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RosaSchleife: #einherzvollerliebeschlägtstark
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eBook291 Seiten3 Stunden

RosaSchleife: #einherzvollerliebeschlägtstark

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Über dieses E-Book

Phoebe Willson: "Wissen Sie? Wenn ich sage, ich habe ein Buch geschrieben über meine Krebserkrankung und all diese Erlebnisse, dann stimmt das eigentlich nicht ganz.
Ich habe einen Roman geschrieben. Eine Geschichte, die - natürlich - an meinen Erfahrungen angelehnt ist. Die auch wahrhafte Anekdoten enthält und vielleicht die ein oder andere Begebenheit beschreibt, die sich so oder so ähnlich zugetragen hat.
Ich wollte eine vielschichtige, starke Hauptfigur schaffen, die ich mir selbst zum Vorbild nehmen kann. Und eine Story, die animiert zu kämpfen . Die motiviert und Mut macht.
Die Krebserkrankung ist tatsächlich ein krasser Aufhänger, aber mein Buch will sagen; das Leben ist und bleibt mehr, als nur ein Schicksalsschlag!"
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Sept. 2019
ISBN9783749705542
RosaSchleife: #einherzvollerliebeschlägtstark

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    Buchvorschau

    RosaSchleife - Phoebe Willson

    Ich hoffe nicht auf ein Wunder.

    18. September 2018

    Die Tasten ihres Laptops klickten. Julie saß im Garten. Es war der Tag, nach der Diagnose. Und immer noch unwirklich, gestand sie sich fassungslos.

    Freitagnacht, vor knapp einer Woche, nach einem langen Arbeitstag, lag Julie auf dem Rücken im Bett. Sie starrte an die Decke und fühlte sich ausgebrannt. Die Arbeitstage waren länger als gewohnt und der kürzlich erlangte Erholungseffekt des Urlaubs, dem sie solang entgegengesehnt hatte, schon wieder völlig verpufft. Sie atmete tief ein und dachte an das was sie glücklich machte. An ihre Tochter Mia. An die Pferde.

    Und obwohl der Job, den sie ausübte, keinerlei Herausforderung für sie darstellte oder überhaupt ihrer Qualifikation entsprach, versuchte sie ihren Frieden damit zu machen. Schon fast zwei Jahre lang.

    Sie wollte sich motivieren. Immerhin hatte sie so die Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit für Herzensangelegenheiten zu nutzen. Die Arbeit mit den Pferden.

    Das war es, was sie, solange sie denken konnte, eigentlich tun wollte.

    Sie holte noch einmal tief Luft und streckte sich. Dann rollte sie sich zur Seite, um endlich schlafen zu können. Ihr Oberarm streifte mit der Innenseite über ihre Brust und ließ sie etwas Hartes spüren. Etwas, das dort nicht hart hätte sein sollen.

    In Bruchteilen von Sekunden schoss ihr die Panik in den Körper. Der Speichel drückte sich dünnflüssig in ihren Mund. Der Puls raste und ihre Schläfen bebten. Ihr Pulsschlag war in jeder Faser ihres Körpers spürbar. Vorsichtig legte sie die linkte Hand auf ihre rechte Brust und fühlte nach. Ein Ei. Ziemlich mittig über ihrer Brustwarze lag ein kleines Ei unter ihrer Haut. Sie tastete etwas genauer hin und nahm die rechte Hand dazu. Befühlte dann die ganze Brust.

    Es war eindeutig und anders. Fremdartig.

    Sie versuchte sich zu beruhigen. Sätze wie „Bestimmt vom Brustmuskel. oder „Einfach eine entzündete Milchdrüse, falls das Möglich ist. sprach sie wie ein Mantra vor sich her. „Montag rufst du sofort bei deiner Gynäkologin an!", befahl sie sich selbst.

    Sie machte sich Mut und dachte daran, dass sie schon öfter wegen Zysten in der Brust beim Arzt war und es immer harmlos ausgegangen ist.

    Nach einer kurzen Nacht gab der Wecker erbarmungslose Geräusche von sich und zwang sie zurück in den Alltag. Frühschicht.

