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Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient: Reiseerlebnisse auf Karl Mays Spuren im Nahen Osten und in Nordafrika
Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient: Reiseerlebnisse auf Karl Mays Spuren im Nahen Osten und in Nordafrika
Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient: Reiseerlebnisse auf Karl Mays Spuren im Nahen Osten und in Nordafrika
eBook629 Seiten5 Stunden

Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient: Reiseerlebnisse auf Karl Mays Spuren im Nahen Osten und in Nordafrika

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Über dieses E-Book

Farbenfrohe Basare und schreiende Händler; verschleierte Frauen mit wunderschönen dunklen Augen; endlose Wüsten und Leben spendende Oasen; uralte Tempel, Pyramiden und andere Heiligtümer - schillernde Bilder tauchen in unseren Köpfen auf, wenn wir an den Orient denken.

Karlheinz Eckardt, ein versierter Kenner von Karl Mays Leben und Werk, versucht rund 100 Jahre nach der schicksalhaften Reise des Schriftstellers, dessen Spur durch den Orient zu folgen. Er bereist u.a. Ägypten, Jordanien, Syrien und Israel, sucht Hotels und Anhaltspunkte, die auf eine Anwesenheit Karl Mays schließen lassen, vergleicht die Schauplätze der Mayschen Abenteuergeschichten kritisch mit der Realität und bindet humorvolle Anekdoten seiner eigenen Reisen in das Ganze mit ein. Dabei lässt er ein abwechslungsreiches, farbenprächtiges Bild entstehen, das auch in Nicht-Karl-May-Fans Lust auf eine Reise in diese fremde Welt weckt.

Der Leser erfährt viel Unbekanntes über die Geschichte der jeweiligen Länder, Bräuche und Sitten, aber auch über Gastfreundschaft und Völkerverständigung. 185 Farbfotos und Schwarzweißbilder geben ein großartiges Panorama jener Region, die Karl May zeitlebens faszinierte und heute ganz besonders im Zentrum der Weltpolitik steht.

Nur noch als E-Book erhältlich.
SpracheDeutsch
HerausgeberKarl-May-Verlag
Erscheinungsdatum4. Juni 2014
ISBN9783780216229
Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient: Reiseerlebnisse auf Karl Mays Spuren im Nahen Osten und in Nordafrika

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    Buchvorschau

    Mit Kara Ben Nemsi durch den Orient - Karlheinz Eckardt

    Winken

    Spurensuche – ein Vorwort

    „Was meinen Namen betrifft, so werde ich nicht bei meinem eigentlichen, sondern, wie auf früheren Reisen, Kara Ben Nemsi genannt. Kara heißt schwarz und Ben Nemsi Sohn der Deutschen. Ich trage einen dunklen Bart und bin ein Deutscher, daher der Name."

    So schreibt Karl May in der 1878 in Peter Roseggers Zeitschrift Heimgarten erschienenen Erzählung Die Rose von Kaïrwan. Er schuf mit diesem Kara Ben Nemsi eine Gestalt, die das Abenteuer um seiner selbst willen sucht und in ferne Länder zieht, um die Welt zu sehen und zu erleben.

    Kara Ben Nemsi wird zur Zentralfigur vieler im Orient von Algerien bis nach Persien spielender Ereignisse, die Karl May in der genialen Weise eines großen Erzählers vor dem Leser ausbreitet. Millionen sind seiner Fabulierkunst erlegen. Die überzeugend dargestellten Charaktere der handelnden Personen und die Schilderung ferner fremder Länder haben schon bald zu der Auffassung seiner Leser geführt, May erzähle im wesentlichen selbst Erlebtes; er wurde mit der Figur des Kara Ben Nemsi identifiziert und er widersprach dieser Meinung nicht.

    Mag er bei dem sich schon bald einstellenden Erfolg der bei Fehsenfeld in Freiburg im Breisgau erschienenen Grünen Bände gelächelt haben, so wurde schließlich aus dem leichten Spiel bitterer Ernst, als er selbst der Versuchung erlag und sich als erfahrener Weltläufer präsentierte.

    „Ich bin Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi und habe erlebt, was ich erzähle!", schrieb er z. B. am 15. 4. 1897 an Ansgar Pöllmann. Karl May ließ von Alois Schießer 101 Fotos von sich in Kostümen als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi anfertigen; diese Bilder wurden durch seinen Verleger Fehsenfeld und die Fotoanstalt Nunwarz in Linz vertrieben.

    Erst als May 57 Jahre alt war, brach er mit enormem Reklameaufwand zu seiner ersten großen Auslandsreise in den Orient auf. Er brachte dafür die für die damaligen Verhältnisse ungeheure Summe von 50.000 Goldmark auf und reiste über Italien nach Ägypten; er besuchte Jerusalem, die Gebiete des heutigen Libanon und Syriens, er fuhr mit dem Schiff nach Ceylon und Sumatra und kehrte nach wiederholtem Aufenthalt mit seiner Frau und dem Ehepaar Plöhn in Kairo, dem Libanon und Damaskus, über Istanbul und Athen nach Radebeul zurück.

