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BUGSTOP: WÄCHTER DER WELT
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eBook277 Seiten3 Stunden

BUGSTOP: WÄCHTER DER WELT

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Über dieses E-Book

"BUGSTOP - Wächter der Welt" ist ein Thriller, der die Verletzbarkeit unserer Welt in eine hoch spannende Handlung kleidet. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität sind bewusst fließend.

>0:00 Uhr … Stillstand<

Weltweit stehen fast alle Autos.
Versorgungsengpässe und Unruhen halten die Menschheit im Würgegriff.

Ohnmächtig stehen die Regierungen der Welt einer gigantischen Erpressung gegenüber. Kanzleramt und Élysée-Palast versuchen gemeinsam, militärische Muskelspiele an den Grenzen Europas zu deeskalieren.

Gleichzeitig folgen die UNO - Agenten Bianca Nielsen, Josef Stern und Pierre Landuc einer Spur in die Schweizer Bergwelt um Saas-Fee. Mächtige Widersacher bedrohen bald ihr Leben.

In Paris setzen derweil Marie Perrin und Anne Lallet alles daran, den Betrieb eines Krankenhauses aufrecht zu halten. Durch einen Zufall werden sie in den tödlichen Sog der Mächtigen hineingezogen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Mai 2019
ISBN9783748541912
BUGSTOP: WÄCHTER DER WELT
Autor

Bernward Salomon

Ich wurde im Bergischen Land geboren. Nach dem abgeschlossenen Studium der Nachrichtentechnik arbeitete ich viele Jahre als Ingenieur und Manager. Schreiben war mein Hobby. Freunde und Familie legten mir 2016 nahe, Bücher zu veröffentlichen. So erschienen spannende, aber dennoch humorvolle Krimis (DER SAUNAMÖRDER, IM AUGE DES MILANS, Tot! Tot? Mausetot) sowie der Action-Thriller BUGSTOP-WÄCHTER DER WELT für Erwachsene. Mir liegt viel daran, Kinder an das Mitmachen und Vorlesen heranzuführen. PETER UND WIND entstand gemeinsam mit meinen Söhnen. MURMELIS ADVENTSKALENDER schrieb ich für meine Enkel.

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    Buchvorschau

    BUGSTOP - Bernward Salomon

    Mitternacht

    Es ist kurz vor Mitternacht. Ein heller Sportwagen durchfährt einen Schweizer Hochtunnel in Richtung Italien. In ihm sitzt ein Paar mittleren Alters, welches sich, trotz der späten Stunde, angeregt unterhält.

    »War das kein herrlicher Tag? Noch nie habe ich eine so beeindruckende Schlucht, wie die Via Mala gesehen. Ich muss jedoch gestehen, dass dieses laut tosende Wasser auch etwas Bedrohliches hat. Ich habe mich immer wieder verunsichert an dem Geländer festgehalten, da ich das Gefühl hatte, von den Wassermassen nach unten gezogen zu werden«, schwärmt die Beifahrerin von jener tiefen Schlucht des Rheins.

    »Ja, mein Schatz, das war wirklich sehr eindrucksvoll. Auch ich war ein wenig zwischen Begeisterung und Vorsicht hin- und hergerissen. … Schau mal, da vorne ist das Tunnelende. In einer halben Stunde werden wir voraussichtlich in Locarno sein.«

