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RUSSLAND: Notizen zu einer Reise im Herbst 2018
RUSSLAND: Notizen zu einer Reise im Herbst 2018
RUSSLAND: Notizen zu einer Reise im Herbst 2018
eBook174 Seiten1 Stunde

RUSSLAND: Notizen zu einer Reise im Herbst 2018

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Über dieses E-Book

Mit Sibirien, von dem Dostojewski meinte es liege am "ewigen Rand der Welt" verbinden viele Menschen irgendeine Vorstellung, ohne dass sie konkret viel darüber wüssten. So ging es der Autorin, Katharina Füllenbach, vor Antritt ihrer Reise auch und sie beschreibt ihre diesbezüglichen Phantasien mit einer Ansammlung von ausschließlichen schwarz/weiß Assoziationen, die diffus changierten zwischen ewigem Eis und Schnee, grauenhaften Gefangenenlagern und verborgenen sowjetischen Waffenlagern.
Im Herbst 2018 machte sie sich auf, diese vagen Bilder und Vorstellungen zu überprüfen und startete in Vladivostok am japanischen Meer zu einer Reise quer durch Sibirien bis nach Moskau. Mit der russischen Staatsbahn fuhr sie zwei Monate lang rund zehntausend Kilometer durch das Land, machte dabei in vierzehn Städten auf der Strecke Station und versuchte bei jeweils mehrtätigen Aufenthalten nicht nur die kulturellen, ethnischen und historischen Besonderheiten des jeweiligen Ortes zu erfassen, sondern auch von den aktuellen Lebensumständen der Bevölkerung einiges mitzubekommen.
Ihre Erlebnisse und Beobachtungen hat Katharina Füllenbach in einem informativen und kurzweilig geschriebenen Reisebericht zusammengefasst. Er ist eine lesenswerte und ergänzende Lektüre für alle, die sich für die russische Gegenwart, abseits von Moskau und St. Petersburg interessieren und mit dem Gedanken spielen, das riesige Land jenseits des Urals selbst zu bereisen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Dez. 2018
ISBN9783746983851
RUSSLAND: Notizen zu einer Reise im Herbst 2018
Autor

Katharina Füllenbach

Geboren 1959 in Bonn. Nach dem Abitur endete ein Studium der Politikwissenschaften, Philosophie und osteuropäischen Geschichte in Bonn und Genf mit einem MA-Abschluß und es begann ein bunter beruflicher Lebenslauf zwischen Politik und Kultur. Nach erfolgreichen Jahren als Unternehmerin ist Katharina Füllenbach mittlerweile im Ruhestand und mehrere Monate im Jahr als alleinreisende Frau in der Welt unterwegs. Die von Katharina Füllenbach herausgegebene Buchreihe REISEPOSTILLEN umfasst inzwischen zwölf Bände. Bisher erschienen sind Reiseberichte zu: OSTTÜRKEI - Frühjahr 2016, IRAN - Herbst 2016, TOGO - Winter 2016, KIRGISTAN - Frühjahr 2017, die KRIM - Herbst 2017. RUSSLAND - Herbst 2018, UGANDA - Winter 2018, USBEKISTAN - Herbst 2019, KATAR - Winter 2019, ERITREA - Winter 2020, Finnland - Herbst 2020 und Dubai - Frühjahr 2022. Für die zweite Jahreshälfte 2022 ist neuerlich eine Reise in ein afrikanisches Land geplant.

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    Buchvorschau

    RUSSLAND - Katharina Füllenbach

    Berlin/ Moskau/Vladivostok 23. und 24. September 2018

    Die Reise von Moskau nach Vladivostok ist weiter und dauert länger als von Hamburg nach - sagen wir mal - Denver oder Dallas. Während wir bei den amerikanischen Zielstädten den Kontinent wechseln und dabei noch den Atlantik überqueren, bedeutet der Flug von Moskau nach Vladivostok lediglich eines langen Tages Reise durch die Nacht und acht (von insgesamt zehn) Zeitzonen in ein und demselben Land.

    Begonnen hat das Ganze schon Stunden zuvor in Berlin Schönefeld. Der Flughafen ist seit dem letzten Abflug nicht schöner geworden, aber diesmal fuhr gestern Morgen ein Bus bis vor den Terminaleingang und übersprang so zumindest die Vorplatzimpressionen der untergegangenen Republik (… Die Holzbaracke mit den Geflügelschnittenreminiszenzen der ein oder andere erinnert sich vielleicht). Ansonsten war alles wie letztes Jahr: Schnell noch den letzten Schluck aus dem Jägermeister-Flachmann in sich hineinkippende Heimkehrer in den Warteschlangen beim check- in und den Sicherheitskontrollen, ein durchweg freudloses Flughafenpersonal und alles eingebettet in jede Menge emotionale und ästhetische Vor-Wende-Anmutung.

    Welch eine positive Überraschung demgegenüber später der Flughafen von Vladivostok. Er ist modern und sauber und ein Expresszug verbindet ihn in einer knappen Stunde mit dem Hauptbahnhof in der Innenstadt. Die tiefenentspannte Weiterreise vom Bahnhof zum vorab reservierten Minihotel blieb erhalten bis zum Ausstieg an der Zielbushaltestelle, respektive dem Beginn der Hoteladressensuche.