    Im Orient musste Karl May schmerzlich erfahren, dass seine Vorstellung von diesen Ländern, wie er sie auch jahrelang an seine Leser vermittelt hatte, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Er konnte die Konfrontation mit der Realität nicht überwinden, zu sehr hatte er sich in seine Fantasiewelt versponnen. Wohl fühlte er die Katastrophe kommen, doch er konnte dem nahenden Verhängnis keinen Widerstand entgegensetzen. Sowohl in Sumatra als auch in Istanbul geriet er anscheinend in abgrundtiefe Krisen, über denen Verlauf jedoch nur seine zweite Frau, damals noch Frau Plöhn, Details berichtet und die mit einiger Skepsis betrachtet werden müssen. Nach Klaras Mitteilung erlitt Karl May Nervenzusammenbrüche, verweigerte die Nahrung, tobte und benahm sich derart, dass man in Betracht ziehen musste, ihn einer Irrenanstalt zuzuführen.

    Karl May als Kara Ben Nemsi

    Mit der allmählichen Erholung vollzog sich auch der Wechsel vom Abenteuerschriftsteller zum Mystiker, die letzte große Schaffensperiode begann. Zwar hatte Karl May bereits vor Antritt der großen Reise ein Werk mit symbolischen Aspekten vollendet, den Roman Am Jenseits (Bd. 25 GW), doch seine Weiterentwicklung in dieser Richtung war noch nicht vorhersehbar.

    Schon zu Beginn seiner Orientreise hatte May eine neue Berufung zum Dichter gefühlt und in seiner biederen Art erste Gedichte und Reimereien im Sinne kindlicher Gottesgläubigkeit verfasst. Seine Leser konnten ihm jedoch auf seinen Pfaden zu ‚Lichten Höhen‘ nicht folgen, sie erwarteten von ihrem verehrten Autor Abenteuer in bunter Folge, Indianergeschichten, das Spiel vom Anschleichen und Befreien, kurz all das, was ihn berühmt gemacht hatte; doch Karl May konnte in die bunte Welt seiner Abenteuererzählungen nicht mehr zurückfinden. Er starb schließlich, vereinsamt und verbittert und von vielen Prozessen zermürbt, im Jahr 1912 in Radebeul.

    In meinen Jünglingsjahren habe ich die Bücher von Karl May verschlungen und war von der Wahrheit der turbulenten Abenteuer völlig überzeugt. In der Zeit der mittleren Lebensjahre erfolgte dann eine bewusste Abkehr von seinen Werken, die vielleicht auf einer gewissen Übersättigung beruhte; und vor allem die Hinführung zur Hochliteratur durch die Schule, das Studium und das Leben selbst führte zu vollkommen mayfreien Jahren.

    Erst im sogenannten reiferen Alter erfolgte eine vorsichtige Wiederannäherung an Karl May und meine heutige Einstellung kann als positiv, aber kritisch bezeichnet werden. Vor allem gilt mein Interesse seiner seelischen Entwicklung und der Verformung seines Geistes, seinem Wirken in der Spätzeit und seinem tragischen Scheitern als Mensch. Diese Aspekte und verwandte Motive bestimmen bis heute einen Teil meines Handelns und meiner Reisen.

    Längst ist bekannt, dass Karl May seine beschriebenen Fahrten und Abenteuer nicht selbst erlebte, sondern dass er seine Geschichten erfunden, ja erdichtet hat, und darin besteht für mich seine geniale Leistung: seine unendlich reiche Fantasie in Formen gebannt und in einfacher Sprache von beeindruckendem Erzählniveau allen Schichten des Volkes nahe gebracht zu haben. Karl May schuf mit seinen Reiseromanen einen für die damalige Zeit kaum bekannten Literaturtyp und diese Schreibweise, die auch Triviales nicht scheute, gestaltete er meisterhaft und unnachahmlich. Dieser Literaturzweig, oft belächelt und verspottet, stellt heute einen anerkannten Teil des Schrifttums unserer Zeit dar; Karl May hat unvergängliche Figuren erdacht, geformt und wieder umgestaltet und doch die Vollendung nie erreicht. Wir sind ihm zu Dank verpflichtet.

    Karl May in Heluan

    Meine frühen Reisen habe ich noch ohne den Wunsch, die Spuren Karl Mays oder seiner Identifikationsfigur Kara Ben Nemsis im Orient zu suchen, durchgeführt. Aber je mehr ich die Länder Nordafrikas und des vorderen Orients kennen lernte, umso mehr wurde ich von selbst auf seine Fährte geführt. Wenn man das geheimnisvolle Land am Nil besucht, folgt man der Reise Mays der Jahre 1899 und 1900 automatisch, es gibt keinen anderen Weg von Kairo nach Assuan, als den, den Karl May ging. Und auch in Jerusalem, Beirut, Damaskus, in Istanbul und Athen wird man auf den Weg Mays geleitet, auch wenn er in der letzten Phase seiner Reise nur sehr leise auftrat und kaum eine Fährte hinterließ. Aber ich habe doch das Spurenlesen bei ihm gelernt.

