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Anselm und Neslin in Raum und Zeit
Anselm und Neslin in Raum und Zeit
Anselm und Neslin in Raum und Zeit
eBook575 Seiten7 Stunden

Anselm und Neslin in Raum und Zeit

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Über dieses E-Book

"Anselm und Neslin in Raum und Zeit" ist der Nachfolgeband des Romans "Anselm und Neslin", in dem zwei Kinder aufgrund widriger Umstände eine Reise durch die mittelalterliche Welt bis hin nach Ägypten überstehen müssen. In Oberägypten hat Anselm in einem traumatischen Zustand die Vision befremdlicher Erlebnisse auf einem anderen Planeten in einem anderen Universum. Zurück im mittelalterlichen Bremen überkommt Anselm in "Anselm und Neslin in Raum und Zeit" die Erkenntnis, dass seine Vision real war. Er war auf einem fremden Planeten, da ist er sicher, weil ihm so viele Einzelheiten einfallen, die ein Mensch des Mittelalters gar nicht kennen kann. Zusammen mit ihrem Freund Adam reisen Anselm und Neslin wieder nach Ägypten an den Ort des damaligen Geschehens und werden von dort tatsächlich auf den fernen Planeten Golgon gebeamt. Dieser Planet befindet sich in einem Abbild der Milchstraße unseres Universums. Auch unser Sonnensystem und die Erde gibt es dort. Und es gibt in Gestalt von Jack und Nelly genaue Ebenbilder von Anselm und Neslin. Auf Golgon leben die Menschen im Jahre 2290 in einer weit fortgeschrittenen Zivilisation. Sie haben die Möglichkeit, sich von einem Ort zu einem anderen zu beamen und können so in die Vergangenheit reisen. Diesen Umstand machen sich Anselm und Neslin zu nutze und unternehmen Zeitreisen in die Vergangenheit ihrer Erde. Dabei lernen sie viel und machen überraschende Entdeckungen. Zuweilen wird es auch richtig gefährlich. Mitunter greifen sie auch ein wenig in die Vergangenheit ein und verändern so den Lauf der Dinge. Am Ende aber zieht es sie doch zurück ins Mittelalter, nach Bremen, wo sie Teilhaber einer Goldschmiede sind.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Aug. 2022
ISBN9783347700499
Anselm und Neslin in Raum und Zeit
Autor

Rolf Esser

Rolf Esser, Jahrgang 1948, ist im Hauptberuf Lehrer und inzwischen pensioniert. Er unterrichtete an einer integrierten Gesamtschule in den Fächern Deutsch, Gesellschaftslehre, Kunst und Musik. Seit etwa 1990 war er für verschiedene Verlage als Autor im Bereich Unterrichtsmaterialien tätig. Darüber hinaus war er immer künstlerisch und musikalisch aktiv. Neben der Ausstellung seiner Kunstwerke (zuletzt im Osthaus-Museum Hagen) spielte er viele Jahre als Schlagzeuger und Gitarrist in Bands seiner Heimatstadt. Rolf Esser hat inzwischen drei Jugendromane, einen Roman für Kinder, zwei Kriminalromane, eine Kurzgeschichtensammlung, ein Sachbuch für Musiker und eine Reihe von verschiedenen Unterrichtsmaterialien veröffentlicht.

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    Buchvorschau

    Anselm und Neslin in Raum und Zeit - Rolf Esser

    Zeit und Ort der Handlung

    Wir schreiben das Jahr 2290. In einem Paralleluniversum existiert ein genaues Abbild der Erde und unseres Sonnensystems. Die dortige Bevölkerung musste zum Teil von der Erde fliehen, weil eine unbekannte Macht aus der vierten Dimension ihr nach Leib und Leben trachtete. Die Menschen fanden in der in diesem Universum ebenfalls vorhandenen Milchstraße in einer Entfernung von vielen Lichtjahren einen unbewohnten, erdähnlichen Planeten, den sie Golgon nannten. Golgon besitzt eine Atmosphäre wie die Erde, hat eine großes Meer und zwei Kontinente, ist aber insgesamt wüstenartiger.

    Nach über 150 Jahren konnten sich die Menschen beider Planeten mit vereinten Anstrengungen und mittels einer neuartigen Waffe von der Bedrohung befreien. Sie erreichten ein hohes Niveau des technischen Fortschritts, müssen aber dauerhaft gegen die fortschreitende Überbevölkerung kämpfen.

    Ein junges Paar aus dem späten Mittelalter gelangt zusammen mit einem Freund durch besondere Umstände auf den Planeten Golgon in jenem anderen Universum. Sie beschließen, die dort vorhandenen technischen Möglichkeit zu nutzen und Zeitreisen in die Geschichte ihrer Erde zu unternehmen. Folgende Stationen ihrer Zeitreisen steuern sie an:

    Die wichtigsten Personen der Geschichte

    Anselm bzw. Jack

    Neslin bzw. Nelly

    Eberold von Sternwald – Kaufmann aus Bremen

    Katharina – Frau von Eberold

    Petrissa – Tochter von Eberold

    Jakob Lichtenberg – Kaufmann aus Bremen

    Christine – Frau von Jakob

    Adam Wienstein – Kaufmann aus Bremen

    Helfrich Miehlen – Kaufmann aus Bremen

    Bertram von Schönburg – Ritter in den Voralpen

    Juliana – Gemahlin des Ritters Bertram

    Agnes – Tochter des Ritters Bertram

    Harold Cramer – Erster Universonaut im Hyperraum-Gleiter

    Sergej Prokanow – Navigator im Hyperraum-Gleiter

    Lin Shi Huang – Kommunikator im Hyperraum-Gleiter

    Jelly Cramer – Schwester von Harold, Mutter von Nelly

    Madnedjme – Frau aus der Arbeitersiedlung

    Neferkare – Madnedjmes Mann, Aufseher an der Pyramide

    Chufu – Pharao Cheops

    Anchhaf – Wesir, oberster Beamter des Pharaos

    Hemiunu – Baumeister der Großen Pyramide

    Platon – griechischer Philosoph

    Jesus von Nazareth – der Erlöser

    Johannes der Täufer – biblische Gestalt

    Johannes der Fischer – biblische Gestalt

    Simon der Fischer – biblische Gestalt

    Jakobus der Fischer – biblische Gestalt

    Judas – Verräter an Jesus

    Pilatus – römischer Statthalter in Judäa

    Herodes – König von römischen Gnaden

    Barabbas – biblischer Verbrecher

    Simon von Kyrene – trägt das Kreuz für Jesus

    Maria – Mutter von Jesus

    Maria-Magdalena – Frau von Jesus

    Josef von Arimathia – nimmt Jesus vom Kreuz

    Ole Svensson – Jellys verstorbener Mann

    Thorvalor – Anführer der Wikinger

    Eyja – Frau von Thorvalor

    Kolumbus – Entdecker der Neuen Welt

    Atahualpa – Inka-Herrscher

    Pizarro – spanischer Eroberer

    Heinrich XVIII. – König von England von 1509 – 1547

    Thomas Cromwell – enger Vertrauter des Königs

    Robert Aske – Führer der katholischen Aufständischen

    Katharina von Aragón – erste Frau Heinrichs XVII.

