KATAR: Notizen zu einer Reise im Winter 2019
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Über dieses E-Book
Jenseits solcher Klischees erfährt man eigentlich so gut wie nichts über das Land. Aber wie sieht es da eigentlich aus? Wie leben die Menschen dort? Was beschäftigt sie? Und was nicht? Bisher gibt es so gut wie keine Berichterstattung über einen irgendwie gearteten Alltag oder Stimmungssammlungen jenseits der oben beschriebenen Arbeiter- und Baustellenthematik. Diesen Umstand empfand die Autorin Katharina Füllenbach als ein Manko und fuhr deswegen im Winter 2019 für einen Monat nach Katar, sah sich dort um und suchte den Kontakt und das Gespräch mit der einheimischen Bevölkerung. Ihre Erlebnisse, Eindrücke, Erfahrungen und manchmal erstaunlichen Erkenntnisse und Überlegungen hat sie nun in diesem unterhaltsamen und informativen Reisebericht zusammengefasst.
Katharina Füllenbach
Geboren 1959 in Bonn. Nach dem Abitur endete ein Studium der Politikwissenschaften, Philosophie und osteuropäischen Geschichte in Bonn und Genf mit einem MA-Abschluß und es begann ein bunter beruflicher Lebenslauf zwischen Politik und Kultur. Nach erfolgreichen Jahren als Unternehmerin ist Katharina Füllenbach mittlerweile im Ruhestand und mehrere Monate im Jahr als alleinreisende Frau in der Welt unterwegs. Die von Katharina Füllenbach herausgegebene Buchreihe REISEPOSTILLEN umfasst inzwischen zwölf Bände. Bisher erschienen sind Reiseberichte zu: OSTTÜRKEI - Frühjahr 2016, IRAN - Herbst 2016, TOGO - Winter 2016, KIRGISTAN - Frühjahr 2017, die KRIM - Herbst 2017. RUSSLAND - Herbst 2018, UGANDA - Winter 2018, USBEKISTAN - Herbst 2019, KATAR - Winter 2019, ERITREA - Winter 2020, Finnland - Herbst 2020 und Dubai - Frühjahr 2022. Für die zweite Jahreshälfte 2022 ist neuerlich eine Reise in ein afrikanisches Land geplant.
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Buchvorschau
KATAR - Katharina Füllenbach
Vorbemerkung
„Warum denn ausgerechnet Katar?" war die häufige und etwas irritierte Reaktion meiner Freunde, als wir Ende letzten Jahres über meine diesjährigen Winterreisepläne sprachen.
Die Frage entbehrt vielleicht nicht einer gewissen Berechtigung, denn seit der FIFA-Entscheidung für die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar wollen die Diskussionen über dass Land nicht abreißen. Anfangs hieß es: Um Gottes Willen, dort ist es im Sommer für Fußball doch viel zu heiß. Kein Problem, antworteten darauf sinngemäß die Katari, wenn es gewünscht wird, können wir ganz Doha auch den Sommer über herunterkühlen. Vielleicht war es der FIFA zu heikel, einer solchen Energieorgie zuzustimmen, jedenfalls wurde am Ende der Debatte das Sportereignis auf die Wintermonate verlegt, mit der Konsequenz, dass erneut ein Aufschrei durch die Welt gellte, diesmal weil von dieser Entscheidung die meisten nationalen und internationalen Spielkalender betroffen waren und diese damit tüchtig durcheinander gewirbelt wurden.
Kurz bevor der FIFA-Strudel um Korruptionsvorwürfe und unsaubere Entscheidungsprozesse ihn in den Abgrund riss, murmelte Sepp Blatter schließlich noch den Gedankenfetzen in ein Mikro, dass die Entscheidung für Katar ein Fehler gewesen sei.
Ungefähr zeitgleich, und damit drohte die Stimmung endgültig zu kippen, wurden die Arbeitsbedingungen auf den diversen Stadienbaustellen in Katar medial thematisiert. Menschenrechtsorganisationen legten Statistiken mit über tausend toten Bauarbeitern vor, die Beschreibung der Lebensumstände der Gastarbeiter aus den ärmsten Ländern der Dritten Welt verknüpften sich mit Begriffen wie „Sklaverei und „Ausbeutung
, und das Projekt ‚Katar 2022‘ drohte vorzeitig in einem Imagedesaster zu verenden.
In diese medienintensive Situation hinein platzte im Juni 2017 schließlich die für Außenstehende überraschend getroffene Entscheidung der Golfstaaten, die Grenzen nach Katar zu schließen, das Land so von der Außenwelt komplett abzuschotten und alle WM-Vorbereitungen durch die daraus entstehenden Versorgungsengpässe zu ersticken.
Mit all diesen Ereignissen und Informationen wird der westliche Zeitungsleser seitdem immer mal wieder konfrontiert, aber jenseits solcher Schlagzeilen erfährt man eigentlich nicht viel über das Land. Wie sieht es da aus? Wie leben die Menschen dort? Was beschäftigt sie? Und was nicht? Es gibt keine Berichterstattung über einen irgendwie gearteten Alltag oder Stimmungsbilder jenseits der Baustellenthematik. Ist es vielleicht nicht opportun, andere Themen aufzugreifen, solange die Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter in Katar vermeintlich oder tatsächlich begründet immer wiederkehrende Aufregung verursachen? Man weiß es nicht.
