Der gebrochene Killer: Krimi aus dem Totenreich 5
Von Myron Bünnagel
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Buchvorschau
Der gebrochene Killer - Myron Bünnagel
1
Der Ort hieß Dayville, hätte aber genauso gut Deadville heißen können. Ich war bereits zweimal durchgefahren und es trieb sich nicht eine Seele auf der Straße herum. Der Tag hatte sich hier in den Hügeln vorzeitig verabschiedet. Selbst wenn noch etwas von ihm übrig geblieben wäre, hätte ihn der dichte Nebel gefressen. Die einzigen Lichtquellen waren meine Scheinwerfer und ein paar erleuchtete Fenster. Beides erinnerte an Irrlichter mit hinterhältigen Absichten. Hinter dem Ortsausgang breiteten sich Wiesen und dichte Wälder aus, so einladend wie Lovecraft-County. An Vollmondnächten tanzten hier irrsinnige Hexen ihren Reigen, während unsägliche Dinge zwischen den Wurzeln hervorkrochen. Ich wendete und fuhr noch einmal zurück. Dayville bestand nur aus ein paar Straßen, aber ich war als Schnüffler lausig genug, um das Landgut dennoch nicht zu finden. Dafür aber einen einzelnen Spaziergänger, der auf dem Gehweg dahintrottete. Meinen Job hatte ich wenigstens nicht ganz verfehlt. Ich hielt neben ihm und winkte den Mann heran. Er war ein Typ wie viele andere, Ende Vierzig, Bauchansatz und fliehende Stirn. Unter dem Mantel trug er einen gestreiften Pyjama, in der Hand eine Leine ohne Hund, deren Halsband er bei seinem Rundgang hinter sich her schleifte.
„Lausiger Abend, um noch mal vor die Tür gehen zu müssen." Ich hielt ihm eine zerknautschte Packung Zigaretten hin, aber er lehnte ab.
„Macht keinen Unterschied, die Abende hier draußen sind alle so."
„Hoffentlich sind die Tage besser."
Er besah sich die Leine in seiner Hand. „Spielt keine Rolle, ich muss trotzdem raus."
„Irgendetwas treibt uns immer. Beißt er?"
„Nein, hat kaum noch Zähne. Haben Sie sich verfahren?", fragte er.
„So ohne Fährtenhund bin ich verloren. Vielleicht leihen Sie mir Ihren?"
„Kann auch kaum noch was sehen oder riechen."
„Dann müssen Sie mir helfen. Ich suche das Fisher-Landgut."
„Den alten Reitstall?", wollte er wissen.
„Kann sein."
Er deutete die Straße runter in die Richtung, aus der ich gekommen war. „Vor dem Ortsausgang links in den Feldweg."
„Da ist kein Weg, ich bin zweimal dran vorbeigefahren."
„Sie müssen nur genau hinsehen, ich gehe die Strecke jeden Abend."
„Ich versuche es noch einmal."
„Würde Sie hinbringen, aber er hat ein lahmes Hinterbein und wir brauchen unsere Zeit." Der Mann im Pyjama zeigte auf seinen nicht vorhandenen Hund.
„Werde es schon finden, danke. Graben Sie einen Knochen für ihn aus."
„Er frisst kaum noch."
Der Köter war tot, aber es war sinnlos, ihm das zu erklären. Hatte seinen Hund zu Lebzeiten wohl abgöttisch geliebt. Es war dann manchmal schwer im Totenreich alle Tassen im Schrank zu behalten. Ich winkte zum Abschied und ließ ihn mit seiner Hundeleine allein.
Die Zufahrt war da, als hätte sie nur auf mich gewartet. Ich hatte sie im Nebel schlichtweg übersehen. Mein Edsel holperte über die Schlaglöcher. Ich vermisste den Packard, den ich eine Klippe runter gefahren hatte. Aber ich würde nicht in einem imaginären Autor herumfahren, nur mit einem Lenkrad in der Hand und im Pyjama. Also hatte ich ein paar Gefallen eingelöst, die mir ein paar ehemalige Klienten schuldig geblieben waren. Ein Ersatzteil hier, eines da, bis mir mein Mechaniker McGuire aus den Einzelteilen einen fahrtüchtigen Wagen zusammengebaut hatte. Als verblasster amerikanischer Traum waren die Teile eines Edsel hier drüben im Totenreich einigermaßen vollständig aufzutreiben. McGurie hatte mir versprochen, dass der neue Wagen ebenso zuverlässig laufen würde wie der Packard. Bisher konnte ich mich nicht beklagen, vermisste mein altes Schmuckstück aber dennoch.
Nach einem schmalen Waldstück tauchte das Landgut vor mir auf. Eingezäunte Wiesen, eine halb zerfallene Reithalle, Ställe und eine Villa, die mäßig erleuchtet war. Eine einzelne Laterne hing über dem Eingangstor. Das Ganze sah aus, als wäre das Ambiente einer Hazienda auf halbem Weg erstickt. Ich parkte zwischen einem klapprigen Jeep und einem europäischen Coupé, stieg aus und streckte die morschen Knochen. Hier draußen war es still und einsam, musste also der Ausblick sein, der einen hier raus zog. Der hier war blond und trotz des Nebels vorteilhaft in Szene gerückt. Sie stand an einer der Koppeln, einen Stiefel auf die unterste Zaunlatte gesetzt. Weiße Bluse, Reiterhose und Proportionen, die zur Landschaft passten. Sie regte sich nicht, sondern starrte nur auf die verlassene Wiese hinaus. Als warte sie auf jemanden, der niemals kommen würde.
Ehe ich ihr die Wartezeit etwas versüßen konnte, legte sich eine Hand schwer auf meine Schulter. Behaart genug, dass ich es selbst in der Dunkelheit erkennen konnte. „Das ist Privatbesitz, Freundchen. Allessamt."
„Schade, ich bin Immobilienmakler und könnte sicherlich einen Käufer finden."
Die Finger gruben sich fester in meine Schulter. „Sieh besser zu, dass du Land gewinnst. Mr. Fisher mag keine Hausierer."
„Das soll er mir lieber selber sagen. Immerhin hat er mich herbestellt. Und jetzt nimm die Pranke von meinem Mantel, oder ich wechsle ins Bestattungsgeschäft."
„Hat er das? Der Druck ließ nach. „Sie sind dieser Privatschnüffler. Wir hatten Sie vor einer Stunde erwartet. Mr. Fisher mag keine Unpünktlichkeit.
„Mr. Fisher sollte ein paar Leuchtreklamen aufstellen, damit man die Adresse in diesem verfluchten Nebel finden kann", bemerkte ich.
„Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihm." Er ließ mich los.
„Von mir aus. Die Blondine hatte von uns keinerlei Notiz genommen. „Gehen wir.
Ich folgte ihm zum Haus hinüber. Er war etwas kleiner als ich, aber gedrungen wie eine Kanonenkugel. Lag vielleicht auch an seinem kahlen Schädel, der ganz im Kontrast zu den nackten Unterarmen und seinem Hals stand. Die waren überzogen mit genügend Haaren, um einen Gorilla neidisch zu machen. „Ich bin Leon, der Gutsverwalter."
„Was gibt es hier zu verwalten?"
„Genügend."
Wir gingen an der Reithalle vorbei, deren Fenster