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Wie ich ICH wurde: Der Weg meiner Traumaheilung
Wie ich ICH wurde: Der Weg meiner Traumaheilung
Wie ich ICH wurde: Der Weg meiner Traumaheilung
eBook457 Seiten6 Stunden

Wie ich ICH wurde: Der Weg meiner Traumaheilung

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Über dieses E-Book

Was wäre, wenn unsere schlimmsten Erfahrungen uns nicht mehr kontrollieren würden? Wenn sie uns nicht mehr in unserem täglichen Leben beeinflussen würden und wir in der Lage wären, freie Entscheidungen zu treffen und unsere Beziehungen nicht mehr zu belasten?

Das Gefühl, das eigene Leben nicht kontrollieren zu können und immer wieder die gleichen ungünstigen Entscheidungen zu treffen, ist Kathie Kleff sehr vertraut. Als erfolgreiche Radiostimme litt sie bis zur Mitte ihres Lebens unter den Folgen ihrer traumatischen Kindheit, ohne es zu wissen. Anstatt aufzugeben, machte sie sich auf in den Kaninchenbau, um ihr eigenes Trauma besser zu verstehen, endlich zu integrieren und somit in die Heilung zu bringen.

In ihrem Buch "Wie ich ICH wurde" teilt sie ihre persönliche Reise und zeigt, wie sie es geschafft hat, die Spirale ihrer Traumafolgen zu verlassen. Von Depressionen und Essstörungen bis hin zu Panikattacken – Kathie Kleff hat alles erlebt und kennt das Gefühl, von sich und der Welt entfremdet zu sein.

Dank ihrer Erfahrung und ihres Wissens als traumasensibler Coach hat sie Wege gefunden, ihr frühes Bindungs- und Entwicklungstrauma in gesunde und stabile Beziehungen zu verwandeln, ihre Vergangenheit zu integrieren und ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Wenn Sie auf der Suche nach Inspiration und einem tieferen Verständnis für Trauma und seine Auswirkungen sind, ist "Wie ich ICH wurde" das perfekte Buch für Sie. Tauchen Sie ein in die Welt von Kathie Kleff und lassen Sie sich von ihrer Geschichte berühren.
SpracheDeutsch
HerausgeberMomanda Verlag
Erscheinungsdatum27. Nov. 2023
ISBN9783956280733
Wie ich ICH wurde: Der Weg meiner Traumaheilung
Autor

Kathie Kleff

Seit über 30 Jahren zählt Kathie Kleff zu den bekanntesten und erfolgreichsten weiblichen Radiostimmen Deutschlands. Was niemand weiß: Wenn die rote Lampe aus und die Sendung vorbei ist, hat sie wie viele andere Menschen mit den Folgen ihrer traumatischen Kindheit zu kämpfen. Hinter verschlossenen Türen leidet sie unter depressiven Episoden, Angst, Essstörungen und Panikattacken. Authentische, nährende und liebevolle Beziehungen dauerhaft einzugehen, ist ihr nicht möglich. Die Abwärtsspirale dreht sich im Laufe der Zeit immer schneller, die Erfahrungen werden extremer und die Verzweiflung wird größer, bis sie mit Mitte 40 begreift, dass all die Symptome, all die Probleme, die ihr das Leben so schwer machen, späte Auswirkungen ihrer ersten Lebensjahre sind. Neben ihrer Radiokarriere und ihrer Traumatherapie macht sie sich 2019 auf den Weg, um die komplexen und faszinierenden Prozesse in ihrem eigenen autonomen Nervensystem – und somit ihr Trauma – zu verstehen. Sie lernt in kleinen Schritten, wie sie mit ihrem Körper und den Gespenstern ihrer Vergangenheit friedlich in Kontakt kommen und aus der endlosen Schleife der Selbstverurteilung aussteigen kann. Nach und nach lösen sich die alten Blockaden, ihre Traumata werden integriert und sie durchläuft den magischen Prozess der Traumaheilung und der Transformation. Heute begleitet und unterstützt sie Menschen auf dieser Reise und trägt ihren Teil dazu bei, das Wissen über Trauma und Traumafolgen in die Welt zu tragen. In ihrem ersten Buch teilt sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen, berichtet von ihren Symptomen und ihrer Heilung und schenkt jedem, der sich für Trauma interessiert und die Komplexität dahinter verstehen möchte, viele berührende und wertvolle Inspirationen.

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    Buchvorschau

    Wie ich ICH wurde - Kathie Kleff

    Früher

    Deine Mutter ist kaputt, aber du bist es nicht, du trägst dieselben Verbände, Schicht über Schicht.

    Aber irgendwo darunter bist du längst schon verheilt, du hast viel zu lang ihre Wunden geteilt.

