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Im Auge der Zukunft
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eBook364 Seiten5 Stunden

Im Auge der Zukunft

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Über dieses E-Book

Dieses Buch räumt auf mit Tabus. Es beschreibt die Entwicklung eines Mannes vom skrupellosen Finanzspekulanten hin zu einem Menschen, der sich darauf einlässt, auf scheinbar Unglaubliches seines nicht bewussten Geistes zu hören. Diesem Mann gelingt es, seine Welt und damit die vieler anderer sinnvoller und lebenswerter zu machen.
Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn du dich änderst, ändert sich die Welt um dich herum!
Kurz: dieses Buch zeigt, dass jeder Mensch seinem Leben durch eine bewusste Entscheidung eine Wende zum Besseren geben kann.
Wer dieses Buch gelesen hat, beginnt zu verstehen, wie das funktionieren könnte. Es braucht nur ein bisschen Mut.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum12. Nov. 2018
ISBN9783746990149
Im Auge der Zukunft

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    Buchvorschau

    Im Auge der Zukunft - Maria M. Eckert

    Angekommen

    Er fühlte, wie die Nacht aus ihm weichen wollte. Er spürte, dass es nur einen kurzen Augenblick dauern würde, bis er wieder wach wäre. Er hielt die Augen geschlossen. Er fühlte, dass etwas ganz und gar nicht so war, wie es sein sollte.

    Zuerst nahm er seine Hände wahr. Sie lagen direkt am Körper. Vorsichtig begann er, mit den Handflächen die Ebene abzutasten, auf der sie lagen. Er konnte keinen Rand, keine Unebenheiten, kein Ende der Fläche finden. Lag er etwa auf einem Fußboden? Die Fläche fühlte sich grob strukturiert an, nicht glatt und nicht rau. Wo war er?

    Er betastete seinen Körper. Und weigerte sich, die Augen zu öffnen, als befürchte er, das zu sehen … Ja, was würde er dann sehen? Er spürte seinen nackten Oberkörper. Nichts Ungewöhnliches. Er spürte, dass sein Unterleib bedeckt war. Was ihn da bedeckte, musste aus dem gleichen Material wie der Fußboden sein. Was ging hier vor? Er spürte, dass er ausgestreckt auf diesem Boden lag, wie hingelegt. Die Beine gerade, die Arme eng am Körper, der Kopf auf einem Kissen. War das überhaupt ein Kissen? Er betastete seinen Kopf und spürte eine Art Säckchen auf der Stirn. Jetzt fiel ihm auch dieser Geruch auf, den er unbewusst schon wahrgenommen hatte. Recht intensiv, aber angenehm. Dieser Geruch schien von dem Päckchen auszugehen. Aber was sollte ein Päckchen auf seiner Stirn?

    Ruckartig richtete er seinen Oberkörper auf, fiel jedoch sofort wieder zurück, als ihm ein heftiger Schmerz durch Bein und Kopf zog. Doch nun waren seine Augen weit offen.

    Indem er den Kopf so wenig bewegte, schaute er sich um. Er befand sich tatsächlich auf einem Fußboden, in einer seltsam anmutenden Hütte. Wenn die hinter seinem Kopf so gebaut war wie vor seinen Augen, dann war sie rund. Das Material schien ein Naturprodukt zu sein. Sonnenstrahlen blitzten durch winzige Lücken, so, als wollten sie nicht stören, nur nachsehen, ob alles in Ordnung war. Es gab keine Fenster, jedoch eine Öffnung nach oben. Direkt vor ihm war etwas, das sah aus wie eine Tür.

    Er hatte keine Ahnung, wo er war und wie er hierhergekommen sein mochte. Das verstörte ihn, weil er plötzlich merkte, dass er sich auch absolut nicht an den gestrigen Tag erinnern konnte. Er überlegte fieberhaft, wie er in diese Lage hatte kommen können. Da übermannte ihn heftige Panik, weil alles, woran er sich erinnern konnte, in der Nacht verschwunden sein musste. Er versuchte sich zu beruhigen. Alles würde sich klären. Schließlich gab es hier Menschen, eine Hütte und jemanden, der ihn hierhergebracht haben musste. Er würde einfach fragen, dann fiele ihm bestimmt alles wieder ein.

