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Vermächtnis der Sünder Trilogie: Götterseelen
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Götterseelen
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Götterseelen
eBook363 Seiten4 Stunden

Vermächtnis der Sünder Trilogie: Götterseelen

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Über dieses E-Book

Karmaste stürzt die Hauptstadt Hadaimans ins Chaos, nachdem ihr Springer scheitert. Lutek, manipuliert von ihr, wird zum Spielball der falschen Prophetin. Celenas Liebe zu ihm und die Freundschaft der Gefährten wird auf eine harte Probe gestellt, denn was passiert, wenn Lutek sich für Karmaste entscheidet?
Im Kampf um Celenas Geliebten schließt sich Isande, eine Freibeuterin, den Gefährten an. Ihrem Kodex entsprechend,hat sie jedoch anderes im Sinn. Sie ahnt nicht dass das Juwel, das sie begehrt, ungeheure Macht in sich birgt. Die Seele eines Gottes. Durch ihre Gier wird sie unvermittelt zur finalen entscheidenden Spielfigur im Spiel der Könige.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Aug. 2016
ISBN9783738081046
Vermächtnis der Sünder Trilogie: Götterseelen

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    Buchvorschau

    Vermächtnis der Sünder Trilogie - Angelika Merkel

    Dritter Brief

    Wir befanden uns auf der Suche nach Antwort. Jagten jenen, der das Heilmittel in seinen Besitz gebracht hatte. Unsere Reise führte zu eine Handvoll San-Hüter, die die Schriften der Schöpferhäuser hinterfragten. Ihre Nachforschung brachte sie zu einem uralten Pergament, das lang vergessen und verschollen geglaubt. In ihr wurde von den Kindern des Schöpfers berichtet. So trugen sie die Kunde von den göttlichen Schöpferkindern zu uns. Doch nagte der Zweifel in jedem. So traf es Lutek tief, als er erfuhr, dass Karmaste nicht das innehatte, was er ihn ihr gesehen hatte. Er stellte die Worte des Allmächtigen in Frage, letztendlich hatte er sich entscheiden müssen. Glaubte er ihr, die eine falsche Prophetin sei, oder ihm, der ihn wissen ließ, Karmaste habe ihn verraten. Wir erkannten, dass alles nur Lüge war. Weder war der Allvater der einzig wahre Gott noch die Erzalten finstere Wesen, die seinen Thron beanspruchten. So formte sich Bruchstück um Bruchstück zu einem gigantischen Spiel.

    Eines dieser Teile wollte ich nicht wahrhaben. Die erschreckende Tatsache, Nacud sei ein Nachkomme der Nemibistar Magister. Nicht nur er, nein, die anfänglichen San-Hüter waren Abkömmlinge jener, die die Stadt des Lichts eroberten.

    Das Geheimnis, das Morco hütete, ward eng damit verwoben.

    Demzufolge wurden die ersten des Ordens die Erben der Verderbnis. Sie büßten für den Frevel ihrer Väter. Lockten Rekruten in ihren Dienst, um einen Krieg zu führen, der nicht der ihre war. Ihre abscheulichste Schandtat enthüllte sich uns bald. Sünden, die auch andere Welten verschlang.

    Wozu erhielten wir mehr Zeit? Wir spürten es in den unsrigen Herzen, wagten es allerdings nicht, auszusprechen. Celena sagte daraufhin schulterzuckend, die Zukunft sei ungewiss. Zeit sei deshalb ein bedeutender Trost, als das Geschenk ein San-Hüter zu sein, der jeden Augenblick seines kurzen Lebens genoss. Denn schon Morgen lag es im Bereich des Möglichen, im Kampf zu fallen oder von denen getrennt zu werden, die er liebte. Wir waren unfähig den Moment auszuleben, obschon das Hier und Jetzt zählen mochte. Erfreuten uns lediglich unseren Träumen, unseren Hoffnungen. Doch wer um die Zukunft wusste, der konnte die Gegenwart nicht auskosten.

    Einst sagte jemand, es ist nicht wichtig, wie lange man lebt, sondern wie man lebt. Was das bedeutete, das erfuhren wir bald. Stets stellten sich hierbei die Fragen: Musste das Wohl einzelner für ein höheres Ziel zurückstehen? Setzte das Wohlergehen eines Einzelnen das Wohlbefinden aller voraus? Wie entschied man, um einen oder viele zu opfern, ehe vom Gefüge nichts mehr blieb? Richtig oder falsch, der Grat solcher Moral war dünn. Celenas Antwort hierzu: Erkundige dich nicht bei Gott. Frage die Menschen nach dem Warum und du wirst in die Schwärze ihrer verdorbenen Seelen blicken.

