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Vermächtnis der Sünder Trilogie: Die Kinder des Einen
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Die Kinder des Einen
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Die Kinder des Einen
eBook395 Seiten5 Stunden

Vermächtnis der Sünder Trilogie: Die Kinder des Einen

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Über dieses E-Book

Mit dem Glauben der Liebe behaftet, suchen die aus einem Adelshaus stammende Celena und der flüchtige Spion Lutek nach Auswegen unterschiedlichster Lebensfragen. Sie sucht nach einem Heilmittel, er nach dem Sinn einer Vision des göttlichen Schöpfers.
Der begriffsstutzige Jungkönig Belothar, ein bierseliger Zwerg und ein schlitzohriger Elf begleitet das Paar. Alsdann offenbaren sich plötzlich dunkle Geheimnisse des Ordens der San-Hüter auf ihrem Weg durch das Reich Hadaiman. Geködert vom Schicksal, beschwört die Suche nach Antworten mehr als nur eine neue Verdammnis herauf. Es wird alles ändern, was sie bis dahin kannten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Aug. 2014
ISBN9783847652892
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Die Kinder des Einen

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    Buchvorschau

    Vermächtnis der Sünder Trilogie - Angelika Merkel

    Erster Brief

    In den alten Schriften der Schöpferhäuser stand geschrieben: Diejenigen, die den Himmel mit Gewalt erobern wollten, zerstörten ihn. Was einst rein war, wurde schwarz. Bestraft für den Hochmut der Menschheit seinerseits, waren sie verdammt dazu, über die Länder herzufallen und ihr Gift der Verderbtheit über uns zu bringen. Und es war die Sünde selbst, die die düstere Verhöhnung der Menschen zur Geburt verhalf. In den dunkelsten Ecken der Welt vermehrten sie sich. Und nur dann krochen sie heraus, wenn sich alle Jahrhunderte einer ihrer Alten Anführer, gefüllt mit dem Gift der Bosheit, zeigte. Woher sie wirklich kamen? Niemand wusste es. Der Orden nannte sie schlicht und einfach die Anderen. Sie waren verdorbene Unselige in einer fleischgewordenen Hülle. Eine Horde Gesocks aus grausamen Kreaturen, in denen das Blut des Bösen floss. Horsocks nannte man sie im Mundgebrauch des einfachen Volkes. Die San-Hüter machten sich zur Aufgabe, sie im Namen aller, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Eines dieser Mittel war das verruchte Blut der Feinde in sich aufzunehmen, um ihre Macht zu erlangen. Auch ich nahm das verworfene Blut zu mir und wurde ein offizielles Mitglied des berühmten Ordens. Nachhinein sagte man mir, dass ich von nun ab der Boshaftigkeit der Feinde ausgeliefert sei, um dieselbigen zu bekämpfen. Ebenso würden mir nur wenige Jahre meines Lebens bleiben. Das Entsetzen über dieses Wissen wich mit der Zeit. Denn es hieß gleichwohl, das dies ein Opfer wäre, um die Menschheit vor dem Schlimmsten zu bewahren. Doch jeder San-Hüter erlag mit der Zeit dem ruchlosen Blut, welches er sich aussetzte. Manch einer suchte am Ende seiner Zeit den Tod im Dunkelsten dieser Welt. Es war sein letzter Kampf gegen die Legionen der verworfenen Kreaturen. Mag sein, das ein Hüter zu sein, als Erfüllung so mancher Träume erschien. Ja, diejenigen wussten es nicht besser und suchten nachhinein in ihrer Einsamkeit und Verzweiflung nach Erlösung. Wie viele andere in unseren Reihen bedeutete es mir viel, ein Hüter zu sein. Dann aber erfuhr ich die Wahrheit über die widerwärtigen Taten des Ordens. In diesem Zweifel hinein sagte mir Lutek eines Tages: »All in der Einsamkeit des Menschseins versuchen sie, Trost in der Liebe eines Gottes zu finden. Sie übersehen dabei, dass sie in dieser Einsamkeit nur eines erwarten können – das Zueinander.« Und Celena, Luteks Gefährtin, sprach daraufhin zu mir: »Die alte Magierin hatte sich in dem, was sie einmal sagte, geirrt. Liebe muss nicht mit einem Fehler enden. Wenn sie wahrhaftig ist, kann sie diesen Fehler verzeihen und daraus wachsen.«

    Nein, ich sollte nicht wieder in vollkommener Gefühlsseligkeit verfallen. Der eigentliche Grund, diese Zeilen zu verfassen, ist der, über Luteks, Celenas und die meinige Geschichte zu berichten. Auf das jene daraus lernen mögen, die diese Schrift eines Tages vorfinden werden. Moment! Der Appetit auf ein Stückchen Käse überkommt mich gerade. Da fällt mir ein, … ich hatte heute Morgen meinen Lieblingskäse in der Vorratskammer liegen sehen … ein Krug Bier dazu, wäre auch nicht schlecht. Habt noch ein wenig Geduld! Gleich geht es los!

