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Der Preis der Freiheit
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eBook205 Seiten3 Stunden

Der Preis der Freiheit

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Über dieses E-Book

Die Geschichte meines Lebens mit all den Höhen und Tiefen, die ich erleben musste, um dorthin zu gelangen, wo ich jetzt bin.

Ich bin hinter dem eisernen Vorhang nahe bei Potsdam aufgewachsen. Politische Unterdrückung zwang mich zu Flucht aus der DDR. Ich floh mit meinem Ehemann im Kofferraum eines Autos. Unsere Flucht gelang, aber damit verlor ich alles. Das schlimmste war, dass ich meine Tochter zurücklassen musste, wegen der Gefahr im Gefängnis zu landen oder erschossen zu werden. Meine Tochter ließ ich in der Obhut meiner Eltern zurück.

Der Beginn im Westen war schwierig. Ich verlor meinen Mann an eine andere Frau und war nicht in der Lage Arbeit in meinem Beruf als Aufnahmeleiter beim Film zu finden. Ich wurde sehr krank und dachte mein Leben sei zu Ende. Aber es ging weiter, denn ich fand meinen ersten Job, der mich ausfüllte. Mein Leben fing neu an. Dazu kam, ich lernte einen guten Menschen kennen, der in Berlin als Rechtsanwalt arbeitete und mir half meine Tochter in den Westen zu bringen. Meine Welt mit ihm schien in Ordnung zu sein, aber die Stasi überwachte mich auch in Westberlin. Ich buchte mit ihm eine Reise in die USA, um allen Belastungen zu entgehen und ein neues Leben anzufangen. Wir kauften ein Restaurant im Antelope Valley in Kalifornien in der Nähe von Los Angeles. Meine Tochter kam mit uns, aber sie hatte immer noch Probleme mit mir, weil ich sie bei meinen Eltern zurückgelassen hatte.

Meine Tochter heiratete und bekam drei Kinder und nahm zusätzlich drei Kinder, die Geschwister waren, als Pflegekinder auf. Sie brach jede Verbindung mit mir und alle Versöhnungsversuche blieben ohne Erfolg. Am Ende war ich frei, aber verlor alles was ich liebte. Meine Tochter meine Enkel und meine Güter.

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SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum9. Juni 2019
ISBN9783748551294
Der Preis der Freiheit

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    Buchvorschau

    Der Preis der Freiheit - Renate Witte

    Kapitel Eins

        Ich war das jüngste Kind in meiner Familie, geboren 1940. Meine Schwester Eva Maria 1937 und mein Bruder Ulrich 1939 geboren. Unsere Familie lebte in Potsdam-Babelsberg östlich von Berlin. Mein Vater wurde Anfang des Krieges eingezogen. Meine Mutter sorgte für mich und meine Geschwister.

    Meine frühen Kindheitserinnerungen gehen bis 1944 zurück. Obwohl ich nur vier Jahre alt war, haben sich diese Ereignisse tief in meine Seele eingeprägt.  Selbst in diesem frühen Alter erkannte ich, dass der Krieg meine kleine Welt veränderte und die Bequemlichkeiten und die Sicherheit, die ich vorher fühlte, waren mir durch den Krieg genommen worden.