    Wir sind Helden, Kaputt

    Am Anfang war das Schlamassel

    Dies ist ein Buch über Trauma und die Folgen davon. Es ist ein Buch über MEIN Trauma. Beinahe wäre es nicht zustande gekommen, denn ungefähr zehn Tage, bevor ich die erste Fassung fertig hatte, um sie meiner Lektorin zu überreichen, entschied etwas in mir, dass einer von uns beiden – ich oder das Buch – noch nicht bereit war. In einem Zustand kompletter Unbewusstheit oder geistiger Umnachtung löschte ich das gesamte Skript von meiner Festplatte – und zwar unwiederbringlich. Keine halben Sachen, Baby. Ich zog es scheinbar erst unbemerkt in den Papierkorb, den ich einen Tag später leerte, um auch wirklich ganz sicherzugehen. Leider kann ich mich nicht erinnern, wann oder wie das geschah, ich weiß nur, dass der Ordner einschließlich der sieben Teile und circa 220 Seiten an einem Montagmorgen im Mai 2023 nicht mehr auf meinem Schreibtisch lag. Den Rest kann ich nur erahnen.

    Das Loch, in das ich stürzte, als ich realisierte, was ich getan hatte, war bodenlos, brutal und sehr finster. An diesem Morgen, um kurz vor sechs, glitt ich lautlos in die Rolle meines vierjährigen Ichs und fürchtete, in einem Strudel tiefer, echter Verzweiflung zu ertrinken. Solche dysregulierten Zustände kannte ich nur von früher, ich hatte vergessen, wie unangenehm sie sind.

    Ich weinte, schrie und schluchzte und konnte es nicht fassen. Ich hatte mein Buch gelöscht, mein erstes eigenes Buch, an dem ich fast zehn Monate gearbeitet hatte. Nicht einmal zwölf Stunden zuvor hatte mein Verleger mir den Link geschickt, unter dem man es bereits vorbestellen konnte, begleitet von einem Feuerwerk an glücklichen Emoji. Jetzt gab es kein Buch mehr, das man vorbestellen konnte. Ich hatte nichts, nur die Meldung »Dieses Dokument kann nicht mehr geöffnet werden, weil es entweder beschädigt oder gelöscht wurde«.

    In den nächsten drei Tagen, während ich alle technischen Hebel in Bewegung setzte, um doch noch irgendwie zu retten, was nicht zu retten war, durchlief ich im Minutentakt die fünf Phasen der Trauer nach Kübler-Ross, manchmal gleichzeitig. Auf einen Moment abgrundtiefer Traurigkeit folgte die komplette Verleugnung dessen, was geschehen war. Zehn Sekunden später ruhte ich in zenartiger Akzeptanz und verkündete voller Zuversicht, dass alles immer für etwas gut ist, um im nächsten Augenblick wiederum bitterlich in Tränen auszubrechen. Es war interessant.

    Was soll ich sagen? Shit happens. Auch wenn es sich über 48 Stunden nicht immer so anfühlte, habe ich auch das überlebt und dieses Buch trotzdem geschrieben. Oder erst recht.

    Welche innere Instanz auch immer mit Händen und Füßen versucht hatte, es zu verhindern, sie scheiterte – und ich gewann und folgte endlich dem Ruf, der über dreißig Jahre in meinem Kopf herumgegeistert war. Immer wieder hatte er an meine Tür geklopft, hatte zaghaft nachgefragt und mich aufgefordert, zumindest mal darüber nachzudenken: Schreib deine Geschichte auf! Meine Geschichte aufschreiben. Aha. Klang deutlich leichter gesagt als getan. Wie? Wozu? Und vor allem für wen? Was darf ich erzählen, worüber muss ich Stillschweigen bewahren, was gehört weiterhin schön unter den Teppich und muss für immer im Kreise der Familie bleiben? Darüber spricht man nicht.

    Fragen, die mich nachts wach hielten und auf die es am Ende lange immer nur die eine Antwort gab: Das geht auf keinen Fall. Trotzdem fing ich immer wieder an, fand sogar ganz ordentlich, was ich zu Papier brachte, und legte das Skript trotzdem zurück in die Schublade. Ist doch Quatsch, sagte der Kopf, was soll denn der Unsinn? Du hast Wichtigeres zu tun.

    Das Projekt geriet immer wieder in Vergessenheit und ich widmete mich lieber den Dingen, die mir vertraut waren. Ich blieb im sicheren Hafen. Der Kopf war zufrieden, das Herz geduldig. So ging es über Jahre.