    Anne Boleyn – zweite Frau Heinrichs XVII.

    Jane Seymour – dritte Frau Heinrichs XVII.

    Galileo Galilei – berühmter italienischer Astronom

    Florita Sivori – Galileis Haushälterin

    Rembrandt Harmenszoon van Rijn – niederländischer Maler

    Saskia Uylenburgh – Rembrandts Frau

    Geertje Dircx – Rembrandts Haushälterin und Geliebte

    Hendrickje Stoffels – Rembrandts 2. Haushälterin und Geliebte

    Titus – Rembrandts Sohn

    Pieter Dircx – Bruder von Geertje Dircx

    Gevert – Schüler von Rembrandt

    Dries – Schüler von Rembrandt

    Maximilien de Robespierre – französischer Revolutionär

    Jean-Pierre Blanchard – Wirt in Paris

    Georges Jacques Danton – französischer Revolutionär

    Bark – Anführer der Neandertalersippe

    Geka – Barks Frau

    Sirko – Anführer der Cro-Magnon-Menschen

    Scheunemann – älterer Herr im Theater

    Brüder Grimm – Wissenschaftler und Märchensammler

    John Mayall – britischer Bluesmusiker

    The Beatles – weltberühmte Band

    Ringo Starr – Drummer der Beatles

    Paul McCartney – Bassist der Beatles

    John Lennon – Gitarrist der Beatles

    George Harrison – Gitarrist der Beatles

    Patti Boyd – Frau von George Harrison

    George Martin – weltberühmter Produzent der Beatles

    Geoff Emerick – Toningenieur der Abbey Road Studios

    The Rolling Stones – weltberühmte Band

    Mick Jagger – Sänger der Rolling Stones

    Marianne Faithfull – Freundin von Mick Jagger

    Keith Richards – Gitarrist der Rolling Stones

    Abt Gieselbert – Abt des Klosters auf Burg Falkenfried

    Der Bischof von Bremen

    Vorwort

    Es ist eine große Gnade für einen Romanautor, dass er fabulieren kann, was das Zeug hält. So speist sich auch diese Fortsetzung von „Anselm und Neslin" aus der Tatsache, dass sich Wirklichkeit und Fantasie munter mischen. Während im ersten Band Anselm in einem eher traumatischen Zustand eine Zeitreise erlebt, werden in diesem Band Zeitreisen zum alles bestimmenden Thema. Allerdings werden die aktuellen wissenschaftlich-physikalischen Erkenntnisse des 21. Jahrhunderts völlig auf den Kopf gestellt. So halten heutige Astrophysiker Zeitreisen in die Vergangenheit eher für unmöglich, allenfalls auf dem Weg über Wurmlöcher, wenn es solche überhaupt geben sollte. Reisen in die Zukunft scheinen aber aufgrund der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein denkbar. Einstein hat die Bewegung im Raum und die Zeit in Beziehung zueinander gesetzt. Würde man mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All hinaus düsen, dann würde die Zeit fast still stehen, während sich auf der Erde die Uhren unverändert weiter drehen. Würde ein Mensch sich sieben Jahre lang mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegen und anschließend zur Erde zurückkehren, so wären dort 500 Jahre vergangen. Der zeitreisende Mensch selbst wäre aber kaum gealtert und würde auf der Erde vermutlich einen Kulturschock erleiden. Eine solche Zeitverlangsamung hat man im kleinen Maßstab 1971 experimentell bewiesen, indem man je eine Atomuhr auf der Erde und in einem Flugzeug miteinander verglichen hat. Die Uhr im Flugzeug war um ein paar Milliardstel Sekunden langsamer. Das ist wenig, aber immerhin ein Unterschied. Die Zeitreise in die Zukunft scheitert u. a. daran, dass wir keine Fahrzeuge bauen können, die Lichtgeschwindigkeit erreichen. Ganz abgesehen davon, dass ein Mensch die Beschleunigung auf Lichtgeschwindigkeit nicht überleben würde.

    Für diesen Roman erschien es interessanter, Zeitreisen in die Vergangenheit zu ermöglichen. Das Seltsame daran ist nur, dass Anselm, Neslin und Adam ja durchaus auch in die Zukunft reisen. Eine Erklärung dafür wird im Buch geliefert. Es ist alles ganz einfach, auch das Unerklärliche.

    Ein weiteres wichtiges Merkmal der Geschichten ist die Tatsache, dass es nicht nur um Zeitreisen geht, sondern dass darüber hinaus diese Zeitreisen auch noch das Universum der beiden Protagonisten überwinden und aus einem anderen parallelen Universum heraus erfolgen. Dazu ist anzumerken, dass in diesem Zusammenhang dem Verfasser nicht etwa die Fantasie durchgegangen ist. Vielmehr bewegt er sich auf aktuellem wissenschaftlichen Stand. Viele angesehene Astrophysiker, Kosmologen und Philosophen gehen davon aus, dass neben unserem Universum weitere Universen existieren. Die Rede ist vom Multiversum. Ihre Annahmen gründen sich auf Berechnungen im Kontext der Quantenmechanik, die einen solchen Schluss zwingend zulassen. Darüber hinaus sollen wir Menschen als Individuen in unendlicher Wiederholung in all diesen Universen existieren, natürlich mit jeweils eigenem Lebensweg. Im Gegensatz zu diesem Buch sehen die Wissenschaftler aber bis jetzt noch keine Möglichkeit, von einem Universum ins andere zu gelangen.

    Auch die sogenannte Stringtheorie liefert einen Ansatz für die Existenz des Multiversums. Strings sollen vibrierende eindimensionale Objekte sein, die das gesamte Universum durchziehen. Die Elementarteilchen der bekannten Materie kann man sich als Schwingungsanregungen der Strings vorstellen. Verfechter der Stringtheorie haben errechnet, dass es 10⁵⁰⁰ Möglichkeiten der Ausformung von Universen gibt. Darunter lässt sich gewiss eine Lösung finden, die genau unser Universum beschreibt. Ob es allerdings diese Strings wirklich gibt, kann niemand sagen und es wird schwer fallen, ihre Existenz zu beweisen, da sie sich in einem Größenrahmen von 10-33 cm bewegen sollen.