    Ihre Augen öffneten sich langsam und sofort war er wieder da. Dieser Gedanke. Schnell fasste sie an ihre Brust und enttäuscht ließ sie die Hand wieder sinken. Es war Wirklichkeit. Es war real. Kein Traum. Er ist da, dieser Knoten. Zerknittert quälte sie sich aus dem Bett und stieg unter die Dusche. Das Gedankenkarussell drehte sich fleißig mit.

    Die Sache mit der Tür und dem Fenster.

    08. September 2018

    „Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, solange man noch was zu feiern hat." sagte Julie. Es war Samstagabend und sie hatte sich mit einer Freundin zum Stadtfest verabredet. Julie freute sich darauf durch die Kneipen zu ziehen und die Detailverliebtheit der nahegelegenen Kleinstadt zu erleben. Seit der Trennung von Justus hatte Julie den gemeinsamen Freundeskreis etwas vernachlässigt und hoffte nun darauf, einige bekannte Gesichter wieder zu sehen.

    Gegen fünf Uhr morgens fiel sie schließlich sturzbetrunken in ihr Bett. Sie war glücklich. In ihrem Kopf ging sie den Abend noch einmal durch.

    So viele Menschen, die sie gern hatte, begleiteten sie durch den Abend. Die Stimmung war ausgelassen. Sie lachte, führte Gespräche und lernte neue Leute kennen. Julie war schön. Im Nachtlicht der Kleinstadt sogar noch ein bisschen schöner. Justus musste ein Vollidiot sein, sagten ihr die Leute. „Wie konnte er sich von dir trennen?, wurde sie gefragt. „Du bist wunderschön und klug. Julies Augen wurden groß. Und auch wenn es nicht das erste Mal war, das sie solche Sätze hörte, kam es ihr dennoch komisch vor. Immer.

    Ja, sie hatte auch ihre Probleme damit vollends zu verstehen, warum Justus kein Leben mit ihr wollte. Warum er Familienidylle gegen das Leben in einer WG eintauschte. Mit Fußball, Alkohol und Fernsehen in HD verbrachte er nun seine Freizeit. Das alte Chippendalesofa, welches er aus der gemeinsamen Wohnung mitgenommen hatte, passte nicht zu der selbstgebauten Bar aus Europaletten und dem Poster mit nackten Frauen hinter der Eingangstür seiner neuen Wohnung. Immerhin war er mittlerweile dreißig. Und nun wohnte er mit einem Anfang zwanzigjährigen in einer WG, der einen Kühlschrank im Wohnzimmer hatte. Sie dachte an das Gespräch, als Justus und sein Mitbewohner darüber sprachen, sich von dem Geld für einen Trockner, den Justus Vater sponsern wollte, lieber eine Zapfanlage zu kaufen. Sie schüttelte den Gedanken ab und wandte sich anschließend wieder ihrem Gesprächspartner, einem alten Bekannten, zu.

    Mittlerweile saßen sie in einer kleinen Eckkneipe. Auf nackten Holzbänken und mit einer Lampe direkt über dem Tisch.

    Zigarettenrauch hing in der Luft.

    „Weißt du sagte sie „es ist nicht so, dass die Liebe nicht da war. Wir haben uns immer gut verstanden. Gut funktioniert als Team. Aber wenn die Perspektive fehlt? Ihr Gesprächspartner sah sie verwundert an. „Naja sprach sie dann weiter „ich wollte mit Themen wie zweites Kind, Haus und Hochzeit noch nicht abschließen. Also nicht alles auf einmal. lächelte Julie. „Aber nach fast fünf Jahren Beziehung, hätte ich mir einen nächsten Schritt gewünscht. Ich meine, ich bin Anfang dreißig. Ich möchte einfach mehr vom Leben, als zwei Mal im Jahr in den Urlaub zu fahren, Dienst nach Vorschrift zu machen und Sonntag Tatort zu schauen."

    „Aber wenn er kein Haus, keine Kinder will, was will er denn dann?" fragte ihr Gegenüber.

    Julie nahm ein Schluck von ihrem Gin Tonic und zog die Achseln zu den Ohren.

