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Die unsichtbaren Dörfer: Roman
Die unsichtbaren Dörfer: Roman
Die unsichtbaren Dörfer: Roman
eBook430 Seiten5 Stunden

Die unsichtbaren Dörfer: Roman

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Über dieses E-Book

Idyllisch eingebettet in die Alpen liegt zwischen den schweizerischen Kantonen Tessin und Wallis das italienische Ossolatal. 1944 vertreiben die Partisanen hier nach harten Kämpfen vorübergehend die deutsche Wehrmacht und ihre faschistischen Handlanger. Gino Vermicelli, damals selbst aktiver Widerstandskämpfer, schildert in seinem autobiografisch gefärbten Roman die entscheidenden Etappen dieses Krieges im Krieg.
Antiautoritär und antimilitaristisch begleiten Politkommissar Simon und Kommandant Emilio ihre Leute durch spannungsgeladene, hoffnungsvolle, aber auch tragische Monate, in denen die gesellschaftlichen und politischen Grundlagen für das Nachkriegsitalien gelegt werden. Die Dialoge der beiden Protagonisten – der eine Kommunist, der andere Katholik – tragen das Buch. Bar jeder Soldatenromantik philosophieren sie über Sinn und Unsinn ihres Tuns, über das Wesen des Menschen sowie über ihre Träume und Hoffnungen für die Zukunft.
Fünfzig Jahre nach Kriegsende verfasst, hebt der Roman "Die unsichtbaren Dörfer" Aspekte wie die Rolle der Frauen im Widerstand, den Umgang mit Sexualität und die übersteigerten Erwartungen an die Zeit nach dem Faschismus schärfer hervor, als dies ein zeitgenössischer Bericht vermocht hätte. Das macht den Roman ebenso aktuell wie historisch.
SpracheDeutsch
HerausgeberRotpunktverlag
Erscheinungsdatum21. Apr. 2022
ISBN9783858699503
Die unsichtbaren Dörfer: Roman

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    Buchvorschau

    Die unsichtbaren Dörfer - Gino Vermicelli

    Der Mago trat aus der Hütte, wo er damit beschäftigt war, Käse zu machen. Er trocknete seine Hände und blickte zum Horizont, nach Westen. Es war schon elf Uhr. Um diese Zeit lag die ganze Bergflanke in einem so hellen Sonnenlicht, dass er seine Ziegen in den Steilhängen aus einigen Hundert Metern Entfernung beobachten konnte. Der Schnee lag Ende März nur noch als große weiße Flecken in den Mulden. Dort, wo er geschmolzen war, hatte er bereits der Vegetation Platz gemacht: Gras, hellgrüne Sprösslinge, weiße, gelbe und violette Blumen. Diese Pflanzen schmeckten den Ziegen besonders gut. An sonnigen Tagen stiegen sie am Vormittag weit hinauf, um ihr bevorzugtes Futter zu finden, und der Mago behielt sie von den Hütten von Collepiano aus im Auge.

    Eigentlich hieß der Mago Piana Gerolamo, aber schon seit langer Zeit nannten ihn alle Leute den Mago, den Zauberkünstler. Er fühlte sich sehr wohl mit diesem Übernamen, der ein wenig wie ein Kompliment klang. Al Mago, im Dialekt, war er deshalb, weil er Dinge machen konnte, die niemandem sonst gelangen. Er blieb das ganze Jahr auf der Alp, auch wenn der Schnee bis zum Fenster seiner Hütte reichte. Wenn die Leute im Dorf ihn wiedersahen, nachdem er einen Monat oder länger in vollkommener Abgeschiedenheit gelebt hatte, fragten sie ihn: »Wie gehts dir?«

    »Mi sto ben. Es geht mir gut.«

    Wie hatte er es nur fertiggebracht, mit seinen Tieren dort oben zu leben? Nie war er erkältet, nie taten ihm die Knochen weh. Niemand wusste wie, aber ihm war es gelungen.

    Wenn im Bach die Forellen sprangen, rissen sich die Knaben darum, sie zu fangen. Aber wer fing die schönsten, mit einem Haken an einem Faden und einem Ast als Angelrute? Der Mago! Und wer fand Pilze, wenn alle anderen mit leerem Korb zurückkehrten? Der Mago! Wer konnte Hasen, Rebhühner und Fasane mit einfachen, aber schlauen Fallen fangen? Natürlich der Mago!

    Er lebte allein mit seinen Tieren, ob glücklich oder unglücklich, das weiß man nicht. Vielleicht hätte er den Sinn des Wortes Glück gar nicht verstanden. Er wusste, dass er zufrieden war, wenn etwas gut ging, und traurig oder wütend, wenn etwas schlecht ging, und damit basta. Bis 1938 hatte er im Dorf gelebt. Zwei Jahre zuvor war seine Frau gestorben. Dann, 1938, hatte auch seine jüngste Tochter geheiratet. Da hatte er beschlossen, sein Haus in Sambughetto zu schließen und fortan hier oben zu leben. Al Mago hieß er aber schon seit vielen Jahren.