    Das Etablissement liegt in eher trister Stadtrandlage und die angegebene Straße verbindet, ausgefranst wie ein Flussdelta, alle kreuz und quer in die Landschaft errichteten Wohnhäuser der post-sozialistischen Plattenbauarchitektur. Nachträglich noch dazwischen gefriemelte oder vielleicht beim Abriss vergessene kleinere Häuser bekommen hier, zu einer bereits vergebenen Hausnummer, ein b oder c verpasst, wobei die Nummer selbst nicht zwingend mit dem Nachbargebäude in Zusammenhang stehen muss. Ensembles von Hausnummer 100 neben 106b wurden in den nächsten zwei Stunden ebenso gesichtet wie 102 als nächstes Gebäude zu Nummer 140 und die gebuchte Unterkunft stellte sich schließlich heraus als im ersten Stock eines insgesamt zweistöckigen Gebäudes gelegen, das allein schon aufgrund seiner Winzigkeit in dieser Satellitenbautenumgebung kaum zu orten und von drei Seiten nur zu Fuß, auf Insiderpfaden und unbefestigtem Grund zu erreichen ist.

    Das alles hätte jetzt so am Ende der Anreise nicht sein müssen, ist aber inzwischen schon wieder verwunden. Das Zimmer ist ok, die Umgebung verspricht keinerlei Schönheiten, dafür aber jede Menge Alltagsrealität und wird morgen, hoffentlich ohne tiefergehenden Jetlag, näher untersucht.

    Vladivostok 25. September 2018

    Der Gott der älteren, allein reisenden Frauen hat ein Einsehen gehabt und mir für diese ersten Tage im fremden Land ganz wunderbares, sonniges und gar nicht kaltes Herbstwetter geschenkt. Dieser Umstand ist ein unschätzbarer psychologischer Vorteil, denn der gestern flüchtig wahrgenommene Stadtrand entfaltet heute bei näherem Hinsehen genau die Vorstadttristesse, die sich bei Ausstieg aus dem Bus bereits andeutete. Die Wohnhochhäuser stehen – wie schon beschrieben - eng und ungeordnet mit grauen, schmucklosen Fassaden nah beieinander, die Hauseingänge wirken eng und schmuddelig, vor jedem aber steht eine Bank, auf der sich die älteren Bewohner zum Plausch treffen, und zu jedem Wohnhaus gehört ein einfacher Kinderspielplatz, der offenbar von Groß und Klein tüchtig benutzt wird. Mütter oder Großmütter mit vor der Zeit gealterten Gesichtern sitzen, nachlässig gekleidet in Jogginghosen oder Kittelkleider, an Holztischen oder auf einfachen Bänken, weniger um die Kinder zu beaufsichtigen, denn eher zum Plausch mit den Nachbarinnen und auch ein Frotteebademantel, hellgelb, kniekurz und ein wenig franselig, ward in diesem Umfeld schon gesehen.

    Wenngleich nur schmale Fahrwege gerade genug Platz zum Rangieren geben, haben Autos hier offenbar für die Bewohner einen zentralen Stellenwert. Manche werden irgendwo am Haus geparkt, für die meisten jedoch haben ihre Eigentümer auf nahegelegenen, unbebauten Grundstücken hügelabwärts regelrechte Garagendörfer errichtet, die in einem ähnlich planerischen Wildwuchs entstanden zu sein scheinen, wie die Wohnhochhäuser der Autobesitzer. Einzig die Notwendigkeit einer Fahrbahndefinition ist gemeinsame Baugrundlage, bei allen anderen Gestaltungsfragen und Ausstattungsdetails scheinen dem jeweiligen Erbauer die Hände völlig ungebunden. Und so gibt es also Garagen aus allen möglichen verfügbaren Materialien von Altmetall bis neuem Stein, mit nach draußen geführten Ofenrohren zur Abwehr winterlicher Kälte oder/und Werkstattausstattung bis hin zur Arbeitsgrube, um auch Reparaturen am Wagenboden bequem selbst durchführen zu können.

    Neben diesen Heimwerkerparadiesen ist die ganze Siedlung umgeben von großen und kleinen Schrauberwerkstätten, in denen es von früh bis spät rund zu gehen und fast nicht vorstellbar scheint, dass sich die ortsansässigen Männer in ihrer Freizeit noch mit etwas anderem beschäftigen.

    Der fernöstliche, russische Automarkt wird im Übrigen maßgeblich bestimmt durch die geographische Nähe zu Japan und eine enge Exportzusammenarbeit zwischen beiden Ländern, die die japanischen Fahrzeuge unschlagbar günstig macht. Nissan, Toyota, Suzuki und Co. liefern folglich den Löwenanteil der Fahrzeuge in den hiesigen Straßenverkehr und dieses Phänomen ist umso erstaunlicher, als Russland ja auch selbst Autos baut; sie scheinen aber zumindest in dieser Gegend des Landes keine Liebhaber zu finden.