    „Ich weiß es nicht. Und er vermutlich auch nicht. Es ist sehr schade um die Zeit. Um all die schönen und perfekten Momente. Möglichkeiten hätte es viele gegeben. Aber ich würde ihn zu nichts zwingen, dass er nicht will. Es ist sein Leben und jeder sollte das Recht haben alle Entscheidungen frei zu treffen. Ich habe etwas gegen Frauen, die Männern Kinder gebären, nur um sie an sich zu binden. Gegen Halbwahrheiten und Manipulation. Ich glaube an Aufrichtigkeit und würde auch gern aus freiem Willen gefragt werden, ob ich jemanden heirate. Dann wurde Julies Stimme wieder etwas trauriger. „ Also mussten wir wohl eine Entscheidung treffen. Und er hat sich dagegen entschieden. Es ist ok. Und ich verstehe ihn.

    Von Gegenüber erklang eine ruhige Antwort: „Also ich finde, du hast damit etwas getan, was vermutlich nicht viele Menschen getan hätten. Du warst fair. Und auch wenn es nicht das Leben ist, welches er wollte, kann er froh sein, dass du dich so verhalten hast. Ich hoffe sehr für ihn, dass er diese Entscheidung nie bereut."

    Julie war verdutzt über diese Aussage. So hatte sie es noch nie gesehen. Sie versuchte es gewohnt runterzuspielen, dennoch gingen ihr diese Worte immer wieder durch den Kopf. Sie sah sich selbst in einem anderen Licht. Mit all ihren Macken und Gespenstern, die auch Justus aushalten musste. Dann bestellte sie noch einen Gin Tonic.

    Justus

    Sie dachte noch häufig an ihn. An den sportlichen, witzigen und unbeschwerten Typ mit Basecap und Bart. Und daran, ob die Entscheidung, ihre Beziehung zu beenden, richtig gewesen ist. Sie fragte sich, ob sie Demut hätte walten lassen sollen und sie sich einfach mit dem zufrieden hätte geben sollen, was gewesen ist. Aber wie lange hätte sie es aufrechterhalten können? Julie war nicht so gestrickt. Sie war nicht der Typ Frau dafür. Sie sagte immer, was sie dachte. Mal hart und geradeheraus und mal höflich und hübsch verpackt. Und wenn ihr Mund nicht sprach, dann ihr Gesicht. Niemals hätte sie es geschafft, für den Rest eines gemeinsamen Lebens die Situation ihres Zusammenlebens so weiterzuführen.

    Justus konnte mit Veränderungen eher schlecht umgehen. Er brauchte ein festes Gerüst an Alltäglichkeiten, um sich sicher zu bewegen. Das nötige Adrenalin, um sich nicht zu langweilen beschaffte er sich beim Sport, im Stadion oder auf Kneipentouren mit Freunden. Und während diese Geschichten oft legendär waren, war die Beziehung zu Julie eher durchschnittlich.

    Julie wollte mehr. Sie hatte ihre eigene, zum Teil sehr detailgetreue, Vorstellung vom Leben. Die Pferde hinterm Haus. Die Kinder spielen im Garten. Sie hätte sich vorstellen können, mit Justus Kinder zu haben. Zu Mia war er großartig. Mia hatte ihn über die Jahre voll als Vaterfigur akzeptiert, ohne zu ihm „Papa" zu sagen.

    Justus hingegen machte sich kein Bild.

    Er fand, sie lebten gut. Er verstand nichts von Julies Träumen. Und wollte es auch nicht. Für ihn gab es keinen Anlass, etwas an der bestehenden Situation zu verändern.

    Julie sah sich wie so oft am Esstisch sitzend. Als Inhaberin zweier Rollen. Der eigenen, in der sie versuchte ihren Standpunt, Wünsche und Träume, inklusive Plan und Strategie an Justus zu verkaufen. Und der Rolle der Moderatorin oder der Therapeutin. Justus indifferente Haltung zum Leben machte Julie wütend. Sie wollte das weder für sich noch für Mia und machte sich klar, dass all die Liebe an dieser Stelle auf keinen fruchtbaren Boden fallen würde. Sie waren einfach in unterschiedlichen Welten unterwegs.

    Unverhofft

    09. September 2018

    Ihr Handy gab ein rhythmisches Summen von sich. Neue Nachricht von Christian. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung.