    Es ist nicht das Schicksal. Es ist nicht der göttliche Wille. Es ist der Mensch allein.

    Gerade wird mir unterstellt zu hochtrabend in meiner Schreibweise zu sein. So sei es denn. Lasst mich geradewegs berichten, was als Nächstes geschah.

    Doch zunächst, ihr habt es erraten, werde ich mich auf die Suche nach meiner Lieblingsnahrung, dem Käse, begeben. Jemand hat ihn vor meinen Augen verborgen. Ich glaube zu wissen, wer sich diesen Scherz erlaubte. Meine Gefährtin, die all die langen Jahre hindurch nicht von meiner Seite wich, meinte kürzlich, ich würde zu dick werden. Sie übertreibt maßlos!

    König Belothar von Hadaiman

    Nebel bahnt sich seinen Weg,

    steigt vom Lande himmelwärts.

    Mutet an wie ein seltsam Traum,

    der sich zwischen den Zeiten regt.

    Der Wall von Dunst umgarnt die Welt.

    Auch die Sonnenstrahlen entfliehen.

    Kein Lied vermag hindurch zu klingen,

    nur ein Schweigen die Länder beseelt.

    Und weit darüber hinaus erstrahlt

    am Sternenhimmel unzählige Welten.

    Unverhofft sie durch die Wolken glimmen.

    Gesang der Götter am Ohre hallt.

    Ein Pfad dorthin kreuzt kristallen Flut

    inmitten der Meeresstrudel Wogen.

    Sanft auf weißen Flügeln sich wiegt

    ein Segelschiff mit kostbaren Gut.

    Zeit ist es, an Abschied zu denken.

    Sehnsüchtig ruft die fremde Welt.

    Eines Tages sie wiederkehren,

    Leben nehmen und Leben schenken.

    Kapitel 1

    Rauchschwaden umwehten das grau melierte Haupt des Mannes, der auf einer der steinernen Bänke saß. Das linke Bein ruhte bequem auf dem Knie des andern. Kein Muskel zuckte in den ausgezerrten, bärtigen Zügen.

    Dort, zwischen rankenden blattlosen Dornenbüschen prunkten trotz der Kälte weißlich-rötliche Blüten. Er verlor sich in dem Anblick der Winter blühenden Pflanze, die niemandem außer ihm aufzufallen schien.

    Terzios Kopf fuhr herum, nachdem die zu den Schlossgärten führende Tür mit quietschendem Geräusch geöffnet wurde. Eine Gestalt mit fuchsrotem Haar erschien, die den Garten heimlich zu durchqueren beabsichtigte. Müde erhob sich der Hüter. Mit weitausholenden Schritten trat er dem Ankömmling entgegen.

    »Lutek?!«

    Der Angesprochene würdigte dem Vater keines Blickes. Vielmehr wollte er den alten Mann unbeachtet stehen lassen. Kurzerhand stoppte er.

    »Was willst du?«, fragte er.

    »Ich möchte eines von dir erfahren! Warum?«

    »Seit wann kümmert es dich?« Ein Anflug von Zorn lag in der Stimme Luteks.

    Terzios schnaufte auf. Er wollte nicht streiten. Er hatte Fehler begangen, nachdem sie aufeinandertrafen, nicht die geringste Möglichkeit gefunden, darüber zusprechen. Gutmachen konnte er die verlorene Zeit nicht, das war ihm klar. Er besaß jedoch kein Herz aus Stein.

    »Seitdem ich meinen Sohn wiederfand«, sagte der Graubart mit belegter Stimme.

    Den Blick zuvor zu Boden gerichtet, fasste Lutek dem Gegenüberstehenden scharf ins Auge. »Es hatte dich bis zum heutigen Tage nicht interessiert.« Wut blitzte in den Seelenfenstern. »Wieso jetzt?«

    »Um dich vor einer Dummheit zu bewahren. Ich möchte nicht, dass du den gleichen Fehler begehst, den ich mit deiner Mutter beging.«

    »Ach? Du fragst nicht, warum ich mit dir bisher kein Wort gesprochen hatte? Ich sage es dir! Du interessierst mich nicht. Deshalb halte dich aus meinem Leben heraus.«

    Lutek vermochte den aufwallenden nassen Glanz in seinen Augen nicht unterdrücken. Furcht und Traurigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen. Abrupt wandte er sich ab, zögerte jedoch, seinen Weg fortzusetzen.