    Die Frage sei erlaubt, ob alles, was rechnerisch möglich ist, auch die Wirklichkeit abbildet. In der Tat gibt es ebenso viele namhafte Forscher, die die These vom Multiversum ablehnen. Als Autor dieses Romans habe ich ebenfalls meine Zweifel. Ich glaube nicht, dass es eine wahre Schaumblase von Universen neben dem unseren gibt, gefüllt mit einer Unzahl unserer Doppelgänger, weil es keinen Sinn macht. In der Natur hat alles seinen tiefen Sinn. Gedankenspiele haben ihren Sinn in der Natur des Menschen. Aber eben nur da.

    Aber es ist das Schöne am Autorendasein: Man kann auch das Paradoxon des Paradoxons entwerfen. So werden in diesem Buch Zeitreisen in die Vergangenheit möglich gemacht, die aus der Zukunft heraus starten. Was wiederum die Möglichkeit zu unendlich vielen Begegnungen und Eindrücken schafft, von denen ich einige ausgesucht habe, die hoffentlich Interesse wecken und Spannung erzeugen. So wird aus diesem Buch auch ein Geschichtsbuch der etwas anderen Art. Dabei entsprechen die in den einzelnen Geschichten berichteten Hintergründe durchaus den geschichtlichen Tatsachen, soweit sie zu ermitteln waren. Es ist aber möglich, dass die tatsächlichen Daten mitunter ein wenig verschoben oder komprimiert werden. Als Beispiel sei das Kapitel 8 über Heinrich XVIII. genannt. Das schließt nicht aus, dass auch die Fantasie hier und da deutlich mitmischt. Beim Lesen gilt allerdings für alle wissenschaftlichen Einlassungen die Devise: Der Leser möge nichts vom dem glauben, was sich in diesem Buch hochwissenschaftlich anhört. Es kann durchaus einen wahren Kern haben, aber es ist allemal ein Produkt der Fantasie.

    Rolf Esser, im Mai 2022

    Kapitel 1

    Von den Folgen einer plötzlichen Erinnerung

    Vier Jahre sind vergangen, seit Anselm und Neslin mit den Kaufleuten nach Bremen kamen. Vier Jahre, die wie im Fluge vergingen. Sie sind jetzt neunzehn Jahre alt und haben viel gelernt seither. Ihre kaufmännische Ausbildung haben sie abgeschlossen. Sie sind nun Kaufleute und ausgebildete Goldschmiede. Helfrich war ein hervorragender Lehrmeister und er ist sehr zufrieden mit dem, was er erreicht hat.

    Neslin hat ganz nebenbei ihre außergewöhnliche Sprachbegabung genutzt und sich in die italienische und die englische Sprache eingearbeitet. Italienisch fiel ihr nicht sonderlich schwer, weil sie doch viele Ähnlichkeiten mit dem Lateinischen entdecken konnte. Und beim Englischen fielen ihr viele Wörter auf, die sehr große Verwandtschaft mit dem norddeutschen Sprachschatz aufwiesen. Auch die arabischen Wörter hat sie nicht vergessen. So beherrscht Neslin nun außer ihrer eigenen vier weitere Sprachen recht gut.

    Anselm hingegen hat sich als ausgesprochen mathematisch und technisch begabter Mensch erwiesen. Nichts, was er nicht berechnen könnte, nichts, wofür er keine Lösung finden würde. Besonders als Goldschmied kann er diese Eigenschaften gut gebrauchen. Oft müssen Maße oder Gewichte bestimmt oder umgerechnet werden, oft müssen für die Herstellung von exklusivem Schmuck oder für die Verbindung unterschiedlicher Werkstoffe außergewöhnliche Wege gefunden werden.

    Helfrich hat nun zwei äußerst begabte Mitarbeiter in seiner Goldschmiede. Allerdings – Mitarbeiter ist nicht der richtige Ausdruck. Vielmehr haben die vier Freunde bestimmt, dass Neslin und Anselm nach dem Abschluss ihrer Ausbildung nunmehr Teilhaber am gemeinsamen Geschäft sein sollen. Als Eberold den jungen Leuten diesen Beschluss mitteilte, waren sie zunächst völlig sprachlos. Damit hatten sie nun gar nicht gerechnet. Welch eine Ehre! Aber Eberold machte ihnen klar, mit Ehre habe das nichts zu tun, sie seien seit der gemeinsamen Reise die besten Freunde und daher berechtigt an all ihren Entscheidungen und Unternehmungen teilzuhaben. So besteht die kaufmännische Gesellschaft jetzt aus sechs überaus einsatzfähigen Menschen, während in ihren Gedanken Hartmud als Siebter immer noch im Bunde ist.

    In der Goldschmiede führen Anselm und Neslin oft selbständig die Geschäfte, wenn Helfrich allein oder mit den anderen Freunden kurze Reisen unternimmt, um neue Materialien einzukaufen. Besonders Neslins Sprachkünste sind gerade dann hilfreich, wenn ausländische Kunden sich in der Goldschmiede nach Schmuck umsehen. Kürzlich war sogar ein englischer Adliger da, der ganz erstaunt war, hier in seiner Sprache begrüßt zu werden. Dies schlug sich am Ende deutlich nieder in der Menge der wertvollen Stücke, die er erwarb.

    Die edlen Steine aus Ägypten wurden im Laufe der Jahre alle zu wertvollem Schmuck verarbeitet und fanden begeisterte Abnehmer. Besonderes Aufsehen erregten aber die Skarabäen. So etwas hatte man in Bremen noch nie gesehen. Sie wurden den Goldschmieden regelrecht aus den Händen gerissen. Kurz: Das Geschäft, das Helfrich und die Freunde aufgebaut haben, ist in voller Blüte und bringt erstaunliche Erträge.

    Hin und wieder machen sich Anselm und Neslin auf, um zuhause im heimatlichen Dorf nach dem Rechten zu sehen. Immer scheint es ihnen, als sei dort die Zeit stehen geblieben. Alles ist wie immer. Die Bauern arbeiten sich die Rücken krumm und stöhnen unter ihren Abgaben, die Frauen verharren im Kinderkriegen und in der Hausarbeit. Die Reiter des Ritters benehmen sich unverschämt wie eh und je. Und der zunächst so sanftmütig gewordene Pfarrer hat sich offenbar auf seine alten Untugenden besonnen. Immerhin sind Neslin und Anselm dank ihres beruflichen Erfolgs nun in der glücklichen Lage, ihren Eltern und Geschwistern die ein oder andere Wohltat zukommen zu lassen. So hat Anselm dafür gesorgt, dass das Dach des elterlichen Hauses endlich einmal vernünftig gedeckt wurde und der Regen nun nicht mehr bis in den Innenraum vordringen kann. Und Neslin ließ den sich immer weiter ausbreitenden Misthaufen im Hof ihres Elternhauses neu anlegen und befestigten. Zudem wurde eigens für die Notdurft eine separate Hütte mit einer ordentlichen Grube errichtet. Darüber hinaus stecken die beiden den Eltern bei jedem Besuch noch manchen Gulden zu, damit diese für sich und die Geschwister dringend benötigte Dinge kaufen können.

