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Hanna lebt - Zwischen Krieg, Sehnsucht und Realität
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Hanna lebt - Zwischen Krieg, Sehnsucht und Realität
eBook398 Seiten5 Stunden

Hanna lebt - Zwischen Krieg, Sehnsucht und Realität

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Über dieses E-Book

Der biografische Roman "Hanna lebt" beschreibt das Leben von Hanna aus Hamburg, die im ersten Weltkrieg geboren wird und in ihrem Leben mit vielen Entbehrungen und Schicksalsschlägen zu kämpfen hat.
Schon in ihrer Kindheit und Jugend sucht sie nach Anerkennung und Liebe, die sie jedoch von ihrem Vater keineswegs erwarten kann. Erste Freundschaften lassen sie aufblühen, doch diese sind gefolgt von Trennungen und einer Vergewaltigung.
Im zweiten Weltkrieg muss sie sich alleine durchschlagen, zwei Kinder großziehen und Arbeit finden. Die Sorge um ihren verschollenen Mann begleitet sie.
Auch nach dem Krieg hat es Hanna nicht leicht und sie ist immer wieder auf der Suche nach ein bisschen Glück.
Dieses findet sie in einer späten Liebe, die ganz plötzlich und unerwartet endet. Hat das vielleicht mit dem Mann zu tun, der Hanna aus der Ferne beobachtet?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum16. Apr. 2021
ISBN9783347303409
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    Buchvorschau

    Hanna lebt - Zwischen Krieg, Sehnsucht und Realität - Andrea Krahl-Rhinow

    Ins Leben

    Beim Kochen eines Rübeneintopfes in der Küche ihrer bescheidenen Wohnung, sank Ella-Marie Mauchert plötzlich in die Knie. Ein Schmerz durchzog ihren Unterleib. Es begann mit einem Stechen, schwoll weiter an, alle Muskeln verkrampften sich. Von außen nach innen verhärtete sich ihr Bauch zu einer festen runden Kugel. Ihre Atmung stockte, ihr blieb die Luft weg. Dann beschleunigte sich plötzlich ihr Herzschlag. Sie hielt sich mit beiden Händen am Küchentisch fest. Ihre Finger krallten sich in die abgenutzte Holzoberfläche.

    Die Wehen hatten eingesetzt. Sie versuchte zu atmen, japste nach Luft und krümmte ihren Oberkörper. Schweißtropfen standen ihr auf der Stirn. Dann war es vorbei. So schnell der Schmerz begann, verschwand er wieder, zumindest für zehn Minuten. Dann setzte er erneut ein. Sie hielt sich erneut an der Kante des Tisches fest, versuchte ruhig zu bleiben, ein- und auszuatmen. Die Schmerzwelle zog vorbei, schneller als beim ersten Mal.

    Ella-Marie stellte den Herd aus, rührte das Essen noch einmal um und setzte sich auf den Küchenstuhl. Sie wartete ab und war sich sicher, dass gleich eine nächste Wehe einsetzen würde. Nichts passierte. Nach einer Viertelstunde erhob sie sich. Der Wäschekorb stand im Flur an der Tür. Die Wäsche hing noch auf dem Dachboden zum Trocknen.

    „Die hole ich noch schnell runter", dachte sie, stand auf, ging zur Tür und bückte sich zum Wäschekorb hinunter. Als sie sich aufrichtete, hielt sie kurz inne. Ihr dicker Bauch wölbte sich unter ihrer Schürze hervor. Sie strich über die Rundung, als wolle sie den Stoff glatt streichen.

    Mit behäbigen Schritten ging sie die Treppen hinauf. Stufe für Stufe, langsam, gleichmäßig atmend. Oben ließ sie den Korb auf den Fußboden gleiten und begann Hemden, Socken und Bettwäsche abzuhängen. Als sie sich zum letzten Laken an der Leine reckte, spürte sie einen dumpfen Stich im Unterleib. Gleich darauf merkte sie, wie sich ein warmer Schwall zwischen ihren Beinen ergoss. Sie blickte erschrocken nach unten. Die Flüssigkeit lief ihr die Beine hinunter und unter dem Rock hervor. Langsam kroch das milchige Fruchtwasser über den Dielenboden, breitete sich um ihre Füße herum aus. Eilig nahm Ella-Marie die Wäsche, raffte den Rock und machte sich auf den Rückweg in ihre Wohnung, eine nasse Spur hinter sich herziehend. Bereits im Treppenhaus überkam sie die nächste Wehe. Heftiger und länger als die vorherigen beiden. Ella-Marie musste sich am Treppengeländer festhalten. Ihre Beine zitterten, Schweiß trat ihr, trotz der Kälte im Hausflur, auf die Stirn. Als die Welle des Schmerzes vorüber war, ging sie weiter. Noch langsamer als auf dem Weg hinauf, schlich sie nun behutsam die Treppe hinunter. Noch nicht ganz im ersten Stock angekommen, kam bereits die nächste Wehe. Mit einer Hand tastete sie nach ihrem Bauch. Er war fest, wie Stein.