    Etwa ein Kilometer hinter dem Sportwagen fährt ein Kühltransporter. Hinter dem Steuer sitzt ein junger Mann mit einer nach hinten gedrehten Schirmmütze, die auch schon einmal bessere Zeiten gesehen haben muss. Der schwere und laute Dieselmotor begleitet das Radio, welches einen rockigen Song in die Eintönigkeit der Nacht spielt. Das Scheinwerferlicht erhellt das schwach ausgeleuchtete Gewölbe vor dem gleichmäßig dröhnenden Gelenkfahrzeug. In der Ferne sind die kleinen roten Rücklichter des Sportwagens zu sehen. Aus dem Armaturenbrett unter dem großen Lenkrad ertönt der stündliche Gong und die weibliche Stimme der akustischen Uhr meldet sich: »Hallo du Nachteule! Es ist gleich Mitternacht. Noch zehn Sekunden und du bist schon wieder in einen neuen Tag gefahren. Fünf, vier, drei, zwei, eins ...«. Die Stimme ist plötzlich nicht mehr zu hören. Zeitgleich erlöschen die Scheinwerfer und das Motorengeräusch verstummt. Der Transporter rollt weiter dem schwach beleuchteten Tunnelende talwärts entgegen.

    »Verdammt! Was ist denn jetzt los?«

    Mit aller Kraft stemmt sich der Fahrer gegen die Bremse, aber das schwere Fahrzeug reagiert kaum. Offensichtlich funktioniert die elektronische Bremshilfe nicht mehr. Schlagartig verspürt er die Schweißperlen, welche unter der Kappe hervortreten, während er vergebens versucht, den Motor erneut zu starten: »Na komm schon du Ungetüm! Mach bloß keinen Mist! Da hinter dem Tunnelausgang kommt eine fallende Linkskurve. Komm schon! Komm schon!«

    Derweil erlöschen auch die Lichter und die Geräusche jenes vorherfahrenden Sportwagens. Die Frau schreit mit sorgenvoller Stimme: »Schatz! Was ist los?«

    »Ich weiß es nicht! Ich versuche den Wagen anzuhalten! Ich kann nichts mehr sehen!«, antwortet ihr Mann hektisch.

    »Bitte Schatz! Stopp!«, schreit seine Beifahrerin von Panik erfasst.

    Mit weit geöffneten Augen versucht er den Wagen auf der nur zu erahnenden Fahrbahn zu halten. Obwohl die Bremskraftverstärker ausgefallen sind, gelingt es ihm, den Wagen mit etwas Glück an der Leitplanke der nächsten Kurve mit einem schier endlosen und hässlichen Schleifgeräusch auf der Beifahrerseite zum Stillstand zu bringen.

    Tief seufzend zieht der Mann die Handbremse, während seine Partnerin ängstlich in der Dunkelheit seine Arme sucht. Der Schreck steckt auch ihm tief in den Gliedern.

    »Es ist Alles OK!«, beginnt er, sie zu beruhigen. »Es ist Alles OK!«

    Durch das zerborstene Fenster der Beifahrerseite hindurch, über die Leitplanke hinweg, schaut die Frau in einen tiefen Abgrund hinunter, der vom Mondlicht schwach erleuchtet wird. Als sie sich etwas gefangen hat, lehnt er sich zurück und schaut auf seiner Seite aus dem Fenster.

    »Oh nein! Schatz, komm aus dem Auto raus! Beeil dich!«, sieht er im Rückspiegel die dunklen Umrisse des unbeleuchteten Transporters vor dem schwach erhellten Hintergrund des Tunnels auf sich zurasen. Er reißt die Tür auf, springt aus dem Wagen und greift heftig nach den Armen seiner Frau, die sich bemüht, über den Fahrersitz nach draußen zu gelangen, da die Beifahrertür an der Leitplanke eingeklemmt ist. Kräftig zerrt der Mann seine Frau über den Fahrersitz, während die Silhouette des Trucks immer größer und größer wird. Nur schemenhaft ist zu erkennen, wie sich die Fahrertür des riesigen Fahrzeuges öffnet und in etwa hundert Meter Entfernung eine Gestalt aus dem Führerhaus springt. Nahezu lautlos werden die Konturen des Geisterfahrzeuges immer bedrohlicher.

    »Los Schatz! Los Schatz!«, reißt er seine hektisch mit den Beinen strampelnde Partnerin über den Sitz, aber ihr Rock bleibt am Schaltknüppel hängen. Ein erneuter kräftiger Ruck und der Rock gibt plötzlich nach. Mit einem lauten »Au« schlagen ihre Knie auf den Asphalt, während er sie mit letzter Kraft an die schützende Innenseite der Kurve schleift.