    König Belothar von Hadaiman

    Kapitel 2

    »Ich sehe an euch dieses verräterische, verträumte Grinsen …«, ertönten die Worte der Frau, die gleich einer drohenden Gewitterwolke in der Tür stand.

    Ihre schmalen bernsteinfarbenen Augen richteten sich auf die am Tisch sitzende, in einem Folianten lesende Celena. Eine einzelne Kerze, aufgesetzt auf einen wächsernen Turm, erhellte den Raum. Neben dem Folianten lagen halb beschriebene Pergamente auf dem Tisch. Blaue, forschende Augen hefteten sich auf die im Türrahmen stehende Morena. Ihr tief ausgeschnittenes Gewand war mehr als aufreizend. Vermutlich betörte es mit Leichtigkeit jedes männliche Wesen in diesen Ländern - wenn sie denn je dazu in der Lage sein würden.

    »Offenbar ist er euch noch nicht überdrüssig geworden«, kommentierte Morena das leichte Lächeln des im Bett schlafenden Luteks. Rötliche Haarsträhnen waren ins Gesicht gefallen, während er schlummerte. Ein leises Schnarren ertönte aus seiner Kehle.

    »Er schnarcht!«, verwunderte sich die junge Hexe.

    »Er schnurrt!«

    »Ah! Dann ist er euer Katerchen?«

    »Was wollt ihr?«, schnappte Celena Morena an.

    »Oh, warum so feindselig?«

    Morena schritt anmutig zu der San-Hüterin hinüber. Das tat sie meistens dann, wenn sie wohl wissend ihre perfekte Gestalt auszuspielen suchte.

    »Ich dachte, wir sind Freundinnen.«

    Auf dem Stuhl verharrend und alle Muskeln gespannt zum Sprung ansetzend, begegnete Celena mit festen Blick Morenas Augen.

    »Und dennoch platzt ihr hier ungefragt herein«, unterbrach sie die ungebetene Besucherin. »Ich kann mich daran erinnern, dass ihr darum gebeten hattet, euch nicht zu folgen. Aber … ihr scheint uns nachzustiefeln. Was also ist der Grund des Sinneswandels?«

    Um den Mund der Hexe spielte ein sinnierendes Lächeln. Den Blick an Celena vorbei, auf den Foliant konzentriert, neigte sie leicht den Kopf zur Seite.

    »Was, wenn ich weiß, dass ihr Antworten sucht und ich euch zu den Lösungen verhelfen kann.«

    »Warum kommt mir das allzu bekannt vor?«, zischte Celena von der Seite zu ihr rauf.

    Morenas Kopf senkte sich ein wenig tiefer, bis ihr Mund nahe an Celenas Ohr zum Stillstand kam. Warmer Atem blies der Kriegerin ins Gehör, als Morena fortfuhr zu reden. »Noch immer seid ihr eine Hüterin der Anderen. Noch immer von deren Blut verderbt und dem Tod näher als dem Leben. Ein Dilemma, das nach einer Lösung schreit. Wenn es nicht euer Überlebenswille ist, der euch zu solch einer Suche antreibt, was könnte es sonst sein?«

    Die Muskeln schmerzten, so sehr waren sie angespannt. Celena war kurz davor, vom Stuhl aufzuspringen.

    »Er ist es, nicht wahr?« Morena ließ sich nicht beirren und zeigte hinüber zum Bett. »Ihr wollt ihn nicht verlieren. Denn er würde es nicht ertragen können, eines Tages mitzuerleben, wie es euch auffrisst. Deshalb bin ich zurückgekommen. Ich bin hier, um zu helfen.«

    Der Zauber ihrer bernsteinfarbenen Augen durchbrach Celenas Augen und drang in ihre Seele vor.

    »Einmal habt ihr mir ein Geschenk gemacht und keine Gegenleistung erwartet. Nun möchte ich euch ein Geschenk machen.«

    Nach Luft schnappend schreckte Celena hoch. Orientierungslos, in Gedanken und dem Gesehenen verloren, blickte sie sich um. Ihr Herz schlug schnell. Innerlich befehlend, dass es sich beruhigen sollte, gewahr sie die vertraute Gestalt neben sich im Bett. Sie seufzte. Sie hatte geträumt. Sichtlich ruhiger erhob sich die dunkelhaarige Hüterin und setzte sich auf die Bettkante. Liebevoll strich sie sanft dem schlafenden rothaarigen eine Strähne aus seinem Gesicht.