    Die Jahre in Bremen haben auch die Beziehung zwischen Anselm und Neslin verändert. Sie sind ein Paar. Aber eigentlich waren sie das immer schon. Als Kinder im Dorf verbrachten sie jede freie Minute miteinander und teilten all ihre Sorgen und Nöte. Die lange Reise nach Ägypten schweißte sie regelrecht zusammen. Aus den eng verbundenen Kindern wurden gestandene Erwachsene, die sich noch enger als jemals zuvor verbunden fühlten. In Eberolds Haus lagen ihre Zimmer direkt nebeneinander, sodass sie ständig Kontakt halten konnten. So blieb es nicht aus, dass sie sich ihrer Körperlichkeit immer mehr bewusst wurden. Wie magisch zog es sie zueinander hin und sie entdeckten gemeinsam die Freuden der Liebe, der Sinnlichkeit und der Lust. Zwei Zimmer waren jetzt kaum noch nötig, meist fand man sie in einem vereint.

    Fast genau mit dem Abschluss ihrer Ausbildung vor einem Jahr haben Anselm und Neslin geheiratet. Das ist in diesen Zeiten und in dieser Stadt nicht selbstverständlich. Denn es bedarf der Erlaubnis des Magistrats, der Gilden oder der Zünfte. Eine Ehe darf nur eingehen und eine Familie gründen, wer in der Lage zu ihrem Unterhalt ist. Weite Teile der Bevölkerung werden so von einer Familiengründung ausgeschlossen.

    Zudem sind Ehen aus Liebe eher die Ausnahme. Wirtschaftliche und politische Interessen bestimmen, wer wen heiratet. Hochzeiten ermöglichen so manch einem, gesellschaftlich deutlich aufzusteigen. Kaufleute, die es zu etwas gebracht haben, heiraten gewöhnlich im Rahmen ihrer Gilde, in die sie sich mit ihrem erarbeiteten Vermögen eingekauft haben. Es ergeben sich für sie dadurch gut bezahlte Aufträge und Gelegenheiten zu wertvollen Kontakten mit Aussicht auf eine „lohnenswerte" Heirat.

    In den unteren Schichten der Bevölkerung bestimmen Lehnsherren, Dorfpfarrer oder Eltern den Ehepartner. Das hat oft für die Frau böse Folgen, besonders, wenn der Mann viele Jahre älter ist. In höheren Adelskreisen bedeutet eine Ehe Macherhalt beziehungsweise Ausbau der Macht. Verlobt werden können die Kinder nach dem Kirchenrecht schon mit sieben Jahren. Seit dem 12. Jh. durfte aber das Eheversprechen von Mädchen, die jünger als 12 Jahre waren, und von Jungen, die jünger als 14 Jahre waren, widerrufen werden. Tatsächlich hielt man sich in den Adelshäusern nicht im Geringsten an diese Altersangaben. Der kleine Prinz Heinrich, der ältere Bruder von Richard Löwenherz, wurde als Fünfjähriger mit der zweijährigen Margarete, einer Tochter des französischen Königs Ludwig VII., vermählt. Kaiser Heinrich IV., bekannt durch seinen Gang nach Canossa, wurde als Vierjähriger mit Berta von Turin verlobt.

    Bei einer Hochzeit wird zwischen den Familien des Paares verhandelt, wobei die Verlobung und das Aufsetzen eines offiziellen Heiratsvertrages vorausgehen. Dabei ist meist ein Vertreter der Kirche zugegen. Festgelegt werden Besitzfragen, die besonders im Fall des vorzeitigen Todes des Gatten für die Frau von großer Bedeutung sind. Besonders lange wird um die Höhe der Mitgift gefeilscht.

    Wer auf sich hält, muss bei der Hochzeit möglichst viele Gäste einladen und ein festliches Mahl mit erlesenen Getränken auftischen. Ein solches Fest dauert viele Tage, an Fürstenhöfen manchmal sogar mehrere Wochen. Der Brautvater muss die Kosten tragen und die eingeladenen Gäste und Spielleute werden mit kostbaren Geschenken bedacht. Je reicher der Brautvater ist, desto pompöser fällt das Fest aus.

    Das alles trifft auf die Hochzeit von Anselm und Neslin nicht zu. Sie haben aus Liebe geheiratet. Die Heiratserlaubnis erhielten sie vom Magistrat als inzwischen gestandene Kaufleute ohne Probleme. Ansonsten war niemand da, der Einspruch hätte erheben können oder wollen. Die Eltern? Die waren ohne Frage froh, dass die beiden sich gefunden hatten. Über eine Mitgift gab es ohnehin nichts zu verhandeln, so arm, wie die Familien waren. Und die Freunde bestärkten sie in dem Entschluss zu heiraten bei all der Einvernehmlichkeit, die sie über die Jahre bei Anselm und Neslin beobachten konnten.

    So fand dann eine schöne Feier statt im Familien- und Freundeskreis, die nichts Ausuferndes oder Protziges an sich hatte. Das wollte niemand. Eberold hatte es sich nicht nehmen lassen, die Eltern und Geschwister des Brautpaares ohne dessen Wissen mit zwei Kutschen aus ihrem Dorf herbei schaffen zu lassen, natürlich mit Genehmigung des Ritters. Da war die Rührung wirklich groß, als alle so plötzlich und unverhofft vereint waren.

    An einer Hochzeit im katholischen Ritus kommt man nicht vorbei. Alles andere würde als gotteslästerlich und frevelhaft angesehen. Immerhin konnte Eberold die Bekanntschaft mit einem Pfarrer nutzen. So fand die Vermählung in dessen kleiner Kirche in einem sehr bescheidenen Rahmen statt, was alle Beteiligten zu schätzen wussten.

    Nun sind Neslin und Anselm ein Ehepaar. Es fühlt sich nicht anders an als vorher auch, denken sie oft. Aber es ist schön, so bewusst zusammen zu gehören. Auch Eberold fand, dass das junge Paar einen schönen Anblick bot. Allerdings war er der Meinung, dass es nunmehr nicht mehr in den beiden Zimmern in seinem Hause wohnen sollte. Frisch verheiratete junge Menschen müssen sich entfalten können, beschied er seinen drei Freunden, die ganz seiner Meinung waren. Kurzentschlossen wie Eberold ist, bestellte er eine ganze Schar Handwerker und ließ hinter seinem Haus im Garten einen Anbau in schönstem Fachwerk errichten. Von nun an hatten Anselm und Neslin ihren eigenen Wohnraum und waren dennoch nah bei Eberold und seiner Familie.