    Vielleicht habe ich meinen Wunsch über all die Zeit unbewusst ins Feld geschickt, wer weiß? Es heißt ja, man solle achtsam sein, was man sich so wünscht. Anfang 2022 flatterte aus heiterem Himmel eine Mail in mein Postfach. Da stand es, schwarz auf weiß, in Helvetica, Schriftgröße 12: »Hallo Frau Kleff! Möchten Sie für uns ein Buch über Trauma schreiben?« Ach du Scheiße, dachte ich. Und dann: Ich flipp aus! Doch diese Freude währte nicht lange, denn mein Verstand schaltete sich sofort ein, um entschlossen und empört auf ihr herumzutrampeln.

    Du kannst doch kein Buch schreiben! Das darfst du nicht, so etwas macht man nicht, das ist viel zu persönlich! Das könnte ja am Ende jemand lesen! Was werden die Menschen von früher sagen? Dein Bruder? Deine Mutter? Und außerdem: Wen zur Hölle interessiert schon deine Geschichte und was du zu sagen hast?

    In meinem Kopf herrschte Krieg und ich war komplett überfordert. Wochenlang führte ich Diskussionen mit mir, druckste herum, antwortete nicht, kaute das Thema immer wieder durch und fand tausend Gründe, warum es gerade schlecht ist. Schließlich sagte ich ab und verspürte große Erleichterung.

    Ich wuchs und reifte – und nur ein halbes Jahr später kam die nächste Anfrage. Ich wusste schon beim Öffnen der Mail, dass diesmal etwas anders war. Ich war so weit. Ich war bereit, all das, was ich auf meiner langen, verrückten und anstrengenden Reise durchgestanden, ausgehalten, erfahren und erlebt hatte, in die Welt zu schicken und zu teilen. Ein letztes Mal ließ ich alle inneren Bedenkenträger zu Wort kommen, bedankte mich freundlich für ihre warnenden und mahnenden Worte und ließ mein erwachsenes Ich die Entscheidung treffen. Und hier sind wir nun. Du und ich.

    Dieses Buch ist für all die Traumakinder, deren Mütter und Väter bereits Traumakinder waren und die keine Möglichkeiten hatten, die eigenen Wunden zu versorgen, die ihnen wiederum von ihren Müttern und Vätern beigebracht wurden, die ebenfalls Traumakinder waren. Ich schreibe es für all die Menschen, die mir in den letzten Jahren geschrieben und mir von sich erzählt haben. Mit denen ich arbeiten und die ich begleiten durfte. Die mir ihre Verletzungen zeigten und sich mir anvertrauten. Die älteste Dame kam aus Österreich und war 82 Jahre alt. Sie habe nicht mehr viel Zeit, schrieb sie, aber das sei okay. Sie sei glücklich darüber, dass ihr kurz vor ihrem Lebensende noch so vieles klar werden würde. Und wie wunderbar es sei, dass ihre Enkelin anders und vor allem früher mit diesen Themen umzugehen wisse, als es ihre Generation je gekonnt hatte.

    Ich fühlte und fühle mich jedem von euch auf eine Art nah, weil ich fest davon überzeugt bin, dass Trauma sich erkennt. Dazu müssen wir uns nicht einmal persönlich begegnen, wir sehen die Verletzungen des anderen, jedoch nicht mit unseren Augen. Wir sehen sie mit unserem Herzen – und erkennen uns im anderen.

    Hier sind wir nun – du und ich –, verbunden durch diese Zeilen und die Wunden, die wir erlitten haben, obwohl es nicht unsere Schuld war. Bereit, sie zu fühlen, sie anzuerkennen, die dicken, schmutzigen Verbände der letzten Jahrzehnte vorsichtig und behutsam Schicht für Schicht abzunehmen, sie zu versorgen, ans Licht zu befördern und sie schließlich dort zu heilen. Bereit, zu lernen, mit den Narben zu leben und sie liebevoll zu betrachten, wenn etwas im Außen sie berührt. Denn Narben bleiben, so viel ist sicher. Sie bleiben ein Teil unserer Biografie, die wir vielleicht nicht komplett neu schreiben, aber auf deren Verlauf und Ende wir doch zumindest Einfluss nehmen können.

    Ich nehme dich ein Stück mit auf meine Reise, die gleichermaßen anstrengend, magisch, unvorhersehbar, schmerzhaft und großartig war und ist. Eben wie der Zyklus der kleinen Raupe, die sich unter größten Strapazen immer wieder verpuppen und freikämpfen muss, bis sie schließlich eines schönen Tages als Schmetterling aus ihrem Kokon schlüpft, der seine leuchtenden Flügel ausbreitet und dem Leben entgegenfliegt. Ich teile meine Erfahrungen mit dir, um dir zu zeigen, dass du nicht mutterseelenallein bist, auch dann nicht, wenn du dich so fühlst. Du bist es nicht. Du hast dich vielleicht noch nicht gefunden und verstanden. Aber alles in uns ergibt einen Sinn, wenn du nur begreifst, wozu.

