Pirmasens: Künstlernovelle
Von Rainer Wieczorek
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Über dieses E-Book
"Wir wollen wissen, wie es weitergeht!"
"Das ist eine Frage, die meine Leser beschäftigen sollte, nicht meine Figuren."
"Wir wollen wissen, wie es mit uns weitergeht!"
Danski und Wajaroff, zwei Figuren in der neuen Künstlernovelle von Rainer Wieczorek, treffen in einer stillgelegten Schuhfabrik auf die Zeichnerin Serena Amrein. Während Amreins künstlerische Arbeit immer kräftigere Formen annimmt, handeln die Geschichten, von denen Danski und Wajaroff erzählen, vom Verschwinden: Vom Verschwinden der Burg Waldeck-Festivals, des klassischen John Coltrane-Quartetts, der Schuhproduktion in Pirmasens – das Ende einer Epoche wird spürbar.
Als der Erzähler dem Autor schreibt, so könne es nicht weitergehen, beginnen die Konflikte.
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Buchvorschau
Pirmasens - Rainer Wieczorek
IV
I
Ich hatte ihm bereits einen Anfang geschrieben: Wajaroff und Danski betreten das Atelier. Unschlüssig, was zu tun sei, nehmen sie zwei der drei Stühle, die ich in der Mitte des großen Raums platziert habe, und setzen sich. Serena Amrein tritt ein und setzt sich ebenfalls. Die Drei sehen sich an und schweigen.
Nein, so wolle er das nicht haben, das erinnere ihn an Taboris Beckett-Inszenierungen: »Dieses Atelier befindet sich nicht auf einer Theaterbühne, sondern in einer stillgelegten Schuhfabrik! Pirmasens, Hügelstraße 7. Den Straßennamen hat man am Personaleingang in Stein gemeißelt. Kannste nachprüfen. In einer Fabrik wird sich nicht angeschwiegen, da wird gearbeitet.«
Serena Amrein, fuhr er fort, sei zudem keine Rolle für eine Schauspielerin, sondern sie sei Künstlerin: die gebe es wirklich! Im Übrigen müsse er jetzt nach Besançon und habe keine Zeit mehr für lange Besprechungen.
Nach zwei Jahrzehnten intensiver Zusammenarbeit werde ich doch wissen, wie man »sowas« erzählt, fügt er leise hinzu, bevor er in sein Auto steigt …
… sodass Serena Amrein, als hätte sie ihn gehört, bereits am Arbeiten ist, als ich das zweite Mal in das provisorisch eingerichtete Atelier blicke:
Serena Amrein: GITTER 3 (2016)
Flüssige Pigmentfarbe auf Papier,
50 x 60 cm (Foto: Wolfgang Lukowski)
MIT NASSER FEDER zieht sie Linien, die sich kreuzen, in den altweißen Karton. Ein Minimum an Farbe lässt sie an den Schnittpunkten in die angefeuchteten Spuren laufen. Was aussieht, als zöge es sich zusammen, dehnt sich in Wirklichkeit aus, denkt die Künstlerin und nickt zufrieden: hauchfein – voilà.
Danski und Wajaroff, die im darunterliegenden Stockwerk der ehemaligen Schuhfabrik wohnen, haben das Atelier betreten und begutachten das neue Werk. »gitter drei«, antwortet sie auf Danskis Frage. Auf einem langen Materialtisch liegen bereits gitter eins und zwei.
Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis Danski und Wajaroff zum Atelierfenster gehen, und Amrein einen weiteren Karton auf den großen Werktisch unter das Licht legt. Ein Arbeitstag hat seine Rituale.
»In jeder Stroß’ e Schuhfabrik«, ahmt Danski den Pirmasenser Dialekt nach, als sie sich zu ihrem Stammplatz am Fenster begeben, während Serena Amrein gitter vier konzipiert.
»In der ganzen Stadt hat es früher nach Azeton gerochen, dem Lösungsmittel, das der Sohlenkleber freisetzte und vor allem der Bugzement, der ›Bugsel‹, der für den Oberschuh gebraucht wird.«
»Erinnerst du dich noch an die Lurchi-Hefte?«
»In den Salamander-Schuhen ist es sich gut auszuruhen, lange schallt’s im Walde noch: Salamander lebe hoch!«
»Noch – hoch – ist es sich gut auszuruhen: Na ja.«
»Als Kinder hat uns das nicht gestört.«
»Jetzt stört uns fast alles.«
»Das Salamander-Hauptwerk stand in Kornwestheim, unweit des Neckars, aber seit der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre ließen die zusätzlich in Pirmasens produzieren, in der Teha-Schuhfabrik, bald auch im Benedum-Werk und im Landkreis. Fünfzig Prozent der Schuhe Mitteleuropas kamen zu dieser Zeit aus Pirmasens – bis Anfang der Siebzigerjahre plötzlich Schluss war.«
»Lurchi hieß der Salamander; es gab Mecki, den Igel, und dann so einen Glotzäugigen – wie hieß der noch? «
»Weiß ich nicht mehr. – Gerät ja Vieles in Vergessenheit: Salamander wurde von einem Verwandten Albert Einsteins gegründet. Bis 1933 war die Firma in jüdischer Hand. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Salamander-Schuhe von einem ›Schuhläufer-Kommando‹ getestet, das auf einer 700 Meter langen, mit unterschiedlichen Belägen ausgestatteten Teststrecke mehrmals 40 Kilometer zurücklegen musste. Das Kommando bestand aus Häftlingen des KZs Sachsenhausen. Ab 1943 mussten sie bei den Testläufen zusätzlich Sandsäcke tragen. Wer nicht mithalten konnte, wurde von den Wachen mit Schlägen traktiert. Kaum ein Häftling hielt diese Torturen länger als ein paar Wochen durch.«
»Da klingen Lurchis Verse schon anders. – Wenn aber Salamander erst in den späten Fünfzigerjahren in Pirmasens zu produzieren begann, hatte die ›Schlabbestadt‹ mit dem KZ Sachsenhausen nichts zu tun.«
»In Pirmasens war Rheinberger ein großer Name der Schuhindustrie. Der ließ – wie etliche andere Firmen im Deutschen Reich – auf solche Weise ›Schuhe testen‹. Zeitweise machten sich Vertreter des Hauses Rheinberger sogar an Ort und Stelle ein Bild der Zustände im KZ Sachsenhausen. Die Familie brachte es nach dem Krieg zu einem großen Vermögen.«
»Wann wurde denn unsere Schuhfabrik geschlossen, diese hier?«
»Anfang der Siebzigerjahre, wie die anderen auch. Seitdem kämpfen sie in Pirmasens gegen die Abwanderung. Und als 1997 die amerikanischen Streitkräfte abzogen, gab es für viele Menschen dieser Stadt keine Existenzgrundlage mehr.«
»Hast du eine Idee, warum uns Wieczorek an dieses Fenster stellt?«, fragt Wajaroff.
»Wir sollen uns Pirmasens ansehen.«
»Nur von diesem Fenster aus?«
»So sagte er. Und mit der Arbeit weitermachen. Du mit deinen Wandervögeln und ich mit meiner Coltrane-Analyse.«
»Er will etwas wissen, er sucht.«
»Oder er spinnt.«