    Ein leichter Windhauch strich ihm über den Körper. Seine Augen richteten sich auf die vermeintliche Tür. Es war also tatsächlich eine Tür. Langsam wurde sie von außen angehoben, dann schob sich eine Gestalt herein.

    Dem Mann stockte der Atem. Ein derartiges Wesen hatte er noch nie gesehen. Es war jung und weiblich, wie unschwer an den unbedeckten Brüsten zu erkennen. Aber mit Sicherheit war es behindert.

    Der Kopf war rund wie eine Scheibe, die Augen füllten beinahe die obere Hälfte. Sie waren riesengroß. Die Haut war glatt und porzellanartig, die Nase unverhältnismäßig zierlich. Der wohlgeformte Mund ebenso. Der Kopf schien den Hals eher zu bedecken, als dass der Kopf oben auf dem Hals gesessen hätte. Er hing am Hals wie eine Blume an einem leicht gebogenen Stiel. Die Haare hatten die gleiche Farbe wie die Augen. Braun. Die Haare hingen in leichten Locken bis zur Brust und gaben der Rundung des Kopfes einen absurden Rahmen. Sie hingen nicht einfach herab, sondern schienen den Kopf an den Außenseiten zu umrunden. Und diese Augen! Sie muteten an wie implantierte Sonnenbrillengläser. Und erst dieser Ausdruck und Blick der riesigen Augen!

    Das Mädchen trug einen kurzen Rock, der aus dem gleichen Naturmaterial wie der Fußboden und die Außenwand der Hütte bestand. Nur kurz hatte er einen Blick in ihre Augen werfen können, da sie sofort die Lider niedergeschlagen hatte. Aber ihm war, als würde sie den sich ihr bietenden Anblick in einer Sekunde regelrecht einsaugen, damit er als unauslöschliches Bild in ihr bleiben konnte.

    Zögerlich, mit ausgestreckten Armen, näherte sie sich ihm und legte das kleine Bündel, das sie trug, so weit von ihm entfernt ab, dass er es gerade noch erreichen konnte. Dann huschte sie leichtfüßig hinaus.

    Von ihrem Aussehen war er derart geschockt gewesen, dass er den Gedanken, sie etwas zu fragen, im gleichen Moment schon wieder vergessen hatte. Er tröstete sich damit, dass sie ihn wahrscheinlich sowieso nicht verstanden hätte.

    Er streckte die Hand nach dem Bündel aus. Das war ja seine Kleidung! Aber war das überhaupt seine Kleidung? Ein Hemd. Frisch gewaschen. Eine Hose. Frisch gewaschen. Socken, gewaschen, einen Slip, gewaschen und Schuhe. Sie waren ihm fremd und doch irgendwie vertraut. Es musste einfach seine Kleidung sein. Vorsichtig richtete er sich auf, das Säckchen auf seiner Stirn fiel herab. Auch dieses Säckchen war aus Naturfasern gewebt, beinhaltete jedoch Kräuter. Oder was war es sonst?

    Gerade, als er beginnen wollte, seine Socken anzuziehen, verschob sich wieder diese Türmatte. Dieses Mal war es wohl ein Junge. Er war größer als das Mädchen, hatte keinen Busen und trug vor dem Geschlecht einen Schurz ähnlich einem Slip. Aber der Mann konnte im flüchtigen Vergleich zu dem Mädchen keinen Unterschied in Kopf und Gesicht erkennen: das gleiche Rund des Kopfes, die gleiche Art der Haare, die gleichen, riesigen Augen.

    Der Junge wirkte beherzter als das Mädchen. Ein leicht verlegenes Lächeln zuckte um seine Lippen. Er trug einen Aktenkoffer und stellte ihn direkt neben dem Mann ab.

    Das Lächeln des Jungen ermutigte ihn zu einer Frage: „Wie lange bin ich schon hier?"

    Der Junge sah ihn fragend an.

    „Ich verstehe dich nicht", antwortete er in einem unbekannten, singenden Tonfall.