    Karl May schildert in seinen Orientromanen die fiktiven Reisen des Kara Ben Nemsi – eine erste Erzählebene. Seine tatsächlich durchgeführte große Fahrt von Alexandria bis Sumatra und zurück deckt sich als zweite Erzählebene zum großen Teil mit den von mir gemachten Reisen, der dritten Erzähldimension. Diese drei Ebenen miteinander zu verbinden, ist Thema des vorliegenden Buches; daran knüpft sich die Frage, ob Reisen wie die von Karl May oder Kara Ben Nemsi heute überhaupt noch durchführbar sind. Die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in den von May geschilderten Ländern haben diese Staaten inzwischen völlig neu gestaltet und auch die religiösen Wandlungen bis hin zum modernen Terrorismus radikaler Gruppen sind unübersehbar. Es macht sicher keinen Sinn, der Spur Kara Ben Nemsis durch die Wüste zu folgen, es wäre eine wochenlange Quälerei durch Landschaften, in denen weder der Autor noch der Abenteurer jemals gewesen sind. Aber in Karl Mays Werken werden uns Berichte über Land und Leute und Städte übermittelt und auf diesem Gebiet bestehen tatsächlich Vergleichsmöglichkeiten.

    Mays Wunsch, den Orient durch das Wirken seiner überdimensionierten Heldengestalten in ein christliches Refugium umzugestalten, blieb, was er war: eine Fantasie, ein Irrtum. Fast allen seinen Wünschen erging es so; der Edelmensch, als dessen glorreichen Vertreter er sich selbst im Alter gerne sah, erwies sich als Fehlkonstruktion. Am Ende seines Lebens widmete May sich dem Friedensgedanken, aber der Roman Und Friede auf Erden scheiterte wie alle seine Illusionen. Zwei Jahre nach seinem Tod brach der erste Weltkrieg aus, acht Millionen Tote waren zu beklagen. Was dann folgte, ist nicht zu beschreiben.

    Karl May blieb seiner selbst geschaffenen Welt verhaftet, die Realität floh er unbewusst, denn nur dort, wo er die Welt nach seinem Traum gestalten konnte, war er glücklich.

    Karlheinz Eckardt

    Tunesien

    In den Suks von Tunis

    Der Hauptort des Tourismus in Tunesien ist Hammamet, 60 km südlich von Tunis gelegen. Am gleichnamigen Golf reihen sich die Hotels aneinander wie Perlen auf einer Kette. Ausflüge nach Tunis, Karthago und Sidi Bou Said werden von den örtlichen Reiseunternehmen angeboten und man erreicht in kurzer Zeit über die moderne Autobahn die Landeshauptstadt. Die Busse halten gewöhnlich am Rathaus, einem Prachtbau an einem mit den Nationalflaggen geschmückten großen Platz. Von hier aus gelangt man in wenigen Minuten über die Rue de Kasba zur Altstadt. In der Erzählung Christus oder Mohammed (Band 10 der Gesammelten Werke, Sand des Verderbens) beschreibt Karl May die Stadt Tunis ziemlich pauschal und ohne auf die bedeutenden Moscheen oder andere hervorragende Bauwerke einzugehen:

    „Von der Stadt selbst lässt sich wenig sagen. Sie gleicht den andern orientalischen Städten, ohne irgend welchen Vorzug vor ihnen zu haben. Der Moslem freilich hat eine so gute Meinung von ihr, daß er sie die Stadt der Glückseligkeit nennt. Dem pflichtet der Europäer bei, wenn er von dem Oelbaumhügel, Belvedere genannt, im Lichte der sinkenden Sonne die schlanken Minarehs und platten Dächer, auf deren Weiße goldige Tinten flimmern, liegen sieht. Doch wird er, wenn er das Innere der Stadt betritt, auch diese Meinung sicher ändern. Die Gassen sind krumm und eng; überall liegt Schutt, Geröll und übelriechender Schmutz. Oft treten die Häuserreihen so nahe aneinander, daß man mit einem kurzen Schritte von einem Dache der diesseitigen Straßenseite auf ein Dach der jenseitigen gelangen kann. Baufällige Gebäude werden nicht repariert; man lässt sie zerfallen und baut, da es nicht an Platz gebricht, ein neues Haus nebenan. So stehen Ruinen, wohlgepflegte Gebäude, improvisierte Zelte, ja Grabkapellen nebeneinander…"

    Angesichts seiner Unkenntnis der Örtlichkeit wundert Karl Mays aussagearme Beschreibung von Tunis nicht. Die Leser zu seinen Lebzeiten waren vielleicht damit zufrieden, der wahren Bedeutung der Stadt wird die Darstellung nicht gerecht.

    Das Stadtparlament

    Zur Zeit der Vorherrschaft von Karthago soll an der Stelle des heutigen Tunis ein kleines Dorf gestanden haben. Erst im 13. Jahrhundert wurde Tunis unter der Herrschaft der Hafsiden zur Hauptstadt erklärt und mit prächtigen Bauten geschmückt. Der Ort war allerdings bereits seit dem 9. Jahrhundert von einer fünf Kilometer langen Mauer mit vielen Türmen umgeben, davon sind jedoch nur Reste und Teile eines Tores, des Bab el Menere, erhalten. Andere Tore, wie das Bab Sonika und das Bab Bhar, entstanden erst um 1200.