    Keine Sekunde zu früh. … Das schwere Zugfahrzeug erfasst den Sportwagen und drückt diesen mit einem lauten Knall durch die Leitplanke. Der Aufleger des Kühltransporters schleift mit einem markerschütternden Quietschen an den gerissenen Endstücken der Leitplanke entlang, bis mit einem Mal eine gespenstige Stille einsetzt. Aber nach einigen Sekunden ist viele Meter tiefer ein erstes leichtes Anschlagen an den Fels zu hören und kurz darauf ein heftiger Aufschlag.

    Ängstlich zitternd und mit blutigen Knien umgreift die Frau den Hals ihres Mannes, der ihr soeben das Leben gerettet hat, während sich die humpelnde Gestalt des Truckers den beiden nähert.

    *

    Zur selben Zeit verlassen zwei junge Paare laut lachend eine Diskothek am Berliner Kurfürstendamm. Es ist eine laue Sommernacht. »Det war mal wieder janz schön fetzig heute Abend«, erzählt einer der beiden Männer begeistert.

    Sein Kumpel erwidert ebenfalls euphorisch: »Das kannst du wohl sagen. Nächste Woche sind wir wieder hier.«

    »Hey, schaut mal! Was ist denn da los?«, zeigt eine der beiden jungen Frauen auf die Straße. »Warum stehen all die Autos in beiden Richtungen mitten auf der Straße? Da muss aber etwas Schlimmes passiert sein.«

    »Glaube ich nicht«, entgegnet der größere der beiden Männer. »Sieh doch, die stehen alle so weit auseinander und außerdem ist es so ruhig. Da läuft kein Motor.«

    Die blonde junge Frau, auf deren Schulter sein Arm ruht, zeigt einige hundert Meter die Straße hinauf: »Kiek mal dahinten! Der alte Werbetrabbi versucht im Slalom durch die Reihen zu kommen. Det gibt's ja nicht! Ick gloob, die janzen Blechbüchsen funktionieren nischt mehr und nur die eene olle Gurke klappert noch vor sich hin.«

    »Kommt Mädels, da vorne ist mein neues Spielzeug. Fahren wir auch mal Slalom. Danach schlürfen wir uns bei mir zu Hause noch 'ne Molle!«, zieht ihr Partner sie etwas fester an den Schultern. Er zückt wenige Schritte vor einem feuerroten BMW einen Schlüssel und zielt mit ihm auf das Fahrzeug. Lässig greift er zur Klinke, um die Tür zu öffnen. Aber diese ist noch geschlossen. »Da muss ich wohl falsch gezielt haben«, murmelt er und versucht noch einmal die ferngesteuerte Zentralverriegelung zu öffnen. Aber auch diesmal ohne Erfolg. »Tja, Freunde! Det mit der Molle können wir uns von der Backe schmieren. Ick hab dat Jefühl, uns steht een langer Weg bevor!«, resigniert er.

    UN-SEC

    Monoton dröhnen die Sternmotoren der alten Tante JU. Die ständige Vibration der Sitze gibt Josef ein Gefühl von vertrauter Geborgenheit. Seine Augen blicken aus dem kleinen Fenster in die Weite der Morgendämmerung, hin zu den Spitzen der Kathedrale, die seine Heimatstadt so sehr über die Jahrhunderte prägte. Unter den flauschigen Wolkenfetzen ist der grau glitzernde Rhein zu erkennen, wie er sich ruhig und majestätisch durch die Kölner Bucht hindurchwindet.