    „Ich muss atmen", dachte Ella-Marie.

    „Einatmen, ausatmen", diese beiden Anweisungen sagte sie sich mantraähnlich im Geiste immer wieder auf. Nach dem siebten Ausatmen ließ die Kontraktion nach.

    Mühsam schleppte sie sich zur Haustür, ließ den Korb fallen und umfasste mit beiden Händen den Türrahmen. Schon wieder setzte der Krampf im Unterleib ein. Sie fühlte, wie sich ein festes Band um ihren Leib zog und sich immer stärker zusammenschnürte. Ihr Bauch wurde erneut steinhart, alle Muskeln ihres Körpers schienen sich zusammen-zuziehen. Das Fruchtwasser klebte an ihren Beinen. Sie griff nach dem Türknauf und fühlte eine Spur von Panik aufkommen.

    Ihr Mann Robert war nicht zu Hause und auch sonst nicht erreichbar. Er würde auch morgen und übermorgen nicht nach Hause kommen. Als Soldat musste er seinem Land dienen. Es war Krieg.

    Robert Mauchert war irgendwo mit seiner Kompanie in Richtung Frankreich unterwegs, verbachte Wochen und Monate im Schützengraben. Ella-Marie erhielt nur wenig Post und wenn ihr Mann ihr schrieb, dann nur ein paar kurze Sätze. Sie wusste nicht, wie es ihm erging, was er durchmachte, welchen Gefahren er wirklich ausgesetzt war. Sie wusste auch nicht, wie groß seine Angst jeden Tag war, wenn ein neues Feuergefecht einsetzte. Und sie wusste auch nicht, ob er sie vermisste wie sie ihn. Sie hoffte es, aber wenige Post, die sie von ihm erhielt, gab ihr keine Gewissheit.

    Robert war weit weg und konnte seiner Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes nicht zur Seite stehen. Ella-Marie blieb nichts anderes übrig, als bei der Nachbarin zu klopfen und um Hilfe zu bitten.

    Doch das war gar nicht mehr nötig. Ihre Nachbarin Frau Peters hatte schon das Poltern gehört, als Ella-Marie den Wäschekorb fallengelassen hatte. Sie war bereits an der Tür, um nachzusehen, was passiert war. Ella-Marie stand gekrümmt vor ihrer Wohnungstür und hielt sich den Bauch, als könne er jeden Moment vom Körper fallen. Frau Peters begriff die Situation sofort. Für den Weg ins Krankenhaus war es längst zu spät. Auch eine Droschke würde nicht so schnell kommen. Die Wehen folgten schnell und heftig aufeinander. Mit Unterstützung der Nachbarin gelangte Ella-Marie auf ihr Bett. Frau Peters holte eiligst ein paar Handtücher und Bettlaken und setzte in der Küche Wasser im Kessel auf. Mit hoch-geschobenem Rock lag Ella-Marie auf der Matratze und atmete schwer. Plötzlich begann sie zu hecheln, dann immer lauter zu stöhnen und zu schreien. Schon nach wenigen Minuten guckte das Köpfchen heraus. Auch Frau Peters standen die Schweißperlen auf der Stirn, doch sie meisterte die Geburtshilfe, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

    Fast ein ganzes Leben später

    Den Bewohnern im Pflegeheim in Hamburgs-Schnelsen stieg an diesem ungemütlichen Tag im November die Kälte in die Glieder und ließ jeden unwillkürlich schaudern. Auch mir fröstelte. Seit dem Wochenende tobte das Tief William über Norddeutschland und bescherte nasskaltes Herbstwetter mit Sturm, Regen und morgendlichen Nebelschwaden, die über die Wiesen und Felder krochen, aber auch in Straßen und Höfen gespenstische Atmosphäre verbreiteten. Die Temperaturen bewegten sich zwischen vier und sieben Grad, fühlten sich aber eher wie ein eiskalter Hauch an, der an sibirische Winter erinnerte.

    Dabei waren die ersten Tage im November noch mild und mit einzelnen Sonnenstrahlen freundlich und fast frühlingshaft gewesen. An diesem 15. November aber war es draußen besonders grässlich. Der Nebel hing bleiern in der Luft und schien Mensch und Landschaft in einen grauen Schleier zu hüllen. Ich saß in dem braunen Cordsessel am Fenster meiner kleinen, düsteren Wohnung, die gerade mal die Größe eines durchschnittlichen Hotelzimmers hatte. Neben mir ragte die Eichenvitrine wuchtig in den Raum. Von meiner Wohnzimmereinrichtung aus der Beethovenstraße hatte ich nur ein paar wenige Möbelstücke mitnehmen können, für mehr reichte der Platz in meinem neuen Heim nicht. Außer dem Sessel und der Vitrine waren das kleine Zweisitzersofa und die Kommode vom alten Inventar geblieben. Die Kommode passte nur knapp in die Nische zwischen Schrank und Regal, die ich beide von meiner Vorgängerin übernommen hatte.