    Die frisch Vermählten fühlen sich wohl in ihrem Haus und sie sind Eberold überaus dankbar, dass er diese Idee hatte. Zwar sind die Zimmer nicht sonderlich groß. Es ist ja nur ein Anbau. Aber sie haben ein gemütliches Wohnzimmer mit einem mächtigen Kamin, der im Winter für wohlige Wärme im ganzen Haus sorgt. Neben dem Wohnzimmer liegt eine kleine Küche, in die man sogar einen Backofen eingebaut hat. Im Geschoss darüber ist das Schlafzimmer und für eventuellen Nachwuchs ist sogar ein Kinderzimmer vorgesehen. Schließlich gibt es noch den Luxus eines Badezimmers mit einem großen Holzbottich. Wasser für das Haus und fürs Bad gibt es aus dem großen Brunnen in Eberolds Garten. In der Küche kann man das Wasser erhitzen und in einem Eimer durch eine Öffnung in der Decke direkt in das Badezimmer ziehen. So ist der Bottich schnell gefüllt und einem schönen, warmen Bad steht nichts mehr im Wege.

    Die jungen Leute führen ein schönes Leben. Mit Freude eilen sie täglich in die Goldschmiede, die nun auch ihnen gehört, und gehen ihrer Arbeit nach. Mit Freude verbringen sie ihre Freizeit in ihrem schönen Haus, in dem oft genug die Freunde zu Gast sind. Und mit Freude gehen sie immer wieder hinüber zu Eberold und seiner Frau Katharina und beobachten, wie aus der kleinen Petrissa ein aufgewecktes junges Mädchen wird.

    Anselm und Neslin sitzen in ihrem Wohnzimmer. Es ist dies dominica¹, an dem sie natürlich nicht in die Goldschmiede gehen. Für sie ist es immer ein Tag der Besinnung. Den regelmäßigen morgendlichen Kirchgang an diesem Tag, der geboten wäre, ersparen sie sich oft – genauso wie ihre Freunde. Mit der Kirche haben sie es nicht so. Ihr damaliger Dorfpfarrer hat ihnen den Umgang mit dem kirchlichen Wesen ordentlich verleidet. Nicht, dass sie gänzlich ungläubig wären, aber sie haben festgestellt, dass das große Wissen, das sie sich inzwischen angeeignet haben, dazu geführt hat, dass sie Vieles, was von der Kanzel verkündet wird, nicht unwidersprochen hinnehmen möchten. Aber laut darf man das natürlich nicht sagen. Noch immer ziehen die Inquisitoren durch die Lande und spähen nach Opfern. Und man wird schnell eines Frevels bezichtigt, wenn man unliebsam auffällt. So gehen sie, um allem Übel vorzubeugen, etwa alle drei bis vier Wochen in die Kirche, einfach nur, um gesehen zu werden als vermeintlich gläubige Menschen. So haben sie es mit Eberold und den anderen verabredet und niemand kann ihnen nun vorwerfen, sie missachteten die Gebote der Kirche.

    Anselm ist heute besonders still. Ihn beschäftigt etwas, aber er weiß nicht, wie er es Neslin sagen soll. Vor einigen Tagen nämlich war er nachts aus dem Schlaf gefahren und eine verdrängte Erinnerung eroberte mit aller Macht sein Bewusstsein. Waren ihm schon öfter mal Wörter wie „wow oder „teleportieren in den Sinn gekommen, von denen er nicht wusste, was sie bedeuten sollten, so sah er plötzlich glasklar Szenen vor seinem geistigen Auge, die ihn regelrecht erschreckten. Da befand er sich plötzlich in der großen Halle der Gleiter-Station, hatte den Transmitter vor Augen und neben ihm stand Harold. Da saß er mit Nelly in Jellys Wohnzimmer und sie redeten über die Warlords. Da erklärte ihm Harold den Plan, ihn, Anselm, im Austausch mit seinem alter ego² Jack zurück in die eigene Welt zu beamen.

    Anselm hat keine Zweifel: Das war kein Bild seiner Fantasie, das hat er wirklich erlebt in jenem Zeitraum, als ihm in der Hütte des alten Nubiers auf der Insel Elephantine die Sinne schwanden. Und dass ihn gerade jetzt die Erinnerung so massiv überfällt, betrachtet er als Zeichen. Jemand hat ihm eine Botschaft geschickt, womöglich aus jener Welt, in der er offensichtlich gewesen ist. Ich muss dahin zurück, denkt er immer wieder wie unter Zwang. Aber wie soll das gehen?

    „Was ist los mit dir, Anselm? Du gibst heute kein Wort von dir. Das ist doch sonst nicht deine Art. Neslin kommt aus der Küche, wo sie gerade einen Tee zubereitet hat und wundert sich. „Ach, Neslin, seufzt er, „manchmal möchte man soviel sagen und bringt doch kein Wort hervor. „Aber wenn dich etwas bedrückt, dann solltest du es sofort erzählen. Das erleichtert dich und hilft dir und ich muss mich nicht dauernd fragen, was los ist. „Da hast du wohl Recht, gibt Anselm zu. Und er berichtet ihr von seinem nächtlichen Anfall der Erinnerung. Bis in jede Einzelheit kann er ihr seinen Aufenthalt auf dem Planeten Golgon schildern. Dass er dort Neslin in Gestalt von Nelly getroffen hat. Dass er mit Jack verwechselt wurde. Vom Angriff der Warlords. Von dem Flug mit dem Hyperraum-Gleiter. Seine Darstellung ist so anschaulich und lebensecht, aber angefüllt mit so fremdartigen Begriffen, dass Neslin sich sicher ist, dass er so etwas nicht erfunden haben kann. „Und stell dir vor, Neslin, dieser Planet Golgon befindet sich zudem noch in einem anderen Universum in einer Zeit weit nach der unseren. Damit kann Neslin nun gar nichts anfangen. „Nun, wenn du nachts in den Himmel schaust, erklärt Anselm ihr, „dann siehst du die vielen Sterne. Das alles zusammen ist unsere Welt, unser Universum. Aber es scheint so, als gäbe es noch andere Welten da draußen, von denen wir nichts wissen, weil wir sie nicht wahrnehmen können. Und diese Welten können in der Zukunft liegen. Na ja, denkt Neslin, erstaunlich, aber ich verstehe es trotzdem nicht.

    „Alles in allem, schließt Anselm seinen Bericht ab, „habe ich in dieser fremden Welt wirklich nette Menschen kennengelernt, die sehr große Probleme hatten, weil sie von der Erde fliehen mussten. Fast wäre ich dort bei ihnen geblieben, wenn es dich nicht auf der Erde gäbe. Denn Nelly ist ein genaues Abbild von dir, aber sie ist eben nicht wie du. Ich habe aber jetzt das Gefühl, ich müsste noch einmal dorthin zurück, mir ist, als würden sie mich rufen.