    Wenn wir die Sirenen hörten, rannten wir ohne zu zögern los und suchten Schutz im Luftschutzkeller. Manchmal während der schweren Luftangriffe auf Potsdam mussten wir Tag und Nacht im Keller bleiben. Ich erinnere mich, wie meine Mutter Decken über uns legte, um uns vor dem Lärm der fallenden Bomben zu schützen. Meine Mutter betete mit uns, solange bis wir die Entwarnung hörten und den Luftschutzkeller verlassen konnten. Sie kam durch die vielen Bombenangriffe niemals zum Ausruhen oder zum Schlafen und war sehr entkräftet. Bei einem dieser Bombenangriffe wollte sie in ihrem Bett liegen bleiben und meine Schwester Eva Maria überredete sie zum Aufstehen, um in den Luftschutzkeller zu gehen. Sie schaffte es und in der Nacht landete ein Blindgänger in ihrem Bett. Wir hatten Glück, dass die Bombe nicht explodierte, aber wir durften unsere Wohnung nicht mehr betreten, bis die Bombe entschärft wurde. An der Tür unserer Wohnung wurde ein Schild angebracht mit der Aufschrift: Eintritt verboten Explosionsgefahr. Trotz dieser Warnung sind fremde Leute in unsere Wohnung eingedrungen und hatten sie ausgeraubt und fast leer zurückgelassen. Es wurde nahezu die ganze Wohnung ausgeräumt und wir waren völlig ohne Nahrungsmittel. Sogar meine kleine Puppe, die ich so von Herzen liebte, hatte man mitgenommen. Wir weinten bitterlich und kuschelten uns an unsere Mutter und fühlten ihre Wärme, die uns beruhigte. Durch die vielen Bombenangriffe wurde ich zum Bettnässer und für meine Mutter war es sehr schwer, mein Bett sauber und trocken zu halten, weil es kein Seifenpulver gab.  Mein Bruder war immer sehr um mich besorgt. In den Nächten weckte er mich um mit mir zur Toilette zu gehen, dass ich nicht ins Bett machte. Er selbst litt unter Asthma mit schweren Anfällen. Manchmal hatten wir große Angst, dass er stirbt, denn es gab keine Medikamente und keine Inhalationsgeräte. Seine Lippen waren oft blau und dann fing ich an zu weinen, weil ich fühlte, dass es schlimm um ihn stand. Ich betete jede Nacht, dass der liebe Gott ihm hilft und dass er nicht stirbt.

      In der Nachbarschaft hatte meine Mutter Freundschaft mit einer  jüdischen Familie, Käthe Heilbronn mit Ehemann und ihrer Tochter Ruth, geschlossen. Es wurden gute Freunde für uns, die mit uns Hunger und Leid  teilten. Ich erinnere mich, dass ich sehr oft zu ihnen ging, weil ich hungrig war. Immer hatten sie eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken für mich und in meiner kleinen Welt verstand ich überhaupt nicht, warum es kein Essen gab. Käthes Mann wurde von der SS abgeholt und in das sogenannte Lager 57 nach Großbeeren gebracht, wo niemand überlebte. Ich hörte oft Gespräche zwischen Käthe, Ruth und meiner Mutter, was passiert war. Man hatte Käthes Ehemann brutal geschlagen, verhaftetet und danach ins Lager gebracht. Von dort kam er nicht mehr zurück. Ruth wurde auf der Straße beschimpft, weil sie jüdisch war.  Diese Misshandlungen konnte ich nicht verstehen, weil ich zu jung war. Wochen später fand sie mit Hilfe eines SS Mannes, der dort im Lager arbeitete, das Grab ihres Vaters.

    Im Nachbarhaus von Käthe und Ruth wohnte ein Hitleranhänger, der ihnen das Leben sehr schwer machte. Er wollte, dass sie verschwinden und ich war froh, dass dies nicht geschah. In meiner kleinen Welt waren sie zwei Hauptpersonen und ich hatte sie sehr lieb. Später erfuhr ich, dass der gleiche Nachbar ein großer Anhänger der Kommunistischen Partei in der DDR geworden war.

      Potsdam wurde durch den Bombenregen fast zerstört und im April 1945 von der russischen Armee besetzt. Der Krieg endete im Mai 1945 und Potsdam-Babelsberg wurde russische Besatzungszone.

