Auf den Spuren Johannes Keplers - Zu seinem 450. Geburtstag: Bearbeitet und herausgegeben von Gudrun Wolfschmidt. Nuncius Hamburgensis; Band 54
Von Erich Meyer
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Über dieses E-Book
Bis heute hat Kepler damit eine grosse Bedeutung -- nicht zuletzt weist darauf das "Kepler" Weltraumteleskop hin, mit dem man erfolgreich nach Exoplaneten gesucht hat.
Auf der Spurensuche nach den bisher unbekannten Wohnhäusern von Johannes Kepler während seines 14-jährigen Aufenthalts in Linz stieß der Autor auf bisher unbekannte Details aus dem Alltag und dem Wirken des großen Universalgelehrten. Begeben Sie sich auf eine Zeitreise und tauchen Sie anhand vieler Zitate und Ausschnitte aus Originaldokumenten und Briefen in Keplers Lebens- und Gedankenwelt ein. Dabei erhalten Sie auch viele interessante Informationen über sein Familienleben und seine Freunde und Bekannten, von denen viele aus seiner Heimat Württemberg stammten. Zahlreiche epochale Errungenschaften und Erkenntnisse, die Johannes Kepler trotz schwieriger äußerer Umstände und ständiger Geldsorgen nicht nur auf dem Gebiet der Astronomie, sondern auch in anderen Wissensbereichen gelangen, haben auch für die heutige Zeit noch Gültigkeit.
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Rezensionen für Auf den Spuren Johannes Keplers - Zu seinem 450. Geburtstag
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Buchvorschau
Auf den Spuren Johannes Keplers - Zu seinem 450. Geburtstag - Erich Meyer
Johannes Keplers Leben und Wirken im Überblick
Erich Meyer (Linz)
Keplers Leben und Wirken fällt in eine Epoche, in der in Europa nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die politischen Verhältnisse, die Religion und das Klima im Umbruch waren. Bedenkt man auch die Arbeits- und Lebensverhältnisse zu jener Zeit, sind seine naturwissenschaftlichen Leistungen nicht hoch genug einzuschätzen. Kepler musste ohne Hilfe von Computer und Taschenrechner, ja zu Beginn auch ohne Logarithmentafeln, bei Kerzenschein mit Tinte und Feder seine komplizierten, langwierigen Rechnungen anstellen. Es gab kein funktionierendes Postsystem, Briefe wurden durch Boten zugestellt und auch das Reisen mit Schiff, Kutsche, Pferd oder zu Fuß war extrem mühsam, gefährlich und zeitaufwendig.¹ Es ist erstaunlich, wie viele bedeutende Werke Kepler unter diesen Bedingungen während seines Lebens verfassen konnte und trotzdem noch Zeit für seine Familie und Freunde fand.
Die nachfolgenden Abb. 1.2 und 1.4 sollen einerseits einen Überblick auf bedeutende Zeitgenossen Keplers aus Wissenschaft, Kunst, Kultur und Religion bieten und andererseits seinem persönlichen Lebensweg wichtige Ereignisse zu jener Zeit gegenüberstellen.
Abbildung 1.2:
Zeitgenossen Keplers aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Politik und Religion
(Grafik: Erich Meyer)
1.1 Kepler in seiner Heimat, 1571–1594
Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in der Freien Reichsstadt Weil (heute Weil der Stadt) geboren.² Über seinen ersten wichtigen Tag in seinem Leben berichtete er:
„[…] bin ich doch an der Schwelle des Lebens von meinen Eltern in die katholische Kirche getragen, mit dem heiligen Taufwasser besprengt und dabei mit dem Geist der Kindschaft beschenkt worden." ³
Obwohl seine Eltern (Heinrich, Katharina) Anhänger des lutherischen Glaubens waren, wurde Kepler katholisch getauft, da es in der damals katholischen Stadt Weil (vgl. Keplerhaus, Abb. 1.3, Keplerdenkmal in Weil der Stadt, Abb. 1.8 unten rechts, S. 49) den Protestanten verboten war, die Kinder nach ihrem Glauben taufen zu lassen.⁴
Abbildung 1.3:
Keplerhaus in Weil der Stadt (heute Kepler Museum)
(© Wolfgang-Schütz, Weil der Stadt)
Abbildung 1.4:
Lebenszeit Keplers
(Grafik: Erich Meyer)
1575 übersiedelte Johannes mit seinen Eltern Heinrich und Katharina, geb. Guldenmann (1547–1622) nach Leonberg, wodurch er in den Genuss des weit über die Landesgrenzen bekannten hervorragenden württembergischen Bildungssystems kommen konnte.