    Aus einem angerosteten Lautsprecher ertönt eine Männerstimme. »Wir sind gleich in Köln/Bonn Herr Stern. Die Landebahn ist schon schwach zu erkennen. ... Bitte schnallen sie sich an!«

    Instinktiv greift seine Hand zum Verschluss des Gurtes, um der Anweisung zu folgen. Immer noch in Gedanken aus dem Fenster schauend, ertastet seine Hand, dass er bereits angeschnallt ist. Während dessen schweifen seine Gedanken, getragen von der Ruhe, welche der Weitblick trotz des lauten Motorengeräusches verbreitet. Er ahnt nur, was ihn am Boden erwartet. Die Maschine wird durch die Turbulenzen, die in Bodennähe das Flugzeug erfassen, ein wenig durchgerüttelt. Über die Dächer einer Wohnsiedlung, eine leere Straßenkreuzung, einen großen Park hinweg, schweben sie auf die Landebahn zu, die er durch die geöffnete Cockpittür erkennen kann. Mit einem leichten Ruck berührt die Maschine mit den hinteren Rädern den Boden, neigt sich der Bug nach vorne und setzt ebenfalls auf. Irgendwie wird er hierbei an die Landung des ersten Spaceshuttles erinnert, wo Houston-Texas die Meldung »Touch down« durch den Äther rief. Begleitet von dem Geräusch der Drosselung der Sternmotoren wird er leicht und kurz aus dem Sitz in den Gurt gedrückt. Nach einer kleinen Rollphase bleibt die gute alte JU in der Nähe des Abfertigungsterminals B stehen. Die Motorengeräusche werden leiser und leiser, bis sie schließlich ganz verstummen.

    »So, da wären wir Herr Stern! Willkommen in Köln/Bonn«, ertönt es von vorne. Der Copilot kommt aus dem Cockpit und öffnet mit dem großen Griff die Tür der Maschine. »Sie müssen schon stilecht mit unserer kleinen Nottreppe vorlieb nehmen!«

    Auf dem Rollfeld nähert sich ein weißer VW Käfer mit der blauen Aufschrift UN-SEC. Am Steuer sitzt ein junger Mann mit einem dunkelblauen Barett auf dem Kopf. Unmittelbar vor Josef hält der Wagen an. Der Mann in hellgrauer Uniform steigt aus, geht auf Josef zu und nimmt dessen Koffer. Freundlich bittet er ihn, in den Käfer einzusteigen: »Guten Tag Herr Stern, bitte entschuldigen sie die Unbequemlichkeiten. Leider ist auch unser Fahrzeugpark von den technischen Problemen betroffen. Glücklicher Weise hatten wir noch dieses Museumsschätzchen. Ich hoffe, sie nehmen uns diese Unbequemlichkeiten nicht übel!«

    Der Koffer findet auf der Rückbank des kugeligen Viertakters Platz. Josef fühlt sich angenehm in seine Jugendzeit zurückversetzt, als er mit seinen Freunden und Freundinnen in einem solchen spartanisch ausgerüsteten 34PS - Vehikel von einer Disko zur anderen zog. Airbag, ABS, GPS-Navigationssystem, Servolenkung und Katalysator? Na Ja! Das war halt eine andere Zeit.

    Sie fahren vom Flugfeld auf eine leere Autobahn in Richtung Bonn. Nach etwa einer viertel Stunde passieren sie ein altes und verwittertes Schlösschen auf dem Weg zu einer Rheinbrücke. Es hat etwas Chinesisches, wenn zur werktäglichen Morgenstunde kaum ein Auto zu sehen ist. Klingelnde Fahrräder aller Ausprägungen und Farben sowie Fußgänger prägen das ungewohnte Straßenbild. Von weitem ist der Globus mit dem UNO-Symbol auf dem Hochhaus zu sehen. Dort angekommen, halten sie unter dem großen Vordach des Gebäudeeingangs. Der Fahrer stoppt den Wagen, steigt aus, nimmt  den Koffer  vom Rücksitz und deutet auf den gläsernen Eingang.