    Die Versorgung der Wohntrabanten mit Alltagsnotwendigkeiten erfolgt über eine Reihe kleinerer Geschäfte und jede Menge Eigeninitiative. Menschen mit Garten oder Ackerland beladen ihre Autos mit allem, was die Scholle hergibt und bieten ihr Obst und Gemüse zwischen den Hochhäusern oder am Straßenrand aus dem aufgeklappten Kofferraum heraus an. An der Bushaltestelle gibt es einen winzigen Markt mit kleinen Verkaufsständen für Brot, Fisch, Fleisch und Milchprodukte und auch diese Händler scheinen von der Hand in den Mund zu leben, aber das mag täuschen. Drumherum haben sich die üblichen Filialversorger angesiedelt: eine Bank, ein Technikladen, eine Spielhölle, ein Geschäft mit Haushaltswaren.

    Garagenneubau, Vladivostok

    Garagensiedlung, Vladivostok

    Dazwischen, und zum Teil als Shop im Shop auch mittenmang, findet man immer wieder Verkaufsstände mit Tiernahrung und – zubehör. Gefühlt ist dieses Angebot, gemessen an den wahrnehmbaren sonstigen Lebensumständen der örtlichen Bevölkerung, völlig überdimensioniert, aber auf den Gedanken könnte man ja bei der Fülle von Autos auch kommen. Man sollte es also vielleicht einfach nicht hinterfragen und lieber bei der Feststellung belassen, dass es so ist, wie es ist.

    Vladivostok 26. September 2018

    Die große Zeit dieser Stadt an der Grenze zu Asien begann Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der Eisenbahnlinie nach China, heute als Transsibirische bekannt. Wesentliche Teile des Stadtzentrums stammen aus dieser Epoche und bestechen mit traumhafter Gründerzeit- und Jugendstilarchitektur. Neben vielen wunderbar erhaltenen bzw. sorgfältig restaurierten Gebäuden stellt in diesem Zusammenhang das Kaufhaus GUM eine Besonderheit dar. Gegründet in Vladivostok 1864 von den Hamburger Kaufleuten Gustav Kunst und Gustav Albers, beauftragte deren Firma für einen Vergrößerungsneubau um die Jahrhundertwende den deutsch-russischen Architekten Georg Junghändel, der ein Juwel in schönstem Art Déco an die Uferstraße baute. Das Gebäude hat die Wirren der Jahrzehnte architektonisch einigermaßen überstanden, ist inzwischen mit Liebe zum Detail instandgesetzt und steht heute als Zeichen von Tradition und zugleich großer Aktualität mitten in der Stadt. Den Umstand, dass die spanische Modefirma ZARA hier ihren flagstore eingerichtet hat, sollte man dabei vielleicht als Menetekel des Wandels in einer globalisierten Welt begreifen. Jenseits politischen Gepolters und gegenseitiger Vorwürfe über dies und das (wahlweise garniert mit Sanktionen und anderen Strafmaßnahmen) vernetzt sich die Welt über Warenströme und Dienstleistungen immer weiter und kreiert damit ein Zusammenwachsen und den Austausch zwischen verschiedenen Lebensentwürfen. Postgelbe DHL-Transporter mit deutscher Firmierung gehören folglich in Vladivostok ebenso zu Straßenbild und Alltag, wie amerikanische Kinofilme und italienische Pizzerien.

    Bei ZARA trifft man dann auch ein überwiegend junges, gutverdienendes und -situiertes russisches Publikum, das ohne Probleme die hier aufgerufenen westeuropäischen Preise bezahlt und von meiner Vorstadtnachbarschaft ein Sonnensystem weit entfernt scheint. Diese Menschen sind der aktive Teil einer neuen, postsozialistischen Gegenwart und haben es offenbar geschafft, ihre Weichen rechtzeitig und vollständig umzustellen.

    Vladivostok 27. September 2018

    Georg Junghändel erbaute um die Jahrhundertwende neben dem GUM zahlreiche Gebäude, unter anderem auch ein hochherrschaftliches Wohnhaus für die Kaufmannsfamilie Brynner, die in Vladivostok seit den 1870er Jahren ansässig war und es zu erheblichem Wohlstand gebracht hatte. Ihre Verdienste um die Entwicklung der Stadt sind unbestritten, aber heute wären ihre Spuren im kollektiven Gedächtnis, abgesehen von besagtem Wohnhaus an der ulitza Aleutskaja, längst verweht, gäbe es nicht den 1920 in Vladivostok geborenen Sohn Yul.

    Die Familie verließ infolge der Revolution das Land und emigrierte 1928 erst nach China, dann nach Paris und 1940 schließlich in die Vereinigten Staaten, wo aus Yul Brynner ein international bekannter Filmschauspieler wurde, dessen Karriere ein Oscar krönte. Die Sowjetunion erlaubte ihm zu Lebzeiten keinen Besuch in seiner Vaterstadt und von seinen vielen Filmen wurde während all dieser Jahre nur ein einziger gezeigt (Die glorreichen Sieben). Seit dem Ende des Sowjetsozialismus erinnert man sich in

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