    Im Urlaub hatten sie sich kennengelernt. Ganz unverhofft und fast ein bisschen romantisch.

    Mitte August war Julie mit ihrer Tochter Mia und ihrer Mutter Ruth in die Ferienwohnung von Ruths Freunden ans Meer gefahren. Sie freute sich sehr auf eine Auszeit und darauf, endlich auszuschlafen. Nach drei entspannten Tagen geriet Julie allerdings mit ihrer Mutter aneinander. Es ging um Mia.

    Julie machte ihrem Ärger nach dem Abendessen Luft. Mia war bereits im Bett. Ruth fühlte sich unverstanden und ihrer Mühen rund um die Organisation des Urlaubs nicht gewürdigt. Die beiden Frauen diskutierten auf Augenhöhe aneinander vorbei.

    Obwohl sie Mutter und Tochter waren, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können.

    Wie so oft, kamen sie zu keinem vernünftigen Ergebnis, wussten aber beide, dass am nächsten Tag alles wieder gut sein würde. Dennoch beschloss Julie am Tag darauf, nur allein mit Mia zum Strand zu fahren. Sie liehen sich zwei Fahrräder aus einem Verleih und legten die fünf Kilometer zum Strand in bester Laune zurück. Endlich angekommen, breiteten die beiden ihre Decke aus und genossen das Mittelmeerfeeling an der Ostseeküste. Julie dachte darüber nach, wie oft Mia in ihrem Leben zurückstecken musste. Mit knappen zehn Monaten brachte Julie Mia bereits zur Tagesmutter. Da konnte Mia gerade mal richtig sitzen. Während der gesamten Kindergartenzeit ging Julie mehr als Vollzeit arbeiten und hielt sich nach der Trennung von Mias Vater mit diversen Zweitjobs über Wasser.

    Nun wurde ihr klar, dass es an der Zeit war, etwas daran zu verändern. Sonst wäre Mia eines Tages einfach groß.

    Am frühen Nachmittag ging Julie gemeinsam mit Mia die Strandpromenade entlang. Beide verhandelten über das Mittagessen. Schließlich bestellten sie Pizza und setzten sich in den Außenbereich eines Bistros, als ein Mann mit Hund vorbeikam.

    Der kleine wuselige Hund sprang Mia von der Seite an und erfreute sich an ein paar Streicheleinheiten. Der Mann zog an der Leine und lächelte verlegen. Er versuchte seinen Hund zu beruhigen und ihn zum Gehorsam zu rufen. Vergebens. Julie war amüsiert. Sie bat den gutaussehenden Mann einfach mit an den Tisch. Und da sich der Hund nicht von ihrer Tochter und Mia sich nicht von dem Hund lösen wollte, verbrachten die vier den Nachmittag gemeinsam am Strand.

    Christian. Er wirkte sehr bei sich. Ruhig. Dafür hatte er Mühe seine kleine Hündin Pepper im Zaum zu halten. Er unterhielt sich gern mit Julie. Er empfand sie als anders, als die Frauen, die er bisher kannte. Ihre langen, blonden Haare waren zu einem Zopf gebunden und sie trug eine große Brille. Er vermutete, dass sie Lehrerin war. Vielleicht machte sie aber auch etwas im medizinischen Bereich. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte und so war er dankbar über ihre kommunikative Art. Und auch wenn sie vielleicht fast ein bisschen zu viel redete, mochte er es, wie sie sich ausdrückt. Gewählt und gebildet und dennoch frech und frisch. Er mochte ihr Lachen, die Form ihres Mundes, wenn sie lachte. Irgendwann blickte Julie auf ihre Füße. Krebsrot. Vergessen einzucremen. Sie fragte sich, ob wirklich jemand daran denkt, seine Füße einzucremen?! Sie stand auf und der Sand scheuerte auf der gereizten Haut. Gemeinsam mit Christian und Pepper schlenderte sie in Richtung Strandpromenade um Getränkenachschub für sich und Mia zu besorgen. Christian wollte zurück zum Hotel. Die zwei stellten schnell fest, dass sie kaum eine Autostunde auseinander wohnten und beschlossen, nach dem Austausch der Telefonnummern, sich wieder zu treffen, in Berlin. Drei Wochen und einige Dates später schrieb Christian an Julie: „Na hübsche Frau, wie geht es Ihnen?"