    Doch diese Baureste ziehen heute die Touristen weniger an, in organisierten Gruppen werden sie von ortskundigen Führern durch die Medina geschleust. Hinter Bergen von Touristenkitsch aller Art verbergen sich, und nur auf den zweiten Blick erkennbar, bedeutsame Architekturteile und hervorragend gearbeitete Tore und Türgewände vergangener Jahrhunderte. Das Angebot an Waren ist zwar vielfältig, doch ausschließlich für den Verkauf an Touristen bestimmt. Echte Antiquitäten wird man hier nicht mehr finden.

    Von der Rue de Kasba biegt man an der ersten Kreuzung nach rechts ab, wenn man den großen rechteckigen Turm mit dem überwölbten Tordurchgang erblickt. Von hier aus kann man die nach links führende Hauptgeschäftsgasse bis zur Avenue de France entlang schlendern und auf der Rue de Kasba zurückkehren. Bei diesem kurzen Bummel zeigt sich viel von der lebendigen, quirligen Atmosphäre eines arabischen Basars, die wenigen Quergassen dagegen sind zumeist kaum belebt. Kaufen kann man, was das Herz begehrt, nur die Preise müssen ausgehandelt werden, übers Ohr gehauen wird man doch.

    Man sollte sich nicht über die oft hartnäckigen Verkäufer ärgern, diese Leute müssen verkaufen, sie leben davon. Jeder Bummel durch einen Suk wird zum Erlebnis, wenn man sich nur durch die Gassen treiben lässt: Sehen, schauen und die Seele baumeln lassen, so sollte uns diese kleine, bunte, vielfältig gestaltete Welt gefallen – und am Abend kehrt auch hier wieder die Ruhe ein, die Allah über alle Wesen breitet.

    Im Basar von Tunis

    Auf dem Rückweg sollte man die große Moschee oder auch ‚Moschee ez Zitouna‘, Ölbaummoschee, betrachten; für Touristen ist das Betreten des Inneren allerdings zur Zeit nicht möglich, die im Gebetssaal der Moschee befindlichen 184 römischen Säulen aus Karthago können leider nicht bewundert werden. An der Stelle, wo ein wundertätiger Ölbaum verehrt wurde, erbauten die arabischen Eroberer bereits im Jahr 732 ein Gebetshaus auf den Fundamenten des römischen Forums. Es ist möglich, dass die Moschee auf den baulichen Resten eines römischen Tempels steht. Diese Annahme wird durch den von der Rechteckregel abweichenden verzogenen Grundriss bestärkt, den ältere Bauteile bedingt haben.

    Im Bardo – „Ihnen hier im Tunis?"

    Kara Ben Nemsi erreichte Tunis mit dem Schiff, nahm ein Zimmer in einem Hotel in der Innenstadt und besuchte seinen alten Freund Krüger Bei, einen Deutschen, der im Dienst des Bei von Tunis stand. Dieser Mann, eine der heiteren Figuren Karl Mays, besaß eine Dienstwohnung im Bardo, der Residenz des Bei. Im zweiten Band der Romantrilogie Satan und Ischariot (Bd. 21 GW, Krüger Bei) erzählt der Ich-Held:

    „…darum spazierte ich dann hinaus nach dem Bardo. Jeder Schritt war mir bekannt, denn ich hatte während meiner beiden frühern Aufenthalte diesen Weg sehr oft hinaus zu meinem ebenso lieben wie originellen ‚Herrn der Heerscharen‘ gemacht."

    Karl May, der wiederholt betonte, hier oder irgendwo anders schon einige Male gewesen zu sein, besaß offenbar nur einen sehr ungenauen Stadtpan von Tunis oder er schuf sich wieder einmal seine eigene Welt, wie er es so oft getan hat. Denn so einfach spaziert es sich nicht von der Medina zum Bardo.

    Römisches Mosaik im Bardo-Museum

    Die Residenz des Beis von Tunis liegt ungefähr fünf Kilometer nordwestlich der Altstadt und ist heute außer mit dem Taxi auch mit zwei Buslinien zu erreichen. Die Gebäude des Bardopalastes wurden unter Bei Mohammed (1856-1859) an der Stelle des ehemaligen Sultanspalastes aus dem 15. Jahrhundert errichtet und unter der Herrschaft des Bei Mohammed Sadok bis 1882 erweitert. Ein Museum bestand zunächst nur in zwei Räumen in einem der Nebengebäude, aber schon 1885 wurde es in den Sälen des Bardo untergebracht und 1888 feierlich eröffnet. Es birgt nun in über 40 Räumen die weltweit größte Sammlung von antiken Mosaiken. Karl May erzählt weiter:

    „Er (= Krüger Bei) hatte zwei Dienstwohnungen, eine in der Kasbah, dem Palaste des Herrschers in der Stadt, und eine in Bardo, einer vier Kilometer vor der Stadt gelegenen starken Burg, welche der Sitz der Regierung ist."