    Wir mussten miterleben, dass Deutsche ihre Mitbürger denunzierten, um ihre eigene Haut zu retten. Eine Frau aus unserer Nachbarschaft bezichtigte meine Mutter, eine Spionin zu sein. Sie führte eine Gruppe russischer Soldaten in unsere Wohnung, dass sie meine Mutter verhaften konnten. Ihr Beweis, dass sie eine Agentin war, ergab sich angeblich daraus, dass meine Mutter die polnische und russische Sprache beherrschte. Wir Kinder konnten nicht verstehen, was vor sich ging. Als die Soldaten meine Mutter mitnehmen wollten um sie zu erschießen, sprang meine ältere Schwester Eva Maria zwischen meine Mutter und dem Soldaten, der seine Waffe auf sie gerichtet hatte. Mein Bruder und ich hatten sie umklammert und weinten bitterlich. Russen sind für ihre Kinderliebe bekannt und der kommandierende Offizier griff ein und gab den Befehl, nicht zu schießen. Die Kinderliebe des Offiziers rettete das Leben meiner Mutter. Sie musste dafür bitter bezahlen, da der Offizier sie vergewaltigte. Meine Mutter war seelisch und moralisch zerstört und wollte nicht mehr leben. Sie ging zur Havel, die nicht weit vom Haus entfernt war, um Selbstmord zu begehen, da sie nicht schwimmen konnte. Viele Frauen, die vergewaltigt wurden, haben sich in dieser Zeit umgebracht. Ich fragte Eva und Ruth, was vor sich geht, sie versuchten es mir zu erklären, aber ich verstand es nicht.  Ich fühlte nur, dass unter den Menschen Böses passierte. Ruth und Eva fanden meine Mutter sitzend an der Havel. Sie brachten sie zurück. Mit der Hilfe von Ruth und uns Kindern schaffte sie es stark zu werden.

    Der Hunger nahm kein Ende und wir sammelten im Park Babelsberg Brennnesseln und meine Mutter kochte daraus Spinat. Eva Maria kochte Kartoffelschalen, die wir mit Heißhunger verschlangen. Unsere Mutter wurde immer dünner, weil sie uns ihr Essen gab.  Sie nahm den einzigen Schmuck ihrer Mutter und tauschte ihn bei den Bauern für ein paar Kartoffeln oder einen Kanten Brot ein, dass wir nicht verhungerten. Ich fand es später sehr ungerecht, dass die Bauern in dieser harten Zeit die Situation ausnutzten und den Menschen ihr letztes Stück, das sie liebten, nahmen.  Meine Familie überlebte und das Leben stellte weitere schwere Aufgaben an meine Mutter.

