KRIM: Notizen zu einer Reise im Herbst 2017
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Über dieses E-Book
Was aber ist auf der Krim eigentlich los? Wer lebt dort? Und wie lebt man dort? Fand dort 2014 eine Annexion statt, wie im Westen behauptet? Oder war es eine selbstbestimmte Entscheidung der Bevölkerung, wie von Seiten Rußlands immer wieder betont wird? Beim zweiten Hinschauen ergeben sich so vielfältige Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten über die derzeitigen Verhältnisse, dass die Autorin vor einigen Monaten auf die Krim reiste, um sich selbst ein Bild von den dortigen Lebensumständen zu machen.
Was sie vorfand, war nicht nur eine erstaunlich andere Realität, als die in den westlichen Medien vermittelte, sondern auch eine Konfrontation mit der deutschen Geschichte, wie sie in der Bundesrepublik in dieser Form schon lange nicht mehr präsent ist. Diese vielfältigen Eindrücke sind in dem nun vorliegenden Buch zusammengefasst und vermitteln einen neuen und anderen Blick auf die Region am Schwarzen Meer.
Katharina Füllenbach
Geboren 1959 in Bonn. Nach dem Abitur endete ein Studium der Politikwissenschaften, Philosophie und osteuropäischen Geschichte in Bonn und Genf mit einem MA-Abschluß und es begann ein bunter beruflicher Lebenslauf zwischen Politik und Kultur. Nach erfolgreichen Jahren als Unternehmerin ist Katharina Füllenbach mittlerweile im Ruhestand und mehrere Monate im Jahr als alleinreisende Frau in der Welt unterwegs. Die von Katharina Füllenbach herausgegebene Buchreihe REISEPOSTILLEN umfasst inzwischen zwölf Bände. Bisher erschienen sind Reiseberichte zu: OSTTÜRKEI - Frühjahr 2016, IRAN - Herbst 2016, TOGO - Winter 2016, KIRGISTAN - Frühjahr 2017, die KRIM - Herbst 2017. RUSSLAND - Herbst 2018, UGANDA - Winter 2018, USBEKISTAN - Herbst 2019, KATAR - Winter 2019, ERITREA - Winter 2020, Finnland - Herbst 2020 und Dubai - Frühjahr 2022. Für die zweite Jahreshälfte 2022 ist neuerlich eine Reise in ein afrikanisches Land geplant.
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Buchvorschau
KRIM - Katharina Füllenbach
Vorwort
Im März 2014 löste sich die Krim aus ihrer seit 1954 geltenden territorialen Zugehörigkeit zur Ukraine und schloß sich der russischen Föderation an. Dies war der Moment, in welchem die seit Ende des zweiten Weltkrieges nicht sonderlich beachtete Halbinsel in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit rückte und seitdem einen festen Krisenbestandteil in der täglichen Nachrichtenflut bildet.
Was aber ist die Krim eigentlich? Wer lebt dort? Und wie lebt man dort? Fand dort 2014 eine Annexion statt, wie im Westen behauptet? Oder war es eine selbstbestimmte Entscheidung der Bevölkerung, wie von Seiten Rußlands immer wieder betont wird? Beim zweiten Hinschauen ergeben sich vielfältigste Unklarheiten und letztlich keine genaue Vorstellung über die derzeitigen Verhältnisse.
Die offenen Fragen veranlassten mich von einigen Monaten, das unterschwellige Drohgemurmel einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und die gerne betonten möglichen drakonischen Bestrafungen der Ukraine wegen eines illegalen Grenzübertritts zu ignorieren und mit einem russischen Visum auf die Krim zu reisen, um mir selbst ein Bild von den dortigen Verhältnissen zu machen.
Was ich fand, war nicht nur eine erstaunlich andere Realität, als die in den westlichen Medien vermittelte, sondern auch eine Konfrontation mit der eigenen deutschen Vergangenheit, die bei uns in dieser Form schon lange nicht mehr gegenwärtig ist. Und schließlich waren all diese Beobachtungen und Erfahrungen eingebettet in einen historischen russischen Kulturraum, wie man ihn in seiner Vorstellungswelt gedanklich nie mit einer vermeintlichen Krisenregion in Verbindung bringen würde.
Diese vielfältigen Eindrücke zu sammeln und zu formulieren, versucht das hier nun vorliegende Büchlein. Im Ergebnis steht es mir – vor allem rechtlich – natürlich nicht zu, dem Leser eine Reiseempfehlung zu geben. Aber ein Wort der wunderbaren Marie Curie sei ihm für eine mögliche zukünftige Urlaubsplanung anheimgegeben, das da lautet:
„Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr."