    Auf dem Regal stand der Fernseher. Vor dem Sofa gab es einen kleinen Tisch, der mit TV-Zeitschriften und Kreuzworträtseln überladen war. Zwei Kugelschreiber lagen auf dem Boden. Ich würde die Schwester bitten, diese aufzuheben, wenn sie wieder einmal vorbeikäme. Ich konnte mich selbst nicht mehr bücken, mein Rücken war steif und schmerzte. Meine ursprüngliche Körpergröße war in den letzten Jahren um mindestens zehn Zentimeter geschrumpft, weil meine Wirbelsäule um die Brustwirbel herum so stark gekrümmt war, dass ich nur mit viel Mühe nach oben schauen konnte. Überhaupt konnte ich mich kaum noch bewegen. Morgens wurde ich vom Hauspersonal geweckt, aus dem Bett gehoben und angezogen. Abends das gleiche in umgekehrter Reihenfolge. Fast den ganzen Tag saß ich in meinem Sessel, dessen Cordstoff an der Sitzfläche und der Armlehne schon die Spuren der Zeit trug. Bald würde der Stoff durchgewetzt sein und die Schaumstoffpolsterung würde hervorquellen.

    Von dem Platz im Sessel aus konnte ich fernsehen oder aus dem Fenster schauen. Nur zu den Mahlzeiten machte ich mich auf den Weg in den Speiseraum, der eine Etage tiefer und einen Gang weiter links lag. An schlechten Tagen brauchte ich eine halbe Stunde, um von meinem Zimmer aus mit dem Gehwagen dort anzukommen. Aber die Zeit hatte ich.

    Der Überfluss an Zeit machte mir an einigen Tagen schwer zu schaffen. Die Tage zogen sich endlos hin. Ich saß nur da, vertrieb mir Stunde für Stunde und wartete insgeheim sehnsüchtig darauf, dass jemand mich anrief. Vielleicht mein Enkelkind, meine Tochter oder mein Sohn. Aber meistens rief keiner an. Alle hatten zu tun, waren beschäftigt oder hatten andere Dinge im Kopf.

    Ich hatte viel Zeit, meinen Gedanken nachzugehen. Erinnerungen kamen und gingen. Plötzlich schoben sich Szenen aus meinem Leben in mein Gedächtnis.

    Erschienen vor meinem inneren Auge, klar und deutlich, als wären sie gerade erst geschehen.

    So sah ich mich plötzlich in diesen Saal wieder. Nur wenig Gäste hatten sich versammelt. Es war sehr still. Doch ich fühlte ein Knistern in der Luft. Oder war es das Knistern meines steifen Unterocks?

    Auch dieser Tag war besonders kalt. Ich fror in meinem Kleid. Aber das wollte ich mir nicht anmerken lassen. Es war mein Tag, mein ganz besonderer Tag, der einer der wichtigsten in meinem Leben sein sollte. Ich hob den Kopf und sprach mit leiser Stimme: „Ja, ich will. In guten, wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet." Meine Stimme war leise, fast zaghaft.

    Diese Szene war mehr als sechzig Jahre her und ging mir an diesem ungemütlichen und stürmischen Herbsttag durch den Kopf, als wäre es nur ein paar Tage her. Ich wusste nicht, warum, aber das süße Versprechen längst vergangener Tage klang in meinem Kopf wider, waberte hin und her. Der Satz wiederholte sich, ließ sich nicht aufhalten. Fetzen klangen nach, Worte hallten wider. Gesichter tauchten dazu auf. Undeutliche, verschwommene Züge, dann wieder kurze klare Fragmente.

    Warum musste ich gerade jetzt daran denken, an den Moment vor vielen, vielen Jahren, als das Versprechen ausgesprochen wurde, ohne zu wissen, wie lange es Gültigkeit haben würde. Es stimmte mich wehmütig und passte genau zum Wetter, das eine immer größere Bedeutung für mein Wohl-befinden einnahm, je älter ich wurde.

    Ich blickte in den grauen Innenhof. Ein älterer Herr mit Gehstock quälte sich über die Waschbetonplatten voran. Den Kragen seines Mantels hatte er hochgeschlagen, den Schal fest um den Hals gebunden. Unter seiner wollenen Mütze war sein Gesicht nicht zu erkennen. Er schlich leicht vorgebeugt mit schleppenden Schritten quer über die Anlage. Später am Vormittag wurde eine Frau in einem Rollstuhl vom Hauptgebäude zum Nebeneingang ihres Wohnblocks durch den Hof geschoben. Auch sie war warm eingehüllt in einen dicken Mantel mit Mütze und Decke über den Knien.