    Um Brot für uns zu bekommen, meldete sie sich bei den Russen. Sie bekam eine Arbeit, Kohlen vom Lastwagen zu entladen. Da sie keine Handschuhe hatte, musste sie mit bloßen Händen arbeiten. Wenn sie nach Hause kam, hatte sie Blasen und große Risse an den Händen. Meine Schwester behandelte sie mit gekochter Kamille, indem sie die Hände darin badete.  Wir Kinder waren glücklich, denn unsere Mutti brachte für jeden von uns ein Stück Brot mit. An einem dieser Tage, an dem sie Kohlen ablud, sprach sie ein russischer Major an, warum sie diese Arbeit täte. Sie erzählte ihm, dass sie drei Kinder hätte, die immer hungrig seien. Er wollte wissen ob sie kochen könnte und meine Mutter bejahte. Dieser russische Major war aus der Ukraine. Er hatte zwei eigene Kinder und zwei deutsche Kinder, die er an den Straßen in den Trümmern gefunden hatte und mit nach Haus nahm. Meine Mutter kochte für diese Familie und brachte alle ihre Speisereste mit nach Hause. Das war in dieser Zeit für uns ein großes Geschenk. Sie teilte mit Käthe und Ruth. Das war für sie eine Selbstverständlichkeit. In dieser Zeit, während meine Mutter arbeitete, behütete uns meine Schwester Eva. Sie übernahm die Aufgaben unserer Mutter und das war bestimmt sehr schwer für sie, denn wir waren nicht immer artig. Wir machten ihr das Leben oft schwer, aber im Grunde des Herzens hatten wir sie lieb. Einmal im Monat wurden Lebensmittelkarten für die Versorgung  ausgegeben. Es war nicht viel, aber die Menschen waren nicht unzufrieden. Kinderreiche Familien mussten die Lebensmittelkarten einteilen für den ganzen Monat. Wir waren damit zufrieden, weil wir wenigstens die Grundnahrungsmittel erhielten. Ich erinnere mich, dass es in der Wohnung kalt war, da wir kein Holz und keine Kohle zum Heizen der Öfen hatten.  Wir versuchten unserer Mutter eine Freude zu machen und suchten im Park von Babelsberg Reisig, um einen Ofen zu heizen, dass sie sich wärmen konnte, wenn sie nach Haus kam. Es sollte eine Überraschung sein. Es war kein Licht in der Wohnung als wir Papier zum Anheizen suchten. Wir fanden eine Zeitung die wir benutzten um Feuer zu machen Dabei übersahen wir die Lebensmittelkarten und verbrannten sie. Meine Mutter kam nach Hause und wir freuten uns, dass wir sie mit einem warmen Zimmer überraschten. Sie lehrte uns als Kinder nie mit Feuer zu spielen und wir standen ein wenig schuldbewusst und schauten sie an. Sie ahnte Fürchterliches und suchte nach den Lebensmittelkarten, die nicht mehr vorhanden waren.  Sie war entsetzt und wir weinten mit ihr bitterlich und beteten, dass unser Vater bald nach Hause kommen würde, dass sie alle Sorgen nicht mehr allein tragen musste. Der russische Major half uns in diesem Monat wieder mit Essensresten aus, aber wenige Wochen später wurde er nach Russland mit seiner Familie abgezogen. Wir haben später versucht ihn zu suchen, aber leider ist es uns nicht gelungen ihn zu finden. Der Krieg war zu Ende und meine Mutter hörte nichts von unserem Vater. Sie wusste nur, dass er in verschiedenen Gefangenschaften gelandet war. Ich fragte meine Schwester über ihn aus und sie erzählte, wie ein alter Seemann, Geschichten über ihn.  Meine Mutter war nicht zu Hause, als es klingelte an unserer Wohnungstür. Ich machte die Tür einen kleinen Spalt auf und sah einen fremden Mann stehen, der einen Seesack auf dem Rücken trug. Er schaute mich an, lächelte und ich schloss die Tür. Mein Bruder ging ebenso zur Tür und öffnete sie und der fremde Mann stand immer noch dort. Mein Bruder erklärte ihm, dass meine Mutter nicht zu Hause ist und wir dürfen keine fremden Menschen in unsere Wohnung lassen. Er wollte die Tür schließen als meine Schwester Eva angelaufen kam. Sie riss die Tür auf und umarmte den fremden Mann, es war unser Vater. Er nahm mich an die Hand, ebenso meinen Bruder. Ich schaute ihn an und konnte nicht fassen, warum ich meinen Vater nicht kannte. Ich war sehr misstrauisch, aber als er in der Küche die schönen Dinge, wie Honig, Butter, Brot, Mehl und Wolle aus seinem Seesack hervorholte,  war kein Misstrauen mehr da.  Wir landeten auf seinem Schoss und sprachen kein Wort und er drückte uns immer wieder.  Was mir auffiel, waren seine großen Hände. Eva fing an alle schönen Dinge und Esswaren zu ordnen und vor Aufregung konnten wir nichts essen. Meine Mutter kam nach Hause, und die Freude war groß.  Ich sah meine Mutter vorher noch nie mit einem so glücklichen Gesicht. Wir hatten in den letzten Jahren die Fröhlichkeit vergessen und so zog sie mit meinem Vater wieder ein. Mein Vater war immer fröhlich und guter Dinge und das half meiner Mutter sehr.  In der Nacht nähte sie für uns Kleidung aus Stoffresten und strickte aus Wollresten Socken für uns.