    Noch heute befinden sich im weitläufigen Palast der Sitz der ‚Assemblée national‘, der Nationalversammlung, und eine Kaserne; deshalb darf im Außenbereich nicht fotografiert werden. Zur Zeit wird für den Besuch des Bardo keine Eintrittsgebühr erhoben, dafür erhält man gegen die Zahlung von einem tunesischen Dinar eine Fotoerlaubnis.

    Kara Ben Nemsi wird von seinem Freund Krüger Bei, der nur noch ein drolliges verkrüppeltes Deutsch spricht, mit den Worten, die jedem May-Leser noch in den Ohren klingen, begrüßt:

    „Ihnen hier? Ihnen hier im Tunis?"

    Die Moschee im Bardo

    Es dürfte nicht möglich sein, während eines Besuchs alle ausgestellten Mosaiken zu betrachten. Die meisten der farbenprächtigen Kompositionen aus kleinen Steinen sind hervorragend erhalten. Man sollte auf jeden Fall die Darstellung des römischen Dichters Vergil mit den zwei Musen, das Mosaik des an den Mast seines Schiffes gefesselten Odysseus, der dem Gesang der Sirenen lauscht, oder die ländlich idyllischen Mosaike mit den sehr seltenen Wiedergaben römischer Villen gesehen haben. Auch die kleineren Bilder oder die Bruchstücke anderer Werke wimmeln nur so von Tieren, Fischern mit gefüllten Netzen, von Jagden oder Götterszenen.

    Die Vielfalt der dargebotenen Kunstwerke lässt den Besucher schnell vergessen, dass Karl May einen seiner Nebenhelden im Bardo angesiedelt hat. Von den kriegerisch bunten Abenteuern, die für Kara Ben Nemsi hier beginnen, kündet kein Mosaik und doch leuchtet die Sonne Karl Mays auch ein klein wenig über Tunis.

    Karthago – Kart hadascht

    Die Gründung Karthagos geschah in einer Zeit, von der nur noch uralte Sagen künden. Es begann mit der Geschichte der Prinzessin Elissa aus Tyros in Phönizien. Elissa, eine Schwester des phönizischen Königs, vermählte sich ohne Wissen ihres Bruders mit einem Priester. Der erboste König befahl, den Priester zu ermorden. Elissa befürchtete, er könne seine Rache auch an ihr vollziehen, und floh mit ihren Freunden über das Meer. Sie landete nach langer Irrfahrt in Utica. Der antike Schriftsteller Justin überliefert uns:

    „Elissa und ihr Gefolge erreichten schließlich die afrikanische Küste. Sie versuchte mit den Einwohnern dieses Landes Freundschaft zu schließen."

    Römische Ruinen von Karthago

    Dieses misslang, da die Bewohner nicht so viele Fremde in ihrer Nähe dulden wollten. Die Erlaubnis zur Gründung einer Siedlung erwirkte sie bei dem Numiderkönig Hierhas, der sich in die schöne Elissa verliebt hatte, mit einem Trick. Elissa erbat nur so viel Land, wie sie mit einer Ochsenhaut umfassen konnte. Der Vorschlag wurde akzeptiert, aber Elissa ließ die Haut in fadendünne Streifen schneiden und erwarb so ein Gebiet, groß genug für eine Stadt. Die Siedlung erhielt den Namen ‚Byrsa‘ – Haut. Elissa aber wurde vom Schicksal geschlagen, sie widerstand dem Werben des großzügigen Königs, weil sie ihrem ermordeten Gemahl die Treue halten wollte, und stürzte sich verzweifelt in die Flammen eines Scheiterhaufens. Die Gründung Karthagos soll nach der Sage im Jahr 814 v. Chr. erfolgt sein, als die Tyrer vor den sie bedrohenden Assyrern flohen und eine neue Heimat suchten.

    Der Byrsahügel besteht noch heute, er trägt die ehemalige Kathedrale St. Louis. Auf diesem Hügel stand die Burg von Karthago, die von den Römern am Ende des dritten punischen Krieges nach mörderischen Kämpfen erobert und zerstört wurde.

    Das punische Wort für die Stadt ‚Kart hadascht‘ bedeutet ‚Neues Haus‘ oder ‚Neue Hauptstadt‘, aus diesem Wort entstand durch Verfremdung die Bezeichnung Karthago.

    Ausgrabungen im punischen Karthago

    Wenn man an den Ruinen der Thermen des römischen Kaisers Antoninus steht, kann man selbst aus der einen wieder errichteten Säule keine Vorstellung von der Größe und Pracht Karthagos gewinnen. Die Sieger von 146 v. Chr. haben buchstäblich keinen Stein des punischen Karthago auf dem anderen gelassen. Die Stadt wurde dem Erdboden gleich gemacht. Alle heute sichtbaren Gebäudereste, bis auf verschwindend geringe Mauerteile, stammen aus römischer Zeit.

    Die Antonius-Thermen im römischen Karthago

    Ein besonders grausames Ritual der punischen Religion erregte schon immer Abscheu, und zwar sollten in Krisenzeiten jeweils die ersten männlichen Nachkommen eines Elternpaares der Göttin Tanit geopfert werden. In einem Bronzeofen in Menschengestalt brannte ein Feuer, die Kinder wurden in eine Art Mulde oder in die Hände der Statue gelegt und mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Flammen geschleudert. Es wurde auch eine entsprechend große Zahl von Kindergräbern gefunden, man sprach von bis zu 50.000 verbrannten Kindern. Neueren Forschungen zufolge beruht der überlieferte Kindermord jedoch auf einer Fehlinterpretation der Funde.