    Wenn jemand im Dorf starke Halsschmerzen hatte und nicht zum Arzt ins Tal hinunter wollte, wandte er sich an den Mago. Er verschaffte ihm eine Mischung aus Veilchen-, Lindenblüten- und Holunderblättern, um daraus einen lindernden und heilsamen Umschlag zu machen. Wenn jemand an zu hohem Blutdruck oder an Schlagfluss litt, war der Mago zur Stelle und verabreichte ihm einen wirksamen Aufguss, auch hier eine Mischung aus sechs oder sieben Kräutern und Gewächsen: Weißdorn, Fenchelsamen, Kamille, Erdrauchblätter und anderes mehr. Der Mago wusste Rat für vielerlei Leiden, und er war auch ein Fachmann für die Tiere. Er selber brauchte nie einen Tierarzt, vielmehr wurde er oft von andern Viehzüchtern zurate gezogen. Für all das verlangte der Mago keine andere Gegenleistung als die Freundschaft seiner Dorfgenossen, und diese Freundschaft war ihm sicher, immer und überall. Wenn es das Wetter zuließ, stieg er am Samstag ins Dorf hinunter, um seine Einkäufe zu machen, um seine Erzeugnisse zu verkaufen und schließlich auch, um ein Glas zu trinken. Aber aus einem Glas wurden schnell viele, weil jeder den Mago zu einem Glas einladen wollte.

    Wie gesagt schaute der Mago an jenem Morgen zur Bergflanke und beobachtete seine Ziegen. Doch was er entdeckte, jagte ihm einen Schrecken ein. Auf dem Weg, der von der Alp Cipollina herunterführt, ging eine lange Reihe von Männern. Es waren viele, dreißig, vielleicht vierzig. Sie waren bewaffnet. Er sah ihre umgehängten Gewehre, einige trugen auch schwerere Waffen. Die Männer bewegten sich direkt auf seine Alp zu.

    Sein erster Gedanke war zu fliehen, aber dann blieb er stehen, um die Männer besser beobachten zu können. Sie kamen ganz langsam den Berg herunter. Ihre Schritte waren müde. Außer den Waffen trugen sie große Rucksäcke und zusammengerollte Decken. Sie hatten keine Uniformen, auch wenn einige militärische Kleidungsstücke trugen. Jeder war auf seine Art angezogen, jeder trug seine Waffe so, wie er wollte: Kolben nach oben, Kolben nach unten oder das Gewehr quer über den Rucksack gebunden.

    Das sind keine Soldaten, dachte der Mago.

    Das sind keine Deutschen und keine Faschisten.

    Es sind Partisanen!

    Diese Feststellung verschaffte ihm eine gewisse Erleichterung, aber sie beruhigte ihn nicht ganz. Die Gedanken jagten durch seinen Kopf.

    Schießen die auf mich? Nein, die werden nicht auf mich schießen.

    Zünden die mir die Hütte an? Nein, die verbrennen keine Hütten.

    Werden sie mich bestehlen? Ja, sie werden mir die Butter, den Käse und vielleicht auch einige Stück Vieh wegnehmen.

    Er erwog einen Augenblick, Käse und Butter zu verstecken, ließ diesen Gedanken aber sofort wieder fallen.

    Vieles würden sie ja trotzdem finden.

    Er beschloss also, den Lauf der Dinge abzuwarten. Er konnte nichts anderes tun.

    Die Männer kamen langsam näher. Es vergingen rund zwanzig Minuten, bis sie die Alp erreichten. Als sie bis auf etwa fünfzig Meter an die Hütten herangekommen waren, hob der Mann, der an der Spitze der Kolonne ging, seine offene rechte Hand zum Gruß. Die Männer näherten sich ohne Hast, mit umgehängter Waffe. Sie kamen nicht bis zu den Hütten, sondern setzten ihr Gepäck auf der Wiese ab und warfen sich erschöpft auf die feuchte Erde.

    Nur der Mann, der die Kolonne anführte, trat vor, grüßte nochmals und fragte den Mago: »Ist das hier die Alp Collepiano?«

    »Ja.«

    »Gut, für heute reichts. Wir bleiben hier.«

    Der Mago musterte sie jetzt aus der Nähe. Ihre ausgelaugten Schuhe deuteten darauf hin, dass sie ziemlich weit durch den Schnee gestapft waren; ihre angespannten Gesichter, dass sie sehr müde waren; die langen Bartstoppeln und die schmutzige Kleidung, dass sie seit mehreren Tagen unterwegs waren.

    Inzwischen waren alle angekommen. Der Hinterste aus der Kolonne kam nun ebenfalls auf den Mago zu. Auch er schien ein Offizier zu sein. Sie trugen zwar keine Abzeichen, aber der Mago bemerkte, dass an den Gürteln der beiden eine Pistole im Halfter hing und eine Kartentasche.