    Mit fahrigen Bewegungen kramte er in einer der Taschen herum, bis er das Gesuchte herausfischte. »Hier Vater … gib es Celena. Sie wird es verstehen.«

    Ohne eine Erklärung, legte er Terzios den Gegenstand in dessen Hand und ging. Der alte Hüter sah schweigend hinter seinem Sohn her, bis dieser aus den Augen entschwand. Schließlich fiel der Blick auf das kleine Ding in der Handfläche. Verwundert darüber runzelte er die Stirn.

    * * *

    Am Türpfosten lehnend, beobachtete Sebyll Celena, die auf einem Stuhl vornübergebeugt, ins Leere starrte. In Kummer und Trauer verfallen, saß sie bewegungslos inmitten der Bibliothek.

    Nichts und Niemanden nahm sie wahr. Die Welt um sich herum empfand sie in diesem Moment öd und inhaltslos. Er war weg. Nicht einen Blick hatte er ihr gewürdigt. Nicht ein Wort des Abschieds kam von seinen Lippen. Umgedreht hatte er sich und ließ sie abseits stehen.

    Hier wollte sie keinen Augenblick bleiben. Einfach fortgehen. Sich all dem Abwenden. Nie mehr zurückblicken. Wohin aber ohne Ziel, ohne Heimat? Wohin ohne jeglichen Willen in ihrem Herzen, indem der Funken sämtlicher Hoffnung in Einsamkeit, zu ersticken drohte.

    Sie sollte den Ritt in die Finsternis der Zukunft antreten. Hinfort in fernliegende Gefilde, die ihr ebenso wenig Trost zu spenden vermochten. Fortgehen. Niemals wieder einen Fuß in dieses Land setzen.

    Seufzend, den Anblick Celenas Trübsinn nicht ertragend, drehte sich Sebyll den Begleitern zu. Die Gefährten hatten sich in dem angrenzenden Raum versammelt, nachdem Lutek sich in aller Öffentlichkeit von Celena abgewandt hatte.

    »Als verfügte sie über keinen Lebenswillen mehr«, flüsterte die Gryposfrau den anderen zu.

    Thorgrim lugte aufgrund ihrer Worte in die Bibliothek hinein. Celena betrachtend, hoben und senkten sich die tiefroten, buschigen Augen. Er konnte das Leid, dass die Kriegerin empfand, nachempfinden. Vor nicht allzulanger Zeit hatte er genauso in den Ecken herumgehangen, nachdem sie aus Ithnamena zurückkehrten.

    Sich knurrend umdrehend, ließ der Zwerg die zusammengeballte Faust auf die hölzerne Schreibplatte vor sich niederfahren.

    Bedrohlich kippten die Kerzenhalter. Das Siegelwachs wollte dem Fußboden einen Besuch abstatten. Schreibfedern, deren Spitzen zeitlebens in Dunkelhaft dahin vegetierten, hüpften jubelnd heraus und ein mannshoher Stapel Kodizes drohte in sich zusammenzufallen.

    Thorgrims kleine Knopfaugen blitzten aus dem haarbehangenen Gesicht hervor. »Wieso sitzen wir hier dümmlich auf unseren haarigen Hintern herum?«, dröhnte seine Stimme wutentbrannt auf.

    Die anwesenden Frauen warfen dem Männchen konsternierte Blicke zu.

    »Aye! Ich denke viel mehr an den Throneroberer dort drüben«, fügte er eilig hinzu.

    Wie aus einem Trance erwachend, schaute der, als Throneroberer titulierte, von seiner Lektüre auf. »Verzeiht!«, murmelte Belothar, » … wie meinen?«

    »Mitnichten, von euch rede ich, Schwertschmuser«, bellte der Zwerg. »Seid ihr euch sicher das ihr Eier besitzt oder warum verkriecht ihr euch brav in den Schoß der drolligen Bohnenstange neben euch?« Thorgrim deutete auf Deirdre, die sogleich an sich hinab sah.

    »Bohnenstange?!«, äffte sie nach, während sie ihre Figur genauer in Augenschein nahm.