    Der Mann setzte nach: „Welchen Tag haben wir heute?"

    Der Junge legte den Kopf zur Seite, wirkte verlegen. „Das weiß ich nicht. Ich muss Großvater fragen."

    Damit wandte er sich um und verschwand durch die Mattentür.

    ‚Noch ein Behinderter’, schoss es dem Mann durch den Kopf. ‚Wo bin ich hier bloß gelandet?’

    Mit einem Socken am Fuß, konnte er es nicht erwarten, den Aktenkoffer zu durchsuchen. Mit zitternden Händen öffnete er den Verschluss und griff hinein. Seine Enttäuschung war groß. Karten. Lauter Landkarten, Flugkarten und Karten, die ihm unbekannt zu sein schienen. Aber auf dem Boden lag noch etwas, und er erkannte es als Brieftasche. Eilig zog er heraus, was sich darin befand. Plastikkarten. Nichts als Plastikkarten. Aber es stand ein Name darauf. Mit Schrecken stellte er jetzt erst fest, dass er seinen Namen vergessen hatte. Aber auf allen Karten stand:

    Jonathan Goodness

    Das war also sein Name. Aber er sagte ihm nichts. Es hätte alles Mögliche darauf stehen können, er hätte es nicht als seinen Namen erkannt und es hätte ihm auch nichts bedeutet. Ah, da war noch eine Karte mit einem Foto. Das sollte er sein? Vertraut und fremd zugleich. Wer war dieser Mann? Wo kam er her, was hatte er in seinem Leben gemacht, wo gelebt? Das Foto zeigte einen Mann im mittleren Alter, leicht kantiges Gesicht, nicht unattraktiv. Die Haare waren dunkel, glatt, nach hinten gekämmt. Die Augen, was war mit diesen Augen? Sie wirkten kalt, abweisend. Dennoch meinte er, so etwas wie Trauer in ihnen erkennen zu können. Was war nur mit diesem Mann los? Das sollte wirklich er sein? In der Hütte gab es natürlich keinen Spiegel. Er stellte sich vor, wie es wohl wäre, einem Mann wie dem auf dem Foto zu begegnen. Die Vorstellung gab ihm kein gutes Gefühl.

    In seinem Kopf herrschten große Leere und Angst zugleich. Ihm dämmerte, dass er unter einer Amnesie litt. Er beschwichtigte sich sofort. Wenn er seinen Namen hatte und wohl auch die Adresse, würde er wieder nach Hause kommen. Und dann? Wenn er niemanden wiedererkannte? Wenn er nicht mehr arbeiten könnte? Das ließe sich sicherlich alles regeln. Später. Hauptsache, er käme so bald wie möglich aus diesem Dorf der Behinderten raus.

    Er ließ wieder und wieder die Plastikkarten durch die Finger gleiten. Sie sagten ihm einfach nichts. Mitgliedschaft hier, Mitgliedschaft da, Clubausweis, Bank, Zugangsberechtigungskarte, Karten mit Löchern ohne Beschriftung. Resigniert legte er sie zur Seite.

    Es war geradezu eine Erleichterung, dass sich die Vorhangtür wieder öffnete und ein Mann in die Hütte trat. Innerlich stöhnte er auf. Schon wieder ein Behinderter! Nur: Bei diesem war der Kopf ovaler, nicht so kreisrund, und seine Augen schienen in die Augenhöhlen eingesunken zu sein, ähnlich einem nach innen gerichteten Teleskop. Er wirkte älter, aber ob er auch wirklich älter war, wusste er nicht zu sagen. Er beschloss, ihn als den Alten anzusehen, den der Junge fragen wollte, den Großvater.

    Der Alte nickte. Seine Augen schienen Funken zu sprühen. Eine eigentümliche Wärme ging von ihm aus. Er setzte sich Jonathan gegenüber auf den Fußboden, blickte ihn an und fragte: „Wie geht es dir?"

    Seine Stimme war tiefer und klangvoller als die des Jungen. Jonathan Goodness überkam ein Schauer, der sich sehr angenehm anfühlte. Später würde er sagen, dass diese Stimme voller Güte und aufrichtiger Anteilnahme gewesen sei.