    Ich hatte große Angst vor diesem Buch und vor meiner eigenen Sichtbarkeit. Angst, aus der Deckung zu kommen und laut zu sagen: Das bin ich, mit allem, was war, aber vor allem mit dem, was da noch ist und noch entstehen kann. Die ersten Schritte waren mehr ein Stolpern als ein flüssiges Schreiben, aber je mehr ich mich auf die neue Erfahrung einlassen konnte, umso leichter wurde es. Irgendwann landeten die Worte ganz selbstverständlich auf dem Papier, flossen ineinander, formten Sätze, Abschnitte und Kapitel. Erzählten Geschichten, nahmen in den Arm und gaben mir immer mehr das sichere Gefühl, das Richtige zu tun. Manchmal rühren sich noch Zweifel in mir, ob ich das alles bewältigen kann, und damit meine ich vor allem mich in meiner neuen Rolle, die keine Rolle mehr ist. Ich, in meiner neuen Sichtbarkeit. Ich, nackt. Ich, authentisch. Ohne Schutzstrategien. Einfach ICH.

    Ich wurde als Kind schwer traumatisiert und ich hatte keine Ahnung. Es hat lange gedauert, bis ich mir diese Tatsache eingestehen konnte. Es hat noch länger gedauert, bis ich verstanden habe, dass das meiste, was ich über mich glaubte, nicht die Wahrheit war und dass meine Wunden genauso schwer wie die meiner Eltern wiegen. Dass ich genauso wichtig und wertvoll bin.

    Etwas in mir hat dafür gesorgt, dass ich überlebe. Eine liebende Intelligenz vielleicht, von der ich glaube, dass wir sie alle in uns tragen. Auf einer langen Reise habe ich meine Traumata behutsam aus der Dunkelheit geholt, sie nach und nach kennengelernt, ihre Dynamiken begriffen und sie sanft in mein Leben integriert. Ich habe erlebt, wie aus Wunden Wunder wurden, nachdem ich den Dauerzustand von Überleben-Müssen hinter mir lassen konnte.

    Der Weg raus aus dem Überlebensmodus ist kein bisschen leicht, das musst du wissen, aber er ist auch nicht immer schwer. Ich halte ihn für ziemlich alternativlos, wenn diese Welt weiterbestehen soll und wir als Erdenbürger eines Tages miteinander in Frieden leben wollen. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl: Das kann nicht alles gewesen sein, da ist noch mehr. Etwas in mir wusste, dass Leben auch anders geht, und es hatte recht. Wenn auch nur einer meiner Sätze, nur eines meiner Worte, dich auf deinem Weg einen einzigen Schritt nach vorn gehen lässt, dann hat sich die doppelte und dreifache Arbeit an diesem Buch schon gelohnt.

    Es gibt ein Leben vor dem Trauma, es gibt oft ein langes Leben mit den Folgen des Traumas, aber vor allem gibt es ein Leben nach dem Trauma. Ich möchte, dass du das weißt. Dazwischen liegt eine Welt, die es zu entdecken, zu begreifen und zu erobern gilt. Du kannst lernen, deine Schutzschilder, deine Kompensationsstrategien und scheinbar destruktiven Verhaltensmuster zu verstehen und Schritt für Schritt abzulegen. Du kannst lernen, Beziehungen zu führen, die nährend, sicher und wertschätzend sind. Du kannst neue Erfahrungen machen. Du kannst mit dir in Kontakt kommen, klare Grenzen ziehen, bessere Entscheidungen für dich treffen und lernen, mehr Mitgefühl für dich und deine eigene Geschichte zu haben. Wenn du begreifst, warum dir das lange so schwergefallen ist. Du kannst vielleicht nicht löschen, was war, aber du kannst lernen, heute so damit zu leben, wie du es dir wünschst. Du kannst deine Geschichte nicht umschreiben, aber du kannst lernen, leichter mit ihr umzugehen. Ich kenne deinen Weg nicht, niemand kennt ihn. Nur du allein. Du musst ihn nur gehen, das ist alles.

    Du kannst dich aufmachen, hier und jetzt, rein in den Kaninchenbau, durch die Dunkelheit und schließlich ans Licht. Sei gut vorbereitet, denn du brauchst Beharrlichkeit, Offenheit, Neugier, Mut, Ruhe, Disziplin, Geduld und Zeit. Eine ordentliche Portion Humor und Leichtigkeit, wenn es geht, und im besten Fall Verbundenheit mit Menschen, bei denen du dich sicher und gesehen fühlst. Verbundenheit mit der Natur oder mit Tieren. Du brauchst genügend Energie und ausreichend Proviant, um diesen Berg zu erklimmen. Reise mit leichtem Gepäck, gehe kleine und achtsame Schritte, damit du nicht stolperst. Gönn dir Pausen, sie sind wichtig, genauso wichtig wie ausreichend Schlaf und ein gesunder Lebensstil.