    Ihre mühsam erkämpfte innerliche Ruhe wurde augenblicklich zerstört, als sie den Folianten auf dem kleinen Beistelltisch gewahrte. Nur langsam drang die Erkenntnis in ihr Bewusstsein vor. Sie begriff.

    Es war kein Traum gewesen.

    Sie starrte auf den abgenutzten, befleckten Einband, dessen Schwärze aus der Dunkelheit selbst zu kommen schien. Es setzte sich aus Pergamentbögen unterschiedlichster Größen zusammen und verlieh dem Ganzen eine wilde Unregelmäßigkeit.

    Sie hatte es bereits in Händen gehalten – das Zauberbuch der alten Hexe Thiamet.

    Eines dieser Seiten des Folianten lugte heraus. Es schien sich vorwitzig nach außen zu drängen. Mit zitternder Hand zog Celena an dem Blatt.

    Es entpuppte sich als ein loses einzelnes Pergament.

    Mit Tinte geschrieben, stand dort: Die Götter benötigen uns. Was jedoch fordern wir von ihnen? Und unter diesem war mit nur einem Buchstaben unterzeichnet – M wie Morena.

    * * *

    »Jetzt! Spring!«, donnerte die tiefe Bassstimme.

    Mit klopfenden Herzen fuhr Lutek aus seinem Schlaf empor. Der Traum! Er war wieder erschienen. Diesmal hatte er alles deutlicher vernommen und er war nicht gefallen. Er war tatsächlich gesprungen. Das Echo des sonoren Basses klang in seinem Bewusstsein nach. Diese Vision – sie klang nicht bedrohlich. Es war ihm, als ob es ihn antrieb. Zu was? Und wohin? Es beunruhigte ihn. Er blickte zu der Frau neben sich, welche sich murmelnd hin und her rollte. Offenbar konnte sich auch seine Gefährtin nicht in einen ruhigen Schlaf ergeben. Vielleicht hatten ihre Träume ihn angesteckt. Ergeben beobachtete er sie. Er wollte sie nicht wecken. Doch als ob sie seine Gedanken gespürt hatte, blinzelten ihre Augen. Die Lider, deren geschwungenen Wimpern die Seele wie Gitterstäbe verschlossen, öffneten sich zögernd. Schließlich aber sahen die klaren, blauen Augen Lutek an.

    »Stimmt etwas nicht! Ist alles in Ordnung?«, wollte die dunkelhaarige Frau an seiner Seite wissen.

    »Sicher! Ja!«

    Die Frage verwirrte ihn. Spiegelte sich sein Traum in seinen Augen wider? Erblickte Celena seine Unsicherheit in seinem Gesicht? Sofort versuchte er, diese zu verbannen. Vergeblich. Sie bohrte nach.

    »Dein Gesicht sagt mir etwas anderes. Schlecht geträumt?«

    Er schüttelte sein rothaariges Haupt.

    »Ich? Nein, nicht schlecht! Und du?« versuchte er vom Thema abzulenken.

    »Wie man es nimmt und darunter verstehen mag«, orakelte Celena. »Dich beunruhigt was?«, flüsterte sie weiter.

    Anstatt darauf zu antworten, schälte sich Lutek aus der Decke heraus, entstieg dem Lager und präsentierte seinen durchtrainierten, schlanken und von Muskeln perfektioniert geformten Körper. Narben auf seinem Rücken schimmerten im Licht und erinnerten Celena schmerzhaft an die begangenen Untaten an Lutek. Er hatte nie über die Details darüber mit ihr gesprochen. Stets hatte er abgeblockt, wenn sie versuchte, darüber zu reden. Sie wollte lediglich mehr erfahren, um die Verantwortlichen dieser schrecklichen Tat zur Strecke zu bringen. Er ließ es nicht zu.

    »Es ist nichts! Ich …«

    »War es wieder dieser Traum?«

    Lutek wirbelte zu ihr herum. In seinen Augen glänzte Melancholie und die erweiterten Pupillen zeugten von Furcht. Er fürchtete nicht den Traum. Viel eher fürchtete er das, was er tun musste.

    Celenas forschender Blick blieb auf ihn haften. Stumm nickte er.

    Sein Brustkorb hob sich, als er die Luft tief in sich hinein sog.