    Neslin ist ratlos. Wenn ihr Anselm ein solches Gefühl hat, dann ist das in Ordnung. Bei seinen Gefühlen lag er immer richtig, wie sie selbst zu ihrem eigenen Glück erfahren durfte. Aber wie kann sie ihm helfen? Wer kann schon aus einer Welt mit Pferdekutschen in ein anderes Uni… – wie hieß das noch? – Universum reisen? So sitzen beide da und grübeln vor sich hin. Anselm sieht vor seinem geistigen Auge den Hyperraum-Gleiter ein Wurmloch ansteuern. Neslin sieht…ja, was sieht sie? Sie sieht die Hütte des Nubiers vor sich. Das ist der Kern des Problems, denkt sie. In dieser Hütte lag Anselm und von dort hat ohne Zweifel seine Reise in die andere Welt begonnen.

    „Ich hab´s, sagt sie in die Stille hinein. Anselm schreckt auf. „Was hast du? „Wir müssen zurück an den Ort des Geschehens und die genauen Umstände nachstellen. Wir müssen zurück nach Ägypten, nach Assuan, in die Hütte des alten Nubiers. Anselm ist verblüfft. Dass er darauf nicht selbst gekommen ist! Neslin ist eben in hohem Maße intelligent und dazu noch praktisch veranlagt. „Du hast Recht, dort hat alles angefangen. Es muss mit dem Rauch über dem Feuer zusammen hängen, der mir die Sinne nahm. Vielleicht kann man den Zusammenhang wirklich noch einmal wiederherstellen. Aber wir können doch nicht einfach nach Ägypten reisen und unsere Freunde und unsere Geschäfte vernachlässigen. Das sieht Neslin ein und sie schlägt vor, dass man die anderen einweiht in Anselms befremdliche Erlebnisse und sie um ihren Rat fragt.

    Am nächsten Wochenende sitzen sie alle beieinander, wie so oft. Jakob, Adam und Helfrich sind gekommen, für Eberold waren es ja nur ein paar Schritte. Es fällt Anselm schwer, aber er ist fest entschlossen, den Freunden alles über die absonderliche Wiederkehr seiner Erinnerung zu erzählen. Je mehr er darüber nachdenkt, desto genauer kann er die Einzelheiten seiner Zeit auf Golgon nachvollziehen. Und so beginnt er zunächst stockend, dann immer flüssiger und schließlich in einem wahren Redefluss die Ereignisse in der fremden Welt zu schildern. Die Freunde sitzen mit offenem Mund da und können ihren Ohren kaum trauen, so fremdartig ist das, was sie da hören. Was soll ein mittelalterlicher Mensch mit Begriffen wie Hyperraum oder Teleportation auch anfangen? Oder dass man mit Hyperwaffen die Warlords bekämpfen kann. Mit Schwertern und Lanzen kann man Ritter bekämpfen, aber was sind Hyperwaffen und was sind Warlords? „Auf eine Sache muss ich noch besonders hinweisen, ergänzt Anselm seinen Bericht, „eine solche Reise in eine andere Welt, in ein anderes Universum, hat offenbar auch eine Verschiebung der Zeit zur Folge. Während vermutlich Jack auf dem Lager des alten Nubiers vielleicht eine Viertelstunde gelegen hat, war ich mehrere Wochen in einem anderen Universum in einer anderen Zeit auf dem Planeten Golgon.

    Wenn du es sagst, denkt Jakob. „Was du uns da berichtet hast, klingt wie eine ausgesprochen geschickt ausgedachte Sage. Du gehst aber mit Begriffen um, die niemand bei uns versteht, besser noch, die niemand je gehört hat. Ich meine daher, das kann man sich nicht ausdenken. Du hast es wohl wirklich erlebt, so unerklärlich das für uns ist. Die anderen pflichten Jakob bei und sind ein wenig geschockt. Unser Anselm in einem anderen Universum oder wie er das nennt? Unglaublich! „Aber sag mal, Anselm, will Eberold noch wissen, „was sind eigentlich Warlords? „Warlords sind fürchterliche Wesen aus einer anderen Dimension. Aber das kann ich euch kaum erklären, weil es jenseits allen heutigen Verständnisses liegt. Stellt euch einfach vor, ein Warlord ist ein ungnädiger Leibherr, ein Großinquisitor, ein Folterknecht und ein Henker in einer Person. Da schaudert es sie alle.

    „Nun habe ich aber noch ein Problem, knüpft Anselm an seinen Bericht an, „ich habe das dringende Gefühl, dass ich noch einmal dort hin muss auf den fremden Planeten, ja, es scheint mir sogar so, als habe man mich gerufen. Neslin übernimmt: „Ich bin der Meinung, dass man Anselms Gefühl Ernst nehmen muss. Der Ausgangspunkt seiner fremdartigen Reise liegt in der Hütte des alten Nubiers auf Elephantine. Meine Idee war es nun, dass wir noch einmal dorthin zurückkehren und die damaligen Bedingungen nachstellen. Anselm hat allerdings Bedenken, euch, die Arbeit und das Geschäft für lange Zeit zu verlassen."

    Die Freunde sind überrascht. Noch einmal nach Ägypten? Noch einmal so eine irre Reise? Nach einer Weile meint Eberold: „Wenn ich ehrlich bin, ich würde eine solche Reise durchaus noch einmal machen. Der Gedanke daran ist verführerisch, auch wenn wir viel Ungemach erlitten haben und den Tod unseres Freundes beklagen mussten. Aber ich kann meine Familie nicht erneut so lange allein lassen. Grundsätzlich jedoch sollte Anselm seinem Gefühl nachgeben und keine Rücksicht auf uns nehmen. Jakob gibt zu bedenken, dass seine junge Frau gerade schwanger ist. Da kann er nicht reisen. Aber auch er ist der Meinung, dass Anselm das tun sollte, was er tun muss. Helfrich schließt grundsätzlich aus, dass er in der gegenwärtigen Lage die Goldschmiede verlassen kann. Das Geschäft würde sofort einbrechen. Das sehen alle ein. Adam aber verkündet: „Ich bin nicht gebunden. Wenn Neslin und Anselm noch einmal nach Ägypten reisen wollen, dann bin ich bereit, sie zu begleiten. Zu Dritt ist es vermutlich einfacher, den vielen Unwägbarkeiten einer solchen Reise zu begegnen. Ich schlage aber vor, dass es ein Gemeinschaftsunternehmen wird und dass unser kaufmännischer Bund alle Kosten übernimmt.