    Du brauchst deine Kraft, sei dir dessen bewusst. Es ist hilfreich, an anderer Stelle Kraft zu sparen und immer wieder auszuruhen und aufzutanken. Du bist schon viel länger unterwegs, als dir klar ist, und du hast schon viel mehr geschafft, als du denkst. Vielleicht kann es an diesem Punkt noch kleine Verzögerungen geben, aber das ist okay. Nichts und niemand kann dich mehr aufhalten, dich zu entfalten. Du bist schon zu weit gekommen.

    Vertraue dem Prozess.

    Es ist an der Zeit, dass wir uns unsere Geschichten erzählen.

    Dies hier ist meine.

    I will not make the same mistakes that you did

    I will not let myself cause my heart so much misery

    I will not break the way you did

    You fell so hard

    I’ve learned the hard way to never let it get that far.

    Kelly Clarkson, Because of you

    Traumatisierte Menschen traumatisieren Menschen

    Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, ist vielleicht viel unspektakulärer, als du vermutest, und genau das machte sie für mich auch lange Zeit so kompliziert. Weil ihre Folgen diffus waren, alles andere als offensichtlich, und ich sie auch nicht wirklich ernst nahm. Niemand tat das. Sie war und ist eine von viel zu vielen, wie sie wahrscheinlich Millionen von Männern und Frauen meiner Generation erlebt haben. Wir, die Kinder der Nachkriegskinder. In diese Welt gesetzt von Eltern, die selbst als Kinder emotional nicht viel zu erwarten hatten, weil ihre eigenen Eltern – unsere Großeltern – und deren Eltern die Prägungen ihrer Ahnen sowie den Schrecken und die Traumata zweier Kriege noch tief in ihren Zellen trugen. Die selbst im Innern auf eine Art immer Kinder geblieben waren. Zutiefst verängstigte, verletzte Kinder, aus denen verletzte und verletzende Erwachsene wurden. Kinder in Angst, Not und Einsamkeit – auf der verzweifelten Suche nach einem Zuhause, nach Sicherheit und Geborgenheit. Die völlig selbstverständlich bestraft, misshandelt und geschlagen wurden, in der Familie und auch in der Schule, ohne einen Verbündeten an der Seite zu haben, der diese Methoden infrage stellte und bessere Entscheidungen im Sinne des Kindeswohls traf. Meine Eltern wollten gute Eltern sein, so wie alle Eltern. Aber wie viele andere waren sie aufgrund ihrer eigenen Biografie nicht in der Lage, all das zu geben, was ein Kind braucht, wenn es als winziges, nacktes Geschöpf in diese Welt geschubst wird. Dieses Wesen nicht nur körperlich zu versorgen, sondern es beispielsweise in all seinen emotionalen Bedürfnissen zu sehen, zu erkennen und zu halten. Es vor Gefahren zu beschützen, ihm alle Sicherheit dieser Welt zu geben, es als eigenständigen Menschen zu respektieren, mit all seinen Wünschen, Ängsten und Nöten. Es bedingungslos zu lieben. Ohne Wenn und Aber.

    Vater und Mutter ermöglichten mir ein sehr komfortables Leben in einer soliden Mittelklassefamilie – mit allem Drum und Dran. Und das war viel mehr, als sie selbst bekommen hatten. Sehr viel mehr. Ich hatte eigene Pferde, lebte in einem großen Haus mit einem eigenen großen Zimmer, trug stets die neuesten Klamotten und musste nicht hungern. Augenscheinlich war alles vorhanden und es hat lange gedauert, bis ich die wahre Bedeutung der Worte »Du willst doch nicht behaupten, du hättest eine schlechte Kindheit gehabt?« verstanden habe. Es ist alles eine Frage der Betrachtung und durch die Augen meiner Eltern, geboren 1940 und 1945, war das, was ich als Kind erlebt hatte, das Schlaraffenland. Im Vergleich zu ihnen hatte ich alles bekommen, außer Prügel. Aber eine sichere Bindung, ein friedvolles Zuhause, in dem Liebe, Empathie und ein respektvoller Umgang miteinander nicht verhandelbare Werte waren, gehörten in ihrer Welt nicht zur lebensnotwendigen Grundausstattung einer glücklichen Kindheit. Nicht in dem Wertesystem, in dem sie selbst aufgewachsen waren, und nicht mit der Konfiguration ihres eigenen Nervensystems. Sie trugen keine Schuld für das, was man ihnen als Kinder angetan hatte. Sie waren jedoch auch nie in der Lage, die volle Verantwortung für ihre Elternschaft und ihre Versäumnisse zu übernehmen. Das hat es nicht besser gemacht, aber zumindest hat es mir vieles erklärt.