    „Ich möchte wissen, wie lange ich hier bin, warum ich hier bin und welcher Tag heute ist", sprudelte es aus ihm heraus. Der Alte wiegte sich leicht hin und her, ein Brummen, ähnlich dem Schnurren einer Katze, ertönte und die Lippen des Alten schienen zu lächeln.

    „Viele Fragen auf einmal. Ich werde dir alles sagen, was ich weiß und hoffe, die Antworten werden dir genügen."

    Er schwieg für einen kurzen Moment, das Leuchten seiner Augen veränderte sich, es wurde dunkler. Dann sagte er: „Du bist seit fünf Sonnenläufen hier."

    „Du meinst, seit fünf Tagen?", unterbrach ihn Jonathan.

    Der Alte legte den Kopf leicht auf die Seite.

    „Ihr sagt das wohl so. Bei uns gibt es keine Tage. Wir zählen nur die Sonnenläufe, also den Lauf, wenn die Sonne morgens erscheint und uns abends auf die Brücke begleitet."

    „Brücke? Was ist das?"

    „Eins nach dem anderen. Warte ab, ich erkläre es dir gleich. Erst zu deiner Frage, warum du hier bist: Du wolltest hier sein."

    „Nein, Jonathan schüttelte heftig den Kopf, ließ es sofort wieder bleiben, weil der Schmerz im Kopf nach wie vor heftig pochte. „Das kann nicht sein. Wie sollte ich hierherkommen wollen, wenn ich überhaupt nicht weiß, wo ich hier bin, was für ein Land das überhaupt ist.

    Wieder ertönte das Schnurren des Alten, das vermutlich ein Kichern oder Lachen sein sollte. „Doch, beharrte er, „du wolltest raus.

    „Wenn ich mir diese Karten ansehe, Jonathan deutete auf die Karten in seinem Aktenkoffer, „dann muss ich mit einem Flugzeug gekommen sein. Und wenn ich abgestürzt bin, dann ist es doch normal, dass ich da raus wollte, oder?

    „Richtig, nickte der Alte. „Aber schon bevor du in dein Flugzeug eingestiegen bist, wolltest du raus. Und dann wolltest du noch einmal raus, als dein Flugzeug abgestürzt ist.

    Jonathan verstand nichts. Absolut nichts. Was redete der Alte da?

    Der sprach weiter: „Es war deine Entscheidung, hierher zu kommen. Er sah den fassungslosen Blick seines Gegenübers. Er nickte langsam und meinte: „Ich verstehe, dass du das noch nicht so sehen kannst. Hab ein klein wenig Geduld, du wirst es bald verstehen. Nun zu deiner letzten Frage, die du hast du schon beantwortet: Heute ist heute.

    Jonathans zunehmende Nervosität gab seiner Stimme einen gereizten Ton: „Nein, ich meine das Datum. Welches Datum haben wir heute?"

    „Wir zählen die Sonnenläufe nicht in Tagen wie ihr, weil jeder Tag ein Heute ist, ein neuer Tag, ein neuer Beginn, etwas vollkommen Neues. Warum sollten wir einen neuen Tag immer wieder mit alten Namen benennen, die sich ständig wie ein Kreislauf wiederholen, obwohl Dinge geschehen, die noch nie da waren? Keine Zeit, kein Tag kehrt jemals wieder. Immer ist jeder Moment neu. Also ist das Jetzt das Heute und das Heute das Jetzt. Wir leben jetzt im Heute und heute im Jetzt."

    Jonathan stammelte: „Ihr habt keinen Kalender?"

    „Nein." Er betrachtete Jonathan. Die ursprüngliche Farbe kehrte in seinen Augen zurück und überzog den Mann wieder mit dieser alles umhüllenden Wärme.

    „Ich sehe, du bist erschöpft und müde. Geh über die Brücke zum Tunnel. Dann reden wir weiter, wenn die Sonne uns erwärmt."