    Obschon die Schimpftirade des Winzlings sie amüsierte, maß Sebyll die Magierin mit geringfügiger Begeisterung.

    Belothar schien die Anzüglichkeiten des feuerrothaarigen kleinen Mannes überhört zu haben. Er schlug das symbolverzierte schwarzlederne Werk zu und tippte überlegend mit dem Zeigefinger auf den Einband.

    »Ich suche nach Antworten«, erklärte er stattdessen. Mit runzelnder Stirn klappte er das Schriftwerk erneut auf. Eine bisher nicht bemerkte lose Seite stob ihm entgegen.

    Thorgrims Augen rollten hin und her angesichts des sich abermals in den Folianten vertieften Königs. »Ich bin begeistert, er enthaart viel lieber seinen Hintern«, knurrte er.

    Sebyll kicherte belustigt. »Zudem war mir nicht bewusst, dass er überdies lesen kann«, gluckste sie. Flugs kehrte sie Belothar den Rücken zu. Ungeachtet ihrer Heiterkeit jagte ihr der Anblick Celenas von Neuem einen Stich in die linke Brustgegend.

    Auf den zotteligen Hund vor ihr stierend, kauerte die Kriegerin in sich versunken auf dem Stuhl. Ihre Schultern schlaff herabhängend, von jedweder Seele verlassen, ward ihr Blick voll schmerzlicher Einsamkeit. Sie so sehen zu müssen, zerriss Sebyll schier das Herz.

    Niemand hatte voraussehen können, was sich dort draußen auf dem Tjostplatz zutragen würde. Von jetzt auf gleich löste sich alles, wofür Celena gekämpft hatte, in Nichtsgefallen auf.

    Tränen hatte die trauernde Kriegerin bisher keine vergossen. Daran denkend sammelten sich in Sebylls Augen einige wässrige Tropfen. Die Gryposfrau biss sich auf die Lippe und senkte den Kopf. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie der jungen Tousard beistehen konnte.

    Deren Hand streichelte unvermittelt das Haupt des Zotteltiers vor ihr, das sie aus waidwunden Kullern fragend anstarrte.

    »Ergibt das für jemanden von euch einen Sinn?«, drang Belothars Stimme an Sebylls Ohr. Tief durchatmend richtete die Gryposfrau ihr Augenmerk wieder auf die Gruppe von Dauergrüblern in der Schreibstube.

    »Nichts von all dem ergibt hier Sinn, Belothar«, ließ sie verlauten. Sie wurde des Pergaments gewahr, das der Thronerbe in der Hand hielt.

    »Was haltet ihr da zwischen euren Fingern?«

    Er zuckte mit den Schultern.

    »Wenn ich das wüsste«, erwiderte der Gefragte.

    Mit zwei Schritten zu Belothar hin, entriss sie ihm forsch das Blatt. Sie las was darauf stand und fluchte avalisische Obszönitäten heraus.

    »Oh, das … schätze ich, hat der Knabe auf dem Thron durchaus hinter sich«, grinste Thorgrim, der die Worte verstanden hatte. »Bei euch beiden!«, fügte er zwinkernd hinzu.

    Sowohl Deirdre als auch Sebyll hüstelten einvernehmlich über die Andeutung, währenddessen Belothars Gesichtsfarbe wechselte. »Thorgrim! Ihr seid … «

    »Ach, ihr meint, ich irre mich und ihr zogt nicht beiden Weibsbildern die Beine auseinander?«

    »Es langt!«, donnerte Belothar aufgebracht.

    * * *

    Weich fühlte sich das zottelige Haar des Hundes in Celenas Hand an. Die treuen braunen Augen fixierten sie, als erwartete das Tier eine Antwort. Es gab keine. Sie hatte nichts. Einzig ein Loch in ihrem Herzen, dass niemand zu füllen vermochte.

    Nur der Fluch der Einsamkeit blieb ihr, denn er war fort. Dort draußen gab es nichts, wohin sie sich wenden konnte. Nichts war ihr geblieben, wofür es sich zu leben lohnte.

    Neben dem mittelgroßen Hund erschien ihr verschwommen ein Gesicht, welches sich in ihr Blickfeld drängte. »Verfügt ihr über etwas, wofür es sich zu leben lohnt?«, fragte knarrend die dazugehörige Stimme.