    »Woher kommt ihr?«, fragte der Mago.

    »Aus der Hölle«, antwortete der zuletzt Angekommene und versuchte zu lächeln.

    Dann erklärte er: »Wir sind Partisanen. Wissen Sie, was Partisanen sind?«

    »Ja, das weiß ich.«

    »Wir kommen aus dem Sesiatal; die haben uns dort fünf Tage lang gejagt. Dort oben, im Schnee …«, und er deutete auf die Berge in Richtung La Mazza.

    »Wer ›die‹?«

    »Wer? Die Deutschen natürlich!«

    Die Deutschen. Seine Gedanken flogen zurück in seine Jugend, zum andern Krieg, zu den vielen Monaten, die er in den Schützengräben in Venezien verbracht hatte.

    »Natürlich, die Deutschen. Semper lur. Immer sie.«

    Diese Sache mit den Deutschen ging auch ihn, den Mago, etwas an. Plötzlich kamen ihm diese Männer nicht mehr fremd vor.

    »Seid ihr über den Sattel gekommen?«, fragte er.

    »Ja, von Colle di Campo, hinunter nach Sasso Bric, dann nach Cipollina. Und jetzt sind wir hier …«

    »… wo es, dem Himmel sei Dank, keinen Schnee mehr gibt!«, sagte der Erste, hörbar erleichtert, endlich auf trockenem Boden zu sein.

    »Ich heiße Emilio und bin der Kommandant dieser Partisanen. Er hier ist Simon, der politische Kommissar. Und Sie, wie heißen Sie?«

    »Mi son Piana Gerolamo«, war die Antwort im Dialekt, »ma mi ciaman al Mago, aber man nennt mich den Mago.«

    Den Mago? Simon betrachtete diesen Bergbewohner, der aussah wie viele andere auch: klein, untersetzt, grau meliertes Haar, das Gesicht von Falten durchzogen und von Sonne und Kälte gegerbt. Ein Mann von unbestimmtem Alter.

    Vielleicht ist er fünfzig, vielleicht auch jünger, dachte Simon. Aber warum nur nennt man ihn den Mago?

    »Gut«, sagte er, »wenn Sie der Mago sind, können Sie uns vielleicht helfen.«

    Er öffnete die Tasche, die an seinem Gürtel hing, und entnahm ihr einen großen rötlichen 500-Lire-Schein. »Wir möchten Sie fragen, ob Sie in der Lage sind, diese Banknote in eine Mahlzeit für achtunddreißig Personen zu verwandeln, die seit vorgestern nichts gegessen haben.«

    Der Mago, der das Wort Banknote noch nie gehört hatte, verstand die Frage trotzdem. Die Tatsache, dass diese Leute kaufen und nicht stehlen wollten, beruhigte ihn. Er schämte sich sogar ein wenig für seine Befürchtungen und wollte ihnen einen anständigen Preis machen.

    »Eine Portion Käse kostet 120 Lire …«

    »Wir nehmen zwei«, unterbrach ihn Emilio.

    »Für den Maisgrieß 100 Lire. Das macht 340 Lire.«

    »Der Rest ist für Ihre Mühe, vielen Dank!« Simon drückte ihm den Geldschein in die Hand.

    Ein paar junge Männer halfen dem Alten, das Feuer wieder anzufachen und die Polenta zu rühren. Als alles bereit war, sah der Mago, dass sich die jungen Leute ruhig in eine Reihe stellten, ganz ohne Gerangel, trotz ihres Hungers. Und dann bemerkte er mit großem Erstaunen, dass sich die beiden Offiziere am Ende der Schlange eingereiht hatten.

    Simon kam als Letzter an die Reihe. Für seine zwei Kellen Polenta reichte es erst, nachdem der Mago den Boden und die Wände des Kupferkessels gründlich ausgekratzt hatte. Als Simon sein Geschirr in Empfang nahm, bemerkte er, dass seine Hände ein wenig zitterten.

    Das kommt vom Hunger, dachte er.

    Zum Essen setzte er sich an die Wand einer Hütte. Die Sonne und das Essen wärmten ihn, das half sofort. Das Zittern verschwand, seine Kräfte kehrten zurück und mit den Kräften auch die Fähigkeit, klare Gedanken zu fassen. Er begann, über den Hunger nachzudenken.

    Zuerst ist es Appetit, eine große Lust zu essen. Dann kommen die Magenkrämpfe. Die kann man zu besänftigen versuchen, indem man Wasser oder Schnee schluckt. Aber schließlich stellt sich die körperliche Schwäche ein. Gehen wird zu einer beinahe unerträglichen Anstrengung, die Bewegungen werden langsamer, fast plump. Und auch der Verstand vermindert sein Leistungsvermögen. Simon versuchte, das richtige Wort für diesen Zustand zu finden. Engourdissement, dachte er auf Französisch. Es gelang ihm nicht, den entsprechenden italienischen Ausdruck zu finden. Doch dann kam er ihm in den Sinn: intorpidimento, Betäubung. Ja, dachte er, ein Hungriger hat einen betäubten Verstand und ist leicht zu beherrschen.