    Der heutige Tag war frostig und ungemütlich. Die kriechende Kälte ließ sich nicht abschütteln. Sie fraß sich in den Körper hinein, sodass keiner freiwillig nach draußen ging.

    Auch die Bäume waren kahl, trugen keine Blätter mehr. Der Wind hatte schon vor einigen Tagen die übrig gebliebenen fort geweht und damit den letzten Farbtupfer verschwinden lassen. Ein dumpfer Grauton umhüllte das Gesamtbild. Der November zeigte sich in seiner ganzen Trostlosigkeit und in einer Tristesse, die kaum zu überbieten war.

    Im Altenpflegeheim im Kettlerweg in Hamburg-Schnelsen blieb es an diesem Tag ungewöhnlich still. Ich hörte keine Geräusche vom Fernseher von nebenan, wie es sonst oft der Fall war. Meine Nachbarin, die 97jährige Frau Petersen, stellte den Apparat oft so laut, dass ich die Volksmusik oder die Quizshows direkt von der benachbarten Wohnung, die genauso winzig und düster war wie meine, bei mir mitverfolgen konnte, obwohl ich selbst auch nicht mehr gut hörte.

    Auch vom Flur drangen kaum Geräusche zu mir herein. Drinnen und draußen war es ruhig. Kein Wind, kein Sturm, kein Regen. Die Äste bewegten sich nicht, die Landschaft wirkte wie eingefroren. Alles erschien kalt und leblos. Im Innenhof trat eine Pflegerin aus einer Seitentür, drückte sich an die Hauswand, zog die Jacke noch enger um den grünen Kittel, der unter dem Jackensaum hervor lugte. Aus der Jackentasche holte sie eine Zigarettenschachtel, fischte eine Zigarette heraus und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Als sie einen tiefen Zug genommen hatte, blies sie den Rauch in die kühle Luft. Anders als ihr Atem, bildete die ausgeatmete Zigarettenluft eine waagerechte Linie und verfiel an ihrem Ende zu einer diffusen Wolke.

    Kurz schloss die Pflegerin die Augen und lehnte sich mit den Rücken an die marode Wand, die deutliche Verwitterungsspuren zeigte. Der rote Backstein hatte einen sichtbar grünen Schatten vom Moosbefall und auch die Fensterrahmen daneben zeigten dunkle Verfärbungen und waren kaum noch als Weiß erkennbar. Die Farbe war mit der Zeit an einigen Stellen abgeblättert und an den anderen nach-gedunkelt. Das Altenheim war insgesamt in einem erbärmlichen Zustand. Man konnte deutlich sehen, dass an allen Ecken und Enden das Geld fehlte. Das Heim bot denjenigen eine letzte Bleibe, die nicht viel besaßen und mit einer kleinen Rente auskommen mussten. Ich brauchte nicht lange über eine Altenresidenz nachdenken. Natürlich wäre es schön gewesen, in einer gepflegten, schicken Wohnanlage meinen Altersruhesitz zu beziehen. Mit lächelnden Damen an der Rezeption, regelmäßigen Bridgeabenden, Opernausflügen und Literaturrunden. Vielleicht sogar einem Schwimmbad, zweimal in der Woche Tanz und einem Restaurant mit Speiseauswahl. All das gab es in der Hansestadt Hamburg und ich hatte von derartigen, luxuriösen Angeboten schon gehört, hatte Prospekte gesehen und mir Erzählungen vom angenehmen Lebensabend im exklusiven Ambiente angehört. Aber für mich kam das nicht in Frage. In keinerlei Hinsicht.

    Das Heim im Kettlerweg war mein Los für meinen Lebensabend. Die Unterkunft war sozial gefördert, sonst hätte ich mir nicht einmal das leisten können. Im Speisesaal gab es Neonbeleuchtung, praktische Esstische mit Metallkanten und Holzstühle mit abgewetzten Sitzflächen. Das Essen schmeckte meist fade und nach Großküche. Aber ich wurde satt. Dafür musste ich dankbar sein. Ich aß sowieso nur wenig und hatte in den letzten Jahren stark an Gewicht verloren. Dabei war ich schon immer schlank gewesen und hatte als junge Frau eine sehr gute Figur, die meine Weiblichkeit dezent betonte. Ein altes Foto von mir auf der Kommode war ein Beweis dafür. Es zeigte mich, Hanna, mit meinem Mann Alwin, kurz nach unserer Hochzeit. Wir standen etwas steif unter einem Kastanienbaum. Alwin hatte einen Arm um meine Schulter gelegt, während ich versuchte, kerzengerade auszuharren, bis der Fotograf sein Foto geschossen hatte.

