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Frühstücksgeschichten aus Birk: Band 1
Frühstücksgeschichten aus Birk: Band 1
Frühstücksgeschichten aus Birk: Band 1
eBook167 Seiten4 Stunden

Frühstücksgeschichten aus Birk: Band 1

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Über dieses E-Book

Der Männer-Frühstückskreis trifft sich im ev. Gemeindehaus in Birk am ersten Dienstag im Monat. Die Konfession spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur: Keiner sollte mehr im Arbeitsleben stehen. Und über Krankheiten wird während des Frühstücks nicht geredet.
Immer wenn ein neuer Teilnehmer zu der Gruppe stieß, gab es bei den Vorstellungsrunden kleine und größere Geschichten zu erzählen. Die Themenvielfalt überraschte alle. Man spürte, dass in dem Frühstückskreis viele Berufs- und Lebenswelten vorhanden waren. Jeder konnte so hinzugewinnen, und jeder von sich etwas weitergeben.
Da entstand die Idee, Erinne­rungen in einem Buch festzuhalten. In diesem Buch sind nun Geschichten von 16 Mit-Frühstückern enthalten.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Juni 2015
ISBN9783939829874
Frühstücksgeschichten aus Birk: Band 1

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    Buchvorschau

    Frühstücksgeschichten aus Birk - Verlag ratio-books

    Erinnerungen an die Kriegszeit 1939 bis 1945

    Ich wurde in Hamm in Westfalen geboren und habe den größten Teil meiner Kindheit und Jugendzeit in meiner Heimatstadt verbracht.

    Bis vor wenigen Jahren habe ich so gut wie nicht über diese Zeit reden können. Die Erlebnisse waren zu gravierend, um darüber zu berichten. Wie jedermann weiß, herrschte in Deutschland das Naziregime. Meine Familie hatte unter dieser Herrschaft ganz erheblich zu leiden. Meine Eltern, meine Großeltern und viele Freunde und Verwandte waren erklärte Gegner des Nationalsozialismus. Man scheute sich nicht, dies auch deutlich zum Ausdruck zu bringen. Für uns kam noch hinzu, dass eine angeheiratete Tante Jüdin war, die immer wieder ihren Wohnsitz wechseln musste.

    Sie hielt sich auch des öfteren in unserem Hause auf.

    Mein Vater war Finanzbeamter und weigerte sich, Mitglied der NSDAP zu werden. Ständig musste er vor den Nazi-Behörden sein Verhalten rechtfertigen. Ein Schutz für ihn und auch für unsere Familie war die Tatsache, dass er Schwerkriegsbeschädigter des 1. Weltkrieges und Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse war.

    Der Besuch weiterführender Schulen wurde uns Kindern verwehrt. Ersatzweise bot man mir den Besuch der Adolf-Hitler-Schule mit Internat an. Heute würde man sagen, dass es sich dabei um eine Umerziehungsanstalt handelte. Das kam für meine Eltern nicht in Frage. Für sie blieb nichts anderes übrig, als meine Schwester und mich zu Verwandten auf die Schwäbische Alb zu bringen. Wir gingen ein Jahr in Altsteußlingen, Kreis Ehingen/Donau zur Schule.

    Mein älterer Bruder wurde von den Nazi-Schergen so zusammengeschlagen und verletzt, dass er an den Folgen einer erlittenen Sepsis später starb. Hierüber Einzelheiten weiter zu berichten, kann ich noch nicht.

    Kurz vor der Schulentlassung Ostern 1944 gelang es meinem Vater, mich mit Hilfe seiner Freunde auf die Bischöfliche Kirchenmusikschule Münster umwechseln zu lassen. Es bedeutete für mich ein Lichtblick. Leider endete dieser Schulbesuch nach mehreren schweren Bombenangriffen auf Münster bereits nach knapp einem Jahr. Die Schule, die unter dem Schutz des bekannten Bischofs von Münster Graf von Gahlen stand, war nicht durch die Nazis, sondern durch die wahnwitzige Bombardierung der Alliierten vollständig zerstört worden.

    Kurz danach erhielt ich die Einberufung zum Wehrertüchtigungslager. Ich versteckte mich bei einem Holzschuhmacher im Münsterland, dort war ich für einige Wochen sicher. Als die Bombenangriffe auf meine Heimatstadt gewaltig zunahmen und die amerikanischen Truppen den Rhein schon überquert hatten, war ich so verunsichert, dass ich mich auf den Weg zu meinen Eltern machte. Unser Elternhaus war zwar schwer beschädigt, aber man konnte noch behelfsmäßig darin wohnen.