    »Ich habe ihn seit unserer ersten Begegnung damals in Giret nicht mehr geträumt. Bis heute. Er ist deutlicher geworden. Ich habe das Gefühl, das er mir etwas sagen möchte.«

    »Der göttliche Schöpfer?«

    »Du hast nie wirklich daran geglaubt, richtig?«

    Dieses nachdenkliche Grübeln, das Stirnrunzeln, welches Celena kleine Furchen ins braun gebrannte Gesicht trieb, hatte er in der Vergangenheit öfter gesehen. Meist dann, wenn sie glaubte, unbeobachtet zu sein.

    »Die Schöpferhäuser sagen, er sei von uns gegangen und käme erst wieder …«, sprach sie nach einer Weile des Schweigens.

    »… wenn wir glauben und die Melodie des Lichts aus allen vier Ecken der Welt erklingen wird«, vollendete Lutek. »Ich weiß. Doch ich kann … ich kann …«

    »Was, Lutek? Was kannst du?«

    »Ich höre ihn! Ich kann deutlich seine Stimme vernehmen.«

    In der Stirn Celenas gruben sich erneut Furchen.

    Unverhofft schwang sie die Decke zur Seite, entstieg ebenso unverhüllt der Schlafstatt und trat zu ihrem Geliebten.

    Unergründlich blickten ihre Augen Lutek an, dann nahm sie ihn in ihre Arme.

    »Ich glaube! Erst durch dich fing ich an zu glauben«, hörte er das verlockende Wispern Celenas an seinem Ohr.

    Er spürte ihre warme, weiche Haut auf der seinen. Er spürte das Heben und Senken ihrer Brust bei jedem Atemzug, während sie sich an ihm schmiegte. Lutek ergab sich dem Frieden im Herzen und gemeinsam sanken sie zurück auf das Lager.

    * * *

    Sanft strich Celena über den muskulösen Schenkel neben sich. Ihr Blick suchte im Gesicht des Geliebten nach Antworten, während in ihr die letzten Augenblicke ihrer zärtlichen Umarmungen der Wonne nachhallten.

    »Ich muss dich verlassen!«

    Die hauchenden Worte Celenas ertönten wie ein Schrei in seinen Ohren. Er blinzelte sie an.

    »Es ist unausweichlich!«

    Er hatte es befürchtet. Tief in seinem Inneren hatte er es gewusst, das es eines Tages soweit kommen musste.

    »Ich weiß!«

    »Du … du bist nicht erstaunt, nicht traurig?«

    »Ich weiß, dass du nach Antworten suchst.«

    Sie presste die Lippen aufeinander. »Ja«, flüsterte sie.

    Lutek betrachtete die Holzdecke über sich. Sein Herz klopfte, aber auch er musste etwas gestehen. Er drehte seinen Kopf zur Seite, stemmte sich auf und blickte in das Gesicht Celenas.

    »Es gibt da etwas, was du nicht weißt. Ich will nicht, dass dies zwischen uns steht«, gab er zu. »Auch ich suche nach Antworten.«

    »Was ist es?«

    Celena sah ihn mit nassglänzenden Augen an.

    »Es ist … nein, ich kann es nicht.« Lutek stockte.

    Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Seine Stimme versagte. Nein, es ging nicht. Das wäre ein Fehler!

    »Dann … finde deine Antworten und ich suche die Meinigen«, meinte sie tieftraurig.

    Das Gefühl, welches in ihr in diesem Augenblick aufbrodelte, war überwältigend. Unsichtbar bäumte sich ihre Seele auf.

    Celena suchte krampfhaft nach der inneren Stärke. Jene Stärke, die sie in all der Zeit als San-Hüterin der Anderen nur in einem gefunden hatte. Hier und jetzt galt alles oder nichts.

    »Ich finde dich, Lutek. Egal wo du bist. Das verspreche ich. Ich komme zurück zu dir!«

    Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht.

    »Du bist süß. Aber du sagtest einmal selbst: Alles ändert sich.«

    Celena nickte. Ihre Worte klangen zaghaft, widerspenstig und trotzig zugleich.

    »Das sagte ich einmal. Doch ich hatte mich geirrt. Zumindest in dieser Sache. Und ich weiß, ich glaube an dich. Genau das habe ich durch dich gelernt. Ich habe nicht vor, das zu vergessen. Wir werden uns wiedersehen und nichts wird uns dann jemals trennen können. Glaube kann nicht irren. Es hat nichts mit Logik zu tun. Kannst du dich erinnern?«

    Leise und halb erstickt entrang sich ein Lachen aus Luteks Kehle.