    Seine Gedanken wandten sich dem großen Hunger in Europa zu. Er dachte an die Hungersnot in Paris und an die rutabàgà, jene verdammten Futterrüben, die die einzige Nahrung waren, die sich noch auftreiben ließ. Er fragte sich, ob diese schreckliche Not eine schicksalhafte Folge des Krieges war. Oder ob vielleicht eine teuflische Absicht der Faschisten dahintersteckte.

    Aber nein, sagte er sich, nicht alle leiden Hunger. Auch in Kriegszeiten hungern nur die Armen.

    An die Steinmauer gelehnt, empfand Simon die Märzsonne als eine wahre Wohltat. Auch wir sind privilegiert, dachte er weiter. Wir haben Waffen und können uns mit Gewalt Nahrung verschaffen. Die Armen können das nicht. Die Armen leiden nur, sonst nichts.

    Ohne es zu merken, fügte er laut hinzu: »Aber wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, sind wir am Arsch.«

    Mit einem Sprung stand er auf, um Emilio zu suchen.

    Emilio hatte auf der Wiese eine Decke ausgerollt und einige militärische Karten darauf ausgebreitet. Er versuchte sich, mithilfe zweier Partisanen, die das Tal kannten, ein Bild von der Lage zu machen.

    Sie sprachen alle im Dialekt. Emilio stellte seine Fragen im Dialekt von Gallarate, der fast mailändisch klingt, während die beiden anderen die Mundart des Cusio sprachen, die nicht richtig piemontesisch, aber auch nicht lombardisch ist. Trotzdem verstanden sich die drei aufs Beste. Simon dagegen hatte Mühe, die Dialekte zu verstehen. Er blieb abseits und zündete sich eine der wenigen Zigaretten an, die ihm geblieben waren. Schließlich wurde es ihm zu blöd, den drei anderen zuzuschauen, wie sie die geografische Lage des Tals erörterten. Er blickte um sich und suchte nach Toni und Moretto. Toni sah er am Brunnen sein Essgeschirr spülen.

    »Toni, komm nachher mit Moretto zu mir!«

    »Va ben, va ben. In Ordnung!«

    Als alter Gebirgsjäger – wobei »alt« nur so eine Redensart ist, er wurde 1920 geboren – war Toni eine Persönlichkeit innerhalb der Gruppe. Heimgekehrt von den Feldzügen in Frankreich und Jugoslawien, galt er als einer, der sich auskannte und durchzuschlagen wusste. Einer wie er, mit vier Jahren Kriegserfahrung auf dem Buckel, hätte auch Vorgesetzter sein können. Aber Toni wollte das nicht. Denen, die ihm militärische Ränge anboten, lachte er ins Gesicht. Er war ein Rebell und er vergaß nie, es zu betonen.

    Mit den Vorgesetzten sprach Toni nur in seinem lombardisch-venezianischen Dialekt. Diese Mischung kam daher, dass er zwar in Vicenza geboren war, dann aber während Jahren in Intra am Lago Maggiore gelebt hatte. Nicht dass Toni nicht Italienisch gekonnt hätte, er wollte einfach seine Verschiedenheit unterstreichen. Für ihn war die Mundart eine Sprache des Protests, das Italienische die Sprache der Machthaber und ihrer Arschlecker. Nur mit den Frauen, die er verführen wollte, also mit fast allen, redete er italienisch.

    »Toni, warum sprichst du mit den Frauen italienisch und mit mir nicht?«, hatte ihn Simon einmal gefragt.

    »Perché e done me piasen e te no! Weil mir die Frauen gefallen und du nicht!«

    Moretto dagegen war wirklich ein Alter, das heißt mindestens fünfundvierzig. Er war ein Arbeiter aus Sesto Calende und hier heraufgekommen, weil er sich zu Hause als Antifaschist gefährdet fühlte. Dank seines Alters konnte er sich in Dörfern und kleinen Städten ungestört bewegen, ohne von der erstbesten schwarzen Patrouille angehalten zu werden, wie es einem jungen Burschen hätte passieren können. Deshalb und weil er ein sehr verantwortungsbewusster Mensch war, war er der Verwalter der Gruppe, zuständig für die Beschaffung und die Verteilung des Nachschubs.

    Die drei suchten den Mago. Sie sprachen ausführlich mit ihm und vereinbarten alles für das Abendessen und den Nachschub für die folgenden Tage. Moretto hatte eine lange Liste erstellt mit den Sachen, die sie für eine Woche brauchten. Sie würden noch am gleichen Abend hinuntersteigen, er, Toni und der Mago. Sie würden an die richtigen Türen klopfen und das Nötige einkaufen.

