Karl Marx – Die letzten Jahre: Abgesang auf einen Propheten
Von Walter Brendel
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Über dieses E-Book
Es geht bei einem Buch über Karl Marx nicht um Pointen, die Lösung eines Kriminalfalls oder die Entdeckung einer Weltneuheit. Es geht darum, wie Bilder über Marx und sein Werk entstehen, wie sie neu geformt und politisch gerastert werden. Es geht um Zugänge zur Figur und was sie ausmacht.
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Buchvorschau
Karl Marx – Die letzten Jahre - Walter Brendel
Einführung
Karl Marx ist einer der umstrittensten Autoren der Weltgeschichte. Verflucht und gehasst, geliebt und verehrt. Im 20. Jahrhundert war mehr als ein Drittel der Menschheit Regimen ausgesetzt, die sich auf ihn beriefen - und zumeist scheiterten. Seine scharfsichtigen Analysen scheinen gerade in Zeiten epidemischer Finanz- und Wirtschaftskrisen aktueller denn je. Ausgehend von den wenig bekannten Reisen in Marx' letztem Lebensjahr nach Algier, Monte Carlo und Paris, zeigt ihn die Dokumentation, teilweise aus der Sicht seiner jüngsten Tochter Eleanor.
Es geht bei einem Buch über Karl Marx nicht um Pointen, die Lösung eines Kriminalfalls oder die Entdeckung einer Weltneuheit. Es geht darum, wie Bilder über Marx und sein Werk entstehen, wie sie neu geformt und politisch gerastert werden. Es geht um Zugänge zur Figur und was sie ausmacht.
Es geht auch um die Familie des Mannes, der Hegel vom Kopf wieder auf die Füße stellte und dem Kommunistischen Manifest literarischen Furor verlieh: um den Tod seiner vier Kinder und der Ehefrau. Den immerwährenden Vorwurf, Marx habe sich mehr um seine Studien und die Politik gekümmert als um die Seinen. Die Armut im Exil, die ständigen Geldsorgen. Und trotzdem habe Marx Bedienstete und eine Geliebte gehabt – was auch immer damit suggeriert werden soll.
Die fortwährende Aktualität des Alten aus Trier, seiner Analysen, seiner Kritik, seiner ganzen Denkart zu betonen, erfährt man darüber anhand seiner Schriften, die uns bis heute bewegen sollten.
Ausbeutung ist keine Abweichung von der Normalität, sie drückt sich nicht nur in besonders schlimmen Arbeitsverhältnissen aus. Marx sah darin vielmehr ein grundlegendes Feature des Kapitalismus, etwas, das man nicht einfach löschen, dabei aber das ganze Betriebssystem behalten kann.
Marx wusste sehr wohl um die enorm progressive Kraft, mit der kapitalistische Verhältnisse die Welt, in der sie sich ausbreiteten, zivilisierten, ja demokratisierten. Und doch sah er auch den stummen Zwang
der ökonomischen Verhältnisse, der sich gerade dort noch wirkungsvoller entfalten kann, wo Freiheit und Gleichheit der Bürger respektiert sind, wenn der alte Marx seiner Eleanor gesteht, einst an der Börse spekuliert zu haben. Gegen den Vorwurf, es handele sich um Blutgeld
, verteidigt er sich mit den Worten, Geld sei weder gut noch böse, es ist nur völlig ungleich verteilt
.
Nein, Marx sah Geld vor allem als soziales Verhältnis, etwas, das im Kapitalismus den Waren erst ihren gesellschaftlichen Charakter verleiht. Für Marx erschien die Verteilungsfrage deshalb auch nicht – wie heute so oft – als eine der gesellschaftlichen Moral, die man mit dem Wohlverhalten reicher Leute beantworten könnte.
Marx wäre hier eher mit Brecht gut verstanden, der 1934 dichtete: Reicher Mann und armer Mann standen da und sah'n sich an / Und der arme sagte bleich, wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.
Selbst wenn alle es besser wollten, gerechter, wohliger – das war der Punkt, den Marx gemacht hatte –, werde der Kapitalismus die Verhältnisse aus sich hervorbringen, die Engels damals in der Lage der arbeitenden Klasse