    »Es stimmt – du bist schrecklich romantisch.«

    »Versprich es mir.«

    »Versprechen können gebrochen werden!«

    »Versprich es vor dem göttlichen Schöpfer.«

    Schrecken flackerte für einen winzigen Moment in Luteks Augen auf. Unsicherheit und Zweifel dieses Versprechen nicht einhalten zu können, breitete sich in ihm aus. Dann aber drängten Zuversicht und Gewissheit die Ängste zurück, als er an den ersten Tag seiner Begegnung mit Celena zurückdachte. Er war sich damals, wie heute sicher, das der Schöpfergott ihn in dieses Land gesendet hatte, um Celena zu finden. Er hatte daran geglaubt, so wie jetzt auch.

    Celena strich ihm in diesem Augenblick durch sein fuchsrotes Haar. »Der Glaube ist das, was wir haben«, hauchte sie ihm zu.

    »Glauben an uns! Oder waren all die Worte über die große Liebe nur leeres, nichtssagendes Getratsche? Lutek, ich glaube an dich und frag mich nicht warum. Ich fühle es!«

    Zartes Lächeln zauberte sich auf die Lippen des Rotschopfs.

    »Dann soll es so sein! Versprochen!«

    Mit einem sanften aber wahrhaft innigen Kuss besiegelten sie ihr Versprechen zueinander. Denn alles, was sie hatten, so träumerisch und naiv es in manchen Augen sein mochte, war Glaube. Nicht an den Schöpfer und nicht an die Götter.

    * * *

    Die Gassen der Ortschaft, welche kaum ein Dutzend Gebäude zählten, waren leer. Kurz prüfte Celena den Riemen ihrer Rüstung, schulterte ihren Rucksack und folgte daraufhin den vor sich liegenden Weg. Wie ein Trampelpfad schlängelte er sich zwischen die Gebäude hindurch.

    Lutek würde sicherlich am Morgen aufbrechen, sobald er ihre Seite des Lagers leer vorfand. Ihr Versprechen zueinander hatte ausgereicht.

    Sie wollte keine Worte des Abschieds. Diese hätten sie womöglich nur ins Wanken gebracht.

    Vor ihr lag die Hauptstraße. Sie wusste immerhin, wohin sie sich wenden musste. Thelerm. Das war ihr Ziel.

    »Ihr wollt tatsächlich den Weg nach Thelerm zu Fuß zurücklegen?«, raunte eine rauchige akzentträchtige Stimme zwischen den letzten beiden Häusern hervor.

    Celena hielt inne und sah zum Himmel hoch. Sie beachtete den Mann nicht, dessen Stimme ihr wohlbekannt war.

    »Ich dachte«, begann sie ruhig und betrachtete dabei die Sterne dieser selten klaren Nacht. »Die Sache zwischen mir und eurer Gilde wäre erledigt.«

    »Ganz und gar nicht.« Der Sprecher trat aus dem Schatten heraus.

    »Ich habe euch einen Gefallen anzubieten.«

    Der bekannte forschende Blick setzte sich in Celenas Augen, als sie ihren Kopf zu dem Mann wandte. Seine fein bestickte Kleidung, die in diese Gegend nicht hineinpasste, lugte unter dem Mantel hervor.

    »Einen Gefallen?«

    »Richtig! Damals habt ihr uns einen Gefallen erwiesen und nun biete ich euch solchen an.«

    »Dafür wurde ich von euch bezahlt.«

    »Das waren Kleinigkeiten und kaum der Rede wert im Gegensatz zu dem, was wir euch tatsächlich schuldig sind.«

    Tacio, dessen kahl geschorenes Haupt aufschimmerte wie ein blank geputzter Helm, trat einen weiteren Schritt auf Celena zu.

    »Es verwundert mich, dass ihr euch persönlich aufmacht, um mich aufzusuchen.«

    Der Gildenmeister grinste verhalten.

    »Eine Investition lässt man nicht aus den Augen.«

    »Ihr seht mich als eine Investition?«

    »Also gut! Euch kann man nichts vormachen. Es geht nicht nur um gegenseitige Gefälligkeiten. Das, was ich euch biete, ist mehr als nur in unserem Interesse. Hadaiman ist in Gefahr und somit auch mein Heimatland Arvelis. Womöglich ganz Panera.«

    »Was hat das mit mir zu tun, Tacio?«

    Der fahlgesichtige Assassinenmeister klopfte mit der flachen Hand wie zufällig neben sich auf eine Satteltasche, die über dem Rücken eines Pferdes hing. Celena hatte das Tier nicht bemerkt, das ruhig neben Tacio stand. Sein Fell war so schwarz, das es mit der Dunkelheit der Nacht verschmolz.