    »Und ihr bezahlt immer?«, wollte der Mago wissen.

    »Wir bezahlen immer«, bestätigte Simon und fügte hinzu: »Morgen schicken wir einen Trupp nach Sambughetto, um die Waren abzuholen.«

    Der Mago dachte einen Moment nach, fuhr sich mit der rechten Hand über den Nacken und schaute zu Boden.

    »Ihr braucht niemanden zu schicken. Die Mataline werden das besorgen.«

    »Die Mataline?«

    »I Tusan«, übersetzte Toni ironisch.

    Mehr als seinen Worten entnahm Simon dem Gesichtsausdruck von Toni, dass Frauen den Transport besorgen würden. Er sagte: »Jemand muss ihnen entgegengehen und ihnen helfen.«

    »Aber sicher!«, gab Toni in perfektem Italienisch zurück.

    Das Wetter schlug um. Aus dicken Wolken begann es leicht zu regnen.

    Der Mago stieg auf eine kleine Anhöhe, um seine Tiere zu rufen.

    »Tà, tà. Tà, tà. Bèle. Kommt, meine Schönen!«

    Die Ziegen hatten den Wetterwechsel schon bemerkt und sich langsam auf den Weg nach unten gemacht. Jetzt begannen sie zu rennen und trafen unten, am Rand der Wiese, auf die Schafe, die sie zu erwarten schienen. Sie überholten sie, und tatsächlich schlossen sich die Schafe ihnen an. So kamen alle, Schafe und Ziegen, mit einem einzigen großen Geläute zurück.

    Die Kühe standen, wie man weiß, im März noch im Stall.

    »Heute Nacht gibts Schnee«, sagte der Mago, während er die Gehege schloss.

    »Noch mehr Schnee?« Emilio war beunruhigt.

    »Ja, er kommt, aber nach zwei Tagen Sonne ist alles wieder weg.« Das Abendessen wurde um sechs Uhr verteilt. Heiße Milch und lauwarme Polenta.

    »Das Gegenteil von Polenta mit Milch«, bemerkte Baffo.

    »Was willst du damit sagen?«, fragte Simon.

    »Polenta mit Milch, das ist frisch gemolkene, noch lauwarme Milch und ganz heiße, frisch gekochte Polenta.«

    Baffo war ebenfalls ein »Alter« in der Gruppe. Auch er war ein Gebirgsjäger, heimgekehrt aus vielen Kämpfen, und hatte große militärische Erfahrung. Er war der Anführer des Haupttrupps mit dem leichten Maschinengewehr. In einigen Dingen war er wie Toni, in anderen sehr verschieden. Wie Toni konnte er Macht schlecht ertragen, allerdings nur die der anderen. Seine eigene Befehlsposition in der Gruppe verschmähte er keineswegs. Er opponierte nie offen, versuchte jedoch immer, sein Spiel zu machen. Hart, zäh und immer wachsam, war er eine der tragenden Säulen der Gruppe. Er gefiel Emilio sehr gut, Simon etwas weniger.

    Viele der Männer hatten sich, müde wie sie waren, bereits in den beiden Heuschobern für die Nacht eingerichtet.

    Baffo war für den ersten Wachtrupp verantwortlich und musste bis Mitternacht auf den Beinen bleiben. Er versuchte, mit den beiden Kommandanten ins Gespräch zu kommen, weil er hoffte, dass sie ihm noch einige Stunden Gesellschaft leisten würden.

    »Ein guter Mann, dieser Mago, er hilft uns wirklich.«

    »Ja, er ist sehr anständig, geradezu freundlich.«

    »Wer weiß, warum er das macht?«

    Baffo wollte das Interesse der beiden wecken, denn sie waren immer darauf erpicht, wenn auch gelegentlich aus verschiedenen Blickwinkeln, die Seelen der Leute, die sie um sich hatten, zu erforschen.

    Sie saßen beim Feuer, in das aus Spargründen nur hin und wieder kleine Holzstücke nachgelegt wurden. Im hinteren Teil der Hütte versuchten zwei Burschen, die sich der Lampe bemächtigt hatten, einen alten Schuh, der einen großen Riss hatte, zu flicken. Die anderen beleuchtete nur das Feuer. Emilio stocherte mit einem Zweig in der Glut. Simon, der keine Zigaretten mehr hatte, kaute auf einem Stück Holz herum. Baffo bemerkte es und bot ihm eine Milit an.

    »Er macht es, weil er ein Patriot ist, glaube ich«, begann Emilio. Aber auch er wusste, dass diese Antwort die naheliegendste und deshalb auch die oberflächlichste war. Er fügte sofort hinzu: »Und weil wir ihm das, was er uns gibt, bezahlen.«

    »Für gewisse Dienste bezahlen wir ihn aber nicht, zum Beispiel dafür, dass er Leute sucht, die uns den Nachschub liefern«, widersprach Simon.