    »Könnten sie den Koffer netter Weise auf mein Zimmer bringen. Ich fürchte, ich bin etwas spät dran«, ruft Josef ihm zu und geht in das Hochhaus. Während er die Pforte passiert, grüßt ihn ein Wachmann: »Schön, sie mal wieder hier in Bonn zu sehen, Herr Stern. Ich dachte schon, dass sie nicht kommen würden. Den Aufzug können sie ruhig nehmen, der ist noch schön alt! Auch unsere Notstromdiesel sind herrlich rustikal«.

    Freundlich lächelnd ruft Josef zurück: »Es geht halt nichts über Oldies« und verschwindet im Aufzug. Er drückt auf die Taste »UN-SEC Konferenzsaal«. Langsam bewegt er sich Etage für Etage nach oben, bis ein leiser Gong ertönt und sich die Tür öffnet. Schlagartig wird es lauter. Er schaut in einen großen Vorraum mit Teppichboden und großen Bildern an den Wänden.

    Viele Menschen unterhalten sich im Stehen. »Guten Tag, Herr Stern« oder »Na, wie geht´s dir?«, hört er auf dem Weg zur Garderobe.

    »Hallo!« und »Ganz schöner Schlamassel, was?« oder etwas ähnlich Belangloses entgegnet er. Nachdem er seine Jacke an der Garderobe abgegeben hat, wendet er sich jener doppelflügeligen Tür zu, über welcher in großen Lettern, flankiert von einem Globus und einer weißen Taube: »UNITED NATIONS, EUROPEAN - SECURITY - HEADQUARTER« zu lesen ist. Josef betritt den Raum, in welchem er schon so oft langweiligen und ermüdenden Sitzungen beiwohnen durfte. An den Wänden hängen Flaggen mit den Insignien der Staaten. Der große zweifache Tischkreis mit den schweren gepolsterten Holzstühlen, die Mikrofone an jedem Platz sowie die daneben stehenden Kaltgetränke vermitteln den Eindruck, dass wieder so eine endlose und wenig ergiebige Sitzung  bevorsteht. Aber ...

    »Bon jour Josef«, klopft ihm von hinten eine Hand auf die Schulter. »Endlich mal etwas los hier in diesem Pfadfinderclub.«

    »Schon möglich Pierre, du altes Lästermaul. Ich hoffe, du bist mit von der Partie.«

    Sein Freund Pierre, Pierre Landuc. Was haben die beiden nicht alles gemeinsam erlebt. In Aachen gemeinsam im Audi Max den Vorlesungen ihrer Profs gelauscht, gemeinsam durch Kneipen gezogen, gemeinsam durch die Welt gereist und letztlich beide im UN-SEC.

    »Dann suchen wir uns mal wieder unsere Stammplätze«, fordert ihn Josef auf, ihm zu folgen.

    »Oui, Josef! Aber dieses Mal bitte kein Jückpülver in den Nacken! Bitte!«

    Mit Pierres bretonischem Akzent klingt das so provozierend, dass er es regelrecht bedauert, jenes Pülverchen nicht mitzuhaben, wegen dessen er beinahe von der Physikvorlesung ausgeschlossen worden ist. Sie suchen ihre Sessel, schenken sich Kaltgetränke ein und wechseln noch ein paar belanglose Worte über die alten Zeiten.

    Nach einer Weile ertönt ein schwerer Gong. Langsam werden die letzten Sitzplätze gefüllt und ein Gemurmel erfüllt den ganzen Saal. Als der Gong nach etwa zwei Minuten wieder erklingt und die schwere Eingangstür verschlossen wird, verstummt das allgemeine Gerede. Lediglich einige Kehlen räuspern sich.

