Geschichten aus der Kleinstadt, Band 6
Von Sigrid Schüler
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Buchvorschau
Geschichten aus der Kleinstadt, Band 6 - Sigrid Schüler
Das liest sich gut
Gerade so hatte ich es geschafft. Der Weg war zwar nicht so schrecklich weit gewesen, aber ich war nicht ganz pünktlich von zu Hause weggekommen. Und dann hatte ich nicht mit dem Güllefass gerechnet, das von einem Schlepper, der nicht mehr ganz jung an Jahren war, vom Feld nach Hause gezogen wurde. Obwohl meinem Auto kein weiteres folgte, hatte der Fahrer nicht abwarten können und war gerade vor mir vom Feld auf die Bundesstraße eingebogen. Ich musste tüchtig bremsen und dann ganze vier Kilometer im Schritttempo hinter ihm herfahren, weil es keine Gelegenheit zum Überholen gab. Ich war nervös, meine Finger trommelten aufs Lenkrad, und immer wieder mahnte ich mich zu Ruhe und Geduld.
Die fangen schon nicht ohne dich an, dachte ich, und schließlich hatte ich noch sieben Minuten Zeit bis zum Veranstaltungsbeginn. Okay, noch zehn Kilometer zu fahren und eine Adresse, die ich nur vage einordnen konnte – es war wirklich knapp. Und auf die Toilette wäre ich vorher auch noch gerne gegangen.
Irgendwann konnte ich dann überholen, und ich hatte tatsächlich das kleine Kulturzentrum des Ortes auf Anhieb gefunden. Ich war nur knappe zwei Minuten zu spät dran. Schnell schnappte ich mir meine Tasche, die ich auf dem Beifahrersitz meines Autos abgestellt hatte und in der sich etwa zwanzig Exemplare meines Buches befanden. Hoffentlich habe ich genug dabei, dachte ich. Mit ein bisschen Glück könnte ich die Bücher heute verkaufen.
Im Eilschritt näherte ich mich dem Eingang, grüßte rasch die beiden Männer, die bei meinem Herannahen wie von Fäden gezogen einen Schritt in die Türöffnung machten und mir den Weg versperrten.
„Drei Euro!", sagte der eine und hielt fordernd die Hand auf.
Toll, dachte ich. Drei Euro Eintritt zahlen die Leute, nur um mich zu hören. Vor zwei Jahren hatte ich ohne Eintritt und Honorar Lesungen gehalten. Mein Marktwert war gestiegen.
„Ich bin die Autorin, die heute Abend hier liest", erklärte ich und versuchte, mich zwischen den beiden Wächtern durchzuquetschen.
Einer schaute auf die Uhr. „Die Veranstaltung hat aber vor fünf Minuten begonnen, also muss die Autorin schon drin sein." Seine Hand hielt er weiter erhoben und geöffnet.
„Also hören Sie mal!", begann ich, aber das war nicht der richtige Ton, denn der Mann gab den Weg immer noch nicht frei und hielt seine Hand noch ein bisschen höher als zuvor. Sein Blick verriet Unnachgiebigkeit. An ihm käme ich nicht vorbei, das war klar. Widerwillig zückte ich mein Portemonnaie und bezahlte, dann ließ er mich durch.
Da kam die Vorsitzende des Kulturzentrums aus dem Vortragsraum.
„Mein Gott noch mal, wo bleibt die denn nur?! Meine Leutchen werden schon unruhig!, schimpfte sie unüberhörbar. Dann sah sie mich. „Ach da sind Sie ja!
Und mit einem strafenden Blick auf die Uhr meinte sie: „Wird ja auch Zeit!"
Ich versuchte es mit einer entschuldigenden Erklärung und wollte sie bitten, mir den Eintritt zu erstatten, aber sie winkte nur ab und sagte ungeduldig: „Nun kommen Sie schon!"
Die Frau schleuste mich direkt zum Vortragsraum, und ehe ich fragen konnte, wo die Toilette war, stand ich schon im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von vierzehn Frauen, die in drei Reihen vor einem provisorischen Pult saßen und mich erwartungsvoll anblickten. Hinten links saß ein einziger Mann, schätzungsweise um die fünfzig, gekleidet mit dunkelrotem Zopfmusterpullover, darüber eine Lederjacke und im Gesicht eine Brille, die ihm nicht nur Autorität verlieh, sondern auch den Anschein gab, einen Überblick über das