    Eine Hand schob sich unter ihre Augen und präsentierte ein darauf liegendes Kleinod. Mit zittrigen Fingern nahm es Celena von der Handfläche. Sie betrachtete, studierte es, verstand nicht sogleich, was es darstellen sollte.

    »Sagt mir, was ihr vorhabt«, erkundigte sich ihr Gegenüber leise.

    Verständnislos sah sie sich die Kugel an. Klein und braun, wie es war, löste es etwas in ihr aus. Du weißt nicht, was dich erwartet, hatte Lutek damals gesagt. Celenas Lippen bebten. Salzhaltiges Nass erfüllte ihre Augen und rann an ihrer Wange herab. Zögerlich öffnete sie ihren Mund.

    Koste davon und es könnte zu spät sein, waren einst seine Worte.

    Furcht ergriff ihr Herz. Sie schloss die Lider und legte die runde Süßigkeit auf ihre Zunge. Süßbitterer Geschmack breitete sich auf ihrem Gaumen aus. Hoffnung ist das, was wir haben. Dein Vertrauen, dein Glaube soll belohnt werden«, hatte er damals verlauten lassen.

    Celena blinzelte. Um sie herum schien alles auf sie einzustürzen. Plötzlich leuchteten ihre Augen auf.

    »Terzios?« Die Frage war überflüssig, denn das Antlitz des alten ergrauten Hüters zeigte sich weiterhin standhaft vor ihrem Blickfeld. Ebenso hörte sie mittlerweile klar und deutlich die hitzige Diskussion aus dem Nebenraum.

    Der graubärtige Mann nickte bestätigend. »Was nun?«

    Celena räusperte sich verlegen. Was hatte sie sich gedacht, sich mir nichts dir nichts der Fügung zu ergeben? Einmal schon hatte sie aufgegeben und sich ihrem Schicksal gefügt. Damals in jener schicksalsträchtigen Nacht, da Nacud sie mitnahm und ihr nichts mehr geblieben war. Auf wundersamerweise war er zu ihrem Retter geworden. Er bewahrte ihr Leben, nachdem sie glaubte, alles verloren zu haben. Als Gegenleistung verdammte er sie, indem er sie zwang, das verfluchte Blut zu trinken.

    Bei diesen Gedanken schnürte ihr ein dicker Kloß nahezu die Luft ab. Man hatte jederzeit die Wahl, erinnerte sie sich an Wilnas Worte und Tacio fragte sie dereinst: Würde sie kämpfen, wenn es andere forderten oder gar sterben, befahl man ihr es? Celena schüttelte leicht den Kopf.

    »Nein!«, murmelte sie vor sich hin.

    »Möchtet ihr ihn zurückholen? Ist es das, was ihr wollt?« In Terzios müde Augen brannte ein undefiniertes Feuer. »Nun?«, fragte er zum wiederholten Mal.

    Des ergrauten Mannes Hand packte sie am Arm, da sie versuchte, sich von ihrem unbequemen Sitzmöbel zu erheben. Die steifen Knochen schrien förmlich auf. Sie wankte.

    »Ja!«, knurrte Celena entschlossen auf.

    Ein grimmiges Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Alten. »Das wollte ich hören! Das ist der wahre Geist.«

    Mit unsicheren Schritten trat sie daraufhin in die Schreibstube. Ihr Blick wanderte zu der Decke hinauf, die von einer Zierleiste und geschnörkelten Ornamenten umrandet war. Funkelnde Sterne aus kristallenen Steinchen sahen auf sie hinab.

    »Celena«, rief Belothar erstaunt aus. Er richtete sich derart ungestüm auf, dass der Stuhl, auf dem er zuvor saß, umfiel.

    »Ich habe nicht vergessen, dass es ein Turnier zu gewinnen gilt«, leitete sie mit Entschlossenheit ihre Rede ein. Aufmüpfigkeit war ihr Markenzeichen. Auf Weisungen, selbst die des Vaters, hatte sie nie gehört. Hier wollte sie mit Sicherheit nicht damit beginnen. Sie hatte vor, Lutek zurückzuholen. Wer ihr helfen mochte, war herzlich eingeladen.

    Eisern starrte Celena die Gefährten nieder. »Keine Ahnung, was ihr zu Tun gedenkt«, fuhr sie fort.

    Da erschien wieder ihre auflodernde Starrsinnigkeit. Mit strafenden Blick auf die Sprecherin gerichtet, erahnte Belothar eventuelles Unheil. Er verkniff sich jeglichen Widerspruch.