    „Hey…. Na. Ja soweit alles ok. Arbeit nervt. Ich bin etwas beunruhigt …. Habe gestern Abend einen Knoten in meiner Brust ertastet … muss übermorgen erstmal bei der Ärztin anrufen. Und bei dir so?"

    Noch während Julie die Nachricht versendete, fragte sie sich, ob sie so offen zu Christian sein sollte. Er gab ihr aber von Anfang an ein vertrautes Gefühl. Dann plagten sie dennoch die Gewissensbisse. Eigentlich ist es ja auch etwas unfair, jemanden in Sorge zu stürzen, dachte sie. Abschließend hielt sie die Distanz und das kurze Kennen aber schließlich für gut. Besser als wenn sie es gleich ihrer Mutter oder ihrer besten Freundin erzählt hätte. Die könnten vermutlich dann gar nicht mehr schlafen vor Sorge, dachte sie.

    „Oha, mach das mal!"

    „Bei mir ist es heute ganz entspannt."

    „Wann sehen wir uns wieder? Das letzte Mal ist schon zwei Tage her ;-)?!"

    „Na klar, ruhig bleiben. Alles wird gut."

    „Ich weiß nicht, was hältst du von Donnerstag? Da ist Mia bei ihrem Vater."

    „Klingt gut. Ich schaue, dass ich meine Termine ein bisschen umlege, dann passt das. Komm ich zu dir?"

    „Gern."

    Läuft!

    11. September 2018

    Wie vorgenommen und mit viel Zuversicht vereinbarte Julie einen Termin bei ihrer Gynäkologin. Auf Julies Drängen gab man ihr einen Untersuchungstermin für den Folgetag.

    An der Anmeldung musste Julie schmunzeln.

    „Wann war der erste Tag Ihrer letzten Periode?" fragte die Schwester standardmäßig.

    „Heute sagte Julie, „läuft quasi aus. Und noch während die Worte ihren Mund verließen, hätte sie sich am liebsten auf die Lippe gebissen, dann musste sie doch lachen. Leider lachte niemand mit ihr. Ist mein Humor eigentlich wirklich so speziell, fragte sie sich. Lustig ist es doch vor allem, wenn man selber lacht, oder? Dann beschloss sie, dass es ihr eigentlich egal sein sollte und verzog sich mit einem Grinsen im Gesicht ins Wartezimmer.

    Das Zimmer war klein. Acht Stühle wurden bereichert durch einen kleinen Beistelltisch mit Broschüren und Infoblättern, einer Garderobe und einem Radio. Die Wände waren in einem warmen Gelborangeton gestrichen und in einer Ecke des Raumes standen Aufsteller mit unzähligen Bildern von Babys mit dazugehöriger Danksagung an die Praxis. Sie konnte sich vorstellen, noch ein Kind zu bekommen. Irgendwann. Nun wollte sie aber erst einmal ihr Leben neu aufstellen. Mit Mia. Mit den Pferden. Endlich Prioritäten setzen. Finanziell unabhängig und mit der Worklifebalance zufrieden sein. All die Karriereambitionen haben unterm Strich wenig genützt, so fand sie. Natürlich hätte sie weiterhin einen Job im Management machen können oder sie wäre einfach den Auftragsanfragen als Kommunikations- und Vertriebstrainerin nachgekommen. Aber der Preis dafür war hoch. Angemessen viel Geld zu verdienen war immer gekoppelt an familiärer Abwesenheit. Keine Zeit für Mia. Keine Zeit, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen. Zu kaputt von der Arbeit, um am Abend zu kochen und den Haushalt zu organisieren. Und wenn Julie an manchen Tagen lange arbeitete, musste Mia sich mit einem Gutenachtkuss am späten Abend zufrieden geben. Als Dozentin oder Trainerin war Julie sogar in Hotels untergebracht und meistens mehrere Autostunden weit weg von ihrem geliebten Zuhause. Weshalb Mia dann auf Abendrituale mit ihrer Mutter verzichten musste. In dieser Zeit nahm Justus sich dieser Aufgabe an.