    »Hier sind Dokumente mit großem wissenden Inhalt. Ihr benötigt sie, um jemanden aufzuhalten, der euch, eurem Geliebten und uns allen gefährlich werden kann. Deshalb bieten wir an, ein Auge auf euren Gefährten zu haben. Ihn gewissermaßen bei jedem seiner Schritte zu überwachen. Und darüber hinaus habe ich eine kleine Bitte.«

    »Welche?«

    »Falls ihr einen von uns begegnen solltet, zögert nicht das Schwert einzusetzen.«

    Celena runzelte misstrauisch die Stirn.

    »Redet ihr von Kelthran?«

    »Nein, nein!« Tacio lachte heiser auf. »Ich rede von einem Schwert, welches uns abspenstig ging. Vermutlich von demjenigen an sich genommen, den wir alle zu fürchten haben.«

    »Es wäre hilfreich, wenn ihr euch klarer ausdrücken würdet.«

    Celena knirschte entnervt mit den Zähnen.

    »Da gibt es nichts weiter zu erklären. Ich vermute, dass ihr ihn sehr bald kennenlernen werdet. Fragt ihn nach dem verlorenen Schwert der flüsternden Bruderschaft, sofern es euch gelingt.«

    Tacio hielt ihr die Zügel hin, die er in der Hand hielt.

    »Es heißt Feuerwind

    Zögernd trat Celena an das Tier heran. Sie blickte in die dunklen, großen Augen des Rappen, dann zu dem Meisterassassinen aus Arvelis.

    Ein leichtes Nicken bevor sie die Zügel übernahm.

    Sie führte das kraftvoll wirkende Tier auf die nachtdunkle Straße und schwang sich in den Sattel. Misstrauisch schmälerten sich ihre Augen zu Schlitzen, als sie zu dem Arveliser hinunterblickte.

    »Und ihr habt ein Auge auf ihn«, vergewisserte sie sich, forschend auf das kleinste Anzeichen eines lauernden Hinterhalts achtend.

    Sie bemerkte nichts. Tacios Miene blieb so kalt wie die eines Fisches.

    »Ihr habt mein Wort. Wir werden euch benachrichtigen, sollte es hässlich werden.«

    »Euer Wort?« Der Rappe tänzelte leicht hin und her. »Das Wort eines Meuchelmörders?«

    »Glaubt mir! Wenn ich euch nicht vertraue und ihr nicht mir, dann sind wir womöglich dem Untergang geweiht.«

    Was blieb der Hüterin anderes übrig, als ihm zu vertrauen.

    »Also gut. Aber sollte ihm was zustoßen, werde ich euch finden. Egal wo ihr euch herumtreibt.«

    »Vergesst nicht, sein Name ist Feuerwind«, sagte Tacio ihre Worte ignorierend und klatschte dem Tier auf die Flanke.

    Es schnaubte auf und setzte sich augenblicklich in Trab. Geradewegs hinein in die Nacht, auf den Weg nach Thelerm, den Antworten entgegen und fort von Lutek.

    * * *

    Feuerwinds Schritte wurden langsamer. Er schien am Ende seiner Kräfte. Ebenso spürte Celena ihre Müdigkeit in ihren Knochen. Leicht zog sie an den Zügeln, sodass das Pferd bereitwillig anhielt.

    Inzwischen war die zweite Folgenacht ihrer Abreise angebrochen.

    Ihr Blick schweifte durch die ins abendliche Dämmerlicht gehüllte Wildnis, während sie den Rappen beruhigend tätschelte.

    »Ja Junge! Du hast recht. Eine Rast wird uns beiden gut tun«, brummte sie und stieg ab. Mit den Zügeln in der Hand lief sie langsam den Weg weiter, auf der Suche nach einer geeigneten Stelle für ihr Lager.

    Unweit des Wegesrandes, ein Stück in die Wildnis hinein, erhaschten ihre Augen etwas, was ihr bekannt vorkam. Weiß mit rötlichem Farbtupfer in der Mitte schimmerten die Blütenblätter einer kleinen Blume selbst noch im fahlen Licht des Mondes. Sie weckte Erinnerungen in ihr.

    Der Wald um diese Pflanze herum wurde von einer kleinen halbrunden Lichtung unterbrochen.

    »Ein guter Ort«, sprach sie zu dem Pferd.

    Sie band das Tier an einem der Bäume, die fest und ewig dort standen.

    Die Handgriffe, ein Stangengeflecht aus den umliegenden Hölzern zu basteln, welches kurz danach als Zeltskelett fest im Boden stand, waren ihr längst ins Blut übergegangen. Eine Stoffplane darüber sollte Schutz genug vor dem Ungemach des Wetters dienen. Zufrieden blickte Celena ihr Werk an, bevor sie sich daran machte ein Feuer zu entfachen.