    Tief sog Celena die Luft ein. »Ich … «, ein zweiter Atemzug folgte.

    »Ich werde ihn zurückholen«, gab sie ihr Vorhaben endgültig preis.

    Die einzige Reaktion war das Aufseufzen des Jungkönigs. Kurz schloss er die Lider, um sie hernach mit einem gequälten Lächeln wieder zu öffnen. »Das kommt mir allzu bekannt vor«, gab er von sich.

    Bevor Celena auszuführen vermochte, was ihr auf dem Herzen lag, legte Sebyll das Stück Pergament auf den Tisch.

    Erkenntnis brach sich Bahn, nachdem Celena las was darauf stand. Es stieß regelrecht die Pforten ihres Verstandes auf. Mehr denn je wusste sie, dass sie ihr Vorhaben durchzuführen hatte, egal was Belothar diesbezüglich für Einwände erhob. Dieser jedoch tat ihr nicht den Gefallen, dagegen zu protestieren. Im Gegenteil.

    »So sei es! Ich werde Lord Monearl bitten, einen Weg zu finden, das Turnier aufzuschieben. Eine Weiterführung der Wettkämpfe ohne meine Anwesenheit ist nicht durchführbar«, erklärte Belothar unerwarteterweise. Er blickte in die verdutzten Gesichter der kleinen Gesellschaft.

    »Ha, wenn ihr mir nicht glaubt … es steht in den Regeln geschrieben. Dort heißt es, der Regent muss zu jeder Runde seinen Segen geben«, rechtfertigte er sich. »Ohne mich können sie das Gesetz nicht ändern. Ernsthaft, ihr könnt es jederzeit in den dicken Wälzern, genannt Gesetze Hadaimans nachlesen.«

    Überrascht blinzelte Celena den König des Landes entgegen. »Du liest?«

    »Erstaunlich, nicht wahr? Sogar schreiben kann ich«, gab Belothar bekannt.

    »Wunderbar! Dafür kann ich etwas, was ihr nicht könnt«, brachte sich Deirdre ein. Sie strahlte regelrecht über alle vier Backen.

    »Thorgrim, ich hätte eine Aufgabe für euch. Sucht die hiesigen Zwerge auf, die hier in Thelerm leben. Ich benötige ein Metall, das sich Lithargit nennt. Ihr Celena, setzt euch mit Isande in Verbindung. Sie hat im Bauch ihrer Karavelle, was für unser Vorhaben notwendig ist. Belothar, ihr … ach kommt mit mir mit. Ich habe eine wahnsinnig gute Idee«, feixte sie, ergriff des Königs Arm und zerrte den verdattert dreinschauenden mit sich.

    Thorgrim wandte sich derweil räuspernd zu Celena um.

    »Mir kam zu Ohren … « Forschend hefteten sich seine listigen Augen auf die Kriegerin. »Euer Rotschopf hat demzufolge mit Zwillingen das Lager geteilt?«

    »Thorgrim!«, keifte Sebyll erbost. Wütend warf sie einen der metallbeschlagenen Folianten nach ihm. Schnell vermochte der Zwergenmann sich wegducken, bevor sein Kopf mit dem schweren Band Bekanntschaft machte.

    »Was soll das?«, beschwerte er sich. »Man wird doch fragen dürfen. Außerdem … ich meine, ich kann das nachvollziehen«, raunte Thorgrim. »Wenn ich an meine erste Frau zurückdenke, die meinte mit einer gleichgeschlechtlichen zu kuscheln. Wie muss es bei zwei Weibern sein, die nicht auseinanderzuhalten sind?«

    Bevor Celena darauf erwidern konnte, kam ihr die blondhaarige Gryposfrau zuvor. »Verdammt, kleiner Mann haltet endlich eure vorlaute zwergische Klappe«, knurrte sie wütend.

    Ehe sie ihren Zorn aufbauschte, nahm die Kriegerin Sebyll zur Seite.

    »Bleibt ruhig! Ich glaube, dass er sein Mitgefühl damit zum Ausdruck bringt. Es ist seine Art«, wisperte sie ihr zu.

    Letztendlich war es geraten. Sie kannte den Zwerg, der seine Gefühle hinter einem harten Kern verbarg. Ihre Vermutung entsprach mit Sicherheit der Wahrheit und darüber hinaus begriff sie, was Thorgrim damit sagen wollte: Die Leere in einen abtöten, brachte auf lange Sicht nichts. Einzig ankämpfen war die Lösung.