    Da sind alle erleichtert. Das junge Paar muss nicht allein in die weite, gefährliche Welt hinaus. Wer weiß schon, was alles passieren kann? Und dass alle die Kosten tragen, erscheint schon fast selbstverständlich. So haben sie es immer gemacht. Es ist beschlossen! Es geht wieder nach Ägypten!

    Gemeinsam wird die Reise vorbereitet. Es wird bald Sommer, eine gute Zeit, um ein solches Unternehmen zu starten. Für jeden müssen zwei Pferde beschafft werden, Geschirr und Sättel, Packtaschen, geeignete Reisekleidung für alle Fälle. Bankvollmachten sind auch unentbehrlich, damit sich die Reisenden bis nach Südeuropa hin noch mit Bargeld versorgen können. Denn alle große Banken haben in den wichtigsten Städten Niederlassungen gegründet. In Genova und Venedig haben die Freunde das ja schon erlebt. Natürlich werden sie bereits ausreichend Bares von Anbeginn an mitnehmen, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Allein die Aufenthalte in Gasthäusern werden manchen Gulden verschlingen.

    Dann ist es soweit. Die Abreise steht bevor. Anselm und Neslin fällt es schwer, sich von ihrem schönen Haus und den zurückbleibenden Freunden und ihren Familien zu trennen. Adam ist eher der Typ, der nach vorne schaut. Eberold trägt der Reisegesellschaft dringend auf, unbedingt den Weg über die Burg seines Freundes Bertram von Schönburg zu suchen. Nichts lieber als das, ein paar Tage auf der Burg bei diesen lieben Menschen werden ihnen gut tun. Neslin möchte, dass Eberold einen Boten zu den Eltern ins Dorf schickt, damit diese über ihre Abreise in die Ferne informiert werden. Das will Eberold gerne tun. „Und schickt eine Nachricht, wann immer und von wo immer ihr könnt", bittet er inständig. Ja, das wollen sie wohl versuchen. Nun liegen sich alle in den Armen, Wehmut macht sich breit. Katharina und Petrissa vergießen ein paar Tränen. Es hilft nichts, es muss los gehen. Die Drei reiten an, ein letzter Gruß und schon sind sie entschwunden.

    Der wochenlange Ritt bis in den Süden Deutschlands war vergleichsweise problemlos. Einmal wollte ein Wirt sie betrügen, indem er alles doppelt berechnete. Ein anderes Mal mussten sie einen weiten Umweg nehmen, weil man ihnen sagte, dass sich in der vor ihnen liegenden Gegend zwei Ritter eine blutige Fehde lieferten. Schließlich gab es noch ein plötzlich hereinbrechendes Unwetter mit Hagel, Sturm, Blitz und Donner. Sie konnten sich gerade noch in einen dicht stehenden Nadelwald retten und waren so einigermaßen geschützt. Alles in allem also eine recht entspannte Reise bisher.

    Nun sind unsere drei Reiter bereits in den Voralpen und erreichen bald die schöne Burg des Ritters Bertram von Schönburg. Schon sehen sie den hohen Burgberg aufragen und vor sich den Wirtschaftshof der Burg, der sich ja hier unten im Tal befindet. Je näher sie kommen, desto mehr trauen sie ihren Augen nicht. Die Felder ringsum machen einen verwahrlosten, ja, verwüsteten Eindruck. Nirgendwo ist auch nur ein Bauer zu sehen, obwohl es gerade jetzt Einiges auf den Feldern zu tun gäbe. Dann stehen sie vor dem Hof und sind schockiert. Das Hauptgebäude ist abgebrannt, die übrigen Gebäude und Stallungen sind zerstört. Als habe ein Riese mit eiserner Faust dreingeschlagen. Menschen können sie nicht entdecken. „Ich wage gar nicht daran zu denken, was hier passiert ist", meint Adam erschrocken. Neslin vermutet, dass Räuberbanden über den Hof hergefallen sind. Der Ritter wird es ihnen sicher erzählen können.

    Sie machen sich an den steilen Anstieg zur Burg. Als sie um die letzte Kehre vor der Zugbrücke kommen, stockt ihnen der Atem. Die Burg, diese wunderschöne Burg, ist ebenfalls völlig ausgebrannt. Es stehen nur noch die von Ruß geschwärzten Mauern da. Über der Wehrmauer links hängen die Leichen von zwei Männern, entseelte Zeugen eines schlimmen Ereignisses. Unfassbar! Was ist hier bloß geschehen?

    Die Zugbrücke ist herunter gelassen. Sie besteht aber nur noch aus zwei dünnen Planken. „Wir müssen da rein, stammelt Anselm, „vielleicht können wir noch helfen. Danach sieht es eher nicht aus. Aber natürlich müssen sie da rein, koste es, was es wolle. Sie binden die Pferde an einem Mauervorsprung fest. Adam setzt als Erster einen Fuß auf die Planken. Sie biegen sich bedenklich durch. „Warte, Adam, ruft Neslin, „ich hole ein Seil aus meiner Packtasche und wir sichern dich zumindest so gut es geht. Sie schlingen das Seil um Adams Leib und binden das andere Ende an die Begrenzungsmauer des schmalen Weges. Zusätzlich halten Anselm und Neslin es noch mit ihren Händen fest. Dann geht Adam los. Es ist ein schwankender Gang, ein Sturz wäre immer noch gefährlich. Schließlich kommt er aber wohlbehalten drüben an. Sie wiederholen die Prozedur noch zwei Mal, wobei Neslin ein weiteres Seil für den Rückweg mitnimmt.

    Im Inneren der Burg ist der Anblick nicht weniger trostlos. Alles verwüstet, zerstört. Der große Saal, die Kemenate, vom Feuer dahingerafft. In der Trümmern des Gesindehauses entdecken sie weitere Leichen. Einige der Bedauernswerten kennen sie noch von ihrem Aufenthalt. Vom Burgherrn, seiner Gattin und seiner Tochter keine Spur. Trauer macht sich breit unter den Freunden. Es hätte so schön sein können hier und dann dieses! Ermattet lassen sie sich inmitten der Trümmer nieder und brüten vor sich hin. „Wir müssen wieder hinunter ins Tal und sehen, ob wir einen Menschen finden, der uns berichten kann, was auf dieser Burg passiert ist", sagt Anselm in die Stille hinein. Die beiden anderen nicken. Tun können sie hier ohnehin nichts. So machen sie sich auf, passieren noch einmal die gefährlichen Überreste der Zugbrücke und reiten zurück ins Tal.