    Ein grauhaariger Mitfünfziger in einem dunklen Anzug, welcher unmittelbar vor der Fahne der UNO sitzt, schüttelt eine goldfarbige Tischglocke und ergreift das Wort: »Ladies and Gentlemen, Monsieur Dame, meine Damen und Herren. Für die wenigen Anwesenden, die mich nicht kennen, möchte ich mich vorstellen. Mein Name ist Henry Stoddard und ich leite die UN-SEC Europe, welche sich im Auftrag der UNO-Vollversammlung mit internationalen Fragen der IT-Sicherheit beschäftigt. Ich habe sie zu dieser Sondersitzung eingeladen, um mit ihnen die kritischste Situation seit der Gründung der UN-SEC im Jahre 1999 zu erörtern. Um es vorweg zu sagen, die gesamte technisierte und mit Elektronik gespickte Welt wird erpresst. Der Grad der Erpressung geht so weit, dass damit gerechnet werden muss, dass unsere Gesellschaft zumindest in der derzeitigen Form kurzfristig kollabiert. Um ihnen allen einen Überblick zur Lage zu verschaffen, wird ihnen Franko Pisari den Sachstand darstellen. Herr Pisari leitet den Bereich für besondere Sicherheitsereignisse.«

    Oberhalb der UNO-Flagge öffnet sich ein Vorhang, hinter dem eine blau umrandete Leinwand sichtbar wird. Ein unruhiges Raunen durchfährt den Saal. In fetten roten Lettern wird diagonal über die gesamte Fläche ein kurzes Wort gezeigt. …

    »BUGSTOP«

    Ein schlanker, elegant gekleideter Mittvierziger mit krausem Haar und südländischem Teint ergreift das Wort. »Danke für ihre Überleitung Mr. Stoddard und buongiorno an sie alle, wenn man überhaupt von einem guten Tag reden kann.

    Der eine oder andere von ihnen kennt die Geschichte aus den Anfängen der Datenverarbeitung, als die Rechner mittels elektromechanischer Relais betrieben wurden und gewöhnliche Hauswanzen - englisch Bugs - zwischen die mechanischen Kontakte der Relais gelangten, wodurch die Rechner außer Funktion gesetzt wurden. Seit dieser Zeit werden Fehler in Programmen Bugs genannt. Mit einem solchen Fehler, wenn auch vorsätzlich eingebaut, haben wir es heute zu tun.

    In den vergangenen Jahren wurde die Chipfertigung und Softwareerstellung aufgrund der enormen damit verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen weltweit standardisiert und zentralisiert. Immer weniger Firmen und Konsortien waren in der Lage, den globalen Wettbewerbsbedingungen standzuhalten. Dadurch werden bestimmte Massenprodukte von nur noch wenigen Firmen hergestellt. Der hohe Bedarf zur Miniaturisierung führte während dessen dazu, dass Programme mit einer Größe von hunderten Megabyte in Chips fest verdrahtet  wurden. Der derzeit am weitesten verbreitete Chip ist der SA-PX, welcher von der Fa. S.I.C. entwickelt und lizenziert wurde. Dieser universell verwendbare Ein-/Ausgabebaustein befindet sich in vier von fünf elektronischen Geräten, welche in den letzten Jahren auf den Weltmarkt gekommen sind. Der SA-PX wird in Waschmaschinen, Fernsehern, Telefonen und PC genauso verwendet, wie in Flugnavigationssystemen, medizinischen Geräten oder Prozesssteuerungssystemen. Um das Thema besser zu verstehen, muss ich ihnen einige technische Details zumuten. Ich werde mich bemühen, diese auch für technische Laien verständlich zu machen.

    Der SA-PX verbindet die diversen Prozessoren und Baugruppen der elektronischen Schaltungen mit der Außenwelt. Einfach gesprochen ist der SA-PX der Pförtner eines jeden Computers. Er prüft und entscheidet, was den Computer betritt und verlässt. Und wenn das Ergebnis nicht passt, sorgt er dafür, dass es passt.