    * * *

    Flammen knisterten in dem Kamin des großzügig gebauten Raumes, der mit Wandteppichen geschmückt war. Der schwere Wandschmuck bewegte sich leicht im Zug des offenstehenden milchigen Kristallfensters.

    Auf einem klobigen Tisch lag all das, was in kürzester Zeit herangeschafft wurde.

    Torran, über eine Zeichnung gebeugt, kratzte sich überlegend an den Kopf. So man seine rechte Hälfte des Antlitzes betrachtete, das von Narben zerstört war, war es, schwer zu erkennen, ob er abfällig das Gesicht verzog oder grinste. Er tippte auf das Pergament vor sich. »Das wollt ihr anfertigen?«, wandte er sich an Deirdre.

    »Oh ja! Seid ihr jemals im Reich Arvelis gewesen?« Deirdre nahm den Vorrat an Lithargit in Augenschein und nickte befriedigend.

    »Dort ist es für meinen Geschmack zu warm. Warum fragt ihr?«

    »Diese Arveliser sind ein erfinderisches Volk. Der Adel bevorzugt kleine Armbrüste, die mit Kugeln statt Pfeilen abgeschossen werden. Daraufhin kam mir ein Gedanke.«

    Torran hob eine Braue. »Ihr wollt nicht etwa eines dieser fürchterlichen Dinge bauen?«

    »Ihr habt davon gehört? Nein, nicht Solche. Dass was ich meine, habe ich vor langer Zeit geschaffen.« Sie klopfte mit ihren Knöcheln auf ein Kästchen, das sie in der Hand hielt und öffnete es. Eingebettet auf Samtstoff lag ein unterarmlanges, vier fingerbreites Holzstück. Bei genauer Betrachtung war es durchgehend hohl. Die verbreiterte Spitze und das abgerundete Heft wurden durch ein blaugraues schweres Metall verstärkt.

    Mit Neugier in den Augen besah sich Belothar das unscheinbar wirkende Holzteil. »Nach meinen Kenntnissen sieht eine Armbrust anders aus«, stellte er sarkastisch fest.

    Um die Mundwinkel Deirdres zog sich ein schelmisches Lächeln.

    »Völlig richtig! Es sind keine. In Arvelis heißen die Waffen Belesstra«, versicherte sie ihm. »Dies hier … ist weitaus effektiver und … feuriger.«

    Das sprichwörtliche Licht funkte in Belothars Gedankengewölbe. »Ihr habt Feuerpulver? Jenes, dass die Nukaris bei ihren Eroberungen einzusetzen pflegten?« Skepsis breitete sich in dem mimikhaften Spiel seines Gesichtes aus. »Es wurde von solchen Donnerwaffen berichtet, die die Nukaris für ihre Überfälle benutzten.«

    »Habt ihr vor ein Tor zu sprengen, oder einen Schädel in Mus zu verwandeln? Dafür sind sie sicherlich geeignet«, wandte Torran ein. »Ansonsten sind sie zu nichts anderes nutze. Funktioniert das Ding überhaupt?«

    Weiterhin verschmitzt lächelnd, entnahm Deirdre das Handrohr der hölzernen Kiste. Mit dem Finger der linken Hand zog sie eine der Metallbügel, die jetzt erst sichtbar wurden, bis zum Anschlag zurück. Sie richtete das Rohr auf Belothar und betätigte den Abzug.

    Der Anvisierte zuckte erschrocken zusammen, da ein klackendes Schnappen erklang.

    »Seid ihr des Wahnsinns?«, fauchte er kreidebleich auf.

    Deirdres Züge entglitten ihr abrupt. »Oh, ich fürchte, ihr müsst heute auf meine Anwesenheit in euren Gemächern verzichten«, flüsterte sie verhalten.

    Verstehend was sie meinte, senkte der Jungkönig reumütig sein Haupt. »Verzeiht!«, sagte er nur.