KF im Dezember 2017
Krim 1. November 2017
Die Anreise auf die Krim ist seit ihrem Wiederanschluß an Rußland einigermaßen kompliziert. Zwar beansprucht die Ukraine nach wie vor einen Alleinvertretungsanspruch, exekutiert aber zugleich eine vollständige Visa-Verweigerung für Touristen. Vielleicht gibt es Gründe, sich so zu verhalten, wie Kiew es tut. Aber ist es deswegen nötig, Besucher, die aufgrund dieser Umstände über Rußland einreisen, wegen Verletzung territorialer Integrität und Grenzen gleich mit einer langjährigen Haftstrafe in einem finsteren ukrainischen Verlies bei Wasser und Brot zu bedrohen? Ich weiß es ja nicht.
Wie auch immer. Weil alles so ist wie es ist, bleibt dem neugierigen westlichen Reisenden nur der Weg über Moskau und die Hoffnung, deswegen später von Deutschland nicht ausgeliefert zu werden.
Bei einem Abflug von Hamburg wäre im Ticket ein kostenloser Aufenthalt über Nacht auf dem Moskauer Flughafen inbegriffen gewesen. Im Transitbereich und in einen Sessel geknüllt. Mäßig verlockend diese Aussicht und so wurde eine Anreise auf der traditionellen Achse Ostberlin - Moskau gewählt, denn von dort fliegt man bei Tageslicht ab und kommt am gleichen Tag abends in Simferpol an. Das ist zivil.
Den Flughafen Schönefeld kenne ich bisher nur dem Namen nach und von daher birgt diese Reiseroute vom ersten Moment an neue Erfahrungen. Kaum vorstellbar, daß sich seit der Wiedervereinigung jemand ernsthaft damit beschäftigt hat, dem Flughafen, über das Allernötigste hinaus, eine gegenwärtige oder gar zukunftsfähige Anmutung zu geben. Auf dem Weg zwischen S-Bahnhaltestelle und Hauptgebäude steht rechts eine hölzerne Gastronomiebaracke, die nur aus DDR übriggeblieben sein kann. Ein Blick auf die Holzpaneele und das Gehirn holt sofort die Erinnerung hoch an Geruch und Geschmack einer ostdeutschen Geflügelschnitte auf der Transitstrecke, genossen zu seligen Honeckerzeiten.
Beeindruckend auch die Sicherheitskontrollen aus dem vorterroristischen Internationalismus. Um meinen Hals baumelt seit dem letzten Geburtstag eine kleine eiserne Katzenglocke (englisch, spätes 18tes Jahrhundert. Nicht besonders schön, aber so eigenwillig, daß ich sie gerne als bisher nicht vermissten Glücksbringer umgehängt habe). Auf diesem Flughafen piept deswegen nix. Es interessiert sich auch niemand für diverse Brillen auf dem Kopf des Reisenden oder klobige Wanderschuhe an den Füßen oder gar einen nicht abgelegten Brustbeutel.
Der Flug mit Aeroflot ist vielleicht zu einem Viertel gebucht. Bei der letzten Passkontrolle steht eine junge Frau hinter mir, einen offenen Jägermeisterflachmann in der Hand. Flachmänner haben ja immer eine besondere Signalwirkung und lassen den Beobachter schnell Rückschlüsse ziehen auf die Befindlichkeit des Besitzers. Und morgens um 9.00h trinkt keiner aus Vergnügen, sondern bringt damit ausschließlich eine große Malaise zum Ausdruck. Immer wenn sie (die Frau) sich unbeobachtet fühlt, nimmt sie einen schnellen Schluck. Hochprozentiger Kräuterschnaps am hellerlichten Tag in einer Flughafenwarteschlange plus ein deutliches Peinlichkeitsempfinden ist an persönlicher Not kaum noch zu überbieten.
Umstieg in Moskau. Für den neuerlichen Security check organisiert man sich die Kisten für den Kleinkram selbst, aber leider stehen sie nur, unordentlich gestapelt, am Ende des Rollbandes. Ab und zu erbarmt sich eine der zahlreichen Ortskräfte und schiebt einen Stapel hinüber zu den wartenden Menschen auf der anderen Seite der Sicherheitseinrichtungen und von einer Sekunde zur nächsten entsteht dann auf dem Flughafen dichteste Schlußverkaufsatmosphäre.
Wieder interessiert sich niemand für meine um den Hals hängende Eisenkugel oder sonstige metallene Hosentaschenkleinigkeiten. Schade, daß ich vor der Kontrolle das mitgebrachte Wasser ausgeschüttet habe. Gut möglich, daß auch das niemanden aufgefallen wäre.
Der A320 nach Simferopol ist gesteckt voll mit Menschen und man fragt sich zwangsläufig, wer sind diese Leute und warum wollen sie auf die Krim? Was machen die da? Kehren sie nach Hause zurück? Besuchen sie Verwandte? Der Flug ist insgesamt eine nationale Angelegenheit und ohne ein Vorurteil schüren zu wollen: Es war nicht zu ignorieren, daß schon im Wartebereich des Flughafens eine olfaktorische Alkoholwolke über den Wartenden schwebte. Sie ist die Gangway mit hinaufgestiegen und liegt bis zum Schluß in der Kabine deutlich wahrnehmbar über den Köpfen der Reisenden.
Beim Öffnen des Koffers nach Ankunft in der