    Meine Kinder hätten mir sicher bei der Finanzierung eines Altersheimes, das etwas mehr Komfort bot, unter die Arme greifen können und ihren Teil dazu beigetragen, dass ich eine etwas angenehmere Unterkunft bekommen hätte und bessere Pflege. Aber ich wollte ihnen auf keinen Fall auf der Tasche liegen. Das hatte ich mir mein Leben lang geschworen und zur Maxime gemacht. Ich wollte weder auf Almosen, noch auf Geschenke angewiesen sein.

    „Ja, meine Kinder."

    Geistesabwesend schaute ich aus dem Fenster. Die rauchende Pflegerin war verschwunden. Mein Blick ging über das Beet, das im Sommer vom Hausmeister bepflanzt wurde. Jetzt sah man nur noch Laub, verklumpte Erde, die teilweise darunter hervorguckte und Reste von Unkraut. Mir liefen unwillkürlich ein paar Tränen herunter. Das passierte mir in letzter Zeit immer öfter. Ich wurde im Alter sentimental. Ich schloss die Augen. Die Erinnerungen kamen immer wieder, flackerten wie ein kleiner Lichtstrahl auf und verschwanden. Wie Nebelschwaden über dem Seeufer, die plötzlich den Blick freigaben, dann aber wieder die Umgebung in dichten Dunst tauchten.

    Manchmal waren die Bilder aber auch ganz klar, verschwammen nicht und spielten Szenen, wie in einem Film ab. Es waren meist die selben Handlungen von dem Mann, der mir alles bedeutet hatte. Wie in einem Traum wollte ich nach ihm greifen, ihn festhalten, doch ich verlor ihn immer wieder. Und dann löste er sich auf.

    Das Leben beginnt

    Nach der vierten Presswehe war ich auf der Welt. Meine Mutter gab mir den Namen Hanna Elisabeth. Eingewickelt in ein frisches Tuch nahm sie mich am 20. Januar 1916 glücklich und erschöpft in ihre Arme. Auch Frau Peters war stolz. Sie schob, wie eine Siegerin nach einem gewonnenen Kampf, die gekrempelten Ärmel des Kittels noch ein bisschen höher. Ihre Wangen waren rot und unter dem Kopftuch schauten zerzauste Haarsträhnen hervor, die sie sich flüchtig mit den Handrücken aus den Augen schob, während sie meine Mutter und mich anlächelte. Ihr Gesichtsausdruck verriet, was sie dachte: „So, das hätten wir geschafft."

    Noch viele Jahre später erzählte meine Mutter gerne, wie leicht die Geburt gewesen war, ein Kinderspiel. Die Schmerzen waren längst vergessen.

    „Bei solchen Geburten kann ich noch zehn weitere Kinder bekommen," hat sie damals oft zu meinem Vater gesagt. Doch dazu kam es nicht.

    Nach dem Krieg kehrte mein Vater heim. Den Feldzug hatte er ohne schlimme Verwundungen überstanden. Das grenzte fast an ein Wunder. Viele seiner Freunde und Kameraden waren bei den Gefechten und Angriffen schwer verletzt worden oder gestorben. Im Familien- und Freundeskreis gab es unzählige Tragödien. Junge Familien, die plötzlich keinen Vater mehr hatten, Ehefrauen, die viel zu früh junge Witwen wurden und Kinder, die als Halbwaisen groß werden mussten. Meine Mutter war unendlich erleichtert, als er zurückkam. An dem Tag, als er heimkehrte und sie ihn nach bangen Monaten wieder sah, schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte laut und hemmungslos.

    Kurz davor, ich war bereits zwei Jahre alt, hatte meine Mutter erfahren, dass ihr Bruder nicht aus dem Krieg zurückkehren würde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch noch kein Lebenszeichen von meinem Vater erhalten und war sehr in Sorge. Nach der Todesnachricht ihres Bruders weinte meine Mutter nicht. Doch die Trauer saß tief, das war deutlich zu spüren. Mehrere Tage sprach sie kaum ein Wort. Das war ihre Art, mit dem Verlust ihres Bruders und der Sorge um den eigenen Mann umzugehen.

    Ihr Bruder Karl war an der Westfront bei einen der letzten Offensivangriffe, der „Operation Michael, gestorben. Die „Operation Michael, auch als Kaiserschlacht bekannt, wurde einen Tag nach meinem zweiten Geburtstag von der obersten Heeresleitung Hindenburg beschlossen.

    Karls Kamerad Hermann berichtete von grauenhaften Zuständen an der Front. Mehrere Tage habe er selbst schwer verwundet im Schützengraben gelegen, ein Bein angeschossen, die fleischige Wunde stark blutend. Diese hatte sich unter den schlechten hygienischen Zuständen schnell infiziert. Immer wieder verlor er das Bewusstsein. Als er in dem dreckigen Erdloch wieder zu sich kam, spürte er, wie Tiere sich an ihm zu schaffen machten. Es waren Ratten. Sie waren überall, auf der Suche nach Essbarem.