    Kurz darauf hellte sich ihr Gesicht ebenso schnell auf, wie ihr Lächeln zuvor verschwunden war. »Vergessen wir es. Es bleibt ohnehin keine Zeit für Bettgeflüster.« Ihre weißen Zähne blitzten auf. »Der Abend ist jung und wir haben viel zu erledigen.« Sie ergriff mit der linken freien Hand ein gleichschenkliges Instrument, das zwischen der Ansammlung ihrer Utensilien lag. Zielsicher warf sie es Belothar zu. »Das gilt auch für euch. Glaubt nicht, das ihr heute schlafen werdet. Ihr dürft mit Thorgrim zusammen, das gesammelte Metall schmelzen und in Form gießen.« Deirdre zwinkerte dem zähneknirschenden König zu.

    »Ach! Solltet ihr zufällig beim Metallgießen so etwas wie ein Buch heraus erkennen, dann ist es das Zeichen dafür, das ihr einiges mehr zu lernen habt.«

    Derweil sie das sagte, legte die Magierin die hölzerne Waffe zurück in die samtgepolsterte Kiste. Torran ließ es sich nicht nehmen und strich mit seinen kräftigen Fingern über das geschliffene Holz des Handrohrs. Auf der Stirn wölbten sich tiefe Furchen.

    »Zweibeiner, welcher Herkunft sie sein mögen«, raunte er. »Ihre Erfindungen sind stets todbringend.«

    * * *

    Jeamy rümpfte angewidert die Nase, während sie und Celena sich durch die Tischzeilen des überfüllten Lusthauses schoben. Das Ziel, die hinterste Ecke, in der eine braun gebrannte Frau in aufreizender Kleidung mehreren Burschen eine Lektion in Sachen Benehmen erteilte.

    Unwillkürlich fragte sich Celena, ob die Seefahrerin immerzu einen Streit anzettelte oder sogar bewusst zu Eskalationen kommen ließ.

    Auf ihren Weg zu der Leichtbekleideten trat einer der angesäuselten Gäste an die Ältere der beiden heran. Er ignorierte die gerüstete Aufmachung ihrer Gestalt. »He du Kleine«, nuschelte er zu Jeamy hin. »Wie wäre es mit einer gemeinsamen unzüchtigen Rangelei?«

    Ihre Faust krachte umgehend in sein breitgrinsendes Gesicht. Der Schlag erfolgte wuchtig. Jaulend, mit gebrochener Nase ging der Rüpel auf die Knie. Vom Schmerz tränengefüllte Augen sahen zur San-Hüterin auf.

    Bevor der Bursche ein Wort sagen konnte, zog Jeamy unmissverständlich ihr Schwert. Sofort rappelte sich der Widerling auf und suchte das Weite.

    Währenddessen hatte Isande ihren Unterricht beendet.

    »Sieh an, sieh an! Wen haben wir denn da?«, lächelte sie Celena entgegen. »Und … was ist diesmal euer Begehren?«

    Weshalb sie die auf der Lagerstatt sowohl im Kampf stürmische Marodeurin aufsuchte, fiel Celena momentan schwer, dies in Worte zu fassen. Kurz schwieg sie daher.

    »Ihr habt etwas, das wir gebrauchen könnten«, gab sie nach einer Weile bekannt.

    »Ah, ihr wollt etwas von mir. Gut! Dann zum Geschäftlichen ...«, schnitt Isande ihr das Wort ab. »Was bietet ihr mir? Die Aussicht auf eine weitere Nacht? Oder besser zwei Nächte. Wo ist eigentlich euer Geliebter?«

    »Um ihn geht es«, mischte sich Jeamy ein. Sie sah es Celena an, das es ihr schwerfiel, die düstere Wahrheit auszusprechen. Ihre Miene verriet, dass sie keine Übereinkünfte diesbezüglich akzeptierte.

    »Wenn das so ist«, ruderte Isande augenblicklich zurück, »sagen wir, ihr schuldet mir etwas.« Unmittelbar zog die Seefahrerin einen kleinen Dolch aus ihren Ärmel. Mit einem Schnitt ritzte sich ihre Handfläche an. Blitzschnell ergriff sie, ohne eine Zusage abzuwarten, die Hand Celenas. Mit festen Griff hielt Isande diese fest, während die Klinge brennend in deren Handballen einschnitt. Jeamys Augen weiteten sich vor Entsetzen.

    Keinen Lidschlag später schlug Isande ein.

    »Somit ist der Pakt mit Blut besiegelt«, verkündete die Freibeuterin.

    * * *

    Die mit Moos verwachsen Gemäuer waren weniger feucht als die Katakomben von Ithnamenas Schwarzfeste. Flackernde Fackeln spendeten zu dem Licht auch ein bisschen Wärme.

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