    Jonathan nickte leicht. Er hatte Mühe, die Augen offen zu halten, in seinem Kopf pochte es unerträglich. Er konnte nicht mehr denken. Dies hier war alles zu viel. Die Erkenntnis, unter einer Amnesie zu leiden und angeblich an diesen seltsamen Ort aus freiem Willen gekommen zu sein, am Ende der Welt, wo es keinen Kalender gab, mit lauter Behinderten … Er brauchte Schlaf. Vielleicht würde er morgen, das es ja angeblich gar nicht gab, klarer sehen. Er schaffte es gerade noch zu fragen: „Welche Brücke?"

    „Ja, die Brücke. Wenn du dich schlafen legst, wandert dein Geist zur Brücke. Sie führt in den Tunnel zu dir. Dort im Tunnel, wenn die Sonne ihr Gesicht verdeckt hält, triffst du dich, so wie du bist. Nur dort gibt es die Wahrheit über dich. Diese Zeit ist wichtig, da du dort die Antworten zu deinem Leben finden wirst."

    Jonathan war eingeschlafen. Die letzten Worte des alten Mannes hatte er schon nicht mehr gehört. Nur das Wort „Brücke" begleitete ihn.

    Der Tunnel

    Die Brücke lag vor ihm. Den ersten Fuß hatte er schon auf sie gestellt. Es war eine sehr schmale Holzbrücke, deren Geländer aus dicken Seilen bestand. Die Brücke schaukelte bei jedem Schritt leicht. Sonderbar war allerdings, dass die Brücke in einem tiefschwarzen Nichts zu hängen schien. Rechts, links, oben, unten: nur Schwärze. Doch, ein ganz schwacher Lichtschimmer begleitete ihn. Jonathan konnte nicht ausmachen, woher das Licht kam. Blieb er stehen, blieb auch das Licht stehen, ging er weiter, ging es mit. So war es ihm möglich, seinen nächsten Fußtritt richtig zu platzieren. Eine Anspannung, vermischt mit Neugier und Sorge ließ ihn weiter und weiter gehen, bis die Brücke an einem Torbogen endete.

    Der Torbogen war so groß, dass ein Auto gut hätte hindurch fahren können. Zögerlich versuchte er zu erkennen, was nach dem Torbogen kam. Es schien ein Tunnel zu sein. Um aber etwas erkennen zu können, musste er den Tunnel betreten, damit das Licht, das ihn begleitete, das Innere des Tunnels beleuchten konnte. Vielleicht war es ja auch eine Höhle.

    Seltsam! Die Wände der Höhle waren mit rechteckigen Platten behängt, die einen leichten Schimmer reflektierten. Jonathan dachte unwillkürlich an eine ausgeschaltete TV-Bildschirme. Nicht alle Platten waren gleich groß. Sie schienen auch nicht nach einem speziellen Muster eingelegt zu sein. Vorsichtig näherte er sein Gesicht einer der Platten, um zu sehen, ob sie vielleicht durchsichtig wäre. Und schrak heftig zusammen, als ein Gesicht zu erkennen war, das ihn direkt ansah.

    Das Gesicht näherte sich ihm. Wut, Zorn sprühten ihm entgegen. Es war das breite, wutverzerrte Gesicht eines Mannes, dem die Adern an der Stirn zu platzen drohten. Speichel hing in seinen Mundwinkeln und das ganze Gesicht war zu einer einzigen Fratze verzogen. Und er schrie: „Du Schwein, du Hurensohn. Du hast mich hintergangen. Durch dich habe ich eine Million Dollar verloren. Das werde ich dir heimzahlen. Ich mach dich fertig!"

    Jonathan spuckte zurück: „Du Arsch, das hast du doch selbst verschuldet! Deine Gier war grenzenlos. Hättest du mir nur besser zugehört! Du bist ein Gauner und Betrüger. Womit hast du denn bisher dein ganzes Geld verdient?" Er wollte fortfahren, als augenblicklich das Licht um ihn herum erlosch und das Gesicht im Glas verschwand. Auch war nichts mehr zu hören.