Die Tatsache aber, dass wir im Westen abgesehen von Skandalüberschriften wenig bis gar nichts über Katar hören, trug maßgeblich zu meiner Entscheidung für die Reise bei, deren Erfahrungen in diesem Buch nun niedergeschrieben vorliegen.
An dieser Stelle muss einmal mehr darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei um einen Reisebericht handelt und nicht um einen Reiseführer oder eine umfassende politische Analyse. Diese Aufzeichnungen wurden nicht verfasst, um einen interessierten Leser in erster Linie sicher und pannenfrei durch das Land zu navigieren. Es werden also weder Empfehlungen gegeben, etwas Bestimmtes zu tun, noch Warnungen ausgesprochen, anderes zu lassen.
Nichts des hier Beschriebenen erhebt außerdem den Anspruch einer politikwissenschaftlich fundierten Betrachtung. Vielmehr sollte dieses Buch verstanden werden als eine Dokumentation von Eindrücken, Beobachtungen und Erlebnissen, die zusammengenommen ein Bild davon geben, wie ich das Land während meines einmonatigen Aufenthaltes erfahren habe. Das bedeutet auch, dass alles hier Beschriebene nicht mehr sein kann als eine Momentaufnahme und Umstände oder Sachverhalte, die sich in den Wochen dieser Reise so dargestellt haben, zu einem anderen Zeitpunkt anders daherkommen oder sich vollständig verändert haben mögen.
Trotz all dieser Einschränkungen hoffe ich, dem Leser eine Idee von Katar zu geben und ihm Lust zu machen, dieses wunderbare, widersprüchliche, multiethnische Land selbst zu bereisen und sich auf einen Alltag einzulassen, der uns in vielem fremd sein mag, dessen unendliche Gastfreundlichkeit den Besucher aber jederzeit auf Händen trägt.
Katharina Füllenbach im März 2019
Hamburg/ Istanbul/ Doha,
1. und 2. Februar 2019
Nachdem eine Konferenzteilnahme in der Türkei im vergangenen Jahr von den einladenden türkischen Gastgebern für uns, die deutschen Teilnehmer, mit dem Hinweis auf ein potentielles Sicherheitsrisiko kurzfristig abgesagt worden war, habe ich diesmal lange überlegt, ob eine Reise mit Turkish Airlines via Istanbul nach Katar wirklich schlau sei. Die diesbezüglichen Reaktionen in meinem Umfeld reichten von „Bist du wahnsinnig? bis
Ist doch nur Transit ohne Einreise ins Land, was soll da schon passieren?" Letztere Einschätzung obsiegte schließlich, und so bin ich heute von Hamburg über Istanbul Richtung Doha aufgebrochen.
Der Atatürk-Flughafen ist in jeder Hinsicht ein internationaler Knotenpunkt, den täglich zehntausende Reisende von überall her, nach überall hin frequentieren, und er wirkt beim schnellen Durchlauf von Gate zu Gate groß, elegant und unauffällig. Mit etwas Zeit und beim zweiten Hinschauen, und vielleicht auch mit dünnerer Haut aufgrund der eingangs skizzierten Vorgeschichte, fallen aber auch die ungezählten kurzgeschorenen Anzugträger auf, jeder mit Sprechfunkgerät in der Hand und Mitarbeiterausweis des Sicherheitsdienstes um den Hals. Sie stehen zu zweit oder zu dritt an den strategischen Laufpunkten, den Rolltreppen, den Aus- und Eingängen und sind sowohl unzählig als auch in ihrer Uniformität kaum voneinander zu unterscheiden. (Ein bisschen böswillig betrachtet, wirken sie wie eine türkische Version von Agent Smith aus der Matrix, aber das ist jetzt wirklich eine fiese Assoziation.)
Auch speziell und einer internationalen Drehscheibe des Flugverkehrs wenig angemessen ist der Umstand, dass es für ausländische Reisende nur sehr erschwert Zugang zum Flughafeninternet gibt. (Die entsprechende Anmeldeseite schickt den Besucher im Kreis und verlangt eine Mobilfunknummer, auf die eine Bestätigungsnachricht geschickt werden soll, die tatsächlich nie ankommt.) Befragte Flughafenmitarbeiter kommentieren achselzuckend oder mit resignativ nach oben drehenden Augen den Verdacht, dass die Nutzung - zumindest für Ausländer - offenbar nicht erwünscht ist, und schicken den Reisenden auf Nachfrage viele hundert Meter durch das vor Menschen wabernde Gebäude zum Foot- and Beveragebereich, in dem manche Gastronomien eventuell, aber vielleicht noch am ehesten freie Hotspots anbieten. Es dauert mehr als eine halbe Stunde, bis ein Starbucks gefunden ist, der seinen Gästen diesen an sich ja bisher nicht als Hexenwerk aufgefallenen Service anbietet.
Es fällt mir schwer auseinander zu dividieren, wo mein subjektiver Vorbehalt gegen den aktuellen türkischen Staat mit all seinen Gleichschaltungs- , Überwachungs- und Einschüchterungsstrukturen endet und eine objektiv wahrnehmbare ebensolche Struktur beginnt. Aber am Ende des Tages bin ich zum einen froh, von Starbucks nach einem Schweinsgalopp gerade noch rechtzeitig für das Boarding wieder