Hier besuchte er ab 1577 die Elementarschule und die Lateinschule und bestand am 17. Mai 1583 in Stuttgart das Landesexamen. Von 1584 bis 1588 besuchte er die Klosterschulen in Adelberg und dann in Maulbronn (vgl. Abb. 1.5).
Anschließend begann er in Tübingen (vgl. Tübingen, Evangelisches Stift und Alte Aula (Universität), Abb. 1.6) ein Studium an der Philosophischen Fakultät, wo die Sieben Freie Künste (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) gelehrt wurden.
Sein damaliger Professor für Mathematik und Astronomie, Michael Mästlin (1550–1631), war einer der ersten Astronomen, der die Theorie von Copernicus befürwortete. Durch ihn wurde Kepler auf dieses von der Kirche abgelehnte heliozentrische System aufmerksam.⁵
Abbildung 1.5:
Kloster Maulbronn – Kepler besuchte die Klosterschule von 1584 bis 1588
(Maulbronn 1891, Wikipedia)
Auch nach seiner Studienzeit blieb Kepler mit Mästlin in ständigem Kontakt und Gedankenaustausch.
Nachdem Kepler 1591 an der Universität Tübingen zum Magister promoviert war, wechselte er zur Theologischen Fakultät über.
Abbildung 1.6:
Oben links: Tübingen und Woehrd (Kupferstich J. G. Gerhard (1800) Oben rechts und unten links: Evangelisches Stift (*1536), 1547, ehemaliges Augustinerkloster Unten rechts: Tübingen, Alte Aula (1547), Münzgasse 20
(© Gudrun Wolfschmidt)
1.2 Kepler in Graz, 1594–1600
Noch vor dem Ende seines Theologiestudiums verpflichtete man Kepler 1594 als Mathematiklehrer nach Graz, wo er den verstorbenen Georg Stadius (1550–1593) an der dortigen evangelischen Stiftsschule ersetzte. Zusätzlich zu seiner Unterrichtstätigkeit wurde er mit der Erstellung von jährlichen Kalendern und Prognostika beauftragt. Diese enthielten astronomische Voraussagen wie beispielsweise Sonnen- und Mondfinsternisse, aber auch solche über das Wetter und andere Ereignisse wie Kriege.
Während Keplers Aufenthalt in Graz entstand 1596 sein Erstlingswerk Mysterium Cosmographicum (Das Weltengeheimnis), das er den Ständen der Steiermark widmete. Darin entwickelte er auf Basis der copernicanischen Lehre ein Modell unseres Sonnensystems, indem er mittels der fünf Platonischen Körper die Abstände der bis dahin bekannten sechs Planeten darstellte.⁶ Dieses Buch bewirkte, dass die Astronomen seiner Zeit, unter ihnen auch Galilei und Brahe, auf ihn aufmerksam wurden. Um den Druck seines Werkes in die Wege zu leiten und seine schwerkranken Großväter zu besuchen, reiste er mit der Zustimmung der Stände für mehrere Monate in seine Heimat.⁷
Nach seiner Rückkehr heiratete Johannes Kepler (26jährig) am 27. April 1597 die wohlhabende adelige zweifache Witwe Barbara Müller (24 Jahre alt), die ihre siebenjährige Tochter Regina mit in die Ehe brachte.