    Hermann hatte Karl als letzter gesehen. Verlaust, mit notdürftiger Uniform bekleidet. Schmutzig und stinkend lag er im schlammigen Bombenkrater, in den er geschleudert worden war, nachdem ihn eine Granate an der linken Schulter getroffen hatte.

    „Es sei ihm zu wünschen, dass er sofort tot war", sagte Hermann später mit aschfahlem Gesicht. Die Erlebnisse des Krieges sollten noch lange bei ihm und seinen Kameraden nachwirken. Viele kamen ihr Leben lang nicht über die Erinnerungen an die schrecklichen Szenen der Schlacht und die schlimmsten Stunden ihres Lebens hinweg. Einige nahmen sich das Leben oder ertranken ihre Erinnerungen im Alkohol. Andere wurden wahnsinnig oder vegetierten dahin, blickten teilnahmslos ins Leere, wurden sonderbar oder aggressiv. Hunderttausend Soldaten fielen zusammen mit Karl allein an der Westfront. Die wenigsten wurden auf Soldatenfriedhöfen begraben, viele von Ihnen lagen unentdeckt in den Kraterlandschaften. So auch Karl.

    Aber mein Vater lebte und meine Mutter war erleichtert und glücklich.

    Während des Krieges musste meine Mutter dafür sorgen, dass sie und ich über die Runden kamen. Ihr blieb keine andere Wahl, sie musste arbeiten gehen und das schon unmittelbar nach meiner Geburt. Durch einen glücklichen Zufall fand sie schnell eine Anstellung in einer Großnäherei, die auch für die Armee Aufträge annahm. Mich brachte sie zunächst in einer Krippe der Kirche unter. Dort konnte ich aber nur kurze Zeit bleiben. Später fand sie eine private Betreuung für mich und so landete ich, mit gerade mal elf Monaten, bei dem Ehepaar Hansen, die eine Gastwirtschaft im Hamburger Stadtteil Fuhlsbüttel besaßen. Hier brachte sie mich morgens früh hin und holte mich abends wieder ab.

    Im Gasthof Kupferkrug wurde ich von den Angestellten und Gästen sehr verwöhnt. Ich war die meiste Zeit mit in der Wirtschaft, da Herr und Frau Hansen beide dort arbeiten. Nur wenn ich mittags schlief, legten sie mich in eine Kammer, in der ein altes Kinderbett von ihrer Tochter stand. Die Tochter war inzwischen vierundzwanzig und längst verheiratet und aus dem Hause. Die Hansens konnten sich nur wenig Personal leisten. Die Wirtschaft lief aufgrund der schlechten Zeiten schleppend und so blieb nicht viel zum Leben. Über den Zusatzverdienst als Babysitter waren sie äußerst dankbar.

    Die nach vielen Entlassungen übrig gebliebene Belegschaft der Wirtschaft mochte mich.

    „Ist die Kleine nicht süß?" hieß es immer wieder. Die dicke Lore nahm mich auf den Arm, wiegte mich hin und her und sang mir Kinderlieder vor. Immer wieder wurde mir vom Koch oder der Bedienung etwas zum Essen oder zum Trinken gegeben. Als ich laufen konnte, boten mir viele Gäste an, bei Ihnen Platz zu nehmen und dann bekam ich auch von ihnen eine Kleinigkeit. Frau Hansen musste aufpassen, dass ich auch nur das aß, was für mein Alter angemessen war. Als ich einige Jahre älter war und längst nicht mehr unter der Obhut der Hansens, ging ich immer noch gerne in Gastwirtschaften, stets in der Annahme, dort bekäme ich etwas Leckeres. Meinen Vater ärgerte das sehr. Jedes Mal wenn er mich dabei erwischte, schimpfte er und manchmal bekam ich eine Ohrfeige. Ich erinnere mich noch, ich war wohl sechs Jahre alt, da bin ich beim Spaziergang ins Landhaus Wagner hineinspaziert. Die Wirtin winkte mir lustig vom Tresen und ich fühlte mich willkommen. Als sie gerade fragen wollte, ob ich meine Eltern suche, kam mein Vater hinter mir her gestürmt, griff mit seinem Arm um meinen Bauch, hob mich wie einen Kartoffelsack hoch und eilte mit mir hinaus. Draußen setzte er mich unsanft auf den Boden und gab mir eine Ohrfeige.

    „Da hast Du nichts drin zu suchen!, mahnte er mit erhobenem Finger. „Was denkst Du Dir nur, einfach in eine Wirtschaft zu spazieren und zu betteln wie arme Leute?

    Meine Wange brannte und ich weinte. Doch ich lernte nicht dazu und beging diesen Fehler immer wieder. Gasthäuser hatten eine magische Anziehungskraft auf mich und ich war zu klein, um die Reaktion meines Vaters verstehen zu können.