    Hätte es diese Diagnose damals schon gegeben, hätte sie Komplextrauma, Bindungs- und Entwicklungstrauma gelautet und man hätte mir spätestens mit Mitte zwanzig aufgrund meiner Symptomatiken eine kPTBS, also eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung, bescheinigt. Man hätte mich für mindestens zwei Jahre in eine Traumatherapie geschickt, wo man mir geduldig und behutsam erklärt hätte, was zur Hölle eigentlich mit mir los ist, was es mit meinem Nervensystem zu tun hat und warum mir viele Dinge so schwerfallen. Aber es waren die 80er- und 90er-Jahre und es dauerte bis ins Jahr 2022, bis die kPTBS ihren Weg in die ICD-11 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) fand und somit endlich offiziell anerkannt wurde.

    Auf das meiste in meiner Kindheit und Jugend habe ich keinen Zugriff mehr. Ich erinnere mich an einzelne, wenige Ereignisse, einige davon waren schön, viele andere waren das Gegenteil. Ich kann nur sehr wenige längere Sequenzen wiedergeben, die Erinnerungen sind eher aufeinanderfolgende kurze Momente, so als hätte jemand einen Trailer geschnitten, der meine Lebensgeschichte erzählt. Bilder flackern auf, eine Szene, die Jahreszeit vielleicht, ein Geräusch, ein Geruch oder die Helligkeit des Lichtes. Die rotkarierte Wolldecke, in die ich eingewickelt war, auf der Rückbank der himmelblauen Ente meiner Mutter. Als uns die Nachbarin ins Krankenhaus fuhr, weil ich mit dem Stuhl gewippt und nach hinten übergekippt war. Viele Lagen Pflaster am Kinn, und wie ich im Bad aufs Klo kletterte, um mich ganz im Spiegel zu betrachten. Natürlich die Narbe, die blieb.

    Dem, was ich aus meiner Vergangenheit teile, möchte ich mit großer Behutsamkeit und dem größten Respekt vor allen Beteiligten begegnen. Nichts liegt mir ferner, als die Würde eines Menschen zu beschädigen oder ihn öffentlich bloßzustellen. Das, was meine Eltern versäumt oder falsch gemacht haben, geschah nicht in böser Absicht, und ich habe ihnen niemals die Schuld für irgendetwas gegeben, mit dem ich später zu kämpfen hatte. Aber: Es war eben auch nicht meine Schuld. Die Dinge sind nicht immer schwarz oder weiß. Das Leben ist sehr viel komplexer.

    Ich wurde 1973 in einem Krankenhaus im nordrheinwestfälischen Hagen geboren. Angekündigt war ich für Anfang Oktober, aber nachdem ich nicht wie geplant auf diesem Planeten landen wollte, holte man mich am 12. November um 13 Uhr 50 gegen meinen Willen ans Tageslicht. Meine Mutter fuhr allein zur Entbindung, mein Vater hatte es am Tag meiner Ankunft vorgezogen, in Hamburg in die Oper zu gehen und sich mir erst ein paar Tage später persönlich vorzustellen. So war er halt, würde meine Mutter später sagen. Sie blieb während meiner Geburt allein, weil sie ihren Eltern das nicht »zumuten« wollte, was auch immer das heißt. Am Ende war niemand bei ihr, als ich meinen ersten Atemzug nahm, und niemand kam sie in den ersten 24 Stunden nach meiner Geburt besuchen, um nach uns zu sehen. So konnte sie auch ihre Überraschung – und vielleicht auch ihre Enttäuschung – darüber, dass ihr die Schwestern nicht, wie erwartet, einen kleinen Jungen auf den Bauch legten, sondern ein Mädchen, mit niemandem teilen. Damit hatte keiner gerechnet, also blieb der Platz für meinen Vornamen in meinem Babypass vorerst leer. Frederick oder Benjamin erschien allen Beteiligten eher unpassend. Erst nach ein paar Tagen bekam dieses kleine namenlose Wesen, das sich gar nicht so recht hatte überzeugen lassen wollen, überhaupt zur Welt zu kommen, doch noch einen Namen: Kathie sollte es heißen. Nicht Katharina, nicht Kathrin, kein Zweitname. Einfach nur Kathie.