    Es trat für einen Moment Stille ein. Simon sog gierig an seiner von der Vorsehung geschickten Milit. Er betrachtete die rußgeschwärzten Balken der Hütte und den Rauch der Zigarette, der an der Decke ankam. Er nahm seinen Gedanken wieder auf: »Ich glaube, der Alte fühlt sich als Teil des Weltgeschehens, wenn er uns hilft, als Teil der Macht.«

    »Welcher Macht?«, fragte Emilio, während er Simon mit einem leicht ironischen Lächeln anblickte.

    »Unserer Macht. Wir verfügen über eine schreckliche, eine enorme Macht, die Macht über Leben und Tod. Vergiss nicht: Für alle, die unbewaffnet sind, sind wir Träger dieser Macht.«

    »Dann hat er Angst vor uns?«

    »Nein, denn wir verhalten uns freundschaftlich und respektieren ihn.«

    »Du meinst also, dass sich einer wie der Mago auch auf der Seite der Deutschen und der Faschisten befinden könnte, wenn sie sich ihm gegenüber respektvoll verhalten würden?«

    »Aber das passiert nicht. Die Deutschen und die Faschisten halten sich, von seltenen Ausnahmen abgesehen, für etwas Besseres. Sie teilen ihre Macht nicht mit Leuten wie dem Mago, sondern üben sie über sie aus. Mit ihrer Macht wollen sie für sich Privilegien schaffen, und sei es nur das Privileg, andere ihre Überlegenheit spüren zu lassen.«

    Emilio, immer noch mit jenem sanften, ironischen Lächeln, das ihm eigen war, kommentierte: »Macht unter Gleichgestellten? Ich glaube wirklich, dass das nur ein Traum von dir ist.«

    Die drei schwiegen einen Augenblick, um nachzudenken, dann fragte Emilio Simon: »Für wie viele Tage reicht das Geld noch?«

    »Für acht oder zehn.«

    »Wir werden uns bald neues beschaffen müssen.«

    »Ja, wir müssen den Doktor besuchen.«

    Der Doktor war die einzige Adresse im Stronatal, die sie bei sich hatten. Um neue Mittel aufzutreiben, waren sie darauf angewiesen, mithilfe des Doktors Kontakt nach Omegna aufzunehmen. Sie waren vom Oberkommando abgeschnitten und mussten sich völlig autonom organisieren.

    »Welcher Doktor?«, fragte Baffo, neugierig geworden.

    »Der Arzt unten im Tal«, erklärte ihm Simon.

    »Es gibt zwei Ärzte in diesem Tal.«

    »Woher willst du das wissen?«

    »Ich habe ein wenig mit dem Mago gesprochen. Er sagte mir, dass zwei Ärzte und ein Tierarzt im Tal wohnen. Der Bezirksarzt und der Tierarzt haben ihre Praxis in Strona. Und in Forno, ganz hinten im Tal, ist vor zwei Wochen ein junger Arzt angekommen. Er sagt, er sei aus Mailand geflohen.«

    Simon warf das Holzstückchen ins Feuer, auf dem er wieder herumkaute, seitdem er die Milit fertig geraucht hatte. Die Burschen in der andern Hüttenecke hatten ihren Schuh fertig genäht. Sie kamen ans Feuer und brachten die Karbidlampe zurück.

    »Unser Arzt ist der aus Strona«, sagte Simon. »Es ist der Bezirksarzt Dottor Terazzi.«

    Und nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Und der aus Forno ist ein Lügner.«

    »Warum?«, fragte Baffo.

    »Weil ein Arzt nicht wegen der Bombardierungen aus Mailand flüchtet!«

    »Das ist wahr«, warf Emilio ein. »Simon hat recht. Die Ärzte fliehen nicht vor den Bombenangriffen. Der ist kein Arzt. Und wenn er doch ein Arzt ist, dann ist er kein Flüchtling. Aber was geht uns das an?«

    »Na«, sagte Baffo, »wenn er ein falscher Arzt ist, kann er auch Schaden anrichten.«

    »Und wenn er ein echter Arzt und falscher Flüchtling ist, heißt das, dass er sich versteckt«, folgerte Simon.

    Ein Wachposten kam in die Hütte, um sich kurz die Hände zu wärmen. Seine Mütze und seine Jacke waren mit weißen Flocken bedeckt.

    »Schneit es?«, fragte Baffo.

    »Halb, halb, im Moment. Schnee, mit Regen vermischt. Und es wird noch nasser werden.«

    Emilio und Simon traten unter die Tür und schauten hinaus. »Dieser Schnee wird alle Spuren, die unser Marsch hinterlassen hat, auslöschen«, sagte Emilio und zeigte auf die Berge.