    Das Nymphäum von Zaghouan

    Auf der Fahrt von Tunis nach Süden sollte man sich, wenn die Zeit zur Verfügung steht, ein selten besuchtes Kleinod aus der Römerzeit am Fuß des Dschebel Zaghouan ansehen. Man biegt bei Hammamet in Richtung Westen von der Autobahn ab. Nach etwa 40 Kilometern Fahrt auf einer Landstraße gelangt man zu dem schon von weitem sichtbaren Felsmassiv des Dschebel Zaghouan, der mit 1.295 m Höhe zum imposanten Abschluss der Kette des Atlasgebirges gehört. Noch vor 100 Jahren fürchtete man eine Besteigung des Berges wegen der damals hier noch zahlreichen Löwen. Inzwischen besteht diese Gefahr nicht mehr, denn die Tiere wurden völlig ausgerottet.

    Das römische Quellheiligtum von Zaghouan

    Die Zufahrt zum ‚temple des eaux‘ ist im Ort an der Serpentinenstraße ausgeschildert. Der römische Kaiser Hadrian ließ das kleine Heiligtum am Westrand des antiken Ortes Onellana um 130 n. Chr. als Schutztempel für den Beginn einer Wasserleitung errichten, die von der Quelle am Dschebel Zaghouan bis nach Kathago führte. Das Wasser wurde in einem Becken mit doppelter Rundung gesammelt. In einem inzwischen fast zerstörten Umgang sind zwölf Nischen erhalten, in denen einst wohl die Statuen der das Wasser schützenden Nereiden standen. In der zentralen Hauptnische, einem Rechteckraum, dürfte die Statue des Kaisers aufgestellt gewesen sein.

    Bei einer kleinen Grabung in jüngerer Zeit stieß man vor dem Tempel auf starke Fundamente, die zeigen, dass das Heiligtum nicht isoliert vor der mächtig aufragenden Felswand stand, sondern in die Bebauung des römischen Onellana eingebunden war.

    Die modernen tunesischen Ingenieure erneuerten die Idee der Wasserführung von Zaghouan nach Tunis, heute wird das Wasser der Quellen – allerdings in modernen Betonröhren – wieder nach Norden geleitet. Die Statuen der Nymphen, die einst das Quellgebiet schützten, sind jedoch verschwunden.

    El Djem – der kleine Ort mit dem großen Theater

    In allen Hotelorten der Küstenregion werden von verschiedenen Reiseunternehmen Ausflüge angeboten, die auch über El Djem, den kleinen Ort mit dem zweitgrößten Amphitheater der römischen Welt, führen. Ein Besuch dieses Bauwerks ist unbedingt zu empfehlen.

    Das Amphitheater von El Djem steht inmitten der weiten Ebene der Sahelzone auf dem Gebiet der römischen Siedlung Tysdrus. Mit etwa 60.000 Zuschauerplätzen erreicht es fast die Größe des Kolosseums von Rom, das etwa 80.000 Menschen Platz geboten haben soll. Das heute bestehende arabische Städtchen hat etwa 15.000 Einwohner, man hat deshalb schon in der Frühzeit der Forschung gerätselt, warum ausgerechnet hier ein solch riesenhafter Bau entstanden ist. Begonnen wurde die Anlage unter Kaiser Gordianus, ist aber aus finanziellen Gründen nicht fertig gestellt worden. Am Bau selbst erkennt man das unvollendet gebliebene vierte Geschoss der oberen Zuschauerränge. Man war früher der Meinung, das Amphitheater hätte inmitten einer römischen Großstadt gestanden. Anders konnte man sich seine gewaltigen Dimensionen nicht erklären. Ausgrabungen haben diese Theorie aber nicht bestätigt.

    Das Amphitheater von El Djem

    Heute ist man der Meinung, dass ein- bis zweimal im Jahr Veranstaltungen riesigen Ausmaßes stattfanden, zu denen die Bevölkerung der gesamten mittleren Sahelzone zusammenkam, um die Spiele, die von Märkten für jegliche Warenart begleitet wurden, zu besuchen. Es müssen riesige Zeltstädte in der Umgebung von Tysdrus entstanden sein, man kann sich das Gewimmel auf den Sklavenmärkten, den Lärm ankommender Kamelkarawanen und das Geschrei der Verkäufer nicht lebhaft und bunt genug vorstellen. Das heute bestehende Städtchen macht dagegen einen eher verschlafenen Eindruck. Die Außenmauer des Theaters ist dreiseitig noch bis zu 40 m hoch erhalten und zeigt noch die genaue architektonische Gliederung der Fassade, die sich konstruktiv nach innen fortsetzt und mit 86 Arkaden die ansteigenden Sitzreihen trug. Ein Teil der Sitzreihen fiel dem Steinraub zum Opfer. Sie werden jedoch heute rekonstruiert und das antike Theater wird nun schon wieder für Musikdarbietungen genutzt. Aber noch über Jahrzehnte wird das Amphitheater eine Baustelle sein, wurde mir vor Ort versichert.