    Bruderherz

    Als ich drei Jahre alt war, wurde mein Bruder Gerd geboren. Ich hatte mich sehr auf ein Geschwisterchen gefreut. Natürlich wusste ich nicht, was mich erwartete. Als ich meinen so heiß ersehnten Bruder sah, war die Enttäuschung entsprechend groß. Mit dem konnte ich nicht spielen, der war viel zu klein und zerbrechlich. Er hatte ein knallrotes Gesicht, schwarze, ölige Haare und einen dünnen, zerbrechlichen Körper. Er sah aus wie ein Vogel-junges, das aus dem Nest gefallen war, verklebte Flügel, schleimig, fragil, aber mit einem dicken Kopf. Er kam etwas früher als erwartet zur Welt. Dieses Mal verlief die Geburt für meine Mutter alles andere als leicht. Die Wehen setzten zu früh ein und sie kam ins Krankenhaus. Dort kämpfte sie viele Stunden mit starken Schmerzen, doch die Geburt wollte nicht richtig voranschreiten. Die Wehen kamen und gingen. Nach drei Tagen war meine Mutter mit den Kräften am Ende. Eigentlich sollte der Geburtstermin erst drei Wochen später sein. Sie bekam von der Hebamme am dritten Tag einen Becher mit einem fürchterlich schmeckendem Getränk, wie sie später erzählte und dann kam mein Bruder doch endlich auf die Welt. Es muss ein Zaubertrank gewesen sein. Mein Bruder war gesund und munter und mein Vater war sehr stolz auf seinen Sohn. Endlich hatte er den heiß ersehnten „Thronfolger" bekommen, auf den er schon bei meiner Geburt gehofft hatte. Er lief freudestrahlend durch unser Haus und posaunte herum, dass er endlich einen männlichen Nachkommen habe. Man hätte meinen können, es sei sein erstes Kind. Fortan wurde mein Bruder umsorgt, getätschelt und mit Aufmerksamkeit überschüttet. Mir war das fremd.

    Als mein Bruder kein halbes Jahr alt war, bekam meine Mutter Scharlach. Sie musste sofort ins Krankenhaus. Das hatte auch für den Rest der Familie Folgen. Meinen Bruder nahm sie mit ins Krankenhaus, da er noch so klein war und dort von Schwestern betreut werden konnte. Ich dagegen wurde ins Waisenhaus gebracht. Vorübergehend natürlich. Mein Vater hatte keine Zeit, sich um mich zu kümmern, er musste arbeiten. Also konnte er nicht für mich sorgen. Auch die Nachbarn hatten keine Zeit. Verwandtschaft, die hätte einspringen können, stand nicht zur Verfügung. Schließlich wurde ich mit meinem kleinen Köfferchen fortgeschickt.

    Die Zeit im Waisenhaus war schrecklich. Die Räumlichkeiten waren ärmlich und karg, die Einrichtung schlicht. Aber das war nicht das Schlimmste. Keiner hatte für uns Kinder Zeit. Mir kamen die Tage ewig lang vor. Außerdem fror ich immerzu. Es zog durch die Fenster und nachts hätte ich mir eine dicke Decke gewünscht, noch lieber jemanden, an den mich ankuscheln konnte.

    Immer sonntags gab es für mich dann doch einen kleinen Lichtblick, ich durfte zu meiner Tante Frida, der älteren Schwester meiner Mutter, und den Tag dort verbringen. Wenn ich zu ihr kam, trug ich immer noch meine Kleidung aus dem Waisenhaus: blaugestreifte Uniform und dicke schwarze Wollstrümpfe, die bis zum Knie hochgezogen wurden und an den Beinen kratzten.

    „Du siehst aus wie ein kleiner süßer Sträfling", sagte Tante Frida zu mir, hob mich hoch und dann nahm sie mich in den Arm und drückte mich.

    „Aber ich bin nicht im Gefängnis, ich habe nichts getan", erwiderte ich dann und musste jedes Mal lachen.

    Ich kuschelte mich noch tiefer in ihre Arme, schloss die Augen und schmiegte meinen Kopf an ihre Schulter. Tante Frida roch nach Seife, das gefiel mir. Sie war so nett zu mir. In der Zeit hatte ich das Gefühl, sie war der einzige Mensch auf der Welt, der für mich da war. Ich wollte am liebsten bei ihr bleiben. Aber das war nicht möglich. Tante Frida musste die ganze Woche über in einer kleinen Fabrik in Stellingen arbeiten. Sie ging früh morgens aus dem Haus und kam erst abends wieder.