    Nach zehn Tagen wurden meine Mutter und ich aus dem Krankenhaus entlassen und durften nach Hause, wo mein fünf Jahre älterer Bruder und eine Menge großer Herausforderungen des Lebens bereits auf mich warteten. Es waren die 70er-Jahre und junge Eltern bekamen von Ärzten, Hebammen und den eigenen Eltern noch sehr fragwürdige Tipps und Empfehlungen, wie man mit Kindern umzugehen hatte und was sie brauchten, um sich gut zu entwickeln. So gab man meiner Mutter im Krankenhaus einen detaillierten Ernährungsplan mit, der einigermaßen überschaubar und leicht zu erfüllen war: Füttern Sie das Kind ab 6 in der Früh alle vier Stunden und nach 22 Uhr gar nicht mehr – bis zum nächsten Morgen um 6. Ich war zehn Tage alt, wurde nicht gestillt und bekam über einen Zeitraum von acht Stunden überhaupt keine Nahrung. Ich sei natürlich zwischendurch aufgewacht und hätte laut geschrien, erzählte mir meine Mutter später, aber ich sei auch immer recht schnell wieder eingeschlafen. »Du hast nicht mehr gebraucht«, sagte sie. Was sie – und auch sonst niemand im Krankenhaus – damals leider noch nicht wusste, war, dass ich mitnichten wieder einschlief, sondern dass mein vollkommen dysreguliertes Nervensystem ab einem gewissen Punkt einfach die Lichter ausmachte und mich auf das Sterben vorbereitete. Mein System fuhr herunter und ich landete im sogenannten neuronalen Shutdown. Jede Nacht aufs Neue. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 ist es üblich, ein Neugeborenes alle anderthalb bis zwei Stunden zu füttern, beziehungsweise immer dann, wenn es danach verlangt. Auch wenn ich selbst keine Mutter bin, kann ich mir ungefähr vorstellen, welche langfristigen Auswirkungen diese Empfehlung für einen Säugling und sein Nervensystem hatten. Und wie falsch es sich für jede Mutter angefühlt haben muss, die aufgrund einer Empfehlung ihr Baby in der Dunkelheit um sein Leben schreien ließ, ohne sofort zu ihm zu eilen. Einfach schrecklich. Das solide Fundament für mein Bindungstrauma war damit schon mal gelegt.

    Trotz meiner spärlichen Nahrung war ich ein großes Baby, das zu einem hübschen kleinen Mädchen mit strohblondem Haar, einer Stupsnase und einem lachenden Gesicht heranwuchs. Ich liebte die Kirmes, Pommes und Tiere. Ich brachte ständig welche mit nach Hause, ob klein, groß, tot oder lebendig. Das größte war ein schwarzer Riesenschnauzer, der mit einem Polizeibus abgeholt und ins Tierheim gebracht wurde. Die kleinsten waren Mäuse. Das hoffnungsloseste war ein eingefrorener Maulwurf, den ich im Straßengraben gefunden hatte und den ich wiederzubeleben versuchte, indem ich ihn im Bad auf die Heizung legte. Ich konnte leider nichts mehr für ihn tun. Einmal entdeckte ich auf unserer Terrasse einen Igel. Ich schnappte mir meine Reithandschuhe, um mich nicht zu verletzen, und dann den Igel, den ich völlig euphorisiert mitten auf den Esstisch setzte, während alle anderen gerade ihr Abendessen beendet hatten. Eine ganze Armee von Flöhen hüpfte fröhlich aus dem irritierten Tier, meine Mutter stieß einen Schrei aus und setzte es auf direktem Weg wieder unbeschadet in den Garten. Tiere waren das Allergrößte für mich.

    Ich erinnere mich an Urlaube in Dänemark und Schweden, an die breiten Strände, auf die man mit dem Auto fahren durfte, an die Wildheit der Nordsee, den rauen Holzboden vor dem Ferienhaus unter meinen nackten Füßen, der mir Splitter in die Zehen jagte. An die gelbe, dicke Remoulade, an Besuche im Liseberg Park in Göteborg, in dem es eine Marienkäferachterbahn gab. An die Fahrt mit der Fähre dorthin. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich mit zwei Jahren auf dieser Fähre fast gestorben wäre, weil ich scheinbar komplett dehydriert war. Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte, dass ich dehydrierte.

    Wahrscheinlich war ich in meinen ersten zwei oder drei Lebensjahren im Wesen ein glückliches, neugieriges und fröhliches Kind. Und wie jedes andere Kind schutzlos und sehr zerbrechlich. Scheinbar habe ich gestottert und gelispelt, auch das weiß ich nur aus Erzählungen. Meine Kindergärtnerin hieß Frau Reitemeier, was ich unglaublich lustig fand, weil das klang wie Frau Rottenmeier aus Heidi. Ich habe sie warmherzig und freundlich in Erinnerung. Ich glaube, ich ging gern in den Kindergarten, es gab einen großen Sandkasten, tolle Spiele und Lutschtabletten, die nach Kakao schmeckten und für oder gegen irgendwas gut waren. Ich war überhaupt gerne woanders, als Kind und später auch als Teenager.

