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Ein Bruder und eine Schwester
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Ein Bruder und eine Schwester
eBook122 Seiten1 Stunde

Ein Bruder und eine Schwester

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Über dieses E-Book

Im Mittelalter straften nicht nur Richter, jeder Mächtige, ja sogar die Pfarrer hatten das Recht, ihre Mitbürger und Untergebenen wegen den kleinsten Verfehlungen - oder auch nur, weil ihnen etwas nicht passte - in Halseisen zu legen und so öffentlich zu demütigen. Jeder der Herrschenden nahm sich das Recht heraus, seine eigenen Vorstellung von einem sittsamen Leben durchzusetzen. Ihre eigenen Fehler sahen sie dabei nicht.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Aug. 2018
ISBN9783742724373
Ein Bruder und eine Schwester

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    Buchvorschau

    Ein Bruder und eine Schwester - Lotte Gubalke

    Lotte Gubalke

    Ein Bruder und eine Schwester

    Dieses ebook wurde erstellt bei

    Verlagslogo

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Ein Bruder und eine Schwester

    Impressum neobooks

    Ein Bruder und eine Schwester

    Lotte Gubalke

    Ein Bruder

    und

    eine Schwester

    Roman

    Frau Gele von Altenstein stand am Fenster und sah ins Abendrot. Die Hände hielt sie gefaltet gegen die Brust gedrückt. Sie betete in Gedanken, wie es ihre Gewohnheit war, zur Zeit des Sechsuhrläutens ein Vaterunser. War es ihr zur Gewohnheit geworden, so tat sie es dennoch mit Inbrunst. Ihr erschienen diese sieben Bitten wie eine meisterliche Zusammenfassung aller menschlichen Not. Und so oft sie in Gedanken sprach: Und vergib uns unsere Schuld, als auch wir vergeben unsern Schuldigern, wurden ihre blauen Augen dunkler, und heute knirschte sie sogar mit den Zähnen. Gele hatte längst ausgebetet, und die Glockentöne waren verhallt – aber heute vergaß sie Zeit und Weile über den Gedanken, die der Vergangenheit wie der Zukunft galten.

    Der Widerschein der Abendröte verklärte ihr Gesicht und ließ sie jünger erscheinen. –

    »Unsere Schuld – unseren Schuldigern. – Wer ganz frei von Schuld sein könnte. – Wer das Recht hätte, zu richten, zu hassen! Darf der richten, der voll Haß ist?« –

    Ihre gefalteten Hände lösten sich, und die eine lag festgeballt da, wo ihr betrogenes Herz schlug. – In diesem Augenblick wurde es dunkler im Zimmer, weil die Sonne hinter dem Waldrücken verschwand, der die Burg wie eine Mauer von der Welt abschloß. Von der Welt und ihrem wilden Kriegsgetümmel. Aber nicht von dem Leid, das aus Liebe und Haß erwächst.

    Gele lauschte, Schritte kamen über die Diele. Es klopfte. Sie öffnete und fand sich Berlt Eselskopf gegenüber. –

    »Ganz allein bist du, Gele? Ist niemand vom Gesinde daheim? Nicht einmal dein Kaplan Jürgen Kleinhans?« – –

    »Das Gesinde ist im Heu. Der Sommertag ohne Regen will ausgenützt sein, und Jürgen Kleinhans, den du so gern zum Narren hältst und herabdrückst, ist nach Weidelsbach gegangen. Es gibt dort einen Streit aus der Welt zu schaffen, der um eine Kuh und ein Weibsstück entbrannt ist.« – –

    »Es ist leichtsinnig gehandelt, wenn du jeden wehrhaften Mann aus dem Hause schickst. Wer soll dich gegen herumschleichendes Gesindel schützen?« –

    Gele wehrte ab. »Wer soll kommen? Der Altenstein liegt wie in einer Sackgasse. Nicht einmal der Tilly hat ihn aufgespürt. Du lieber Herrgott – was hätte er auch gefunden!« – –

    »Genug, um sein Mütchen zu kühlen.«

    Berlt Eselskopf sah seine Base an und fand sie schöner denn je zuvor, wie sie dastand: groß stolz, leidgeschüttelt und nicht zerbrochen.