    Die wunderschön, blühende Pflanze fiel ihr ein, als die ersten Flammen emporloderten. Sie wandte sich nochmals dem Wegrand zu. Es musste drohend auf das winzige Pflänzchen wirken, so dicht, wie sie wenig später vor diesem stand. Sie bückte sich hinunter, um die Blüte näher zu betrachten. Einen Moment später hielt Celena die Blume in ihrer Hand.

    Vor dem Lagerfeuer sitzend, die wundersame Pflanze haltend, grübelte sie über deren Namen. Verträumt schaute sie auf die weiß-rote Blüte. Schließlich sah sie auf und schaute in die Richtung, in die sie die fernen Gipfel mit der Festung der Hüter vermutete.

    Ein schwerer Seufzer entrann sich ihrer Kehle. Gleichzeitig weiteten sich entsetzt ihre Augen, als sie unmittelbar neben sich aus dem Gebüsch heraus eine Stimme hörte.

    »Sind die San-Hüter zwischenzeitlich unter die Blumensammler gegangen?»

    Bereit um ihr Leben zu kämpfen, sprang sie auf und packte das Heft des Schwertes, welches noch an ihrem Gürtel hing.

    »Das … ist kein netter Empfang für einen Bruder.«

    Der Sprechende trat in das Licht des Feuers. Unberührt des Schwertes, was auf ihn gerichtet war, hielt er sich die Hände über die Flammen, um sie zu wärmen. Sein wettergegerbtes, bärtiges Gesicht war leicht eingefallen. Die Wangenknochen traten stark hervor. Stechende Augen, die unmittelbar auf das Feuer gerichtet waren, regten sich nicht, schienen wie tot. In seinem rötlich braunem Haar entdeckte man hier und da ein paar graue Strähnen. Er trug keine Rüstung, lediglich Kleidung, die leicht grünlich schimmerte. Ein unansehnliches Schwert, in welches Scharten von unzähligen Schlachten gezeichnet waren, hing in einem lockeren Gehänge an seiner Rechten.

    Celena schätzte das Alter des Mannes auf etwa fünfzig Winter. Was sie verwirrte und ihr recht seltsam schien, sie spürte die Anwesenheit eines Hüters neben sich.

    »Wer seid ihr?«

    »Ein Freund und …!«

    Der Fremde blickte sie mit den stechenden Augen direkt an. »Und … ein San-Hüter, so wie ihr es seid … Vielleicht nicht mehr lang!«

    Auf Celenas Stirn entfalteten sich Furchen.

    »Ich verstehe nicht! Wieso sagt ihr das?«

    Ihr war der nächtliche Besucher unheimlich. War das Einzige was sich an ihm bewegte, seine sich gegeneinanderreibenden Hände über dem Feuer.

    »Wenn mich nicht alles täuscht, sucht ihr einen Ausweg, diesen Fluch von euch zu nehmen. Nur wenige unseres Ordens dachten darüber nach und allzu oft scheiterten sie kläglich – vornehmlich an den Schwertern ihrer Brüder und Schwestern. Man quittiert nicht einfach den Dienst bei den San-Hütern.«

    Während er sprach, wandte er sich endgültig Celena zu.

    Seine dunklen, undurchdringlichen Augen bohrten sich förmlich in die junge Kriegerin hinein.

    »Nennt mich Terzios, Hüter aus …«, er winkte ab. »Ich bin überall und nirgends.«

    »Und ich bin …«

    »Celena aus dem Hause Tousard. Ich weiß. Celena – der Heimat geweiht. Ein überaus bedeutungsvoller Name.« Terzios lächelte. »Wie sind eure Träume?«

    Ihre Furchen auf der Stirn wurden dichter.

    »Ich glaube, das geht euch nichts an«, fauchte sie leise.

    »Widerspenstig wie ein kleines Kätzchen. Genauso wurde es mir berichtet«, grinste er und deutete dabei gleichzeitig auf die Reste eines umgefallenen Baumes, den Celena zuvor als Sitzgelegenheit genutzt hatte.

    »Ihr habt doch nichts dagegen?«

    Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sich der Alte Hüter darauf nieder.

    »Ich sprach von den Träumen. Nun, meine sind im Moment noch zurückhaltend. Wie ist es mit euren?«

    Celena betrachtete ihre zweite Waffe, welche nur wenige Schritte von ihr entfernt gegen einen Stamm lehnte. Sich die Worte des Assassinenmeisters in ihr Bewusstsein holend, stützte sie sich misstrauisch auf ihr zweites Schwert.