    »Und auch die Spuren unserer Vergangenheit. Jetzt sind wir allein, Emilio. Kein Oberkommando mehr, keine Befehle, kein Nachschub. Jetzt müssen wir uns zu helfen wissen.«

    »Und das Ossolatal erobern.«

    Mit diesem Satz, den er absichtlich laut ausgesprochen hatte, rief Emilio allgemeines Gelächter hervor. Dann suchte jeder seinen Platz im Heuschober und sie gingen schlafen. Es war ein harter Tag gewesen, dem noch schlimmere vorausgegangen waren.

    Dies ereignete sich am 29. oder 30. März 1944, ganz genau weiß ich es nicht mehr.

    Ich weiß nicht, ob es das Grand Hôtel des Iles Borromées oder das Hotel Regina war. Sie sind sehr ähnlich, zwei große Hotels erster Klasse, am Anfang des Jahrhunderts in leicht barockem Stil erbaut. Am Seeufer von Stresa stehen sie etwa hundert Meter voneinander entfernt. Beide sind von einem langen Gitterzaun umgeben, dahinter liegen Park und Garten, dann kommen die Gebäude mit Hunderten von Zimmern. In einem dieser beiden fast gleichen Hotels, die jahrzehntelang die Crème de la Crème der Aristokratie beherbergt hatten, logierten im Frühling 1944 die Deutschen. Offenkundig nicht als Touristen, sondern als Besatzungsmacht. Da ich nicht sicher weiß, welches der beiden Hotels die deutschen Truppen okkupiert hatten, werde ich es einfach »das Hotel« nennen, wenn von ihm die Rede ist.

    Nicht dass das Hotel der Sitz des deutschen Oberkommandos in Stresa gewesen wäre, das war in einer nicht weit entfernten Villa eingerichtet worden. Das Hotel war Erholungs- und Ferienort für die Offiziere der Wehrmacht. Es war absolutes militärisches Sperrgebiet und wurde aufs Genaueste kontrolliert und überwacht.

    Aber im zweiten Stock des Hotels, in der Ecke, in der man sowohl nach Süden als auch nach Osten Aussicht hatte, waren einige Zimmer für die Gruppe von Rudolf Stollenwerk reserviert, der hier nicht in den Ferien, sondern im Einsatz war, und das ist sehr wichtig für die Ereignisse, die hier erzählt werden.

    Im Frühjahr 1944 bewohnte Stollenwerk jene Zimmer des zweiten Stockwerks zusammen mit vier andern Männern. Sie trugen Zivilkleidung, keinerlei Waffen und waren doch unmittelbar und ausschließlich mit dem Krieg beschäftigt.

    Stollenwerk war früher Polizeiinspektor in Hamburg gewesen. Als 1939 der Krieg ausbrach, war er um die vierzig. Er wurde eingezogen und leistete seinen Dienst bei der Militärpolizei. Doch 1941, und zwar genau am 21. Juni, während er auf der Straße zwischen Chartres und Paris unterwegs war, explodierte in der Nähe von Versailles unter seinem Wagen eine Mine der »Maquis«, der »Banditen«, wie er sagte.

    Es gab einige Tote, er selber verlor ein Bein, oder jedenfalls fast. Kurz, er blieb invalid und hatte ein ewig schmerzendes Bein. Für ihn hätte damit der Krieg zu Ende sein können. Aber er wollte weitermachen und bewarb sich um die Aufnahme in eine Gruppe, die Informationen zur Bekämpfung der Banditen sammelte. Er hatte eine Rechnung zu begleichen.

    Aber auch Leute wie Stollenwerk haben die Wechselfälle des Krieges nicht in ihrer Hand, und so finden wir ihn, im Dezember 1943 nach Italien versetzt, zuerst in Mailand und dann in Stresa. Seine Aufgabe ist überall dieselbe: Informationen zusammentragen, seien sie bei den deutschen oder bei den italienischen Kommandos eingelaufen, sie vergleichen, gegeneinander abwägen, sortieren und den operativen Kommandos zusammenhängende Berichte liefern, die ihnen im Kampf gegen die Banditen helfen können. Es ist der Teil des Krieges, der nicht mit Waffen, sondern mit dem Verstand geführt wird.

    Und Stollenwerk war kein Dummkopf. Nicht dass er ein As gewesen wäre, aber er war ein alter Spürhund, der sein Metier kannte. Wenn er zwei oder drei verschiedene Informationen kombinierte, war er in der Lage, eine Einschätzung über eine Partisanengruppe abzugeben.

    An jenem Morgen des 5. April 1944 las Stollenwerk die gewohnten, unzähligen Nachrichten, um aus ihnen einen zusammenhängenden Rapport herzustellen.