    Einmal habe ich einen kleinen Koffer gepackt, mit einer Unterhose drin und einem Butterbrot. Ich wollte weg von zuhause, da war ich vielleicht fünf oder sechs. Ich wanderte am Friedhof entlang, an dem ich aufwuchs, runter ins Dorf, und meine Mutter lief parallel zu mir über den Friedhof, um mich aus sicherer Entfernung nicht aus den Augen zu verlieren. Was auch immer meine wahren Beweggründe damals waren – heute finde ich es doch recht bemerkenswert und auch ein wenig traurig, dass ein so kleines Kind sich eigenständig aufmacht, um die eigene Familie zu verlassen und es lieber allein irgendwo anders zu versuchen. Manchmal spreche ich mit Freundinnen über die Zeit, in der ich schon ein Teenager war, und sie erzählen mir von Dingen, die sie bei uns zuhause erlebt haben. Dann schaue ich sie an wie ein Auto, weil ich keine Ahnung habe, wovon sie reden und wann das gewesen sein soll. Alles weg.

    Es war nicht alles schlecht, heißt es, und das stimmt. Es war nicht alles schlecht. Meine Eltern haben mir viel mitgegeben und mir viele gute Werte vermittelt. Es ist sicherlich auch ihrem Einfluss zu verdanken, dass ich zu dem Menschen geworden bin, der ich heute bin. Aber auch ich trage dafür einen riesigen Anteil der Verantwortung und es war ein langer Weg bis hierhin. Denn es war wahrlich auch nicht alles gut, und das, was gewaltig schieflief, hinterließ tiefe, schmerzhafte Spuren in meinem Körper und in meinem Nervensystem und machte mir ein glückliches Leben sehr schwer.

    Momma, please stop crying, I can’t stand the sound

    Your pain is painful and it’s tearin’ me down

    I hear glasses breaking as I sit up in my bed

    I told dad you didn’t mean those nasty things you said.

    Pink, Family Portrait

    Das kleine Mädchen

    Wie gesagt: Wirklich viel kann ich nicht mit dir teilen. Erinnerungen sind eine tückische Angelegenheit und es gibt nicht viele Zeitzeugen. Meine Erinnerung beginnt, bis auf wenige Schlüsselmomente, bruchstückhaft ungefähr ab meinem sechsten Lebensjahr und meiner Zeit in der Grundschule. Was vorher war, liegt größtenteils im Nebel, einige Details weiß ich nur, weil meine Mutter sie mir erzählt hat. Dass ich beispielsweise gestottert und dann gelispelt habe oder dass ich an Pseudokrupphusten und azetonämischem Erbrechen litt. Ich war ein unauffälliges, strohblondes, zierliches und hübsches Mädchen. Bei meiner Einschulung trug ich ein blaues Kleid mit weißem Muster, weiße Kniestrümpfe, hochgebundene Zöpfe und hatte eine riesige Schultüte im Arm. Darin waren kleine Raider, die zu meinen absoluten Lieblingssüßigkeiten gehörten. Ich knabbere bis heute erst das Karamell mit den Zähnen runter und dann esse ich den Keks! Alles muss seine Ordnung haben.

    Ich war lieb und brav, wie man es von einem Kind erwartete, und ich brachte viele gute Noten mit nach Hause. Ein Intelligenztest in der dritten oder vierten Klasse brachte zutage, dass ich über einen IQ von 136 verfügte und somit den inoffiziellen Titel Intelligentestes Kind der Grundschule Wetter-Wengern verliehen bekam, was sich später auf dem Gymnasium allerdings keineswegs in meinen Noten widerspiegeln sollte. Ich glaube, ich ging die ersten vier Jahre gerne in die Schule. Ich weiß, dass ich Schreibübungen liebte und mir bei den geschwungenen Buchstaben immer besonders viel Mühe gab. Von der Zweiten bis zur Vierten war ich das erste Mal verknallt, in einen Jungen aus meiner Klasse. Er hatte große blaue Augen, umrahmt von langen Wimpern, eine coole Topffrisur, war sportlich und gut in Mathe, im Gegensatz zu mir. Seine Eltern hatten ein tolles Haus mit einem großen Garten. Die Familie war sehr nett, die Eltern wirkten stets gut gelaunt, erfolgreich und freundlich. Ich war gerne dort. Als der große Bruder mit achtzehn nach einigen erfolglosen Versuchen von einer Brücke im Ort sprang und sich das Leben nahm, waren alle geschockt. Kurz zuvor hatte er noch ein Einser-Abitur abgeliefert. Wir schauen den Menschen eben nur vor den Kopf und wir glauben nur, was wir hören und sehen. Und vielleicht auch, was wir glauben wollen.

    Es schien, als sei ich ein ganz normales Kind. Ich kletterte auf Bäume, baute Dämme und Hütten aus Ästen im Wald, hatte einen kleinen Puppenherd, auf dem ich winzige Frikadellen briet, und knetete allerlei Zeug aus Fimo, das niemand gebrauchen konnte. Die ersten Folgesymptome meiner frühen Lebensjahre wurden in kleinen Schritten

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