    Jonathan zitterte am ganzen Leib. Noch nie hatte er diesen Typ gemocht, immer hatte er gute Miene zum bösen Spiel gemacht, da dieser Mensch durchaus fürs Geschäft lukrativ war. Aber das wäre jetzt vorbei. Wie hieß der doch noch?! Er würde kein Risiko mehr wegen dieses verschlagenen Mannes eingehen.

    Schwach glomm das Licht wieder auf. Jonathan, näherte sich einem sehr kleinen Fenster. Was für eine Überraschung! Dort stand ja sein kleines rotes Lieblingsauto, mit dem er als Kind so gern gespielt hatte. Es sah aus wie neu. Wo es wohl geblieben war?

    Jetzt trieb ihn die Neugier. Das Licht war heller geworden. Gut zu erkennen war, dass sich hinter der nächsten größeren Scheibe Personen befanden, die sich unterhielten. Ein beeindruckender Salon, luxuriös ausgestattet. Eine schöne, sehr elegant gekleidete Frau präsentierte sich auf einem Sofa, wie hindrapiert. Ihr gegenüber saß ein Mann. Jonathan erkannte ihn. Das war sein Vater, die Frau war seine Mutter. Die Frau ließ ihn erschauern. Er meinte, dass die Temperatur um ihn herum um einige Grad gesunken sein musste. Er fröstelte bei der Kälte, die sie ausstrahlte. Als er aber seinen Vater betrachtete, weitete sich sein Herz. Am liebsten hätte er ihn umarmt. Dann entdeckte er den kleinen Jungen, der sich hinter der Tür zum Salon versteckt hielt.

    Die Mutter sprach mit schneidender Stimme: „Der Junge wird nicht Geige lernen. Er wird – wie es sich gehört, und das betonte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger, „Klavierunterricht bekommen. Dafür werde ich sorgen. Und ansonsten bleibt es dabei: Er geht ins Internat!

    Sein Vater warf ein: „Er ist doch noch so jung! Es wäre doch besser für ihn, wenn er hier zur Grundschule …" Sie ließ ihn nicht aussprechen.

    „Das kommt überhaupt nicht in Frage! Das Kind muss lernen, sich den Regeln anzupassen. Je früher, desto besser. Oder glaubst du vielleicht, dass ich mich bei allem, was ich um die Ohren habe, auch noch darum kümmern kann? Sie richtete sich theatralisch auf, bemühte sich um einen kummervollen Gesichtsausdruck. „Nächste Woche findet ein Gala-Diner statt und ich habe mich noch nicht um alles kümmern können. Dann der Charity-Ball mit der Gästeliste, der Sitzordnung, dem Blumenarrangement, den Einladungskarten, die Vernissage, die Termine beim Schneider und Friseur, dann das Golf-Turnier. Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Kurze Pause. Sie blickte ihn prüfend an, ob sie überzeugend genug gewesen war oder ob es weiterer Argumente bedurfte, um dieses Kind loszuwerden. Es hatte wohl gereicht, denn ihr Mann saß nur mit gesenktem Kopf da. Seine Art der Zustimmung. Gut!

    Der Junge an der Tür zitterte, seine Blase ging mit ihm durch. Er rannte so schnell er konnte in sein Zimmer, warf sich, egal wie nass die Hose war, auf sein Bett und weinte bitterlich.

    Der erwachsene Jonathan zitterte nun ebenfalls. Wie gut konnte er sich daran erinnern! Dies war der bittere Anfang dessen gewesen was dann folgte. Nie hatte er verstanden, warum sein Vater ihm nicht beigestanden hatte. Doch wenn er die in sich zusammengesunkene Gestalt betrachtete, wurde es ihm klar. Er war ein gutmütiger, weicher Mann, der selbst als Kind nie hatte sein dürfen, wie er sein wollte. Er hatte nie lernen können, sich zu widersetzen, auch seine Eltern waren hart gewesen. Aber seinen Geist, seine Intelligenz hatten sie nicht aus ihm herausprügeln können. Er wurde zum Bücherwurm und schließlich zu einem hoch angesehenen Wissenschaftler.

