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Geschichten aus der Kleinstadt, Band 3
Geschichten aus der Kleinstadt, Band 3
Geschichten aus der Kleinstadt, Band 3
eBook56 Seiten45 Minuten

Geschichten aus der Kleinstadt, Band 3

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Über dieses E-Book

Im Mittelpunkt des Buches stehen humorvolle und nachdenkliche Geschichten über das Leben von Menschen in der Kleinstadt. Es geht um das örtliche Schützenfest aus der Sicht eines Mitglieds der begleitenden Blaskapelle, eine alte Dame mit Demenz, eine Hochzeit in Frankreich sowie eine intensive und tiefe Begegnung zweier Menschen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Nov. 2018
ISBN9783742715838
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    Buchvorschau

    Geschichten aus der Kleinstadt, Band 3 - Sigrid Schüler

    Frauen und Kinder zuerst

    „Beim Marschieren kann dir nichts passieren", sagte Hermann und lachte laut.

    Na ja, dachte ich, ich kann mir vorstellen, dass einem da eine Menge passieren kann. Man kann aus dem Gleichschritt geraten, oder über die eigenen Füße stolpern und dem Vordermann in die Hacken treten. Man kann die Noten verlieren, oder gleich die ganze Marschgabel, die die Noten hält, oder auch gleich das ganze Saxophon mit Marschgabel und Noten. Das kann zum Beispiel hinfallen, man versucht es aufzuheben, und schon hält man den Verkehr auf, der ganze Zug gerät ins Stocken, und dann kommen wir zu spät am Schützenplatz an und das Königsschießen kann erst mit Verspätung beginnen. Und der König kann dann nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit ausgeschossen werden, und am nächsten Tag steht in der Zeitung, dass zum ersten Mal seit dem 123jährigen Bestehen des Rüschendorfer Schützenvereins kein König ermittelt werden konnte, und dass das alles die Schuld der Tenorsaxophonistin ist, die erst seit kurzen im Musikverein mitspielt und noch gar keine Erfahrung hat.

    Hermann musste meine Zweifel bemerkt haben, denn er meinte: „Aller Anfang ist schwer. Halt dich einfach an mich." Er zwinkerte mir aufmunternd zu.

    Na ja, er wird´s wissen, dachte ich, lange genug dabei ist er ja schon. Hermann hatte mir nämlich erzählt, dass er schon seit sieben Jahren im Musikverein spiele. Als Kind habe er ein paar Jahre Unterricht auf der Posaune bekommen, aber das Saxophon habe er für sich erst im Erwachsenenalter entdeckt. „Genau wie du, hatte er gelacht, „nur dass ich schon viel besser klarkomme, weil ich ein paar Jahre mehr Übung habe. Und er fügte hinzu: „Alles eine Frage der Konzentration."

    Mit sehr gemischten Gefühlen sah ich also meiner ersten Teilnahme am Festumzug der Rüschendorfer Schützen entgegen. Unser Musikverein sollte mit zwei weiteren Blasorchestern den Umzug begleiten und anschließend im Zelt für Stimmung sorgen. Alles in allem wären es schätzungsweise hundert Musiker, die Rüschendorf beschallen würden, wurde mir gesagt, und damit stieg meine Hoffnung, in der Masse der Menschen und Instrumente nicht allzu sehr aufzufallen.

    Ein Bus sollte uns und unser Equipment zum Einsatzort bringen. Wir verstauten die sperrigen Koffer mit den Notenständern und dem Schlagzeug im Gepäckraum, und Hermann passte ganz genau auf, dass der Stauraum richtig genutzt wurde. Dann fuhren wir los.

    In Rüschendorf begann dann das Sortieren: Wessen Koffer ist das? Wem gehört der Notenständer? Wer trägt die Pauke? „Wo ist mein Koffer? Mein Koffer ist weg!"

    Das war Hermann. Kreidebleich begann er aufgeregt hin- und herzulaufen und jedes Teil, das wir dem Gepäckraum entnommen hatten, zu begutachten. Meinen Koffer hatte ich schon gefunden, als Hermann plötzlich mit einem Gib-ihn-mir-her-Blick auf mich zusteuerte.

    „Das ist meiner!", protestierte ich, als er danach greifen wollte. Ich wies auf den Aufkleber, mit dem ich meinen Koffer gekennzeichnet hatte. Hermann sah mich verzweifelt an.

    „Ich glaube, das gehört dir!",rief jemand von den Musikerkollegen und schleppte aus dem Fahrgastraum des Busses einen Tenorsaxophonkoffer. Hatte der jetzt wirklich im Gepäckraum keinen Platz gehabt oder hatte sich jemand einen kleinen Scherz erlaubt? Die Frage blieb unbeantwortet, aber Hermann war sehr erleichtert, dass er sein Instrument wiederhatte.

    Im Festzelt bekamen wir eine Ecke zugewiesen, in der wir unsere Instrumente abladen konnten. In aller Eile machten wir uns fertig, denn es sollte sofort losgehen. Wir sollten den Festzug anführen, den König mit seiner Königin abholen und anschließend zum Schützenplatz begleiten. Ich fummelte ein bisschen an der Marschgabel herum, ehe sie so saß, wie sie sollte. Die kleine Mappe mit den vierzig Märschen aus dem deutschsprachigen Raum einschließlich traditioneller Egerländer Blasmusik nahm ich erst mal in die Hand. Vor dem Zelt formierten wir uns in Marschreihen, und ich merkte, dass mein Schnürsenkel am linken Schuh etwas locker war.

    Mir wurde ein Platz in der dritten Reihe zugewiesen. Hermann stand rechts von

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