Im Gegenlicht: Heinz Sauer: Ein literarisches Portrait
Von Rainer Wieczorek
4/5
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Über dieses E-Book
Dieses Buch, an dessen Entstehung Heinz Sauer selbst mitwirkte, ist auch das Ergebnis langsam gewachsenen gegenseitigen Vertrauens. Es erzählt vom Jazz Sauers und von den Lebensbedingungen, unter denen sich dieser entwickelte. Es lässt sich auch als ein Stück Kulturgeschichte lesen.
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Buchvorschau
Im Gegenlicht - Rainer Wieczorek
Bildnachweise
I
Abgelegtes Werkzeug
»Ist es ein Spiel?«
Danski, den ich seit unserem denkwürdigen Abschied in Pirmasens nicht mehr gesehen hatte, sah mich entgeistert an.
»Man sagt doch immer: Da ›spielt‹ einer – Klavier oder Saxofon –, aber … «
Danski legte den Finger auf den Mund. Das Licht erlosch, und Martin Schneider, der aus einer leeren Stadtkirche einen gut besuchten Kulturtempel gemacht hatte, schritt an das Mikrofon, um die letzte von vielen Hundert Veranstaltungen anzusagen, nach der er sich in den Ruhestand begeben würde: Zwei Musiker kündigte er an, die mit ihren Auftritten in der Stadtkirche den traditionellen Schlusspunkt eines jeden Jazzjahres setzten: »Am Piano: Michael Wollny. Am Tenorsax: Heinz Sauer.«
Die Musiker traten aus der Sakristei heraus, in einen Applaus hinein, der dieses Mal in gleichem Maße ihrem Gastgeber galt.
Sauer und Wollny spielten im Gegensatz zu den anderen Ensembles direkt vor den Kirchenbänken. Sie bevorzugten den langen Hall des Kirchenschiffs, der der Tonbildung des Saxofons entgegenkam, wie beide meinten, sodass nun auch das Publikum auf der Balustrade und in den beiden Seitenschiffen sehen konnte, wenn Wollny sich über die offenen Saiten seines Flügels beugte, während er eine ostinate Bassfigur durchhielt, oder dass Sauer auch noch blies, wenn kein Ton mehr zu hören war.
»Ich war bei allen Konzerten, die sie hier gegeben haben, und kein erster Set glich dem anderen«, sagte ich in der Pause zu Danski. »Es hängt sehr von Sauers Stimmung ab, wie ein solches Konzert läuft. Mal ist er sehr kommunikativ, geht auf im Dialog mit Wollny, gibt, nimmt; aber es gibt auch Abende, an denen Wollny Schwerstarbeit verrichten muss: Ein erstes musikalisches Zuspiel zu Sauer – Sauer nimmt nicht an. Ein zweites folgt nach kurzem Zwischenspiel – Sauer nimmt nicht an. Rhythmuswechsel, Blick zu Sauer, der holt Luft, spielt aber nicht, es scheint nicht zu passen! Wollny übernimmt, spielt eben allein; dann unvermittelt ein Schmerzenslaut auf dem Saxofon, ein Ton, den in dieser Intensität eben nur Heinz Sauer formen kann, und der jetzt ausgespielt, auseinandergenommen, ausbalanciert werden will, um am Ende, in eine gewisse Schwebe gebracht, dem Pianisten sanft überreicht werden zu können.«
»Du schreibst über Sauer?«, fragte Danski in der Pause.