    Dann kam Weihnachten und ich war immer noch im Waisenhaus. Ich hatte mir gewünscht, das Weihnachtsfest zu Hause verbringen zu dürfen, doch meine Mutter blieb noch im Krankenhaus und meinem Vater war es zu Hause mit mir zu anstrengend. Es schien ihm unmöglich, mir ein Weihnachtsfest zu bescheren, mit Essen, einem Tannenbaum, Kerzen und womöglich noch einem Geschenk. Ich wollte aber gar kein Geschenk, ich wollte einfach nur zu Hause sein. Oder zumindest bei Tante Frida. Doch ich blieb im Waisenhaus. Ich habe später oft darüber nachgedacht, warum Tante Frida mich Weihnachten nicht zu sich geholt hatte. Sie hatte keine eigenen Kinder. Ihr Mann, Onkel Eckhard, war schon älter. Vielleicht wollte er auch lieber alleine mit Tante Frieda Weihnachten feiern, ohne ein Kind, das Nähe suchte, Wärme und Zuneigung brauchte, immer Geschichten hören wollte oder auf Socken über den Flur rutschte. Vielleicht hatte mein Vater es auch einfach nicht erlaubt, dass sie mich Weihnachten einluden.

    Ich fand es nie heraus.

    Weihnachten im Waisenhaus war anders als ich erwartet hatte. Natürlich trugen wir unsere gestreifte Kleidung. Aber auf dem Tisch stand eine Kerze. Und wir bekamen Geschenke. Es gab für alle Kinder Spielsachen. Die Überraschung für mich war groß. Ich erinnere mich an Reifen, die wir im kalten Flur des Heimes von einem Ende zum anderen rollten. Wir bekamen Puppen, die wir im Arm halten konnten, Bälle, die durch die Zimmer sprangen. An diesen Festtagen hatten wir Kinder großen Spaß. Wir spielten, wir lachten und waren ausgelassen wie an keinem anderen Tag zuvor. Am Abend sangen wir gemeinsam Lieder und die Klänge erfüllten das Haus. An diesem Heiligen Abend ging ich seit vielen Tagen zum ersten Mal mit einem wohligen Gefühl ins Bett. Ich glaubte den anderen Kindern ging es ähnlich, denn wir waren die Feiertage über in einer besonderen Stimmung. Lachen erfüllte die Räume.

    Doch kaum waren die Festtage vorbei, wurde unsere Freude jäh zerstört. Alle Spielsachen wurden wieder eingesammelt und auf dem Dachboden verstaut. Ich konnte es kaum glauben. Die Enttäuschung bei uns Kindern war riesengroß. Doch nicht bei allen Heimbewohnern. Einige Kinder, die schon Jahre dort wohnten und das Prozedere und die weihnachtlichen Spielsachen aus den letzten Jahren kannten, maßen dem Verlust nur eine kurzfristige Bedeutung bei. Sie kannten es nicht anders, hatten uns anderen aber kein Sterbenswörtchen davon erzählt. Ich weinte, konnte mich kaum beruhigen und sehnte mich noch mehr nach meinem Zuhause, als je zuvor.

    Noch viele Jahre später, als ich selbst Mutter war und später Großmutter, hatte ich an Weihnachten immer das Bedürfnis nach einem glücklichen und erfüllten Fest. Die ganze Familie musste zusammen kommen, es sollte für jeden Geschenke geben und waren sie noch so klein, wichtig war, dass jeder seine Geschenke behalten durfte.

    Vier Tage vor meinem vierten Geburtstag kam meine Mutter, für mich völlig unerwartet, ins Waisenhaus. Ich freute mich so sehr und fiel ihr stürmisch um den Hals.

    „Vorsicht, sagte sie und schob mich etwas unbeholfen von sich, „ich bin noch nicht ganz gesund und noch ganz schwach.

    Behutsam setzte sie mich wieder zurück auf den Boden und blickte mir in die Augen.

    „Hanna, bald kannst Du nach Hause kommen."

    Ich schaute sie an und verstand nicht ganz, was sie mir sagen wollte. Ich wollte doch sofort mit ihr mitgehen.

    „Ich will aber jetzt nach Hause!", rief ich, für meine Verhältnisse ungewöhnlich laut.

    „Jetzt! Jetzt! Jetzt", klang es in meinem Kopf immer wieder.

    Mein Mutter strich mir über den Kopf und ließ ihre Hand bei mir im Nacken ruhen. Gedankenverloren kraulte sie mir den Haaransatz, so dass sich Strähnen aus meinen Zöpfen lösten. Ich wünschte, sie würde damit nie aufhören.

    „Ich darf Dich heute noch nicht mitnehmen. Der Arzt hat gesagt, ich soll mich noch schonen. In vier Tagen komme ich aber wieder und hole Dich heim, bis dahin kannst Du noch mit den anderen Kindern spielen."

    „Ich will aber nicht mit den anderen Kindern spielen, ich bleibe hier nicht, ich will mit Dir mit", jetzt schrie ich regelrecht und klammerte

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