am Kopf. Ich hatte ihn an der üblichen Stelle am Morgen abgeholt. Roy hatte sich in der Nähe unseres Treffpunkts untergestellt und war nur kurz durch den Regen gelaufen. Aber das hatte schon ausgereicht, um ihn anschließend wie einen begossenen Pudel aussehen zu lassen.

    Musik und Werbung wechselten sich im Radio ab. Aber dann kam ein Break, der selbst für diesen Sender ziemlich abrupt war.

    »Ich unterbreche die Musik für eine wichtige Meldung«, sagte die uns inzwischen schon ziemlich vertraute Stimme von Daniel Klose. »Gerade haben Sie ein Gespräch mit dem Journalisten und Buchautor Reinhard Liermann gehört und ich hatte Ihnen erklärt, dass dieses Gespräch eine Aufzeichnung gewesen ist, weil Herr Liermann keine Rückschlüsse auf seinen jeweiligen Aufenthaltsort zulassen wollte. Und ich gebe es gerne zu, dass sich so mancher hier im Studio anschließend darüber lustig gemacht und das für eine übertriebene Maßnahme gehalten hat. Aber jetzt kommt die Meldung, dass Reinhard Liermann offenbar das Opfer eines Verbrechens geworden ist. Es gibt keine näheren Informationen dazu. Ein Sprecher des zuständigen Bezirksstaatsanwalts von Hamburg hat in einer sehr knappen Pressekonferenz erklärt, dass derzeit keine weiteren Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden und dies mit fahndungstaktischen Erwägungen begründet. Sobald wir Näheres zu dieser Sache sagen können, werde ich die Neuigkeiten sofort an Sie weitergeben. Bleiben Sie bei uns! Hören Sie Radio Hamburg und beginnen Sie den Tag gut informiert. Mein Name ist Daniel Klose …«

    »Wenn das jetzt unser Fall wäre, bestünde aber leider nicht die Aussicht auf besseres Wetter«, meinte Roy. »Ich würde heute lieber in unserem Büro bleiben.«

    »Abwarten, könnte doch unser Fall werden. Und - schlechter als das Wetter jetzt ist, wird es wohl – hoffentlich – nicht noch werden«, gab ich zurück.

    3

    »Guten Morgen, Uwe! Guten Morgen, Roy!«, begrüßte uns Mandy, die Sekretärin unseres Chefs. Wir waren gerade im Polizeipräsidium eingetroffen und fanden uns nun zur Besprechung bei Herrn Jonathan D. Bock ein, unserem Chef.

    »Guten Morgen, Mandy«, sagte ich.

    »Warten Sie einen Moment!«

    »Ich dachte, Herr Bock erwartet uns!«

    »Im Moment telefoniert er gerade. Und es muss ziemlich wichtig sein - so gut kenne ich ihn nun inzwischen bereits.«

    »Sie haben nicht zufällig eine Ahnung, worum es geht?«, fragte ich.

    Mandy lächelte kurz und schüttelte dann den Kopf.

    »Nein, aber Herr Bock hat mir aufgetragen, für Sie Hotelzimmer zu buchen.«

    Roy und ich wechselten einen kurzen Blick.

    »Scheint, als würde deine Ahnung Realität werden«, meinte Roy.

    »Ich habe das von Anfang an für möglich gehalten«, entgegnete ich.

    »Ach, ja?«

    Ich wandte mich noch einmal an Mandy.

    »Hat unser Chef zufällig den Namen Reinhard Liermann erwähnt?«

    »Hat er nicht«, stellte die Sekretärin fest. »Nur Liermann, ohne Reinhard.«

    »Na, das kann aber kaum ein Zufall sein«, meinte Roy.

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