    »Und wenn einer käme, Berlt, ich wollte mich schützen.« Sie zeigte auf den Dolch, den sie im Gürtel trug.

    »Den solltest du von heute ab nicht mehr tragen, Gele.«

    »Den trage ich seit fünfzehn Jahren und denke ihn niemals abzulegen. Und wenn ich dir für vieles im Leben zu danken habe, so am meisten für diese Waffe.«

    Sie legte ihre schmale Hand auf den Dolch und sah an Bertl vorbei nachdem Farbenspiel am Himmel und nach den alten Buchen, die auf dem Waldrücken standen, der die Burg gen Abend von der Welt abschied. Berlt folgte ihren Blicken und dachte: Sie will dich nicht ansehen. Laut sagte er: »Wie hätte ich Gott danken wollen, wenn ich etwas Besseres in dein Leben hätte bringen können als diese Waffe.«

    »Ehe du kamst, Berlt, dachte ich an das, was war, und an das, was nun kommen kann. . . . Ich prüfte mich ernstlich, ob ich das Rechte tat.« –

    »Du tatest, was du tun mußtest.« –

    »Ich bin dessen nicht ganz gewiß. Aber ich weiß, daß ich es diesem Dolch verdanke, wenn ich noch lebe. Weil es in meiner Hand lag, mir, wenn ich wollte, den Tod zu geben, wurde ich nicht mutlos oder eine Beute der Verzweiflung. Und diese Wohltat kam von dir, Berlt.«

    »Hätte ich geahnt, als du mir den Dolch abschmeicheltest, wozu du ihn brauchen wolltest, ich hätte ihn nie in deine Hand gegeben. Du sagtest mir damals, du brauchtest ihn zu deiner Verteidigung.« –

    »Ja – zu meiner Verteidigung. Dieser kleine Stahl schließt die Pforte auf, hinter der ich sicher bin vor jeder Beschimpfung.«

    »Gele!«

    »Ach – laß uns schweigen von diesen vergangenen Dingen. Es gibt soviel anderes, was zur Sprache kommen muß – heute noch.«

    Berlt Eselskopf seufzte und sah seine Base bittend an. Wie gerne hätte er heute seine Sache zu Ende gebracht. Wie lange schon lag ihm der Antrag auf der Zunge – und wie schwer kamen die Worte über die Lippen. Er wollte sagen: Komm mit auf den Honstein – sei dort geborgen durch meine Liebe – ich will dich alles vergessen machen, was dein Leben freudlos machte. Aber er sagte stattdessen: »Lege doch den Dolch ab, jetzt, da Hans Heymart zurückkehrt. Was willst du ihm sagen, wenn er fragt, weshalb du in Waffen gehst?«

    Wieder legte Gele die Hand auf den Dolch und sagte: »Ich trenne mich so wenig von diesem Dolch als von einem treuen Freund. Und was ich dem Knaben sagen werde, weiß ich heute noch nicht. – – In meiner Erinnerung lebt ein wilder Knabe – und ist doch in den fünfzehn Jahren zum Manne gereift. – Wenn er so ist, wie ich ihn wünsche – sage ich ihm die Wahrheit. – – Am besten sage ich ihm die Wahrheit auf jeden Fall. Es ist wohl nicht schade um den, der an der Wahrheit zerschellt. Ich bin nicht sicher, ob mein Sohn der Stimme meines Herzens Antwort gibt. Wer weiß, was die Fremde aus ihm gemacht hat.«

    »Warum quälst du dich mit diesen Gedanken? Freue dich auf deines Sohnes Heimkehr. Du bist zu viel allein – du bist noch zu jung, um einsam zu leben. Das wird nun anders werden, wenn Heymart hier ist. – Er war in guten Händen, er wird dir ein guter Sohn sein – und ich bin allezeit dein Freund – wollest über mich und alles, was ich besitze, gebieten.«

