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Geschichten aus der Kleinstadt, Band 4
Geschichten aus der Kleinstadt, Band 4
Geschichten aus der Kleinstadt, Band 4
eBook57 Seiten45 Minuten

Geschichten aus der Kleinstadt, Band 4

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Über dieses E-Book

Im Mittelpunkt des Buches stehen humorvolle und nachdenkliche Geschichten über das Leben von Menschen in der Kleinstadt. Es geht um die Erinnerungen beim Aussortieren alter Kleider, einen Jungen, dessen Schwester im Krankenhaus liegt, eine Mutter, die ihren Sohn zum Minikickerspiel begleitet und das harte Brot einer freien Journalistin.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Nov. 2018
ISBN9783742715722
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    Buchvorschau

    Geschichten aus der Kleinstadt, Band 4 - Sigrid Schüler

    Ist doch noch gut

    „Hier, probier die mal an. Kann sein, dass sie dir passt."

    Beim Durchsuchen meines Kleiderschrankes nach Entbehrlichem für die Kleidersammlung war ich auf eine Bluse gestoßen, die ich mir vor ein paar Jahren gekauft und nur vier- oder fünfmal getragen hatte. Die Bluse hatte einen richtig schönen Schnitt, war aber bei einer Wäsche eingelaufen und spannte über der Brust. Da ich mich an die Waschanleitung gehalten hatte, wollte ich das zuerst nicht wahrhaben. Ich habe zugenommen, hatte ich gedacht und beschlossen, ein paar Wochen zu warten, ehe ich sie wieder anziehen würde. Als die Bluse mir nach ein paar Monaten wieder in die Finger fiel, war sie knittrig geworden, sodass ich sie erneut in die Waschmaschine steckte, damit ich sie bügeln und dann wieder tragen könnte. Bei der Anprobe musste ich allerdings feststellen, dass ich entweder noch mehr zugenommen hatte oder die Bluse noch weiter eingelaufen war.

    Das Teil war nicht billig gewesen, und deshalb war es mir schwer gefallen, mich einfach so davon zu trennen. Also hatte ich die Bluse sorgsam zusammengefaltet und in den Schrank gelegt. Und jetzt war sie wieder zum Vorschein gekommen.

    „Was ist das?", fragte meine Tochter mit einem misstrauischen Blick.

    „Das ist eine Bluse, die mir ein bisschen zu klein geworden ist. Wirf doch mal einen Blick drauf. Vielleicht gefällt sie dir!"

    Meine Tochter nahm die Bluse mit Daumen und Zeigefingern und hielt sie wie etwas, das ihr auf keinen Fall zu nahe kommen sollte. „Wieso hast du sie aufgehoben?"

    „Na hör mal, das ist ´ne schöne Bluse, und vielleicht findet sich jemand, der kleiner und schlanker ist als ich und der sie tragen kann."

    Wortlos stellte sich meine Tochter neben mich. Sie hielt sich dabei sehr gerade und überragte mich damit um runde fünf Zentimeter. Sie sah auf mich herab. Groß war sie geworden, unsere Kleine.

    „Okay, sie wird dir zu klein sein, gab ich zu. „Ist aber echt schade, das ist nämlich wirklich eine schöne Bluse.

    Der Blick meiner Tochter sprach Bände und erzählte vor allem von der Relativität des Begriffs „schön". Ohne ein weiteres Wort öffnete ich den Plastiksack, in den bereits einige alte Kleidungsstücke gewandert waren, und steckte die Bluse dazu.

    „Mama! Hast du nicht gesehen, wie klein die Bluse ist? Wem soll die denn noch passen?"

    „Na ja, da wird sich jemand finden."

    „Und wer sollte das sein?"

    „Meinst du, die geht wirklich nicht mehr für die Kleidersammlung?"

    Meine Tochter schüttelte energisch den Kopf.

    Ich holte die Bluse wieder aus dem Sack und betrachtete sie wehmütig. Die schöne Bluse sollte in die Mülltonne? Nein, das ging nicht! Wenn schon nicht ich sie tragen konnte, dann sollte sie jemand anderes haben.

    Ich ignorierte den Blick meiner Tochter und stopfte die Bluse zurück in den Kleidersack. Meine Tochter hatte inzwischen ein blaugrünes Strickkleid aus dem Schrank geholt. Es war sehr schlicht geschnitten, hatte aber einem auffälligen Kragen, an dem ein Zierknopf die Blicke auf sich lenkte.

    Ach ja, das Kleid! Ich hatte es damals zu meinem allerersten Fachkongress getragen, zu dem mein Chef mich mitgenommen hatte. Als Nachwuchswissenschaftlerin hatte ich einen Kurzvortrag über eines unserer Forschungsprojekte halten dürfen. Ich war nie ein Kleidertyp gewesen, ich bin es heute noch nicht, aber in diesem Kleid hatte ich mich richtig wohl gefühlt. Es hatte mich damals sehr nervös gemacht, vor gestandenen Wissenschaftlern zu sprechen, aber ich hatte gewusst, dass ich gut angezogen war und hatte mich deshalb ganz auf den Vortrag konzentrieren können. Ich hatte am Ende viel Lob und Anerkennung erfahren, nicht nur von meinem Chef, sondern auch von einigen anderen Wissenschaftlern, die beim Mittagessen mit mir über mein Forschungsprojekt diskutierten.

    „Ist das Kleid von Oma?", fragte meine Tochter.

    „Na hör mal, das ist meins!" Ich war ein bisschen entrüstet. So schlimm, wie meine Tochter behauptete, war die Kleidung

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