    »Ihr seht nicht aus, wie ein Weißer Hüter, der gute Träume hat?«

    »Ah, ihr spielt auf mein Alter an.«

    Terzios wusste sofort, worauf Celena hinaus wollte. »Ihr meint, meine Zeit wäre schon längst abgelaufen? Ich bin nicht der erste Hüter in dieser Hinsicht. Nichtsdestotrotz läuft sie unweigerlich ab. Wenn ich mich nicht irre, und das kommt selten vor, habt ihr eine Idee wie man es verlangsamen oder stoppen kann. Stimmt doch, oder?«

    Der Alte sah die Blicke Celenas, die zwischen ihm und dem Schwert am Stamm hin und her wechselten.

    »Eine gute Klinge, die ihr da habt. Der göttliche Schöpfer beschenkt seine Favoriten gut.«

    Terzios gestattete sich ein grimmiges Lächeln.

    »Auf die Lebenserwartung zurückzukommen. Wie gedenkt ihr, dagegen, etwas zu unternehmen? Etwa mit Blümchen, wie dieses in eurer Hand?» Er lachte grölend auf. »Wer weiß, vielleicht kann man daraus ein Mittelchen herstellen, um das Blut zu entgiften.«

    Wieder entrann sich seiner Kehle ein heiseres Lachen.

    »Aber das eigentliche Gift, welches wir zu uns nehmen, ist das konzentrierte Böse. Eine nette Hinterlassenschaft des göttlichen Schöpfers, findet ihr nicht? Erinnert ihr euch an die Worte eures Kommandanten Nacuds: Ihr werdet aufgefordert, euch der Verderbtheit für ein höheres Ziel auszuliefern?« Abermals lachte er.

    »Der alte Schelm!«

    Celena blieb hingegen ruhig und unbeweglich, wie zuvor der Hüter selbst.

    »Für ein höheres Ziel! Was für starke Worte!«

    Sein Ton wirkte verächtlich.

    »Jahrhunderte geht dieses Ritual schon und es wird viele weitere Jahrhunderte fortbestehen. Immer und immer wieder werden die Anderen sich neue Anführer suchen, wenn wir ihren alten töteten. So geht es weitere Tausende von Jahren und es wird kein Ende nehmen.«

    Der Alte redete sich in Rage.

    »Wirken die Anderen wirklich wie dumme Tiere? Also ich kenne keines, welches Schwerter, Rüstungen und Schilde schmiedet. Ich kenne kein Tier, das taktisch denkt und dessen Führer Magie nutzt. Ihr vielleicht?«

    Sein Finger deutete einem Lehrer gleich auf Celena, welcher seinem Schüler eine wichtige Lektion vermittelte.

    »Eines muss man ihnen zugute gestehen – sie folgen mehr ihren Instinkten als wir.« Er schüttelte missmutig den Kopf. »Und wir? Im Vollbesitz unseres Verstandes nutzen wir Selbiges, was der göttliche Schöpfer uns als Strafe auferlegte. In der Hoffnung genau das zu bekämpfen. Welch eine Ironie. Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Oder ist es ein überaus schlechter Witz? Was sind wir doch allesamt für Narren. Mich würde es nicht verwundern, wenn die Götter über uns lachen«, beendete er seine schulmeisterliche Rede.

    »Und … was in Karmastes Namen wollt ihr von mir?«, fragte Celena unwirsch.

    Terzios antwortete ihr nicht. Sein Blick war starr ins Feuer gerichtet, welches sich langsam aber stetig in Glut verwandelte.»Euer Feuer droht auszugehen«, sagte der alte Hüter knapp.

    Ein leichtes Schnippen ertönte, das von seinen Fingern herrührte.

    Augenblicklich züngelten kleine Flammen empor.

    Unwillkürlich hob Celena eine Braue. »Ihr seid ein Magier?«

    »Magier, Krieger, Schurke! Was ihr wollt. Sucht es euch aus!« brummte er.

    Langsam aber sicher kam Celena ein Verdacht. Ein leises Begreifen schlich sich in ihre Gedanken. Mit leicht geneigtem Kopf, aus den Augenwinkeln heraus, sah sie ihren Besucher an. »Ein Deserteur?«

    »Wie auch immer …«, knurrte Terzios, »… ich suche seit Langem nach jemandem wie euch. Eigentlich war ich der Meinung, es wäre ein Mann. Was denkt ihr, wie überrascht ich war, als man mir erzählte, dass eine Frau den Erzalten erschlug. Und noch überraschter war ich, das sie überlebte, im Gegensatz

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