    Gele sah Berlt an und wurde bleich. Sie hob abwehrend die Hände. »Bist du so sicher in deiner Meinung, daß Heymart ein guter Sohn sein wird? Wilke von Altenstein war sein Vater!«

    »Und du bist seine Mutter. Versündige dich nicht an ihm durch Mißtrauen.« Er hätte gerne hinzugefügt: Und ich – gelte ich dir nichts? Aber da sie sein Anerbieten überging – schwieg er.

    »Er gleicht seinem Vater – ich sah es oft mit Grauen. Die gerade Nase – den Mund mit den Zähnen, die an ein Wolfsgebiß erinnern – die beim Lachen weiß wie Elfenbein durch den roten, krausen Bart blitzten – und im Ärger die Lippen blutig bissen – das wird jetzt genau so bei ihm sein. – Die Ansätze waren vorhanden. Trotz und Eigenwille waren bei dem Zwölfjährigen schwer zu bändigen.«

    Berlt Eselskopf sagte: »Er gleicht euch beiden. Die Farbe seines Haares ist zwar rot wie die Wilkes, aber Stirn und Kinn ist ihm von deiner Sippe überkommen – und bedenke, er war bei den Binsinger in guten Händen, und im Regiment Eberstein hat er Maß halten lernen. Dort lobte ihn Freund und Gegner, als ich im letzten Herbst im hannoverschen Land war, um wegen seiner Heimkehr zu verhandeln. Und wenn ich ihn auch selbst nicht sah, weil er zum Landgrafen geritten war – nahm ich doch die Gewißheit mit, daß aus dem trotzigen, eigenwilligen Knaben ein starker Mann unter harter Zucht geworden ist.«

    Gele seufzte. »Gott gebe es. Aber gehört nicht die Muttersorge neben die harte Manneszucht? Das linde Streicheln, das wie Morgensonne für eine junge Pflanze ist?«

    »Du sprichst nach Frauenart.« –

    »War es nicht feige von mir, als ich ihn fortgab, daß er mein Elend nicht sähe?«

    »Wenn mich nicht alles täuscht, hat dir das der Kleinhans eingeblasen?«

    »Du hast es erraten. Aber nicht eingeblasen – er sagte mir ganz ohne Umschweife und begegnete damit meinen eigenen Gedanken, daß der Sohn zur Mutter gehöre, bis ihm der Bart wächst. Erst dann gibt sie ihn an die Welt ab, daß er sein eigenes Schicksal erlebe. Ich machte es umgekehrt. Ich rufe ihn heim, da ihm die Heimat zur Fremde geworden ist, und die Fremde ein Teil seines Lebens.«

    »Du solltest diesen Pfaffen entlassen« –

    »Und den Dolch ablegen« –

    »Gewiß – das wäre wohlgetan.«

    »Nein Berlt, ich habe nicht vor, das zu tun.«

    »Also gilt dir mein Wort – mein Rat – und ich dir gar nichts mehr?«

    »Ach Berlt« – Sie hob beschwörend die Hand. Dann ging sie nach der Türe und sagte: »Verzeih, daß ich dir noch keinen Imbiß anbot. Ich will es nun nachholen – und frage nicht, ob du mir etwas giltst – ich kann dir nicht antworten.«

    »Bleibe – ich bin weder durstig noch hungrig. Es hat Zeit, bis die Mägde kommen.«

    Sie schüttelte den Kopf, nahm aus dem Wandschrank einen Korb mit dunkelroten Äpfeln, stellte ihn auf den Tisch am Fenster, an dem sich Berlt niedergelassen hatte.

    »Die behielt ich zurück, als ich heute die letzten aus dem Keller unter das Gesinde verteilte. Prinzenäpfel, wie sie nach alter Sitte zur Heuernte gehören. Komm, nimm einen an. Sie sind saftig,

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