    Wieder fühlte Jonathan diese Wärme für seinen Vater. Und das Licht um ihn herum wurde heller und heller. Dann schaute er zu seiner Mutter, und das Licht erlosch augenblicklich. Was ging hier vor? Was war mit diesem Licht los? Vater ansehen – Licht hell, Mutter ansehen – Licht aus. Er wiederholte das mehrmals, und jedes Mal trat der gleiche Effekt ein.

    Die nächste Kachel schien geteilt zu sein. Eine Frau rechts, eine Frau links. Sehr schöne Frauen mit einer gewissen Ähnlichkeit. Die rechte war älter, doch dies schien ihrer Schönheit das gewisse Etwas an Weiblichkeit zu geben, feminin und liebevoll. Was für ein Anblick! Wunderschön. Eine Frau zum Verlieben. Das Licht erstrahlte hell um ihn herum. Aber, sein Atem stockte, als er ihre Augen sah. Sie waren leer, vollkommen freudlos. Sie schien geweint zu haben. Warum weint eine Frau, die so schön ist und sich in einer derart wundervollen Umgebung befindet: an einem Swimmingpool in irgendeinem exotischen Land mit Palmen und Orchideen. Sie schien doch alles zu haben, was ein Mensch sich nur wünschen kann! Sonderbar!

    Die langen, blonden Haare waren mit einem weißen Leinenhut bedeckt. Ein Mann, der wohl stundenlang in einem Fitness-Studio Muskelaufbau betrieb, näherte sich ihr. Sie nahm ihn nicht zur Kenntnis, ihr Blick war nach nirgendwo gerichtet. Er ergriff ihren Fuß und begann, ihn zu massieren. Sie ließ es geschehen. Lüstern blickte er sie an. Jonathans Hand ballte sich zur Faust. Das Licht erlosch. Dem Kerl einfach eins in die Fresse hauen. Merkte der denn nicht, wie überflüssig er war? Jonathans Blick ging wieder zu der Frau. Licht an. Von hinten kam ein älterer Mann zu der schönen Frau. Der Muskelprotz verschwand augenblicklich. Weiße Hose, weißes Hemd, lässig über der Hose hängend, die oberen vier Knöpfe waren offen. Dicke Goldkette um den Hals, weiße Leinenschuhe. Sein wabbeliges Gesicht mit den weißen Haaren strahlte Freundlichkeit aus. Aber da war noch etwas anderes: Wie er sie anstarrte! Diese Gier in seinem Blick! Was wollte er von ihr? Der sollte sofort verschwinden! Licht aus.

    Sie bemerkte den Weißhaarigen und wandte ihm ihr Gesicht zu. Er hechelte: „Meine Liebe, was kann ich für dich tun, damit du wieder glücklich bist? Soll ich für dich eine neue Jacht bauen lassen oder ein Flugzeug oder willst du lieber eine Weltreise machen, um alles hinter dir zu lassen?" Sie schüttelte mit einem leichten, bemühten Lächeln den Kopf. Jonathan hatte nur den einen Wunsch: sie an sich zu ziehen, sie zu streicheln und zu trösten. Licht an.

    Nur ungern löste er seinen Blick von dieser wunderbaren, offenbar so verletzten Frau und schaute sogleich in die Augen einer anderen Frau. Fordernd, kühl, berechnend. Sie lächelte ein falsches Lächeln, das wohl frivol und lockend sein sollte, winkte ihm zu. Keine Frage, sie sah verdammt hübsch und sexy aus, aber ein Zusammensein mit ihr gliche eher einem Kältebad als einer heißen Nacht. Nein, mit der wollte er nichts zu tun haben. Etwas in ihm verkrampfte sich.

    Schon wieder dieses dämliche Licht: an, aus, an, aus. Das nervte. Dennoch ging er zum nächsten Fenster. Das schien ein Spiegel zu sein, denn er erkannte den Mann von der Plastikkarte. Ja hallo, das war dann ja wohl er selbst! Kritisch betrachtete er sein Gegenüber. Mit dem Bildschirm stimmte etwas nicht. Einmal sah er diesen Typ von der Plastikkarte und dann einen Mann, der zwar so aussah wie der andere, aber trotzdem völlig anders wirkte. Dieser andere war, wie sollte man es nennen, weicher, freundlicher, liebevoller? Auf jeden Fall sympathischer.