    Zu Hause angekommen erhielt ich die Einberufung zum Volkssturm, Hitlers allerletzter Reserve. Die amerikanische Armee war aber inzwischen schon nahe an unsere Stadt herangekommen, so dass wir nach einer Kurzausbildung an Panzerfäusten und Karabinern nur noch zum Bau von Panzersperren und Schützengräben eingesetzt wurden.

    Nachdem die erste Granate der Amerikaner bei uns, den Volkssturmleuten, einschlug, kam mein Vater an, packte mich beim Kragen und sagte zu dem Vorgesetzten: „Den Jungen nehme ich mit nach Hause. Es war eine höchst gefährliche Situation. Ich selbst habe gesehen, wie ein junger Soldat an einer Laterne hing und ein Schild um dem Hals trug auf dem stand: „Ich bin ein Deserteur.

    Ein Schulkamerad, der nur wenig älter war, geriet in amerikanische Gefangenschaft, wurde an die Franzosen ausgeliefert und war fünf Jahre im lothringischen Bergbau in Gefangenschaft.

    Ich selber wurde von meinem Vater nicht nach Hause, sondern zu meiner Mutter, die sich mit meiner Schwester, meinem jüngeren Bruder und ihrer Mutter (meiner Großmutter) im Hochbunker Vorheiderweg in Hamm aufhielt, gebracht. Er selbst ging zu meinem schwer kranken älteren Bruder ins Elternhaus zurück. Wir mussten noch eine gute Woche von Karfreitag bis Weißen Sonntag im Bunker ausharren, bis die Stadt von den Amerikanern eingenommen wurde. Der Bunker wurde nur durch ein Notaggregat teilweise beleuchtet. Die sanitären Anlagen funktionierten nicht mehr. Die Notdurft musste draußen verrichtet werden. Das war sehr gefährlich. Mehrere Menschen wurden verletzt oder getötet. Die Versorgung der Menschen im Bunker war katastrophal. Ich bin noch einige Male nach Hause gelaufen und habe Lebensmittel geholt. Zum Schluss waren nur noch Reste da.

    Die Stadt lag in Schutt und Asche. Zweiundsiebzig (!) Bombenangriffe der Alliierten waren über uns hinweg gegangen. Wir konnten uns mit sieben Personen nur noch in drei kleinen Räumen aufhalten. Kein Strom, kaum Nahrungsmittel, kein Wasser: das war das Ende. Aber wir hatten überlebt und das war die Hauptsache.

    Sechs Wochen nach dem furchtbaren Krieg wurde meine Schwester, fast 14 Jahre alt, von einem Lastwagen der Besatzungsarmee überfahren. Sie starb. Mein älterer Bruder lebte noch einige Jahre, ist aber an den Folgen der ihm zugefügten Verletzungen ebenfalls verstorben.

    Als zum Kriegsende das nationalsozialistische Verbrechersystem zusammenbrach war ich gerade 15 Jahre alt.

    Wilhelm Wolf

    Unter besonderem Schutz

    1936 in Dortmund als dritter Sohn in einem evangelisch-konservativen Haus geboren, hätte meine Kindheit wohl geordnet verlaufen können. Doch war nicht zu vermeiden, dass sie durch die damaligen kriegerischen Ereignisse geprägt wurde.

    Mit der Einschulung 1942 intensivierten sich die nächtlichen Bombenangriffe auf die Industrieanlagen am Rande der Stadt.

    Da mir die Gefahr als Kind nicht bewusst wurde und ich keine Angst kannte, waren die nächtlichen Strahlenschauspiele der Suchscheinwerfer der Flak ein Erlebnis für uns. Es war einfach spannend, wenn die suchenden Scheinwerfer einen Bomber ins Visier bekamen und anschließend die Flak ihr Feuer eröffnete. Einmal erlebte ich mit, wie ein Bomber getroffen wurde und als brennende Fackel vom Himmel stürzte. Das hat mich stark beeindruckt. Die unzähligen Nächte, die wir im häuslichen Luftschutzkeller mit Fremden verbrachten, verblassen dagegen.

    Durch das ungezielte Bombenabwerfen während der nächtlichen Angriffe, wurde auch die zwei Kilometer entfernte Volksschule im Jahr 1943 dem Erdboden gleichgemacht. Als wir Schulkinder am nächsten Morgen den Trümmerhaufen unserer Schule mit freudigem Gelächter begrüßten, fanden wir kein Verständnis für die wütenden Reaktionen unserer Lehrer uns gegenüber.