Als der katholische Erzherzog Ferdinand (1578–1637) in den innerösterreichischen Ländern die Gegenreformation hart durchsetzte, wurden auch in Graz protestantische Angehörige vor die Wahl gestellt, entweder zum Katholizismus zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Bei der Glaubensbefragung am 31. Juli 1600 bekannten sich von den mehr als tausend Befragten 61 Männer zum evangelischen Glauben, darunter auch Kepler. Nach Gewährung einer Abfertigung verließ der Mathematiker am 30. September 1600 mit Frau Barbara und Stieftochter Graz und folgte einer Einladung des kaiserlichen Mathematikers Tycho Brahe (1546–1601) nach Prag. Dieser hatte im Werk Mysterium Cosmographicum⁸ erkannt, dass Kepler ein hervorragender Kenner der Geometrie und Mathematik war. Sein damaliger Assistent Christian Longomontanus war gerade in seine Heimat Dänemark zurückgekehrt und Brahe erhoffte sich daher von Kepler Hilfe bei seinen Marsbahnberechnungen.⁹
Abbildung 1.7:
Oben: Mühleck-Schlössl in Gössendorf – Kepler heiratet 1597 Barbara Müller (1573–1611), die zweimal verwitwete Tochter eines reichen Mühlenbesitzers, Wohnhaus Keplers (1597 bis 1599)
Unten: Paradeishof – ehemalige protestantische Stiftsschule in Graz (Badgasse 3-5) – hier lehrte Kepler 1594 bis 1599 als Professor für Mathematik
(© Sonja Draxler, Wikipedia, Andi-oisn)
1.3 Kepler in Prag, 1600–1612
Das Zusammentreffen von Tycho Brahe, dem genialen und präzisen Vermesser des Himmels und Johannes Kepler, dem ausgezeichneten Mathematiker und Geometriker, kann als Sternstunde der Astronomie bezeichnet werden. Die von Brahe über Jahrzehnte gesammelten genauen Beobachtungsdaten der Planeten waren für Kepler die Grundlage für die Berechnung seiner drei Gesetze und der Rudolfinischen Tafeln.
In Prag erhielt Kepler vorerst nur zögerlich Zugang zu Brahes Beobachtungsdaten, die insgesamt 38 dickleibige Folianten umfassen.¹⁰ Nach Brahes Tod 1601 war dessen Witwe Kristine (1549–1604), aus finanziellen Gründen gezwungen, Manuskripte ihres verstorbenen Gatten zu veräußern,¹¹ doch glücklicherweise verwahrte Kepler Brahes Beobachtungsjournale und so blieben diese für die Nachwelt erhalten. Bereits wenige Tage nach Brahes Ableben wurde Johannes Kepler vom neuen Regenten Matthias als kaiserlicher Mathematiker bestellt. Kepler arbeitete nun mehrere Jahre am epochalen Werk Astronomia Nova, welches 1609 erschien und in dem man seine beiden bekannten „Kepler-schen Gesetze" über den Flächensatz (1602) und die Bahnform (1605) (siehe Kap. 5.5) findet. Während dieser Arbeit musste er sich zur Absicherung seiner Theorie auch mit der Funktion des Auges und der geometrischen Optik beschäftigen. So entstanden die großartigen und einzigartigen Werke Pars Optica¹² (1604) und Dioptrice¹³ (1611). Während seines 12-jährigen Aufenthalts in Prag schuf Kepler weitere wichtige Werke und wohnte in 13 verschiedenen Unterkünften.¹⁴ Mehrere Umstände machten ihm während der ganzen Prager Zeit zu schaffen. In verschiedenen Briefen bemängelte er die äußerst zögerliche Überweisung seines Gehalts (siehe Kap. 4.3) und den unverhältnismäßig großen Zeitaufwand, den er für Geschäfte am kaiserlichen Hof aufwenden musste: „Die Arbeiten für den Hof [.. .] ich glaube, sie nehmen die halbe Zeit in