    Dieses Licht! Was sollte das? Sah er den von der Plastikkarte, ging das Licht aus, bei dem anderen wurde es sofort hell. Endlich, endlich ging auch Jonathan ein Licht auf: Immer, wenn er sauer war oder jemanden sah, über den er sich ärgerte oder wenn irgendetwas war, das negative Gefühle in ihm wachrief, ging das Licht aus. Im anderen Fall wurde das Licht hell bis sehr hell.

    Eigentlich blieb ihm nichts anderes übrig, als den Mann im Licht zu betrachten, also sich. Die Haare ungekämmt, fragende Augen, und da war dieses Verletzliche, das er bei dem Kind schon gesehen hatte. Das bin ich? Wer bin ich? Das Licht veränderte sich. Er erkannte Farben in dem Licht. Er überlegte: Wenn es eine Lichtquelle gab, die ihn anstrahlte, müsste es auch Schatten geben. Aber er konnte keine erkennen. Licht von oben? Er bewegte sich vor dem Spiegel so, dass die Arme Schatten werfen müssten, aber das geschah nicht. Er drehte den Kopf zur Seite, schielte mit den Augen in den Spiegel. Das Licht war überall, als ströme es aus ihm selbst heraus. Wie war das möglich? Von so etwas hatte er noch nie gehört. Er wusste auch nicht, wen er fragen könnte. Er beschloss, einen Versuch zu machen. Gute Gedanken, Licht an – schlechte Gedanken, Licht aus.

    Im letzten Fenster sah er wieder die beiden Frauen. Er warf zuerst einen liebevollen Blick auf die schöne, traurige Frau, dann zu der anderen. Die nahm sofort den Blickkontakt auf und lockte ihn: „Komm zu mir. Ich weiß, was du brauchst. Nur ich kann es dir geben." Und wie bei einer Sprechblase hörte er auch ihre Gedanken: ‚dieser Scheißtyp muss sich nur noch scheiden lassen!’

    Jonathan wich erschrocken zurück. Sollte das etwa bedeuten, dass diese wunderschöne Frau, in die er sich eben verliebt hatte, seine Ehefrau war? Übelkeit stieg in ihm auf. Was hatte er ihr angetan!? Vielmehr, dieser Plastikkartentyp?

    Das wäre das Erste, was er ändern musste. Wenn er zurück war. Ob sie ihn vermisste? Ob sie traurig war, weil er vermisst wurde? Warum saß sie denn sonst bei diesem alten, schmierigen Sack in der Südsee und nicht zu Hause, um zum Beispiel bei der Suche nach ihm zu helfen? Hörte das denn nie auf, dass immer mehr Fragen kamen, statt Antworten?

    Noch war das Licht an. Sehr gut! Er drehte sich zu der anderen Frau um und sagte: „Es tut mir leid, dass du dich in mir geirrt hast. Ich verstehe, welche Hoffnungen du auf ein besseres Leben durch mich hattest. Aber sieh dir diese Frau dort an. Sie hat alles, was du zu bekommen hoffst, aber trotzdem ist sie der traurigste Mensch der Welt. Sei froh, dass ich gehe! Du hast ein glücklicheres Leben verdient."

    Ja, ja, ja, das Licht war nicht ausgegangen! Sein laut heraus geschrienes „Yeah!" warf kein Echo.

    So beschwingt, wie in diesem Moment hatte er sich schon lang nicht mehr gefühlt. „Aaaah!" Leicht, frei, fröhlich ….

    Mal sehen, was er in den anderen Fenstern wohl sehen würde. Jetzt wusste er ja, wie das Spiel lief.

    Nach den nächsten drei Spiegeln gab er auf. Nur kurz hatte er in die Scheiben geblickt, dann verdunkelte sich das Bild. Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Plastikmann war wirklich ein unangenehmer, herrischer, widerlicher Typ.

    Geknickt und traurig ging Jonathan durch den Tunnel zur Brücke zurück. Er hatte bisher nur auf der linken Seite in die Scheiben geblickt. Mehr oder weniger zufällig

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