    Bitte entschuldigen sie den sehr einfachen bildhaften Vergleich. Der SA-PX beinhaltet etwa zwei Millionen Lines of Code. Ein besonderes Leistungsmerkmal dieses universellen Chips besteht darin, dass er, falls gewünscht, selbstständig zeitgesteuerte Operationen durchführen kann. Die erforderliche Programmierung erfolgt durch externe Verschlüsselungssysteme, von denen die Ergebnisparameter und -daten funkgesteuert oder mittels des Internets auf die SA-PX heruntergeladen werden. Damit hierbei auch nachträglich keine versehentlichen oder vorsätzlichen Fehler entstehen, werden die Parameter und Daten mit einem hoch sicheren Verschlüsselungsverfahren, dem SIC-KEY 01 übertragen. Mehrere Milliarden SA-PX sind auf dem Weltmarkt im Umlauf. Für den Chip wurden branchenspezifische Teilserien für die Medizintechnik, die Unterhaltungselektronik, den Anlagenbau und 20 weitere Branchen entwickelt. Gerade die Zeitsteuerung und die extrem sichere Verschlüsselung bringen uns heute an den Rand des weltweiten Technologiekollapses.

    Einige kriminelle Softwareentwickler der S.I.C. haben in den zwei Millionen Lines of Code unbemerkt Manipulationen vorgenommen.

    Gestern, genauer gesagt um 0.00 Uhr Paris Time, trat im für die Kraftfahrzeugindustrie vorgefertigten SA-PX eine Funktionsstörung auf, die dazu führte, dass weltweit alle Fahrzeuge, in denen dieser Baustein eingesetzt wurde, schlicht und ergreifend stehen blieben. Die Folgen sind, wie sie wissen, verheerend. Bereits binnen des erstem Tages wird die Anzahl der Todesfälle in Folge der Störung auf viele Tausend Personen geschätzt, weil Rettungsfahrzeuge nicht fahren, Brände nicht gelöscht werden können oder bei Verbrechen nicht rechtzeitig Polizei verfügbar ist«, beendet Franko Pisari seine ersten Ausführungen.

    Im Saal ist es nach einem allgemeinen Raunen absolut still. Die Gesichter der Zuhörer sind betroffen.

    »Millionen von Pendlern sitzen weltweit entweder zu Hause, unterwegs oder an ihren Arbeitsstellen fest. Lediglich die schienengebundenen elektrischen Fahrzeuge verkehren noch. Falls in den nächsten Tagen keine Lösung des Problems gefunden wird, versinken insbesondere die Ballungszentren im Chaos. Die Nahrungsmittelversorgung und Entsorgung in den Städten kann ansonsten nicht mehr sichergestellt werden. Zur Sicherheit wurde der weltweite Flugverkehr eingestellt«, blickt Franko Pisari zu Henry Stoddard. Mit tief betroffener Stimme beendet er seinen Vortrag: »Und das ist noch nicht alles. Mr. Stoddard wird ihnen weiter berichten.«

    Es kommt große Unruhe im Saal auf. Aufgeregt wechseln Worte unter den Sitznachbarn.

    Erneut ertönt die Tischglocke des Sitzungspräsidenten: »Meine Damen und Herren, Ruhe bitte!«

    Die Stimmen werden wieder leiser und gespannte Gesichter wenden sich Mr. Stoddard zu, der das Wort ergreift: »Etwa zeitgleich zu dem Stillstand erhielten fast alle Regierungen der Erde eine Nachricht. In dieser wurde erklärt, dass der Fehler kein Zufall ist, sondern die erste Stufe einer ungeheuerlichen Erpressung darstellt. Mit einem Zeitversatz werden weitere Branchen betroffen sein. Welche Branche als nächste betroffen sein wird, wurde nicht benannt. ...«

    »Herr Stern!«, flüstert eine Frauenstimme Josef ins Ohr, während eine Hand ihm von hinten auf die Schulter tippt. »Könnten sie und Herr Landuc bitte mit mir kommen.« Seine Augen sehen eine junge blondhaarige Frau mit einem geflochtenen Zopf und einer eleganten, silbern gefassten Brille.

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