    Jetzt hatte Julie sich gefangen. Die längst überfällige Trennung von Justus überstanden. Sich gegen die alten, neue Gewohnheiten zugelegt. Sie fühlte sich bereit. Bereit für einen neuen Lebensabschnitt. Zu keinem anderen Zeitpunkt in ihrem Leben war sie mehr bei sich. Erwartungsvoll und motiviert durch die vielen schönen Momente dieses Sommers, malte sie sich ihre Zukunft aus.

    Sie dachte zurück an den Urlaub mit Mia und Ruth. Sie dachte an Christian und nahm sich fest vor, die Beziehung zu ihm langsam angehen zu lassen.

    Sie erinnerte sich, wie dieser Sommer begann. Im Frühjahr, schon ziemlich warm. Am Abend saß sie bei Vero, Veit und ihren Nachbarn auf dem Hof. Es war immer so gesellig dort. Sie tranken Wein und unterhielten sich über Musik. Die Cubebox gab dann die Wunschliste aller Lieder wieder und es wurde mitgesungen und mitgetanzt. Im Garten brannte ein Lagerfeuer und das noch kurze Gras war von Tau überzogen. Julie zog ihre Schuhe aus und tanzte barfuß über den nassen Teppich aus energiegeladenen Halmen. Sie liebte es. Ihr Leben. Barfuß zu tanzen. Lagerfeuer. Den Himmel voller Sterne. Sie liebte Vero. Vor allem dafür, dass sie diese Momente mit ihr teilte. Sie liebte den Ort an dem sie wohnte, ihr Dorf, ihre Käseglocke. Sie atmete tief ein und aus und war dankbar für diesen Moment.

    Nach eineinhalb Stunden Wartezeit wurde sie schließlich aus ihren Gedanken gerissen und endlich aufgerufen. Julie ging mit festen Schritten durch die Tür der Kabine 1. Sie straffte ihre Schultern und machte sich bewusst, weshalb sie gekommen war. Sie biss die Zähne aufeinander und fokussierte einen imaginären Punkt an der Tür zum Behandlungszimmer. Automatisch verengten sich ihre Augen. Mit der absoluten Entschlossenheit jedem Untersuchungsresultat tapfer gegenüber zutreten, öffnete sie die Tür.

    Ihre Ärztin war super. Eine sehr taffe Frau, vielleicht acht Jahre älter als sie. Nach allen routinemäßigen Untersuchungen, sollte sie sich oberkörperfrei auf die Liege legen, um die Brust im Ultraschall zu untersuchen. Als die Ärztin an die Liege trat, machte sie einen besorgten Gesichtsausdruck. „Ich sehe es schon. Aber wir schauen uns das mal genauer an."

    12. September 2018

    „Sie verstehen mich nicht! brüllte Julies Gynäkologin in den Telefonhörer, als Sie mit dem Brustzentrum sprach. „Ich will, dass sofort eine Stanze gemacht wird. Wenn ich etwas Anderes gewollt hätte, hätte ich etwas Anderes aufgeschrieben! Sie knallte den Hörer auf den Telefonapparat. „Also morgen sieben Uhr! ordnete sie Julie an. „Nüchtern! Die Oberärztin aus dem Brustzentrum wird Sie anschauen. Möglicherweise müssen Sie dann doch erst zur Mammographie, aber vielleicht macht Sie auch gleich die Stanzbiopsie. Das wird sie vor Ort entscheiden.

    „Vielen Dank Frau Doktor." bedankte sich Julie aufrichtig und verließ die Praxis. Alles kam ihr vor, wie ein Film. So unreal.

    Jetzt wäre es wohl an der Zeit, meine Mutter zu informieren, dachte sie und machte sich auf den Weg nach Hause. Sie wollte Ruhe bewahren. Erstmal Gedanken ordnen. Ihrer Chefin Bescheid geben.

    Ruth

    Julies Mutter lebte in direkter Nachbarschaft zu ihrer Tochter. Ruth war Pädagogin und das mit Leib und Seele. In ihrem Leben gab es nie

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