    Die arabischen Eroberer zerstörten das römische Theater nicht und so stand das Bauwerk bis vor etwa 300 Jahren völlig unversehrt in der Ebene von El Djem. Es diente manchmal aufständischen Stämmen oder Räuberbanden als gut zu verteidigender Unterschlupf.

    Im 7. Jahrhundert begannen die Angriffe der von Ägypten kommenden Araber. In diese Zeit fällt die heldenhafte Verteidigung des Amphitheaters, das zu einer Festung ausgebaut worden war, durch die Berberfürstin Kahena. Als die Araber in die Festung eindrangen und der Kampf aussichtslos geworden war, konnte sie durch einen der unterirdischen Gänge entkommen und in das Atlasgebirge in Nordtunesien fliehen.

    Das Bauwerk stand bis zum Jahr 1695, erst Mohammed Bei, ein türkischer General, ließ die Nordseite des Theaters während der Belagerung einer Räuberbande mit Kanonen beschießen und die Mauern an dieser Stelle sprengen und abtragen, damit das Bauwerk nie wieder Banditen oder Aufständischen als Räubernest dienen könne.

    In der Verlängerung der Mittelachse sind bis heute die Abgangsrampen zu den Gewölben des Untergeschosses erhalten. In den noch begehbaren Räumen standen die Gladiatoren für ihre Auftritte bereit, hier wurden auch die wilden Tiere, die man zu Hetzjagden verwendete, verwahrt und hier warteten die verurteilten Verbrecher auf den Tod. Beachtenswert sind die mächtigen, zum Bau des Theaters verwendeten Sandsteinquader, die, da es in der Sahelzone keine verwendbaren Steine gibt, auf Schiffen von weither transportiert werden mussten. Elefanten zogen dann angeblich die schweren Wagen mit dem Baumaterial zum Theater.

    Die Fahrt nach Süden

    Von Sousse aus wird die Südroute gewöhnlich über El Djem geführt, die Reise an der Küste entlang ist wegen des noch nicht ausgebauten Straßennetzes beschwerlich. Die von Norden kommende Autobahn endet jetzt zwar noch südlich von Sousse, doch sind die Straßen nach Süden weitgehend in Ordnung. So geht die Reise von Sousse aus über El Djem nach Sfax und Gabes vorbei an drei Salzseen durch eine Ebene, die, so weit sie fruchtbar ist, hauptsächlich Olivenbäume trägt. Ein solcher Baum kann in regenreichen Jahren bis zu 80 Liter Öl erbringen, in trockenen Jahren kann die Frucht dagegen ganz ausbleiben. Für viele der Kleinbauern dieser Gegend ist der Ertrag der Olive die einzige Einkommensquelle, man kann sich die Katastrophe, wenn der Regen ausbleibt, sehr gut vorstellen.

    Nach 125 km Fahrt ist mit Sfax das römische Taparura erreicht. Die Stadt besteht aus zwei durch einen etwa 800 m breiten Freiraum getrennten Teilen, der gut erhaltenen Altstadt und einer erst nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten neuen Stadt, in der durch geschickte Kombination von Alt und Neu ein besonderer Stil moderner tunesischer Architektur entstanden ist.

    Wüstenlandschaft nördlich von Matmata

    Die Altstadt ist von einer etwa zwei Kilometer langen Mauer umgeben, sie wurde bereits im 9. Jahrhundert errichtet. Die kleine Burg, die Kasba, entstand im 12. Jahrhundert. Für Liebhaber arabischer Architektur gilt Sfax als überaus sehenswert, doch soll hier, da sich im Ort keine Spuren Kara Ben Nemsis finden, auf eine weitergehende Beschreibung verzichtet werden.

    Die Straße nach Matmata

    Nach ungefähr weiteren 120 km Fahrt erreicht man die große Oase am Meer, Gabes. An die kleine römische Siedlung Tacapae erinnern heute nur noch einige Säulen und ein Stück der wahrscheinlich aus byzantinischer Zeit stammenden Stadtmauer. Berühmt sind die Gärten und Palmenwälder, hier sollen etwa 200.000 Dattelpalmen wachsen. Diese paradiesisch anmutenden Wälder kann man zu Fuß oder, was zu empfehlen ist, auf einer Fahrt mit der Pferdedroschke erkunden. Immer wieder trifft man auf kleine Bäche oder Quellen, auf Gärten und freundliche Menschen. In Gabes erhält man auch den vorzüglichen Palmenwein. Die meisten Europäer, die nach kurzem Flug aus der Hektik unserer Welt in die Paradiesgärten von Gabes katapultiert werden, sind von der unglaublichen Schönheit des Palmenparadieses zutiefst beeindruckt. Gabes kann man so leicht nicht vergessen.