»Ich habe es vor. Und ich wollte dich fragen, ob du mir mit deinen Kenntnissen assistieren würdest?«
Danski sah mir forschend in die Augen. Schließlich hob er sein Rotweinglas: »Das Leben ist voller unergründlicher Wendungen … – Auf gute Zusammenarbeit!«
»Auf gute Zusammenarbeit, lieber Danski!«
»Ist das überhaupt noch Jazz?«, fragte mich Danski, als wir wieder unsere Plätze auf der harten Kirchenbank einnahmen: »Niemand hält konsequent die Time, es swingt nicht, von Groove gar nicht zu reden; Free Jazz aber ist es auch nicht. Wollnys musikalischer Vorrat entstammt zu gewichtigen Teilen der Europäischen Konzertmusik des 19. und 20. Jahrhunderts, nur dass er deren Klang nicht über das Abspielen vorgefertigter Kompositionen erzeugt, sondern ihre Wendungen frei improvisierend aus dem Ärmel schütteln und in atemberaubender Geschwindigkeit miteinander kombinieren, durchbrechen, spiegeln kann. – Dafür, dass es noch Jazz ist, spricht erstens das Merkmal der Improvisation, zweitens Sauers expressive Tongebung, und drittens die Art ihres Zusammenspiels. Auch wenn Sauer sein Spiel zunehmend von allem Ornamentalen befreit, seine Tonfolgen sich karg und schmucklos dem Publikum darbieten, so hört man doch immer wieder musikalische Schatten eines Deep River, eines Chelsea Bridge, eines Come Sunday: die musikalische Sozialisation eines Jazzmusikers eben.«
Die beiden betraten wieder die Bühne: Ein Donnerakkord Wollnys. Ein zarter Wehlaut Sauers. Ich sah Danski triumphierend an, als wäre es meine Musik, die da erklang. War es ja auch. Danski sah das.
Im Grunde war es gleichgültig, welche »Titel« Sauer und Wollny hier spielten; in dieser Phase des Konzerts war es schlichtweg improvisierte Musik. Erst wenn es auf den Schlussapplaus zuging, boten sie dem Publikum wieder »Liedchen«, wie Sauer es mittlerweile nannte. Sie probten auch nicht mehr vor dem Konzert: Alles hatte im Moment stattzufinden, als musikalisches Gespräch zweier Künstler, auf das jetzt, am 2. Dezember 2018 um 21.12 Uhr alles Einfluss nahm und nehmen durfte: die Atemfrequenz der Zuschauer, die Decke des Kirchenschiffes, das Scheppern eines Weinglases.
»Dieses musikalische Jetzt«, sagte Danski später einmal, »ist eine unter Jazzmusikern weitverbreitete Ideologie.« Dieses phänomenale Jetzt beinhalte doch stets die Summe aller musikalischen Fertigkeiten und Erfahrungen, die ein Musiker im Lauf seines Lebens sammeln durfte. Darüber hinaus sei zu beachten, dass ein Musiker in jedem Moment seines Spiels auch ein Wohin kennen müsse und dabei von zuvor gebildeten ästhetischen Vorstellungen, wie im Falle Sauers der kargen Schmucklosigkeit, der Konzentration auf ein Wesentliches, geleitet würde.
Danski konnte lange auf diese Art reden. Mochte er auch oft mit seinen Betrachtungen recht haben, konnte man ihm doch nicht lange zuhören, wenn er auf diese Weise ins Dozieren geriet.
Sauer und Wollny spielten nun There Again, ein Thema des Pianisten.
»Allmählich bereiten sie sich auf den Ausklang vor, bei dem sie ihrem Publikum einige Wiedererkennungseffekte gönnen werden: Von Prince spielen sie Nothing Compares 2 U und abschließend Believe Beleft Below des Jazztrios e.s.t. .«
»Wie begeistert die Leute reagieren, wenn man ihnen nach so viel Abstraktheit ein wohlbekanntes Motiv präsentiert! – Keine Zugabe bei solchem Applaus?«
»Sauer wird in wenigen Wochen sechsundachtzig. Die Leute respektieren das.«
»Sechsundachtzig?« Danski schaute ungläubig.
Wir blieben noch eine ganze Weile auf unserer Kirchenbank sitzen und ließen das Konzert auf uns wirken.
»Wie viel Zuschauer waren heute hier?«
»Vierhundert werden es gewesen sein. Mindestens. Es waren auch schon sechshundert, siebenhundert da. Dann aber lässt der Klang nach. Die vielen Wintermäntel absorbieren einiges von dem Hall,