    Der Bombenterror nahm weiter zu und meine Mutter wurde zum Reichsarbeitsdienst verpflichtet. Da beschlossen meine Eltern schweren Herzens, mich, ihren Jüngsten aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu bringen. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Gütersloh bei meinen Großeltern wurde ich im März 1944 in ein Kinderheim auf der Nordseeinsel Wangerooge in Sicherheit gebracht. Meine Brüder waren zu diesem Zeitpunkt zur Wehrmacht eingezogen: der ältere, Dieter, an die Westfront, der jüngere, Eckart, an die Ostfront. Mein Vater war als Hochofendirektor bei Hoesch „unabkömmlich" gestellt. Man kann sich die verzweifelte Verfassung meiner Eltern sicher vorstellen, als sie sich nun auch noch von ihrem jüngsten Kind trennen mussten. Sie haben dies jedoch gut verborgen, so dass für mich das ganze Geschehen eher einem großen Abenteuer glich.

    In dem Kinderheim „Haus Fredeborg" waren wir nur zu vier Jungen aus Köln, Bremen und Oldenburg und eben ich aus Dortmund.

    Die Insel Wangerooge lag strategisch bedeutend vor der Einfahrt nach Wilhelmshaven und wurde daher zur Festung erklärt und artilleristisch entsprechend aufgerüstet.

    Für uns Jungen eine äußerst spannende Phase. Wir erlebten mit, wie die Organisation Todt (Staatliches Bauunternehmen im 3. Reich unter der Führung von Fritz Todt) den Strand von Wangerooge mit Pfählen und Drähten abdeckte, um das Landen von Lastenseglern zu verhindern, wie auf dem erhöhten Caféplatz „Pudding" an der Strandpromenade ein riesiges Horchgerät installiert wurde, wie bei Schießübungen der schweren Artillerie (bis 30,5 cm!) der Boden der Insel bebte, wie wir beim Zuschauen an Soldatenbegräbnissen mit Ehrensalut in den Besitz von Platzpatronen kamen, wie wir auf den Gleisen der Inselbahn eine Panzerattrappe schieben durften, an der Soldaten Panzerabwehr übten. – Unsere Eltern wähnten uns weiter in Sicherheit.

    Dann kam der unvergessene 25. April 1945: Wir spielten nachmittags am Strand, als Fliegeralarm – der sogenannte Voralarm – ertönte. Während wir unsere Spielsachen zusammenpackten, um den Heimweg – ca. 500 Meter – anzutreten, ertönte bereits der Hauptalarm. Als „Alarmgewöhnte" wussten wir: Jetzt wird es ernst. Wir liefen zum Kinderheim, hatten aber keine Zeit mehr, den für uns zugewiesenen Bunker zu erreichen. Im Westen der Insel detonierten bereits die ersten Bomben. Uns blieb nur noch der Weg in den Keller des Nachbarhauses, dem Sitz der Gemeindeverwaltung.

    Da wir mit fallenden Bomben Erfahrung hatten, – langer Pfeifton mit Detonationsknall bedeutete weite Entfernung und keine direkte Gefahr –, bemerkten wir das Näherkommen der Bedrohung am immer kürzer werdenden Pfeifton mit sofortigem Detonationsknall.

    In dem Lärminferno stürzten auf einmal Wände und Decke unseres Schutzraumes ein. Wir waren in Trümmerschutt eingeklemmt und sahen in dem Staub nur noch schemenhaft das Kellerfenster.

    Ich befreite mich von dem eingeklemmten Rucksack und kroch durch den Trümmerstaub zum Kellerfenster hinaus. Ehe wir die Verwüstungen um uns wahrnehmen konnten, riefen Soldaten von der gegenüber liegenden Straßenseite aus einem Bombentrichter, dass wir bei ihnen schnell Deckung suchen sollten. Wir waren froh, dass uns nichts weiter passiert war. Die sich nach Osten entfernenden Detonationsgeräusche der Bomben und der Flak kündigten uns das Ende der Bedrohung an.

    Das Bild der brennenden und zerstörten Häuser vor uns, kannten wir aus unseren Heimatstädten. Neu war die in den nächsten Tagen gewonnene Erkenntnis, dass wir unser Überleben dem nicht Explodieren einer 20-Zentner-Bombe, die als Blindgänger in einem Eisenträger des Hauses steckte, verdankten.

    Die Bedeutung dieses Wunders wurde mir erst im Laufe meines weiteren Lebens bewusst. Es stand noch öfter unter einem besonderen Schutz.

    Auch später wurde mir erst klar, welchen Gefühlen meine Eltern ausgesetzt waren, als sie im Rundfunk von dem schweren Bombenangriff auf Wangerooge mit über 50 Toten hörten.

    Erst mit Kriegsende im Mai 1945 erfuhren sie über das Rote Kreuz, dass ich überlebt hatte.

    Beide Brüder kehrten im Übrigen ebenfalls körperlich unversehrt

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