    Sie reiten zu dem Dorf in der Nähe des Wirtschaftshofes, in dem damals das Ritterturnier stattgefunden hat. Das Dorf scheint unversehrt. Sobald sie aber die Dorfstraße hinunter reiten, flüchten die wenigen Bewohner, die zu sehen sind, wie panisch in ihre Häuser. Unsere Freunde spüren fast körperlich die Angst, die offenbar auf dem Dorf lastet. Sie halten bei dem größten Hof in der Annahme, dass hier womöglich der Schultheiß zu finden ist. Auch hier scheint alles wie verrammelt. Adam klopft energisch an das Portal und ruft: „Macht auf, wir sind nur harmlose Reiter auf der Durchreise! Langsam öffnet sich das Tor und zwei Augen schauen durch den Spalt. „Was wollt ihr? „Wir suchen den Schultheiß. Wir benötigen eine Auskunft. Nun wird das Tor ganz geöffnet und ein drahtiger Mann mittleren Alters tritt hervor. „Ich bin der Schultheiß. Was wollt ihr wissen?

    „Hört zu Schultheiß, sagt Anselm in beruhigendem Tonfall, „wir wollen Euch nichts Böses. Wir sind Freunde des Ritters Bertram von Schönburg aus dem Norden Deutschlands. Wir wollten den Ritter besuchen und haben oben auf der Burg all das Schreckliche gesehen. Nun möchten wir wissen, was hier geschehen ist. Der Schultheiß atmet durch. Gott sei Dank! „Na, dann kommt erst einmal herein, sagt er, „das wird eine lange Geschichte werden. Drinnen in der Stube sitzen noch drei Männer. Eine Frau steht an der Feuerstelle. „Die Männer hier sind aus dem Dorf, erklärt der Schultheiß, „wir beraten gerade, wie es weitergehen soll, ohne dass wir eine Lösung gefunden haben. Meine Frau wird erst mal einen Tee für uns machen.

    Jetzt sitzen sie alle beim Tee und der Schultheiß beginnt mit seinem Bericht. „Begonnen hat alles vor zwei Jahren. Die Tochter des Ritters, Agnes, war in einem heiratsfähigen Alter. Sie war eine sehr schöne, junge Frau und es gab daher sehr viele Bewerber um ihre Hand. Der Ritter aber liebte seine Tochter sehr und wollte sie am liebsten gar nicht gehen lassen. Was die Bewerber anging, so war er sehr kritisch und wies einen nach dem anderen ab. Schließlich warb auch Graf Alexander von Löwenhof um die Gunst der jungen Dame. Aus einem Grund, den ich nicht kenne, konnte der Ritter gerade diesen Grafen aber absolut nicht leiden. Er erteilte ihm eine derart derbe Abfuhr, dass dieser sich beleidigt fühlte. Nun nahm das Unheil seinen Lauf. Der Graf sandte dem Ritter einen Fehdebrief."

    Dazu muss man wissen, dass es für derartige Auseinandersetzungen durchaus Regeln gibt. Wer eine Fehde anzettelt, der muss sie drei bis vier Tage vorher durch einen Brief ankündigen, den ein Bote dem Gegner bei Tage überbringen muss. Dem Boten darf nichts geschehen, so schreiben es jedenfalls die Reichsgesetze vor. Eine Fehde ist als Selbsthilfe nicht nur gegen einen schweren Verbrecher erlaubt, sondern gegen Jeden, der einem die geringste Verletzung zufügt, wenn einem der Staat und die Gerichte nicht zu seinem Recht verhelfen können. Wer die ordentliche Ansage der Fehde missachtet, wird als Landfriedensbrecher bestraft. Grundsätzlich kann man die geltenden Regeln für Fehden so zusammenfassen:

    1. Die Fehde muss durch einen förmlichen Fehdebrief angesagt werden.

    2. Die Tötung Unschuldiger ist verboten.

    3. Das Niederbrennen von Häusern und das Verwüsten von Land ist jedoch erlaubt.

    4. Während der Fehde muss der Frieden in der Kirche, im Hause, beim Gang zur Kirche, bei der Rückkehr von der Kirche, beim Gang zum Gerichtstermin und bei der Rückkehr vom Gerichtstermin beachtet werden.

    Der Schultheiß fährt fort: „Ritter Bertram war im Grunde ein friedlicher Mensch. Er erhielt den Fehdebrief, aber nach Fehde stand ihm gar nicht der Sinn. So teilte er dem Grafen mit, für einen solchen Unsinn stehe er nicht zur Verfügung. Das aber brachte den Grafen vollends gegen ihn auf. Von nun an gab es keinerlei Regeln mehr und es galt nur noch das Gesetz des Grafen Alexander. Da er wusste, dass Ritter Bertrams Burg nur schwer einzunehmen war, versammelte er rund eintausend Söldner und fiel mit diesen hier ein. Unser Dorf verschonten sie wohl, weil sie uns später für ihre Versorgung missbrauchen wollten. Den Wirtschaftshof der Burg überfielen sie als Erstes. Sie brannten das Hauptgebäude nieder, zerstörten den Rest und verwüsteten die Felder. Die Männer und Kinder wurden niedergemetzelt, die Frauen vergewaltigt und anschließend umgebracht.

    Das nächste Ziel war die Burg. Die Männer besetzten den gesamten schmalen Pfad bis zur Zugbrücke und errichteten unten ein Lager. Oben war der Ritter schon gewarnt worden, weil einem Mann vom Wirtschaftshof die Flucht gelungen war. Die Zugbrücke war also oben. Über die tiefe Schlucht und die Mauern kam niemand. Allerdings gab es auf der Burg nur wenige erfahrene waffenfähige Männer. Man konnte sich also kaum wehren. Der Graf ließ Brandpfeile abschießen und schon bald fing das Wirtschaftsgebäude Feuer. In die Burg kam die Horde des Grafen trotzdem nicht. Also setzte der Graf auf Zeit. Er belagerte die Burg ein gutes halbes Jahr lang. Während all der Zeit wurden wir gezwungen, Lebensmittel für die Belagerer bereit zu halten. Hätten wir uns geweigert, wäre das unser Tod gewesen.

    Schließlich gingen die Vorräte des Ritters zu Ende. Er musste sich ergeben. Die Zugbrücke wurde herunter gelassen und die Mordbrenner überrannten die Burg. Mitsamt seiner Frau wurde der Ritter ermordet. Die Tochter Agnes ist seither verschwunden, vermutlich hat sie der Graf entführt. Das Gesinde der Burg musste auch mit dem Leben bezahlen. Alle Gebäude wurden in Brand gesteckt. Wir wissen das alles so genau, weil die Reiter des Grafen, die immer wieder hier auftauchten, es sich nicht nehmen ließen, mit ihren schrecklichen Untaten zu prahlen. Als alles in Schutt und Asche lag und unzählige Ermordete zu beklagen waren, war es der rachedurstige Graf zufrieden und zog mit seiner furchtbaren Horde ab. Ich hoffe nur, dass er irgendwann einmal eine gerechte Strafe findet, denn er hat gegen alle

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