    Eine Notiz aus Omegna besagte: »Eine neue Bande ist ins Stronatal gestoßen. Sie dürfte sich zwischen Sambughetto und Fornero befinden, da die Aufständischen vor allem jene zwei Ortschaften aufsuchen. Die Bande kommt offenbar aus dem Sesiatal. Man weiß noch nichts über ihre Zusammensetzung und die Art ihrer Bewaffnung. Ihr Befehlshaber ist ein ehemaliger Oberleutnant, ein Deserteur. Sie haben noch einen zweiten Kommandanten, den sie Kommissar nennen. Es heißt, er sei Franzose.«

    Die übliche Verwaltungsarbeit. Er legte die Notiz zu den anderen. Die roten Banditen aus dem Sesiatal verschoben sich nach Osten. Nur der letzte Satz ließ ihn aufhorchen: »Es heißt, er sei Franzose.«

    Was macht ein Franzose hier, fragte er sich, und rief: »Stephan, komm mal her!«

    Einer seiner Gehilfen erhob sich vom Schreibtisch, der im andern Teil des Zimmers stand.

    »Schau nach, woher diese Information kommt, und versuche, etwas mehr darüber in Erfahrung zu bringen.«

    Stollenwerk stand auf. Sein Bein schmerzte. Er litt, wenn er lange sitzen blieb. Er näherte sich dem großen Fenster, wie wenn er auf den See blicken wollte. Aber er sah nichts. Seine Gedanken kehrten zu jenem Tag im Juni 1941 zurück. Es war ein Sonntag, sie reisten froh und ruhig. Dann plötzlich die Explosion. Es schien ihm, als sei sein Leben damals zu Ende gegangen.

    Der Mago hatte recht behalten. Ein Schneefall Ende März kann niemandem einen Schrecken einjagen.

    Die Sonne beschien das Tal, die Wiesen leuchteten hellgrün. Bei genauem Hinsehen zeigten sich aber auch noch andere Farben, kleine Blumen aller Art guckten zwischen den Grashalmen hervor und durchsetzten die Wiesen mit einer Vielfalt von farbigen Flecken. In Collepiano war die Gruppe betriebsam wie ein Ameisenhaufen. Seit ihrer Ankunft waren erst ein paar Tage vergangen, aber sie waren schon völlig verändert.

    Simon lehnte an der Hüttenwand neben der Tür und sah dem Treiben der Burschen zu. Rasiert, sauber und in ausgebesserten Kleidern sahen sie geradezu blühend aus.

    Während er den geschäftigen Männern zuschaute, kam ihm seltsamerweise das Wort Kriegsmaschine in den Sinn. Dieser Ausdruck war damals sehr gebräuchlich, man hörte ihn in den Nachrichten und fand ihn in den Zeitungen. Es wäre lächerlich gewesen, dieses Wort auf diese Burschen hier anzuwenden.

    Nein, dachte er, die hier sind keine Maschine, auch wenn sie Krieg führen. Eine Maschine braucht äußere Eingriffe. Man muss sie nachfüllen, schmieren, reparieren. Das hier ist eher wie ein lebendiger Organismus, der sich selbst versorgt und wiederherstellt.

    Der Tag, von dem ich hier rede, mag ein Sonntag oder ein Feiertag gewesen sein. Es könnte sich auch um den Ostersonntag 1944 handeln. (Es ist schwierig, sich nach so langer Zeit genau daran zu erinnern.) Emilio war zusammen mit sechs oder sieben Burschen zur Messe nach Sambughetto hinuntergestiegen. Alle anderen waren mit Aufgaben für die Gruppe oder für sich selbst beschäftigt. Simon suchte weiter nach einem Ausdruck, der mit wenigen Worten das Wesen einer Gruppe erklärte, die Krieg führte, ohne ein Heer zu sein. Sicher nicht Maschine. Die Fähigkeit dieser Burschen, sich durchzuschlagen, hatte nichts Mechanisches. Nach wenigen Tagen waren sie wie von neuem erblüht. Simon kam das Bild einer Pflanze nach einem Gewitter in den Sinn. Sie gedeiht und leuchtet wie nie zuvor. Er dachte an die Tiere, die von ihren Wunden ohne jede Hilfe genesen, an die Bienen, die ausschwärmen und sich in einem neuen Bienenstock wieder organisieren.

    Nein, von einer Kriegsmaschine zu sprechen, ist eine Dummheit. Eine Abteilung Partisanen ist etwas Lebendiges, das in Symbiose mit der Gesellschaft lebt.

    Auf dem Pfad von Nordwesten kam Emilio mit den Jungen aus der Messe zurück. Sie brachten das frische Brot mit, das die Mädchen aus Sambughetto, die Mataline, am frühen Morgen in der Bäckerei von Strona geholt hatten. Kaum angekommen, verbreiteten die Burschen ihre Neuigkeit: »Die Mataline aus Sambughetto kommen uns heute besuchen.«

    Die Nachricht hatte ein großes fröhliches Durcheinander zur Folge. Viele fuhren sich nach dem Mittagessen

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