        Um Geld für unsere Ernährung aufzubringen meldete sich mein Vater im Kohlenbergbau Schwarze Pumpe, um dort zu arbeiten. Er musste unter der Erde arbeiten. Die Arbeit war schwer und gefährlich, aber er hatte eine Familie, die ernährt werden musste. Trotz der schweren Zeit fingen wir an, Kinderspiele zu entwickeln. Mein Bruder machte aus einem Stück Seil ein Springseil für mich. Wir hatten sehr viel Freude mit einfachen Gegenständen zu spielen. Wir hörten keine Bomben und das änderte unser ganzes Verhalten. Eva ging schon zur Schule und vermittelte uns das Lernen. Die ersten Schuljahre waren für uns sehr schwer. Das Lernen machte uns große Schwierigkeiten. Wir hatten in den Kriegsjahren das Spielen vermisst und so zog es uns immer in den Park von Babelsberg um zu spielen, statt Schulaufgaben zu machen. Eva passte auf, dass wir lesen und schreiben lernten. Mein Bruder hatte immer noch seine Asthmaanfälle und der Arzt befürwortete einen Wohnungswechsel.  Mein Bettnässen verbesserte sich und so beschlossen meine Eltern nach Kleinmachnow zu ziehen. Wir mussten uns von  Ruth, Käthe und Hans, der Ruth nach dem Krieg heiratete, verabschieden. Sie hatten uns so lieb, als wären wir ihre eigenen Kinder. Wir waren sehr traurig und trösteten uns damit, dass wir nicht so weit voneinander entfernt waren, um sie wiederzusehen. Meine Eltern übernahmen eine Bäckerei. Die Besitzerin der Bäckerei zog nach West-Berlin und der damalige Staat machte eine staatliche Einrichtung daraus, dass nannte sich Konsumgenossenschaft. Der Gewinn wurde abgeführt an den Staat. In der Bäckerei befand sich eine große Wohnung, die wir bezogen. Wir übernahmen von der Vorgängerin Hühner, sowie einen Hund. Mit den Tieren waren wir sehr glücklich. Außerdem schenkte uns unser Vater ein altes Fahrrad mit dem wir ständig unterwegs waren.  Manchmal mussten wir in der Bäckerei helfen und das taten wir nicht so gern. Aber wir hatten auch Pflichten zu erfüllen gegenüber unseren Eltern. Mein Bruder wurde wegen seiner Asthmaanfälle, die sich aber durch den Wohnungswechsel linderten, einmal im Jahr zur Kur geschickt.  Er lernte dort Schach spielen und so lernte ich es von ihm.  Er gewann meistens und ich wünschte mir sehnsüchtig, dass ich einmal das Erfolgserlebnis habe, ihn Schach matt zu setzen. Die Schule und auch die Lehrer in Kleinmachnow haben uns sehr gut gefallen und wir lernten gut durch die vielen  Aktivitäten, an denen wir teilnahmen. Meine Schwester Eva war eine gute Schwimmerin geworden und ich war sehr stolz, dass sie Urkunden und Preise nach Hause brachte. Ich fand es toll und war stolz, so eine Schwester zu haben. Bei den Schwimmmeisterschaften war ich sehr oft dabei und fieberte, dass sie gewinnt. Mein Bruder bastelte sehr viel an  technischen Dingen. Er fing an, kleine Gegenstände, die entzwei waren, wieder herzustellen. Mein Mathematiklehrer gründete einen Schachclub, in den ich eintrat und sehr viel lernte. Meinem Bruder erzählte ich es nicht und so forderte ich ihn eines Tages heraus, mit mir Schach zu spielen.  Ich gewann und war glücklich und lernte weiter. Mit viel Fleiß wurde ich gut und wurde später von der Schule zu Schachturnieren geschickt. Ich gewann Schachspiele erst auf der städtischen Ebene und auch im Bezirk, dadurch wurde ich für den Staat interessant. Diese Aktivität rettete mich auch vor den anderen politischen Programmen, an denen ich normalerweise hätte teilnehmen müssen. So jung wie ich war, weigerte ich mich, die kommunistische Ideologie zu übernehmen. Ich erinnere mich, wie unsere Schule bei einer Gedenkfeier für Stalin in Schweigen verharrte und einige Jahre später war es nicht mehr erlaubt, nur seinen Namen zu erwähnen. Das war für mich völlig unverständlich, aber niemand war bereit, mir meine Fragen ehrlich zu beantworten. Im Alter von 14 Jahren durfte ich bereits zu den ganz großen Schachturnieren auf Landesebene fahren. Ich wurde von meinem Mathematiklehrer begleitet, der auch mein Trainer war. All das kam zu einem plötzlichen Halt, als ich an Rheuma erkrankte und für ein Jahr an den Rollstuhl gefesselt war. In dieser Zeit war ich sehr ungerecht und unzufrieden mit meinem Leben. Ich saß am Fenster im Rollstuhl und sah die Kinder spielen und die Menschen liefen umher und meine Wünsche waren keine materiellen Dinge, sondern ich bat den lieben Gott, mir meine Laufkraft wieder zu geben. Nach vielen Behandlungen wurden mir die Mandeln entfernt, dabei unglücklicher Weise durch einen ärztlichen Fehler auch das Zäpfchen. Die Sprache und das Laufen mussten wieder erlernt werden.