    Die Höhlen von Matmata

    Nur ungefähr 50 km südlich von Gabes trifft man schon vor Matmata auf eine ganz anders gestaltete Landschaft. Ich empfand das Auftauchen der Hügelgruppen vor Matmata als wohltuend für das Auge, die lange Fahrt durch die Ebene ist ermüdend. In den oft tief eingeschnittenen Tälern hat man kleine Querdämme errichtet, die das Regenwasser auffangen und die Erosion eingrenzen sollen. Kleine Gruppen von Palmen gedeihen dort, wo die Wurzeln das Grundwasser noch erreichen. Vereinzelt sieht man Dromedare nach Fressbarem suchen, aber das unfruchtbare Land überwiegt. Die Berghänge sind völlig kahl, Felszüge erscheinen. Mit jeder Kurve eröffnen sich neue Perspektiven, wir haben das Gebiet der Stein- oder Bergwüste erreicht.

    Berberfrau – Wir nannten sie Marah Durimeh

    Eine moderne Asphaltstraße erschließt von hier aus den großen Süden, aber noch sieht man einzelne Häuser, die auch manchmal kleine Dörfer bilden. Die Häuser scheinen leer zu stehen. Das Gebiet der Höhlenwohnungen ist erreicht.

    Wir halten vor einer Lehmwand, ein überwölbter Gang führt in das Inneres eines Hügels. Die Außenfront hat man weiß gestrichen. Die Bewohner dieser Höhle erlauben uns gern, ihre Wohnungen zu besichtigen, sie erwarten ein kleines Geldgeschenk. Am Ende des Ganges befindet sich ein fast kreisrunder kleiner Hof, der oben offen ist und die Eingänge zu den einzelnen Zimmern enthält. In einer Nische mahlt eine Frau Getreide auf einer vorsintflutlichen Steinmühle. Wir dürfen die wohnlich eingerichteten Zimmer, die in unregelmäßiger Form in den anstehenden Lehm gegraben wurden, sehen. Ich habe den Eindruck, in einer Epoche der Vorzeit zu stehen, wären da nicht die elektrischen Leitungen und die Plastikschüsseln.

    Man erzählt uns – und der Dolmetscher übersetzt aus der Sprache der Berber –, dass die Regierung neue, moderne Häuser für die Höhlenbewohner gebaut und die Menschen umgesiedelt hat. Doch nach kurzer Zeit standen die Gebäude wieder leer und irgendwo im Hügelland entstanden, oft in Seitentälern verborgen, neue Höhlen. Zur Zeit sollen etwa 600 dieser Wohnhöhlen bestehen. Wenn im Sommer draußen ungefähr 45 Grad im Schatten gemessen werden, herrschen im Inneren der Höhlen nur 25 Grad. Den Hitzeschild der dicken Lehmmauern kann kein modernes Haus bieten.

    Man zeigt uns noch eines der größten Höhlengebilde, die Anlage wurde für Touristen zu einem unterirdischen Hotel umgestaltet. In dieser Gegend wurden große Teile der Krieg der Sterne-Filme gedreht, die Filmstudios sind heute noch zu besichtigen.

    Getreidemühle in einer Höhlenwohnung

    Übrigens, Matmata bedeutet: „Hier ist nichts, hier gibt es nichts."

    Nach der Besichtigung fahren wir weiter, aber anstatt nach Norden zurückzukehren, wählt der Fahrer eine Route in südlicher Richtung, wo es nach der Landkarte gar keine Straße geben dürfte. Und doch schlängelt sich eine Route in nordwestlicher Richtung durch die Bergwelt.

    Am Rande der Sahara

    Eigentlich hatte ich erwartet, dass unser Bus nach dem Besuch von Matmata zurück über Bordj Toual in die Gegend von Gabes fahren würde, um dann nordwestlich auf die Wüstenstrecke nach El Hamma del Arad und Kebili einzubiegen. Ich muss gestehen, die im Bus verteilte Wegekarte nur flüchtig angesehen und in der berechtigten Hoffnung, endlich den Schott el Dscherid überqueren zu können, die Reiseroute nur oberflächlich zur Kenntnis genommen zu haben. Und natürlich habe ich Tuomi, unserem in Tozeur am Schott geborenen Reiseführer, blind vertraut.

    Beim Aufenthalt in Matmata sagte ich ihm, dass ich auf der Rückfahrt an verschiedenen Stellen zu halten wünschte, um von der herrlichen zerklüfteten Landschaft einige Aufnahmen zu machen, die ein Kara-Ben-Nemsi-Flair ausstrahlen könnten. Tuomi sah mich überlegen listig lächelnd an und meinte, ein ‚Zurück‘ würde es nicht geben. Wir führen von Matmata aus direkt nach Douz, übernachteten dort und überquerten am nächsten Morgen den Schott el Dscherid! Tuomi erzählte, im Auftrag des Militärs sei eine Straße von Matmata nach Douz gebaut und erst vor wenigen Wochen auch für den zivilen Verkehr frei gegeben worden.

    Man erreicht Douz nun in wenigen Stunden und genießt eine unberührte Landschaft in unbeschreiblicher Schönheit. Zur Linken wölben sich die Sanddünen und die Scheitellinien rauchen, wenn der Wind darüber pfeift. Während einer kurzen Pause verlasse ich die Straße und steige auf den Kamm einer Düne hinauf. So weit der Blick reicht, lagert sich eine der langgestreckten Dünen an

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