    Ich konnte in dieser Zeit nur selten am Schulunterricht teilnehmen und fiel weit zurück. Als ich wieder in der Lage war am Unterricht teilzunehmen zu können, hatte ich fast ein ganzes Jahr nachzuholen. Trotz meiner Schachaktivitäten wollte man mich zwingen in die FDJ, das war eine Jugendorganisation der kommunistischen Partei, einzutreten. Ich weigerte mich, was mir Nachteile einbrachte, weil ich von vielen Aktivitäten ausgeschlossen wurde, durfte jedoch weiter Schach spielen. Außerdem hatte ich mich durch meine Schule einer Laienspielgruppe angeschlossen, und das nahm fast meine ganze Freizeit in Anspruch und half mir, das politische System ein bisschen zu vergessen. Mein Bruder sparte sich von seinem Taschengeld ein Rennfahrrad zusammen und fuhr damit viele Kilometer und so verbesserte sich sein Asthma und er wurde gesund. Er fing an am Boxunterricht teilzunehmen, darüber waren meine Eltern nicht sehr glücklich und verboten ihm, diese Sportart weiter auszuüben. Er bat sie ihre Entscheidung zu ändern und sie taten es, indem sie ihm erlaubten weiter am Boxunterricht teilzunehmen. Ich war 16 Jahre alt, als ich die Schule beendete. Wir hatten eine große Abschlussfeier in der Schule. Mein Vater war sehr genau mit der Uhrzeit und bestimmte, dass ich spätestens um Mitternacht vom Schulfest nach Hause kam. Ich verpasste den letzten Bus, die Bushaltestelle war direkt vor unserer Haustür. Einige meiner Klassenkameraden wollten mich begleiten, aber ich wollte nicht, dass sie meinetwegen die Feier verließen. Ich lief in der Mitte von der Straße, dort fühlte ich mich sicherer und konnte die Gegend besser überblicken.  Die rechte Straßenseite war bewaldet. Auf der anderen Straßenseite brannte in den Häusern noch Licht. Ich hatte von meiner Schwester die ersten Stöckelschuhe an und konnte auf dem Straßenpflaster nicht gut laufen. Es war sehr

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